L 4 R 2778/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3933/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2778/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin, die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit bezieht, wendet sich gegen Rentenabschläge.

Die am 1947 im Beitrittsgebiet geborene Klägerin, war zuletzt bei der Firma E. Deutschland GmbH beschäftigt. Am 30. Juni 2003 schlossen die Klägerin und die Firma E. Deutschland GmbH einen Vertrag über Altersteilzeit, wonach das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Juli 2003 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wurde und ohne Kündigung am 30. Juni 2007 endete.

Die Klägerin beantragte am 8. Februar 2007 Altersrente für Frauen zum 1. Juli 2007. Mit Bescheid vom 3. Mai 2007 bewilligte ihr die Beklagte Altersrente für Frauen ab 1. Juli 2007 in Höhe von monatlich EUR 982,40 brutto (netto EUR 885,64). Bei der Rentenberechnung verminderte sie den für diese Rente geltenden Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat, für den die Klägerin die Rente vorzeitig in Anspruch genommen habe, um 0,003, damit insgesamt für 60 Kalendermonate um 0,180, und berücksichtigte dementsprechend einen Zugangsfaktor von 0,820. Ausgehend von der Summe aller Entgeltpunkte für nicht im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten in Höhe von 16,3531 und für im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten in Höhe von 33,2808 legte die Beklagte der Rentenberechnung danach 13,4095 persönliche Entgeltpunkte und 27,2903 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zugrunde.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie wandte sich gegen den Rentenabschlag und vertrat die Auffassung, dass ein solcher bei einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit nach § 237 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht in Betracht käme. Von Seiten der Beklagten hätte sich insoweit ein Beratungsbedarf von Amts wegen aufgedrängt. Wegen der noch nicht eingetretenen Bindungswirkung des Rentenbescheids sei ein Wechsel der Rentenart aber ohnehin noch möglich. Rein fürsorglich beantragte sie Rente wegen Altersteilzeit bzw. bat um Umdeutung ihres Antrages in den entsprechend günstigeren Rentenantrag.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab 1. Juli 2007 in Höhe von monatlich EUR 982,40 brutto (netto EUR 885,64). Bei der Rentenberechnung verminderte sie ebenfalls den für diese Rente geltenden Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat, für den die Klägerin die Rente vorzeitig in Anspruch genommen habe, um 0,003, damit insgesamt für 60 Kalendermonate um 0,180 und berücksichtigte dementsprechend einen Zugangsfaktor von 0,820. Erneut legte sie ausgehend von der Summe aller Entgeltpunkte in Höhe von 16,3531 für nicht im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten und für im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten in Höhe von 33,2808 der Rentenberechnung 13,4095 persönliche Entgeltpunkte und 27,2903 persönliche Entgeltpunkte (Ost)zugrunde.

Die Klägerin vertrat weiterhin die Auffassung, dass die Rente nach Altersteilzeit ohne Abschläge zu zahlen sei. Sie habe die Vereinbarung über die Altersteilzeit am 30. Juni 2003 getroffen. Somit seien die Voraussetzungen des § 237 Abs. 5 SGB VI dahingehend erfüllt, dass die Altersgrenze nicht angehoben werde. Die Nichtanhebung der Altersgrenze habe zur Folge, dass es keine Abschläge gebe. § 237 Abs. 5 SGB VI verweise nicht auf § 237 Abs. 3 SGB VI. Seinerzeit sei ihr auch eine andere Auskunft hinsichtlich ihrer Rentenhöhe gegeben worden. Vor diesem Hintergrund habe sie die Tätigkeit aufgegeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle die Widersprüche gegen die Bescheide vom 3. Mai 2007 und 12. Juni 2007 zurück. § 237 Abs. 5 SGB VI sei eine ergänzende gesetzliche Regelung im Zusammenhang mit der Anhebung der Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme von 60 Jahren auf das 63. Lebensjahr bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit (§ 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19). Danach werde die Altersgrenze von 60 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme für bestimmte Personen nicht angehoben, so dass die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch genommen werden könne. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 5 würden für die frühestmögliche Inanspruchnahme die bisherigen Bedingungen gelten. Diese ergäben sich aus § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit der bis zum 31. Dezember 2005 maßgeblichen Fassung der Anlage 19. Für den Jahrgang der Klägerin werde danach die Altersgrenze um 60 Monate angehoben. Der frühestmögliche Rentenbeginn ohne bzw. mit Vertrauensschutz sei bei beiden Rentenarten (§§ 237a und 237 SGB VI) der 1. Juli 2007 bei einer maximalen Rentenminderung von 18 v.H.

