Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 4175/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1239/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Februar 2012 wie folgt abgeändert:
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. September 2010 wird aufgehoben, soweit hierin die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. - 26. Januar 2009 zurückgenommen worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Zurücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 30.12.2008 und die geltend gemachte Erstattung in der Zeit vom 27.01.2009 - 14.10.2009 zu Unrecht erbrachter Leistungen i.H.v. insg. 9.379,57 EUR.
Die am 26.03.1959 geborene, verheiratete Klägerin, die vier Kinder hat, war ab 01.04.1999 beim Evangelischen A.haus, B., als Köchin beschäftigt. Nachdem der Arbeitgeber unter dem 19.12.2008 das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, meldete sich die Klägerin am 23.12.2008 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im förmlichen Antrag gab sie unter dem 12.01.2008 (ausschließlich) an, eine Nebenbeschäftigung bei der evangelischen Kirchengemeinde C. in einem zeitlichen Umfang von 7,5 Stunden wöchentlich auszuüben, für die sie monatlich 344,- EUR (netto) erhalte. Mit Bescheid vom 09.02.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Arbeitslosengeld für 360 Kalendertage ab dem 24.03.2009 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 29,35 EUR. Sie legte hierbei ein tägliches Bemessungsentgelt von 66,89 EUR, die Lohnsteuerklasse IV, die Lohnsteuertabelle für das Jahr 2008 und den erhöhten Leistungssatz von 67 % zu Grunde. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2009 den Eintritt einer Sperrzeit vom 30.12.2008 - 23.03.2009 festgestellt hatte, dem hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 23.04.2009 abgeholfen wurde, die Beklagte ferner die Leistungsgewährung vom 01. - 26.01.2009 mit Bescheid vom 04.08.2009 wegen des Erhalts einer Entlassungsentschädigung (3.900,- EUR nach einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 15.05.2009) aufgehoben hat (Widerspruchsbescheid vom 15.09.2009), bewilligte die Beklagte der Klägerin (zuletzt) mit Änderungsbescheid vom 29.06.2009 Arbeitslosengeld ab dem 27.01.2009. Für die Zeit vom 27. - 31.01.2009 bewilligte die Beklagte 29,35 EUR täglich, für die Zeit vom 01.02. - 31.12.2009 26,82 EUR täglich und für die Zeit vom 01. - 25.01.2010 29,05 EUR täglich. In diesem Umfang bezog die Klägerin sodann Arbeitslosengeld bis zum 14.10.2009.
Mit Veränderungsmitteilung vom 07.08.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ab dem 15.10.2009 eine selbständige Tätigkeit aufnehmen werde, deren zeitlichen Umfang 15 Stunden wöchentlich und mehr umfassen solle. Im Rahmen des Verfahrens um die Gewährung eines Gründungszuschusses für diese Tätigkeit gab die Klägerin im förmlichen Antragsformular an, die selbständige Tätigkeit bereits seit 2003 im Nebenerwerb ausgeübt zu haben. In der von ihr vorgelegten Gewerbeummeldung ist hierzu angeführt, dass mit dem 15.10.2009 der Neben- zum Haupterwerb werde. Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06.10. und vom 11.11.2009 zunächst fruchtlos aufgefordert hatte, ihre Einnahmen für die Zeit vom 01.01. - 14.10.2009 zu beziffern, forderte sie die Klägerin mit Schreiben vom 02.03.2010 zwecks Prüfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auf, u.a. Nachweise über die Einnahmen und Ausgaben für die Zeit von 01.01. - 14.10.2009 vorzulegen. Ferner sollten von der Klägerin die wöchentlich geleisteten Arbeitszeiten im Zeitraum vom 30.12.2008 - 14.10.2009 aufgelistet werden ("Bitte listen Sie auch Ihre wöchentlich geleistete Arbeitszeit [ ...] auf"). Unter dem 12.03.2010 legte die Klägerin sodann eine Aufstellung vor, in der die "wöchentlich geleistete Arbeitszeit" für Dezember 2008 mit 9 Stunden, für Januar 2009 mit 7,5 Stunden, für Februar 2009 mit 6 Stunden, für März 2009 mit 8,5 Stunden, für April 2009 mit 4 Stunden, für Mai 2009 mit 9,5 Stunden, für Juni 2009 mit 8,5 Stunden, für Juli 2009 mit 1,5 Stunden, für August 2009 mit 9,5 Stunden, für September 2009 mit 8,5 Stunden und für Oktober 2009 mit 11,5 Stunden beziffert wurde. Die Klägerin legte ferner Aufstellungen zu den Gewinnen und Verlusten aus der selbstständigen Tätigkeit nebst Belegen hierfür (erteilte Rechnungen und Belegen für Ausgaben) und den Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2007 vor. Hinsichtlich des Inhalts der Belege wird auf Bl. 175 - 192 der Verwaltungsakte der Beklagten und den Zusatzband zur Verwaltungsakte verwiesen. Mit Schreiben vom 09.04.2010 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass die Verfügbarkeit aufgrund einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden weggefallen sei. Die Klägerin trat dem anwaltlich vertreten (Schriftsatz vom 09.07.2010) mit der Begründung entgegen, es sei zwar zutreffend, dass sie für die evangelische Kirchengemeinde C. im Umfang von 7,5 Stunden wöchentlich tätig sei, insg. belaufe sich die Arbeitszeit aus beiden Tätigkeiten aber nicht auf insg. 15 Stunden wöchentlich. Der betriebene Partyservice sei ein Hobby der Eheleute, wie sich daran zeige, dass im Jahr 2007 bei einem Wareneinsatz von 5.608,89 EUR nur ein Gewinn von 162,72 EUR erwirtschaftet worden sei. Auch die Aufstellung der Arbeitszeiten rechtfertige eine Leistungsaufhebung nicht, da sich hieraus nur eine wöchentliche Arbeitszeit von 15,09 Stunden errechne, eine geringe Überschreitung des zulässigen zeitlichen Aufwands sei unschädlich. Im Übrigen weise die vorgelegte Auflistung der Arbeitszeit den gesamten Zeitaufwand für den Partyservice aus. Insofern sei jedoch zu berücksichtigen, dass sowohl ihr Mann als gelernter Koch als auch die jüngste Tochter mitgearbeitet hätten. Diese Zeiten könnten ihr nicht entgegen gehalten werden. Richtigerweise sei für die Klägerin der hälftige Zeitaufwand der benannten Arbeitszeit anzusetzen. Mit Bescheid vom 15.07.2010 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab dem 30.12.2008 ganz auf und forderte das in der Zeit vom 27.01. -14.10.2009 gewährte Arbeitslosengeld i.H.v. 6.994,45 EUR sowie 2.385,12 EUR für die getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, d.h. insg. 9.379,57 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin übe eine Nebentätigkeit bei der evangelischen Kirchengemeinde C. sowie eine selbstständige Tätigkeit aus. Der zeitliche Umfang beider Tätigkeiten betrage zusammen mindestens 15 Stunden wöchentlich. Die Klägerin sei deswegen nicht arbeitslos gewesen und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Sie habe im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 23.12.2008 jedenfalls grob fahrlässig falsche Angaben gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Auch hätte der Klägerin bekannt sein müssen, dass die Leistungsbewilligung fehlerhaft war, weil das ihr ausgehändigte Merkblatt insofern eindeutige Hinweise beinhalte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die Erstattungsforderung beträfe das in der Zeit vom 27.01. - 14.10.2009 bezogene Arbeitslosengeld i.H.v. 6.994,45 EUR, das von ihr nach § 50 SGB X zu erstatten sei.
Den hiergegen am 05.08.2010 eingelegten Widerspruch, zu dessen Begründung auf den Schriftsatz vom 09.07.2010 verwiesen wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2010 als unbegründet zurück. Es sei, so die Beklagte, davon auszugehen, dass die Arbeitszeit beider Tätigkeiten die 15 Stunden Grenze übersteige. Die Klägerin habe in der Auflistung ihre persönliche Arbeitszeit angeführt. Der abweichende Vortrag, die Aufstellung beträfe den gesamten Zeitaufwand aller tätigen Personen überzeuge nicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.10.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, sie sei durchgängig arbeitslos gewesen; die ausgeübten Tätigkeiten hätten eine Beanspruchung von 15 Stunden wöchentlich nicht erfordert. Der Partyservice sei insgesamt ca. 5 Stunden wöchentlich betrieben worden. Ihr Ehemann und ihre Tochter hätten in erheblichem Ausmaß mitgeholfen. Aus dem erzielten Umsatz werde ersichtlich, dass kaum Gewinn erwirtschaftet worden sei. Die Tätigkeit sei eher ein gemeinsames Hobby der Eheleute gewesen; Gewinnerzielungsabsicht könne erst nach der Anmeldung angenommen werden. Auch habe sie keine falschen Angaben gemacht, da die vorgelegte Aufstellung den Gesamtaufwand zutreffend wiedergebe. Ferner sei die Aufhebung ermessensfehlerhaft. Anhand der Buchhaltungsunterlagen sei zu prüfen, ob der von der Beklagten angenommene zeitliche Rahmen überhaupt realistisch sei. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat daran festgehalten, dass der klägerische Vortrag, die benannte zeitliche Inanspruchnahme beträfe die gesamte Familie, nicht glaubhaft sei.
Mit Urteil vom 08.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Aufhebung der Leistungsbewilligung sei von § 45 SGB X gedeckt. Die Bewilligung des Arbeitslosengeldes sei rechtswidrig gewesen. Dieses werde nur gezahlt, wenn der Arbeitnehmer arbeitslos sei. Dies setze voraus, dass keine Tätigkeit von 15 Stunden wöchentlich oder mehr ausgeübt werde. Unter Berücksichtigung aller Umstände spräche, so das SG unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten, mehr dafür, dass die Klägerin insg. durch die selbstständige Tätigkeit und die Nebentätigkeit für die evangelische Kirchengemeinde 15 Stunden wöchentlich und mehr beansprucht worden sei. Die Einlassung der Klägerin, sie habe den Haus- und Partyservice nur als Hobby ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt, sei nicht glaubhaft. Es lägen keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass es an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Das Gewerbe sei bereits seit 2003 betrieben worden, woraus die Nachhaltigkeit der Tätigkeit ersichtlich werde. Nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 habe die Klägerin gewerbliche Einkünfte erzielt. Schließlich zeige auch die aufwendige Gestaltung der Abrechnungen des Haus- und Partyservices, dass das Gewerbe nicht nur in einem geringfügigen Umfang betrieben worden sei. Die Klägerin selbst habe im Verwaltungsverfahren eine Aufstellung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit für den Haus- und Partyservice vorgelegt. Hieran müsse sich die Klägerin nach dem Rechtsgedanken des § 33a Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) messen lassen. Die Klägerin habe bei der Beantragung von Arbeitslosengeld in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht; sie habe die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht mitgeteilt.
Gegen das am 27.02.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.03.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, ein Rückgriff auf § 33a SGB I sei unzulässig. Auch eine Umkehr der Beweislast sei nicht möglich, da es bereits zweifelhaft sei, ob überhaupt eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Die Beklagte habe kein Ermessen ausgeübt. Die Grenze von 15 Stunden wöchentlich sei überdies allenfalls geringfügig und jedenfalls nicht durchgehend überschritten worden. Sie, die Klägerin, sei bei der Vorlage der Aufstellung davon ausgegangen, dass Arbeitszeit für den gesamten Betrieb abgefragt sei. Konkretisierend hat die Klägerin vorgebracht, der Partyservice habe im Januar 2009 nur drei Aufträge zu bearbeiten gehabt, für die insg. 6,33 Std wöchentlich erforderlich gewesen seien. Hiervon seien 3 Stunden von der Klägerin verrichtet worden. Im Februar 2009 habe ihre, der Klägerin, Arbeitszeit 2,55 Stunden wöchentlich betragen. Im März 2009 seien 4,11 Stunden wöchentlich bei einem Gesamtaufwand von insg. 30,5 Stunden auf die Klägerin entfallen. Im April 2009 sei sie insg. 10,5 Stunden für den Partyservice tätig geworden. Hieraus werde deutlich, dass die 15 Stunden Grenze nicht überschritten worden sei. Auch sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen, die Speisen zuzubereiten, weswegen ein Großteil des Zeitaufwandes naturgemäß dem als Koch ausgebildeten Ehegatten oblägen hätte.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. September 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und den aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Wiederholend trägt sie vor, die Angaben der Klägerin zum Umfang ihrer Tätigkeit seien nicht glaubhaft. Im Übrigen sei die Klägerin zuletzt als Küchenleiterin beschäftigt gewesen, weswegen sie in der Lage gewesen sei, die auszuliefernden Speisen zuzubereiten.
Der Berichterstatter des Senats hat anlässlich eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 27.11.2013 die Klägerin persönlich angehört. Diese hat angegeben, ihre Aufgabe beim Betrieb des Partyservices habe darin bestanden, die kalten Speisen und teilweise auch die Desserts zuzubereiten sowie teilweise die Einkäufe zu erledigen. Ihr Ehegatte sei im streitgegenständlichen Zeitraum von seinem Arbeitgeber freigestellt gewesen. Im Termin vom 27.11.2013 wurde ferner der Ehegatte der Klägerin, Hr. Joachim Triller, als Zeuge einvernommen. Dieser hat ausgesagt, der Partyservice werde dem Grunde nach bereits seit ca. 35 Jahren betrieben. Seit ca. drei Jahren sei er dort als Koch sozialversicherungspflichtig angestellt. Derzeit seien weitere acht bis zehn Mitarbeiter auf geringfügiger Basis für den Partyservice tätig. Im Mai 2011 sei eine Räumlichkeit für den Partyservice angemietet worden. Der Gedanke an einen existenzsichernden Umfang der Tätigkeit sei im Jahr 2009 aufgekommen. In der Zeit von Januar bis Oktober 2009 habe er ca. drei bis vier Stunden wöchentlich für den Partyservice gearbeitet. Seine Ehefrau sei in gleichem Umfang tätig gewesen. Hinsichtlich der weiteren Inhalte der Aussage des Zeugen wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 27.11.2013 verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 22.01.2014 hat die Klägerin, mit solchem vom 27.01.2014 die Beklagte mitgeteilt, dass das bereits im Erörterungstermin vom 27.11.2013 erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung fort gilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für die Klägerin geführten Verwaltungsakten, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig.