Dagegen erhob die Klägerin am 19. November 2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG - S 12 R 5989/07 -) und beantragte ohne weitere Begründung vor dem Hintergrund laufender Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Hinblick auf die Problematik der Zugangsfaktoren bei Altersrenten für beide Rentenarten das Ruhen des Verfahrens. Nachdem auch die Beklagte einen Ruhensantrag gestellt hatte, ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens an (Ruhensbeschluss vom 10. Dezember 2007). Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 11. November 2008 (1 BvL 3/05 u.a., in juris) die Kürzung des Zugangsfaktors einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für verfassungsgemäß erklärt hatte und das Bundessozialgericht (BSG) die Anhebung der Altersgrenzen bei Altersrenten, die Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme und die Vertrauensschutzregelung "45 Jahre Pflichtbeiträge" bei der Altersrente für langjährig Versicherte und der Altersrente für Frauen als verfassungsgemäß seinen Urteilen vom 19. November 2009 (- B 13 R 5/09 R - , in juris) und vom 25. Februar 2010 (- B 13 R 42/09 R -, in juris) zugrunde gelegt hatte, rief die Beklagte am 6. August 2012 den Rechtsstreit wieder an (nunmehr S 13 R 3933/12). Die Klägerin berief sich auf ihr bisheriges Vorbringen.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Juni 2013 wies das SG, das davon ausging, dass die Klägerin nur die Abänderung des Bescheids vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2007 begehre, die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit. Die Höhe des Zugangsfaktors, den die Beklagte mit 0,820 korrekt bestimmt habe, bestimme sich nach § 77 SGB VI. Der Zugangsfaktor sei nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente gewesen seien, bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen würden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Zwar könne sich die Klägerin auf die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 5 SGB VI berufen, so dass die Altersgrenze von 60 Jahren nicht angehoben worden sei. Die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 5 SGB VI führe jedoch nicht zu einer abschlagsfreien Rentengewährung. Vielmehr finde auch hier die Regelung des § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 Anwendung. Danach sei die Altersgrenze für den Geburtsjahrgang der Klägerin - 1947 - auf das 65. Lebensjahr und damit um 60 Kalendermonate angehoben worden. Die Beklagte habe daher zu Recht den Zugangsfaktor um 0,180 vermindert. Wie das BVerfG in seinem Beschluss vom 11. November 2008 (1 BVL 3/05 u.a., a.a.O.) ausgeführt habe, bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 237 Abs. 3 SGB VI.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. Juni 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Juli 2013 Berufung eingelegt. Sie beruft sich zur Begründung unter Vorlage der Beschwerdeschrift vom 24. Oktober 2013 auf eine beim BSG unter dem Aktenzeichen B 13 R 281/13 B zur Rechtsfrage, ob § 77 SGB VI gegen die Verordnung 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates von 29. April 2004 zur Koordinierung des Systems der sozialen Sicherheit in Verbindung und/oder gegen Artikel 14 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoße, anhängige Nichtzulassungsbeschwerde und führt ergänzend aus, dass sie die Erschöpfung des Rechtsweges brauche, um dann darüber hinaus entsprechende Schritte beim Europäischen Gerichtshof eventuell einzuleiten. Der europarechtliche Bezug stehe dem Rechtsstreit - so wörtlich - auf die Stirn geschrieben. Es könne nicht sein, dass im gesamten europäischen umliegenden Ausland keine Abschläge existierten und nur die Deutschen Abschläge hätten und damit dann über den deutschen Bundeshaushalt mit Überweisungen über die Europäische Union die Weiterzahlung von Renten in Griechenland z.B. finanziert werde. Dies sei nicht populistisch gedacht, sondern eine ganz klare Frage von Geldströmen. Europarechtlich eingekleidet liege hier eine nicht vertretbare Ungleichbehandlung vor. Als Beispiel sei am Rande noch erwähnt, dass es in Polen sogar einen Altersrentenzuschlag gebe, wenn die Leute 75 Jahre würden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2012 zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 2007 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors 1,0 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt ist und über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Ein Berufungsausschlussgrund gemäß § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor, denn die Klägerin begehrt (höhere) wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit mit einem Zugangsfaktor von 1,0.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2007. Nicht Streitgegenstand ist der Bescheid vom 3. Mai 2007. Zwar hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 auch den Widerspruch gegen diesen Bescheid zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch ausweislich ihrer Klageschrift vom 19. November 2007 die Abänderung sowohl des Bescheids vom 3. Mai als auch des Bescheids vom 12. Juni 2007, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2007, begehrt. Aus dem Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 29. Mai 2007 ging jedoch eindeutig hervor, dass sie nicht länger Altersrente für Frauen, die ihr mit Bescheid vom 3. Mai 2007 bewilligt wurde, sondern Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit begehrte. Sie berief sich auf einen möglichen Wechsel der Rentenart und bat um Umdeutung. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nunmehr auch nur noch die Abänderung des Bescheides vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2007 begehrt.

Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff SGB VI über die Rentenhöhe. Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß §§ 63 Abs. 6, 64 Nr. 1 bis 3 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Zugangsfaktor ist ein Berechnungselement der persönlichen Entgeltpunkte. Nach § 77 Abs. 1 SGB VI in der hier anwendbaren bis 31. Dezember 2007 gültigen Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen und der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004 (BGBl. I, Seite 1791) richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor ist nach § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, 1. bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonates des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, 1,0, 2. bei Renten wegen Alters, die a) vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 und b) nach Erreichen der Regelaltersgrenze trotz erfüllter Wartezeit nicht in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,005 höher als 1,0, 3. bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, um 0,003 niedriger als 1,0.

§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB VI betrifft die hier nicht einschlägige Hinterbliebenenrenten. Nach § 77 Abs. 3 SGB VI bleibt für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend (Satz 1). Dies gilt nicht für die Hälfte der Entgeltpunkte, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren (Satz 2).

Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorschriften hat die Beklagte bei der Berechnung der der Klägerin ab 1. Juli 2007 gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit, die der Klägerin dem Grunde nach zusteht, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, nicht einen Zugangsfaktor von 1,0, sondern nur von 0,820 berücksichtigt. Denn die Klägerin hat diese Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen.

Nach § 237 SGB VI in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (BGBl. I, Seite 554) haben Versicherte, die 1. vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, 2. das 60. Lebensjahr vollendet haben und 3. entweder a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind oder nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeit im Sinne des §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben, 4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und 5. bei Erfüllung der Wartezeit von 15 Jahren Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 SGB VI) Anspruch auf Altersrente. Die Altersgrenze von 60 Jahren wird nach § 237 Abs. 3 SGB VI bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich nach Anlage 19. Die Altersgrenze von 60 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme wird nach § 237 Abs. 5 SGB VI für Versicherte, die 1. am 1. Januar 2004 arbeitslos waren, 2. deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 1. Januar 2004 erfolgt ist, nach dem 31. Dezember 2003 beendet worden ist, 3. deren letztes Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2004 beendet worden ist und die am 1. Januar 2004 beschäftigungslos im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) waren, 4. die vor dem 1. Januar 2004 Altersteilzeit im Sinne der § 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz vereinbart haben oder die 5. Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, nicht angehoben. Nach der Anlage 19 zum SGB VI wird für im Jahr 1947 Geborene die Altersgrenze bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit auf 65 Jahre angehoben.