Die Berufung der Klägerin ist nur in einem geringen Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2010 ist rechtswidrig, soweit mit ihm auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 zurückgenommen wurde. Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden.
Das SG hat die Klage weitestgehend zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2010 ist rechtmäßig, soweit mit ihm die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den 30. und 31.12.2008 sowie ab dem 27.01.2009 (bis zum 14.10.2009) zurückgenommen und Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen für die Zeit vom 27.01. - 14.10.2009 geltend gemacht wurden.
Im System der Korrekturvorschriften der §§ 44 ff SGB X werden von der Regelung des § 45 SGB X fehlerhafte Verwaltungsakte erfasst, die bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren. § 48 SGB X ist hingegen die einschlägige Korrekturnorm, wenn erst die Veränderung vom Umständen nach Erlass eines Verwaltungsaktes (mit Dauerwirkung) eine Diskrepanz zur materiellen Rechtslage herbeiführt. Da der Bescheid, mit dem der Klägerin (zuletzt) Arbeitslosengeld bewilligt wurde, auf den 29.06.2009 datiert, die Korrektur dieses Bescheides vor dem Hintergrund der fehlenden Arbeitslosigkeit der Klägerin ab dem Beginn des Leistungsbezuges, erfolgt, findet die Korrektur des Bewilligungsbescheides ihre rechtliche Grundlage in § 45 Abs. 1 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Rechtswidrig ist der Verwaltungsakt, wenn er unter Verletzung geltenden Rechts zustande gekommen ist. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach dem für die Leistung im streitgegenständlichen Rücknahmezeitraum maßgeblichen materiellen Recht (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13.09.2006 - B 11a AL 19/06 R - veröffentlicht in juris).
Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I 2848) (SGB III a.F.) hatten Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld. Voraussetzung hierfür war gemäß § 118 Abs. 1 SGB III a.F., dass die Arbeitnehmer arbeitslos waren (Nr.1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben (Nr.2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr.3). Zwar hatte sich die Klägerin ab dem 30.12.2008 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und auch die Anwartschaftszeit erfüllt, es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ab dem 30.12.2008 beschäftigungslos und damit arbeitslos i.S.d. § 119 Abs. 1 SGB III a.F. gewesen ist. Arbeitslos war ein Arbeitnehmer nach § 119 Abs. 1 SGB III a.F., der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit (Nr.1)), sich bemühte, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen (Nr.2)) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (Verfügbarkeit (Nr.3)). Die Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schloss die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst (§ 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F.); gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten waren nach § 119 Abs. 3 Satz 2 SGB III a.F. zusammenzurechnen.
Grundsätzlich trifft im Falle der Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 45 SGB X den Leistungsträger, die Beklagte, die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides. Ergibt sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnende Vorgänge nicht (vollständig) aufklärbar sind, so geht dies zu dessen Lasten. Insbesondere kann sich dabei eine dem Arbeitslosen anzulastende Beweisnähe daraus ergeben, dass er durch Unterlassung von Angaben im Zusammenhang mit den Antragstellungen eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht hat (vgl. zu alledem BSG, Urteile vom 13.09.2006 - B 11a AL 19/06 R - und - B 11a AL 13/06 R - jew. veröffentlicht in juris). Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Versichertengemeinschaft einerseits und des Arbeitslosen andererseits ist es ohne weiteres angemessen, die materielle Beweislast für die Nichterweislichkeit von Anspruchsvoraussetzungen nicht nur im Rahmen der Leistungsbewilligung, sondern jedenfalls dann auch im Rahmen der Zurücknahme derselben der Sphäre des Arbeitslosen zuzuweisen, wenn dieser die Beweisnot selbst herbeigeführt hat. Ob die Klägerin die 15 Stunden- Grenze des § 119 Abs. 3 SGB III a.F. tatsächlich überschritten hat, ist auch nach Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten - die buchhalterischen Unterlagen sind aktenkundig, die Klägerin wurde persönlich angehört und der Ehegatte der Klägerin wurde als Zeuge einvernommen - nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt. Da dieser Umstand der Sphäre der Klägerin zuzuordnen ist und diese durch ihre unvollständigen Angaben im Rahmen der Beantragung von Arbeitslosengeld - sie hat nicht mitgeteilt, dass sie eine selbstständige Tätigkeit ausübt - eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts verunmöglicht hat, tritt vorliegend eine Beweislastumkehr zu Lasten der Klägerin ein.
Zwar ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin wöchentlich 7,5 Stunden für die evangelische Kirchgemeinde C. tätig war, was zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit steht, ob jedoch der selbstständige Betrieb eines Partyservices eine zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin von mindestens weiteren 7,5 Stunden erfordert hat, ist nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit belegt. Für eine zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin in mindestens diesem Umfang sprechen für den Senat zahlreiche Umstände: So hat die Klägerin auf die unmissverständliche Anfrage der Beklagten zur Auflistung "Ihrer", der Klägerin, Arbeitszeiten, unter dem 12.03.2010 eine Aufstellung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit vorgelegt, die für weite Teile des streitbefangenen Zeitraums eine wöchentliche Beschäftigung von mehr als 7,5 Stunden ausweist. Zwar kann aus § 33a SGB I nicht, wie es vom SG unternommen wurde, ein allgmeiner Rechtsgedanke des Inhalts, dass die erste getätigte (schriftliche) Aussage nur durch zeitlich frühere schriftliche Unterlagen widerlegt werden kann, angenommen werden, es ist jedoch augenscheinlich, dass die Klägerin ihre Aufstellung nicht auf einem Vordruck, sondern frei formuliert hat und die hierin verwandte Formulierung der "Arbeitszeit", anders als sie es im gerichtlichen Verfahren vorbringt, tatsächlich ihren eigenen Zeitaufwand und nicht den, der für den gesamten Betrieb des Partyservices erforderlich gewesen ist, beziffert. Ferner spricht auch die Höhe der Einnahmen des Partyservice für eine umfangreichere zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin als diese dies vorträgt. Nach der von der Klägerin selbst vorgelegten Aufstellung der Gewinne und Verluste 2009 (Bl. 154 der VAkte) wurden mit dem Partyservice im Zeitraum Januar - September 2009 insg. 15.576,50 EUR eingenommen. Hieraus errechnen sich monatlich durchschnittliche Einnahmen von 1.730,67 EUR. Dies widerlegt zum einen den klägerischen Vortrag, der Partyservice sei nur ein Hobby ohne Gewinnerzielungsabsicht, zum anderen lässt dies einen Rückschluss auf den zeitlichen Umfang der Inanspruchnahme zu. Einnahmen i.H.v. 1.730,67 EUR monatlich erarbeiten sich nicht "mal so nebenbei", wie es der klägerische Vortrag suggerieren will. Vielmehr können derartige Einnahmen nur bei einer nachhaltigen und umfangreichen Tätigkeit generiert werden. Gestützt wird dies auch durch den von der Klägerin und dem Zeugen umschriebenen Arbeitsbereich der Klägerin, die teilweise für die Zubereitung der Speisen und auch teilweise für den Einkauf der Waren zuständig war. Hierzu beinhalten die von der Klägerin vorgelegten buchhalterischen Unterlagen Belege für insg. 22 Einkäufe im Januar 2009, 14 Einkäufe im Februar 2009, 33 Einkäufe im März 2009. Allein die zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin hierdurch legt einen zeitlichen Umfang der Gesamttätigkeit von mehr als 7,5 Stunden wöchentlich nahe. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren eine Aufstellung der Aufträge vorgelegt und anhand derer ihre zeitliche Inanspruchnahme mit insg. 6,33 Stunden wöchentlich im Januar 2009, mit 2,55 Stunden wöchentlich im Februar 2009, mit 4,11 Stunden wöchentlich im März 2009 und ihren zeitlichen Gesamtaufwand im April 2009 mit insg. 10,5 Stunden beziffert hat, fällt in Abgleich mit den buchhalterischen Unterlagen auf, dass diese u.a. für Januar und März 2009 Aufträge beinhalten, die die Klägerin in ihrer Aufstellung nicht aufgeführt hat (Lieferung an Fam. Barrie, Rechnung vom 11.02.2009 über eine Lieferung am 11.01.2009 und Rechnung vom 21.03.2009), weswegen Zweifel an der Vollständigkeit der Aufstellung der Klägerin bestehen. Schließlich sprich auch der aktuelle Umfang der selbstständigen Tätigkeit (jedenfalls ein sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter, 8 - 10 geringfügig Beschäftigte, eine eigene Betriebsstätte) in Ansehung der Aussage des Zeugen, der Entschluss, den Partyservice zur Existenzgrundlage zu machen, sei im Jahr 2009 gefallen, dafür, dass schon zum damaligen Zeitpunkt die Tätigkeit der Klägerin einen Umfang oberhalb von 7,5 Stunden wöchentlich erforderlich gemacht hat.
In Ansehung dieser Umstände ist der Senat zwar davon überzeugt, dass die Klägerin durch den Betrieb des Partyservice zeitlich in Anspruch genommen wurde; der konkrete zeitliche Umfang der Tätigkeit ist jedoch auch nach Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten - die buchhalterischen Unterlagen sind aktenkundig, die Klägerin wurde persönlich angehört und der Ehegatte der Klägerin wurde zeugenschaftlich einvernommen - nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit belegt. Dies geht, wie oben ausgeführt zu Lasten der Klägerin, was dazu führt, dass, da auch eine zeitliche Inanspruchnahme in einem noch zulässigen Rahmen von weniger als 7,5 Stunden wöchentlich, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen ist, davon auszugehen ist, dass die Bewilligung von Arbeitslosengeld im Bescheid vom 28.06.2009 rechtswidrig gewesen ist.
Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes wie der Bewilligung von Arbeitslosengeld ist gemäß § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 möglich. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht hat oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Zwar geht der Senat davon aus, dass die Klägerin die ihr gewährten Arbeitslosengeldleistungen verbraucht hat, das hierdurch begründete Vertrauen ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht schutzwürdig, da der Bewilligungsbescheid vom 29.06.2009 auf Angaben beruht, die die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die Klägerin hat bei der Beantragung von Arbeitslosengeld keine Mitteilung dazu gemacht, dass sie neben der geringfügigen Beschäftigung für die evangelische Kirchgemeinde C. eine selbständige Tätigkeit betreibt. Dies wurde der Beklagten vielmehr erst durch die entsprechende Veränderungsmitteilung vom 07.08.2009 bekannt. Indes bestand für die Klägerin nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I bereits bei der Beantragung von Arbeitslosengeld die Verpflichtung, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung, die Arbeitslosengeldgewährung, wesentlich sind. Hierrunter zählt auch die Mitteilung zu ausgeübten selbstständigen Tätigkeiten, da diese auf die Leistungsgewährung Einfluss haben können. Diese Verpflichtung hat die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig missachtet. Grob fahrlässig handelt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im konkreten Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 31.08.1967 - 7 RAr 112/74 -; Urteil vom 11.06.1987 - 7 RAr 105/95 -, jeweils veröffentlicht in juris). Das Maß der Fahrlässigkeit ist hierbei nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: u.a. BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R - veröffentlicht in juris). Maßgebend für die Kenntnis oder für das Kennenmüssen seiner Rechtswidrigkeit ist hierbei der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 7/7a AL 30/07 R - veröffentlicht in juris). Der Klägerin wurde bei der Beantragung von Arbeitslosengeld das Merkblatt 1 für Arbeitslose ausgehändigt, dessen Inhalte die Klägerin - unterschriftlich bestätigt - zur Kenntnis genommen hat. Hierin wird mitgeteilt, dass der Agentur für Arbeit die Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit - auch als Selbständiger - mitzuteilen ist. Eine Inaugenscheinnahme dieser Hinweise und einfachste Überlegungen hätten es der Klägerin ohne weiteres möglich gemacht, zu erkennen, dass sie infolge der ausgeführten selbständigen Tätigkeit ggf. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Da sich überdies der Berichterstatter im Rahmen eines Erörterungstermins davon überzeugt hat, dass die Klägerin nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Bildungsstand die Ausführungen im Merkblatt verstehen konnte, ist die nicht vollständige Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen jedenfalls als grob fahrlässig anzusehen. Sollte die Klägerin, entgegen ihrer unterschriftlichen Bestätigung, das Merkblatt nicht zur Kenntnis genommen haben, würde allein dies den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen.
Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X durfte der Bewilligungsbescheid, da ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die hierfür einzuhaltende Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde in Ansehung der erstmaligen Mitteilung der Klägerin von der selbständigen Tätigkeit am 07.08.2009 und dem Erlass des Rücknahmebescheides am 15.07.2010 von der Beklagten gewahrt.
Gemäß § 330 Abs. 2 SGB III war der Bewilligungsbescheid vom 28.06.2009 von der Beklagten zwingend auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ermessen war von der Beklagten nicht auszuüben.
Die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld ist jedoch vorliegend nur für den Zeitraum ab dem 27.01.2009 rechtlich möglich. Für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 hatte die Beklagte bereits mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 04.08.2009 (Widerspruchsbescheid vom 15.09.2009) die Leistungsbewilligung aufgehoben. Mit der Aufhebung ist die Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum nicht mehr wirksam gewesen (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), weswegen die (nochmalige) Zurücknahme für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 im streitgegenständlichen Bescheid ins Leere geht.
Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X ist die Klägerin nach der Aufhebung des Bewilligungsbescheides, verpflichtet, die zu Unrecht erbrachten Leistungen i.H.v. 6.994,45 EUR zurückzuerstatten. Nach §§ 335 Abs. 1, Abs. 5 SGB III sind hierbei auch die von der Beklagten getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten. Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung der Beklagten unzutreffend ist, sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich. Der von der Klägerin zu erstattende Betrag reduziert sich vor dem Hintergrund, dass die Zurücknahme der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 wegen einer bereits zuvor verfügten Leistungsaufhebung ins Leere geht, nicht, da im streitgegenständlichen Bescheid ausschließlich die ab dem 27.01.2009 zu Unrecht bezogenen Leistungen geltend gemacht wurden.
Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2010 ist hiernach rechtswidrig, soweit mit ihm auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 zurückgenommen wurde. Das Urteil des SG, mit dem die Klage vollumfänglich abgewiesen wurde, ist insofern abzuändern. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG ist insofern zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die teilweise Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides nur zu einem marginalen Obsiegen der Klägerin führt.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. September 2010 wird aufgehoben, soweit hierin die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. - 26. Januar 2009 zurückgenommen worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Zurücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 30.12.2008 und die geltend gemachte Erstattung in der Zeit vom 27.01.2009 - 14.10.2009 zu Unrecht erbrachter Leistungen i.H.v. insg. 9.379,57 EUR.
Die am 26.03.1959 geborene, verheiratete Klägerin, die vier Kinder hat, war ab 01.04.1999 beim Evangelischen A.haus, B., als Köchin beschäftigt. Nachdem der Arbeitgeber unter dem 19.12.2008 das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, meldete sich die Klägerin am 23.12.2008 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im förmlichen Antrag gab sie unter dem 12.01.2008 (ausschließlich) an, eine Nebenbeschäftigung bei der evangelischen Kirchengemeinde C. in einem zeitlichen Umfang von 7,5 Stunden wöchentlich auszuüben, für die sie monatlich 344,- EUR (netto) erhalte. Mit Bescheid vom 09.02.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Arbeitslosengeld für 360 Kalendertage ab dem 24.03.2009 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 29,35 EUR. Sie legte hierbei ein tägliches Bemessungsentgelt von 66,89 EUR, die Lohnsteuerklasse IV, die Lohnsteuertabelle für das Jahr 2008 und den erhöhten Leistungssatz von 67 % zu Grunde. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2009 den Eintritt einer Sperrzeit vom 30.12.2008 - 23.03.2009 festgestellt hatte, dem hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 23.04.2009 abgeholfen wurde, die Beklagte ferner die Leistungsgewährung vom 01. - 26.01.2009 mit Bescheid vom 04.08.2009 wegen des Erhalts einer Entlassungsentschädigung (3.900,- EUR nach einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 15.05.2009) aufgehoben hat (Widerspruchsbescheid vom 15.09.2009), bewilligte die Beklagte der Klägerin (zuletzt) mit Änderungsbescheid vom 29.06.2009 Arbeitslosengeld ab dem 27.01.2009. Für die Zeit vom 27. - 31.01.2009 bewilligte die Beklagte 29,35 EUR täglich, für die Zeit vom 01.02. - 31.12.2009 26,82 EUR täglich und für die Zeit vom 01. - 25.01.2010 29,05 EUR täglich. In diesem Umfang bezog die Klägerin sodann Arbeitslosengeld bis zum 14.10.2009.
Mit Veränderungsmitteilung vom 07.08.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ab dem 15.10.2009 eine selbständige Tätigkeit aufnehmen werde, deren zeitlichen Umfang 15 Stunden wöchentlich und mehr umfassen solle. Im Rahmen des Verfahrens um die Gewährung eines Gründungszuschusses für diese Tätigkeit gab die Klägerin im förmlichen Antragsformular an, die selbständige Tätigkeit bereits seit 2003 im Nebenerwerb ausgeübt zu haben. In der von ihr vorgelegten Gewerbeummeldung ist hierzu angeführt, dass mit dem 15.10.2009 der Neben- zum Haupterwerb werde. Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06.10. und vom 11.11.2009 zunächst fruchtlos aufgefordert hatte, ihre Einnahmen für die Zeit vom 01.01. - 14.10.2009 zu beziffern, forderte sie die Klägerin mit Schreiben vom 02.03.2010 zwecks Prüfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auf, u.a. Nachweise über die Einnahmen und Ausgaben für die Zeit von 01.01. - 14.10.2009 vorzulegen. Ferner sollten von der Klägerin die wöchentlich geleisteten Arbeitszeiten im Zeitraum vom 30.12.2008 - 14.10.2009 aufgelistet werden ("Bitte listen Sie auch Ihre wöchentlich geleistete Arbeitszeit [ ...] auf"). Unter dem 12.03.2010 legte die Klägerin sodann eine Aufstellung vor, in der die "wöchentlich geleistete Arbeitszeit" für Dezember 2008 mit 9 Stunden, für Januar 2009 mit 7,5 Stunden, für Februar 2009 mit 6 Stunden, für März 2009 mit 8,5 Stunden, für April 2009 mit 4 Stunden, für Mai 2009 mit 9,5 Stunden, für Juni 2009 mit 8,5 Stunden, für Juli 2009 mit 1,5 Stunden, für August 2009 mit 9,5 Stunden, für September 2009 mit 8,5 Stunden und für Oktober 2009 mit 11,5 Stunden beziffert wurde. Die Klägerin legte ferner Aufstellungen zu den Gewinnen und Verlusten aus der selbstständigen Tätigkeit nebst Belegen hierfür (erteilte Rechnungen und Belegen für Ausgaben) und den Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2007 vor. Hinsichtlich des Inhalts der Belege wird auf Bl. 175 - 192 der Verwaltungsakte der Beklagten und den Zusatzband zur Verwaltungsakte verwiesen. Mit Schreiben vom 09.04.2010 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass die Verfügbarkeit aufgrund einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden weggefallen sei. Die Klägerin trat dem anwaltlich vertreten (Schriftsatz vom 09.07.2010) mit der Begründung entgegen, es sei zwar zutreffend, dass sie für die evangelische Kirchengemeinde C. im Umfang von 7,5 Stunden wöchentlich tätig sei, insg. belaufe sich die Arbeitszeit aus beiden Tätigkeiten aber nicht auf insg. 15 Stunden wöchentlich. Der betriebene Partyservice sei ein Hobby der Eheleute, wie sich daran zeige, dass im Jahr 2007 bei einem Wareneinsatz von 5.608,89 EUR nur ein Gewinn von 162,72 EUR erwirtschaftet worden sei. Auch die Aufstellung der Arbeitszeiten rechtfertige eine Leistungsaufhebung nicht, da sich hieraus nur eine wöchentliche Arbeitszeit von 15,09 Stunden errechne, eine geringe Überschreitung des zulässigen zeitlichen Aufwands sei unschädlich. Im Übrigen weise die vorgelegte Auflistung der Arbeitszeit den gesamten Zeitaufwand für den Partyservice aus. Insofern sei jedoch zu berücksichtigen, dass sowohl ihr Mann als gelernter Koch als auch die jüngste Tochter mitgearbeitet hätten. Diese Zeiten könnten ihr nicht entgegen gehalten werden. Richtigerweise sei für die Klägerin der hälftige Zeitaufwand der benannten Arbeitszeit anzusetzen. Mit Bescheid vom 15.07.2010 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab dem 30.12.2008 ganz auf und forderte das in der Zeit vom 27.01. -14.10.2009 gewährte Arbeitslosengeld i.H.v. 6.994,45 EUR sowie 2.385,12 EUR für die getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, d.h. insg. 9.379,57 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin übe eine Nebentätigkeit bei der evangelischen Kirchengemeinde C. sowie eine selbstständige Tätigkeit aus. Der zeitliche Umfang beider Tätigkeiten betrage zusammen mindestens 15 Stunden wöchentlich. Die Klägerin sei deswegen nicht arbeitslos gewesen und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Sie habe im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 23.12.2008 jedenfalls grob fahrlässig falsche Angaben gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Auch hätte der Klägerin bekannt sein müssen, dass die Leistungsbewilligung fehlerhaft war, weil das ihr ausgehändigte Merkblatt insofern eindeutige Hinweise beinhalte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die Erstattungsforderung beträfe das in der Zeit vom 27.01. - 14.10.2009 bezogene Arbeitslosengeld i.H.v. 6.994,45 EUR, das von ihr nach § 50 SGB X zu erstatten sei.