Nach diesen Bestimmungen wurde die Altersgrenze von 60 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente bei der Klägerin nach § 237 Abs. 5 SGB VI nicht angehoben, da die Altersteilzeit bereits mit Vertrag vom 30. Juni 2003 vereinbart worden ist. Dies hat entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht zur Folge, dass es zu keinem Rentenabschlag kommt. § 237 Abs. 5 SGB VI bedeutet nur, dass die Altersgrenze von 60 Jahren nicht angehoben wird, ändert aber nichts daran, dass die Rente vorzeitig in Anspruch genommen wird. Für die 1947 geborene Klägerin war eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente erst mit 65 Jahren ab Juli 2012 möglich. Wegen der für 60 Monate vorzeitiger Inanspruchnahme ist eine Kürzung des Zugangsfaktors 1,0 um 60 mal 0,003 (also um 0,180) auf 0,820 vorzunehmen. Den so zu ermittelnden Monatsbetrag der Rente sowie dessen einzelne Berechnungselemente hat die Beklagte zutreffend festgestellt. Nach eigener Prüfung macht sich der Senat die Berechnung der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 2007 zu eigen.

Die Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente und die Vertrauensschutzregelungen sind auch verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 - 1 BvL 3/05 u.a. -; BVerfG (Kammer), Nichtannahmebeschluss vom 5. Februar 2009 - 1 BvR 1631/04 -; auch BSG, Urteile vom 5. Mai 2009 - B 13 R 77/08 R -; zur Altersrente wegen Arbeitslosigkeit; vom 19. November 2009 - B 13 R 5/09 R - zur Altersrente für langjährig Versicherte; vom 25. Februar 2010 - B 13 R 41/09 R - zur Altersrente für Frauen; alle in juris). Das BVerfG konnte mit Blick auf die Absenkung des Zugangsfaktors weder eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) noch des allgemeinen Gleichheitssatzes des Artikel 3 Abs. 1 GG feststellen. Neue, rechtserhebliche Gesichtspunkte, die das BVerfG nicht berücksichtigt hat, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.

Ein Verstoß gegen europäisches Recht, sei es solches der Europäischen Union (EU) oder der EMRK, ist für den Senat nicht ersichtlich. Der Sachverhalt weist keinen europarechtlichen Bezug auf, weshalb EU-Recht schon gar nicht einschlägig ist. Im Übrigen dient EU-Recht der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Folge der Ausübung des Rechts der Arbeitnehmerfreizügigkeit und nicht der Vereinheitlichung von nationalen Systemen, weshalb EU-Recht nicht dazu führt, dass für die Rentenberechnung in einem MitgliE.staat maßgebliche Regelungen außer Kraft gesetzt werden (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2013 - L 11 R 5070/12 -, in juris). Auch nach Art. 14 EMRK besteht kein Anspruch auf Zugrundelegung eines ungeminderten Zugangsfaktors. Zu Rang und Reichweite der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle innerhalb der deutschen Rechtsordnung hat sich das BVerfG ausführlich geäußert (BVerfG vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 u.a. -, in juris). Danach stehen die EMRK und ihre Zusatzprotokolle im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem GG, sie sind jedoch auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des GG heranzuziehen. Nachdem die Vereinbarkeit von § 77 SGB VI mit dem GG bereits vom BVerfG bestätigt wurde, kann die Klägerin hieraus keine weitergehenden Rechte herleiten (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2013 - L 2 R 4779/12 -, in juris).

Ein höherer Rentenanspruch der Klägerin aufgrund eines höheren Zugangsfaktors ergibt sich auch aufgrund ihrer Behauptung, ihr sei früher gesagt worden, dass sie einen höheren Anspruch habe. Abgesehen davon, dass insoweit weitere Ausführungen der Klägerin völlig fehlen und dies nach den Akten auch nicht ersichtlich ist, ergebe sich eine entsprechende Bindungswirkung weder aus einem Vormerkungsbescheid noch einer Rentenauskunft, da in diesen keine diesbezüglichen Regelungen enthalten sind, die eine Bindungswirkung entfalten könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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