Den hiergegen am 05.08.2010 eingelegten Widerspruch, zu dessen Begründung auf den Schriftsatz vom 09.07.2010 verwiesen wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2010 als unbegründet zurück. Es sei, so die Beklagte, davon auszugehen, dass die Arbeitszeit beider Tätigkeiten die 15 Stunden Grenze übersteige. Die Klägerin habe in der Auflistung ihre persönliche Arbeitszeit angeführt. Der abweichende Vortrag, die Aufstellung beträfe den gesamten Zeitaufwand aller tätigen Personen überzeuge nicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.10.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, sie sei durchgängig arbeitslos gewesen; die ausgeübten Tätigkeiten hätten eine Beanspruchung von 15 Stunden wöchentlich nicht erfordert. Der Partyservice sei insgesamt ca. 5 Stunden wöchentlich betrieben worden. Ihr Ehemann und ihre Tochter hätten in erheblichem Ausmaß mitgeholfen. Aus dem erzielten Umsatz werde ersichtlich, dass kaum Gewinn erwirtschaftet worden sei. Die Tätigkeit sei eher ein gemeinsames Hobby der Eheleute gewesen; Gewinnerzielungsabsicht könne erst nach der Anmeldung angenommen werden. Auch habe sie keine falschen Angaben gemacht, da die vorgelegte Aufstellung den Gesamtaufwand zutreffend wiedergebe. Ferner sei die Aufhebung ermessensfehlerhaft. Anhand der Buchhaltungsunterlagen sei zu prüfen, ob der von der Beklagten angenommene zeitliche Rahmen überhaupt realistisch sei. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat daran festgehalten, dass der klägerische Vortrag, die benannte zeitliche Inanspruchnahme beträfe die gesamte Familie, nicht glaubhaft sei.
Mit Urteil vom 08.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Aufhebung der Leistungsbewilligung sei von § 45 SGB X gedeckt. Die Bewilligung des Arbeitslosengeldes sei rechtswidrig gewesen. Dieses werde nur gezahlt, wenn der Arbeitnehmer arbeitslos sei. Dies setze voraus, dass keine Tätigkeit von 15 Stunden wöchentlich oder mehr ausgeübt werde. Unter Berücksichtigung aller Umstände spräche, so das SG unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten, mehr dafür, dass die Klägerin insg. durch die selbstständige Tätigkeit und die Nebentätigkeit für die evangelische Kirchengemeinde 15 Stunden wöchentlich und mehr beansprucht worden sei. Die Einlassung der Klägerin, sie habe den Haus- und Partyservice nur als Hobby ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt, sei nicht glaubhaft. Es lägen keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass es an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Das Gewerbe sei bereits seit 2003 betrieben worden, woraus die Nachhaltigkeit der Tätigkeit ersichtlich werde. Nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 habe die Klägerin gewerbliche Einkünfte erzielt. Schließlich zeige auch die aufwendige Gestaltung der Abrechnungen des Haus- und Partyservices, dass das Gewerbe nicht nur in einem geringfügigen Umfang betrieben worden sei. Die Klägerin selbst habe im Verwaltungsverfahren eine Aufstellung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit für den Haus- und Partyservice vorgelegt. Hieran müsse sich die Klägerin nach dem Rechtsgedanken des § 33a Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) messen lassen. Die Klägerin habe bei der Beantragung von Arbeitslosengeld in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht; sie habe die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht mitgeteilt.
Gegen das am 27.02.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.03.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, ein Rückgriff auf § 33a SGB I sei unzulässig. Auch eine Umkehr der Beweislast sei nicht möglich, da es bereits zweifelhaft sei, ob überhaupt eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Die Beklagte habe kein Ermessen ausgeübt. Die Grenze von 15 Stunden wöchentlich sei überdies allenfalls geringfügig und jedenfalls nicht durchgehend überschritten worden. Sie, die Klägerin, sei bei der Vorlage der Aufstellung davon ausgegangen, dass Arbeitszeit für den gesamten Betrieb abgefragt sei. Konkretisierend hat die Klägerin vorgebracht, der Partyservice habe im Januar 2009 nur drei Aufträge zu bearbeiten gehabt, für die insg. 6,33 Std wöchentlich erforderlich gewesen seien. Hiervon seien 3 Stunden von der Klägerin verrichtet worden. Im Februar 2009 habe ihre, der Klägerin, Arbeitszeit 2,55 Stunden wöchentlich betragen. Im März 2009 seien 4,11 Stunden wöchentlich bei einem Gesamtaufwand von insg. 30,5 Stunden auf die Klägerin entfallen. Im April 2009 sei sie insg. 10,5 Stunden für den Partyservice tätig geworden. Hieraus werde deutlich, dass die 15 Stunden Grenze nicht überschritten worden sei. Auch sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen, die Speisen zuzubereiten, weswegen ein Großteil des Zeitaufwandes naturgemäß dem als Koch ausgebildeten Ehegatten oblägen hätte.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. September 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und den aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Wiederholend trägt sie vor, die Angaben der Klägerin zum Umfang ihrer Tätigkeit seien nicht glaubhaft. Im Übrigen sei die Klägerin zuletzt als Küchenleiterin beschäftigt gewesen, weswegen sie in der Lage gewesen sei, die auszuliefernden Speisen zuzubereiten.
Der Berichterstatter des Senats hat anlässlich eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 27.11.2013 die Klägerin persönlich angehört. Diese hat angegeben, ihre Aufgabe beim Betrieb des Partyservices habe darin bestanden, die kalten Speisen und teilweise auch die Desserts zuzubereiten sowie teilweise die Einkäufe zu erledigen. Ihr Ehegatte sei im streitgegenständlichen Zeitraum von seinem Arbeitgeber freigestellt gewesen. Im Termin vom 27.11.2013 wurde ferner der Ehegatte der Klägerin, Hr. Joachim Triller, als Zeuge einvernommen. Dieser hat ausgesagt, der Partyservice werde dem Grunde nach bereits seit ca. 35 Jahren betrieben. Seit ca. drei Jahren sei er dort als Koch sozialversicherungspflichtig angestellt. Derzeit seien weitere acht bis zehn Mitarbeiter auf geringfügiger Basis für den Partyservice tätig. Im Mai 2011 sei eine Räumlichkeit für den Partyservice angemietet worden. Der Gedanke an einen existenzsichernden Umfang der Tätigkeit sei im Jahr 2009 aufgekommen. In der Zeit von Januar bis Oktober 2009 habe er ca. drei bis vier Stunden wöchentlich für den Partyservice gearbeitet. Seine Ehefrau sei in gleichem Umfang tätig gewesen. Hinsichtlich der weiteren Inhalte der Aussage des Zeugen wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 27.11.2013 verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 22.01.2014 hat die Klägerin, mit solchem vom 27.01.2014 die Beklagte mitgeteilt, dass das bereits im Erörterungstermin vom 27.11.2013 erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung fort gilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für die Klägerin geführten Verwaltungsakten, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig.
Die Berufung der Klägerin ist nur in einem geringen Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2010 ist rechtswidrig, soweit mit ihm auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 zurückgenommen wurde. Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden.
Das SG hat die Klage weitestgehend zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2010 ist rechtmäßig, soweit mit ihm die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den 30. und 31.12.2008 sowie ab dem 27.01.2009 (bis zum 14.10.2009) zurückgenommen und Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen für die Zeit vom 27.01. - 14.10.2009 geltend gemacht wurden.
Im System der Korrekturvorschriften der §§ 44 ff SGB X werden von der Regelung des § 45 SGB X fehlerhafte Verwaltungsakte erfasst, die bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren. § 48 SGB X ist hingegen die einschlägige Korrekturnorm, wenn erst die Veränderung vom Umständen nach Erlass eines Verwaltungsaktes (mit Dauerwirkung) eine Diskrepanz zur materiellen Rechtslage herbeiführt. Da der Bescheid, mit dem der Klägerin (zuletzt) Arbeitslosengeld bewilligt wurde, auf den 29.06.2009 datiert, die Korrektur dieses Bescheides vor dem Hintergrund der fehlenden Arbeitslosigkeit der Klägerin ab dem Beginn des Leistungsbezuges, erfolgt, findet die Korrektur des Bewilligungsbescheides ihre rechtliche Grundlage in § 45 Abs. 1 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Rechtswidrig ist der Verwaltungsakt, wenn er unter Verletzung geltenden Rechts zustande gekommen ist. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach dem für die Leistung im streitgegenständlichen Rücknahmezeitraum maßgeblichen materiellen Recht (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13.09.2006 - B 11a AL 19/06 R - veröffentlicht in juris).
Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I 2848) (SGB III a.F.) hatten Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld. Voraussetzung hierfür war gemäß § 118 Abs. 1 SGB III a.F., dass die Arbeitnehmer arbeitslos waren (Nr.1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben (Nr.2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr.3). Zwar hatte sich die Klägerin ab dem 30.12.2008 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und auch die Anwartschaftszeit erfüllt, es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ab dem 30.12.2008 beschäftigungslos und damit arbeitslos i.S.d. § 119 Abs. 1 SGB III a.F. gewesen ist. Arbeitslos war ein Arbeitnehmer nach § 119 Abs. 1 SGB III a.F., der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit (Nr.1)), sich bemühte, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen (Nr.2)) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (Verfügbarkeit (Nr.3)). Die Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schloss die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst (§ 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F.); gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten waren nach § 119 Abs. 3 Satz 2 SGB III a.F. zusammenzurechnen.
Grundsätzlich trifft im Falle der Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 45 SGB X den Leistungsträger, die Beklagte, die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides. Ergibt sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnende Vorgänge nicht (vollständig) aufklärbar sind, so geht dies zu dessen Lasten. Insbesondere kann sich dabei eine dem Arbeitslosen anzulastende Beweisnähe daraus ergeben, dass er durch Unterlassung von Angaben im Zusammenhang mit den Antragstellungen eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht hat (vgl. zu alledem BSG, Urteile vom 13.09.2006 - B 11a AL 19/06 R - und - B 11a AL 13/06 R - jew. veröffentlicht in juris). Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Versichertengemeinschaft einerseits und des Arbeitslosen andererseits ist es ohne weiteres angemessen, die materielle Beweislast für die Nichterweislichkeit von Anspruchsvoraussetzungen nicht nur im Rahmen der Leistungsbewilligung, sondern jedenfalls dann auch im Rahmen der Zurücknahme derselben der Sphäre des Arbeitslosen zuzuweisen, wenn dieser die Beweisnot selbst herbeigeführt hat. Ob die Klägerin die 15 Stunden- Grenze des § 119 Abs. 3 SGB III a.F. tatsächlich überschritten hat, ist auch nach Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten - die buchhalterischen Unterlagen sind aktenkundig, die Klägerin wurde persönlich angehört und der Ehegatte der Klägerin wurde als Zeuge einvernommen - nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt. Da dieser Umstand der Sphäre der Klägerin zuzuordnen ist und diese durch ihre unvollständigen Angaben im Rahmen der Beantragung von Arbeitslosengeld - sie hat nicht mitgeteilt, dass sie eine selbstständige Tätigkeit ausübt - eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts verunmöglicht hat, tritt vorliegend eine Beweislastumkehr zu Lasten der Klägerin ein.
Zwar ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin wöchentlich 7,5 Stunden für die evangelische Kirchgemeinde C. tätig war, was zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit steht, ob jedoch der selbstständige Betrieb eines Partyservices eine zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin von mindestens weiteren 7,5 Stunden erfordert hat, ist nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit belegt. Für eine zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin in mindestens diesem Umfang sprechen für den Senat zahlreiche Umstände: So hat die Klägerin auf die unmissverständliche Anfrage der Beklagten zur Auflistung "Ihrer", der Klägerin, Arbeitszeiten, unter dem 12.03.2010 eine Aufstellung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit vorgelegt, die für weite Teile des streitbefangenen Zeitraums eine wöchentliche Beschäftigung von mehr als 7,5 Stunden ausweist. Zwar kann aus § 33a SGB I nicht, wie es vom SG unternommen wurde, ein allgmeiner Rechtsgedanke des Inhalts, dass die erste getätigte (schriftliche) Aussage nur durch zeitlich frühere schriftliche Unterlagen widerlegt werden kann, angenommen werden, es ist jedoch augenscheinlich, dass die Klägerin ihre Aufstellung nicht auf einem Vordruck, sondern frei formuliert hat und die hierin verwandte Formulierung der "Arbeitszeit", anders als sie es im gerichtlichen Verfahren vorbringt, tatsächlich ihren eigenen Zeitaufwand und nicht den, der für den gesamten Betrieb des Partyservices erforderlich gewesen ist, beziffert. Ferner spricht auch die Höhe der Einnahmen des Partyservice für eine umfangreichere zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin als diese dies vorträgt. Nach der von der Klägerin selbst vorgelegten Aufstellung der Gewinne und Verluste 2009 (Bl. 154 der VAkte) wurden mit dem Partyservice im Zeitraum Januar - September 2009 insg. 15.576,50 EUR eingenommen. Hieraus errechnen sich monatlich durchschnittliche Einnahmen von 1.730,67 EUR. Dies widerlegt zum einen den klägerischen Vortrag, der Partyservice sei nur ein Hobby ohne Gewinnerzielungsabsicht, zum anderen lässt dies einen Rückschluss auf den zeitlichen Umfang der Inanspruchnahme zu. Einnahmen i.H.v. 1.730,67 EUR monatlich erarbeiten sich nicht "mal so nebenbei", wie es der klägerische Vortrag suggerieren will. Vielmehr können derartige Einnahmen nur bei einer nachhaltigen und umfangreichen Tätigkeit generiert werden. Gestützt wird dies auch durch den von der Klägerin und dem Zeugen umschriebenen Arbeitsbereich der Klägerin, die teilweise für die Zubereitung der Speisen und auch teilweise für den Einkauf der Waren zuständig war. Hierzu beinhalten die von der Klägerin vorgelegten buchhalterischen Unterlagen Belege für insg. 22 Einkäufe im Januar 2009, 14 Einkäufe im Februar 2009, 33 Einkäufe im März 2009. Allein die zeitliche Inanspruchnahme der Klägerin hierdurch legt einen zeitlichen Umfang der Gesamttätigkeit von mehr als 7,5 Stunden wöchentlich nahe. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren eine Aufstellung der Aufträge vorgelegt und anhand derer ihre zeitliche Inanspruchnahme mit insg. 6,33 Stunden wöchentlich im Januar 2009, mit 2,55 Stunden wöchentlich im Februar 2009, mit 4,11 Stunden wöchentlich im März 2009 und ihren zeitlichen Gesamtaufwand im April 2009 mit insg. 10,5 Stunden beziffert hat, fällt in Abgleich mit den buchhalterischen Unterlagen auf, dass diese u.a. für Januar und März 2009 Aufträge beinhalten, die die Klägerin in ihrer Aufstellung nicht aufgeführt hat (Lieferung an Fam. Barrie, Rechnung vom 11.02.2009 über eine Lieferung am 11.01.2009 und Rechnung vom 21.03.2009), weswegen Zweifel an der Vollständigkeit der Aufstellung der Klägerin bestehen. Schließlich sprich auch der aktuelle Umfang der selbstständigen Tätigkeit (jedenfalls ein sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter, 8 - 10 geringfügig Beschäftigte, eine eigene Betriebsstätte) in Ansehung der Aussage des Zeugen, der Entschluss, den Partyservice zur Existenzgrundlage zu machen, sei im Jahr 2009 gefallen, dafür, dass schon zum damaligen Zeitpunkt die Tätigkeit der Klägerin einen Umfang oberhalb von 7,5 Stunden wöchentlich erforderlich gemacht hat.
In Ansehung dieser Umstände ist der Senat zwar davon überzeugt, dass die Klägerin durch den Betrieb des Partyservice zeitlich in Anspruch genommen wurde; der konkrete zeitliche Umfang der Tätigkeit ist jedoch auch nach Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten - die buchhalterischen Unterlagen sind aktenkundig, die Klägerin wurde persönlich angehört und der Ehegatte der Klägerin wurde zeugenschaftlich einvernommen - nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit belegt. Dies geht, wie oben ausgeführt zu Lasten der Klägerin, was dazu führt, dass, da auch eine zeitliche Inanspruchnahme in einem noch zulässigen Rahmen von weniger als 7,5 Stunden wöchentlich, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen ist, davon auszugehen ist, dass die Bewilligung von Arbeitslosengeld im Bescheid vom 28.06.2009 rechtswidrig gewesen ist.
Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes wie der Bewilligung von Arbeitslosengeld ist gemäß § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 möglich. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht hat oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Zwar geht der Senat davon aus, dass die Klägerin die ihr gewährten Arbeitslosengeldleistungen verbraucht hat, das hierdurch begründete Vertrauen ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht schutzwürdig, da der Bewilligungsbescheid vom 29.06.2009 auf Angaben beruht, die die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die Klägerin hat bei der Beantragung von Arbeitslosengeld keine Mitteilung dazu gemacht, dass sie neben der geringfügigen Beschäftigung für die evangelische Kirchgemeinde C. eine selbständige Tätigkeit betreibt. Dies wurde der Beklagten vielmehr erst durch die entsprechende Veränderungsmitteilung vom 07.08.2009 bekannt. Indes bestand für die Klägerin nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I bereits bei der Beantragung von Arbeitslosengeld die Verpflichtung, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung, die Arbeitslosengeldgewährung, wesentlich sind. Hierrunter zählt auch die Mitteilung zu ausgeübten selbstständigen Tätigkeiten, da diese auf die Leistungsgewährung Einfluss haben können. Diese Verpflichtung hat die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig missachtet. Grob fahrlässig handelt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im konkreten Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 31.08.1967 - 7 RAr 112/74 -; Urteil vom 11.06.1987 - 7 RAr 105/95 -, jeweils veröffentlicht in juris). Das Maß der Fahrlässigkeit ist hierbei nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: u.a. BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R - veröffentlicht in juris). Maßgebend für die Kenntnis oder für das Kennenmüssen seiner Rechtswidrigkeit ist hierbei der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 7/7a AL 30/07 R - veröffentlicht in juris). Der Klägerin wurde bei der Beantragung von Arbeitslosengeld das Merkblatt 1 für Arbeitslose ausgehändigt, dessen Inhalte die Klägerin - unterschriftlich bestätigt - zur Kenntnis genommen hat. Hierin wird mitgeteilt, dass der Agentur für Arbeit die Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit - auch als Selbständiger - mitzuteilen ist. Eine Inaugenscheinnahme dieser Hinweise und einfachste Überlegungen hätten es der Klägerin ohne weiteres möglich gemacht, zu erkennen, dass sie infolge der ausgeführten selbständigen Tätigkeit ggf. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Da sich überdies der Berichterstatter im Rahmen eines Erörterungstermins davon überzeugt hat, dass die Klägerin nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Bildungsstand die Ausführungen im Merkblatt verstehen konnte, ist die nicht vollständige Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen jedenfalls als grob fahrlässig anzusehen. Sollte die Klägerin, entgegen ihrer unterschriftlichen Bestätigung, das Merkblatt nicht zur Kenntnis genommen haben, würde allein dies den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen.
Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X durfte der Bewilligungsbescheid, da ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die hierfür einzuhaltende Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde in Ansehung der erstmaligen Mitteilung der Klägerin von der selbständigen Tätigkeit am 07.08.2009 und dem Erlass des Rücknahmebescheides am 15.07.2010 von der Beklagten gewahrt.
Gemäß § 330 Abs. 2 SGB III war der Bewilligungsbescheid vom 28.06.2009 von der Beklagten zwingend auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ermessen war von der Beklagten nicht auszuüben.
Die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld ist jedoch vorliegend nur für den Zeitraum ab dem 27.01.2009 rechtlich möglich. Für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 hatte die Beklagte bereits mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 04.08.2009 (Widerspruchsbescheid vom 15.09.2009) die Leistungsbewilligung aufgehoben. Mit der Aufhebung ist die Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum nicht mehr wirksam gewesen (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), weswegen die (nochmalige) Zurücknahme für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 im streitgegenständlichen Bescheid ins Leere geht.
Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X ist die Klägerin nach der Aufhebung des Bewilligungsbescheides, verpflichtet, die zu Unrecht erbrachten Leistungen i.H.v. 6.994,45 EUR zurückzuerstatten. Nach §§ 335 Abs. 1, Abs. 5 SGB III sind hierbei auch die von der Beklagten getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten. Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung der Beklagten unzutreffend ist, sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich. Der von der Klägerin zu erstattende Betrag reduziert sich vor dem Hintergrund, dass die Zurücknahme der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 wegen einer bereits zuvor verfügten Leistungsaufhebung ins Leere geht, nicht, da im streitgegenständlichen Bescheid ausschließlich die ab dem 27.01.2009 zu Unrecht bezogenen Leistungen geltend gemacht wurden.
Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2010 ist hiernach rechtswidrig, soweit mit ihm auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. - 26.01.2009 zurückgenommen wurde. Das Urteil des SG, mit dem die Klage vollumfänglich abgewiesen wurde, ist insofern abzuändern. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG ist insofern zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die teilweise Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides nur zu einem marginalen Obsiegen der Klägerin führt.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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