Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1663/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3915/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darüber, ob ein bei dem Kläger vorliegendes Nierenzellkarzinom als Berufskrankheit (BK) Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe), Nr. 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol) oder Nr. 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen ist.
Der am 24.12.1944 geborene Kläger arbeitete von 1964 bis 1971 und von 1975 bis 1991 im VEB Reifenwerk D. als Reifenkonfektionierer und Reifenmacher. Ab 01.01.1988 bis zu seinem Ausscheiden am 06.09.1991 war er als Meister in der Reifenherstellung tätig. Das VEB Reifenwerk D. befand sich auf dem ehemaligen W. Gelände (Unternehmen des U. in S. und T.), dessen Sanierung 1991 begonnen wurde. Das Reifenwerk existiert nicht mehr, einen Rechtsnachfolger gibt es nicht. Auf dem Gelände werden heute von der Firma G. D. Reifen hergestellt (Schreiben der Firma vom 16.10.2002). Seit Oktober 2003 war der Kläger wegen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) arbeitsunfähig erkrankt. Im Juli 2004 wurde bei dem Kläger ein bilaterales papilläres Nierenzellkarzinom diagnostiziert, beide Nieren konnten erhalten werden (Bericht Urologische Klinik des D. S. H. vom 10.08.2004).
Wegen der bei ihm vorliegenden COPD hatte der Kläger bei der Holz-Berufsgenossenschaft ein Verfahren zur Feststellung der Berufskrankheiten-Nr. 1303 und 1317 der Anlage 1 zur BKV angestrengt. Im Rahmen dieser Verfahren hatte die damals zuständige Berufsgenossenschaft (BG) Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der jetzigen Beklagten BG Chemie eingeholt, welche von der jetzigen Beklagten beigezogen wurden.
In einer ersten Stellungnahme vom 06.01.2003 führte der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Ing. S. aus, das Reifenwerk D. sei 1990/1991 stillgelegt worden. Die Beschäftigung des Klägers habe sich im Wesentlichen an der sogenannten englischen Konfektioniermaschine oder der Kruppmaschine abgespielt. Je nach Dimension seien 35 bis 70 überwiegend Großreifen für Landmaschinen, LKW und Busse in der Schicht gefertigt worden. In dem Zeitraum von 1964 bis 1971 und 1976 bis 1991 habe man die verschiedenen Halbfabrikate beim Zusammenbau mit Gummilösung oder Kohlenwasserstofflösung eingestrichen. Zum Anlösen der Wulste sei bis 1973 Benzol verwendet worden und anschließend ausschließlich Siedegrenzbenzin 80/110. Durch einen Reifenbauer seien etwa drei Liter Kohlenwasserstoffgemisch bzw. Lösung pro Schicht verbraucht worden. Der Reifenrohling sei dann auf einem Transportwagen abgelegt worden. Sowohl Gummilösung als auch Kohlenwasserstofflösung hätten offen in einem Gefäß unmittelbar am Arbeitsplatz gestanden und seien mit einem Pinsel (auch Quaste) bei rotierender Trommel aufgetragen worden. Eine Exposition am Arbeitsplatz gegenüber Vulkanisationsdämpfen scheide jedoch aus, da die Vulkanisation sich in einer anderen Halle befunden habe, die durch eine Betriebsstraße von der Reifenfertigung getrennt gewesen sei. Die Ermittlung der Benzolbelastung (Benzoljahre) ergebe unter Berücksichtigung des Einsatzes reinen Benzols bzw. des Einsatzes von Siedegrenzbenzin eine Dosis von 417,65 Benzoljahre durch Inhalation.
In einer weiteren Stellungnahme gab Dipl.-Ing. S. am 18.09.2003 an, nach erneuter Rücksprache mit dem Kläger sowie Durchsicht der Unterlagen der Arbeitsschutzbehörden der DDR aus dem Archiv des Gewerbeaufsichtsamtes D. lasse sich schließen, dass der Kläger - was er zunächst nicht angegeben habe - von 1982 bis 1988 und 1988 bis 1991 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Betriebsbereich Vulkanisation beschäftigt gewesen sei. Im Zeitraum von 1982 bis 1988 sei er in einer alten Halle (Sonderfertigung) in unmittelbarer Nachbarschaft zu 12 bis 14 Vulkanisationspressen in der anderen Hallenhälfte tätig gewesen, welche durch eine Mauerwand sei mit einer fünf bis sechs Meter breiten, nie geschlossenen Türöffnung getrennt gewesen. Zu den Luft- und Strömungsverhältnissen habe der Kläger keine Aussagen machen können. Eine Exposition gegenüber Vulkanisationsdämpfen könne wegen der fehlenden räumlichen Trennung nicht ausgeschlossen, aber konkrete Exposition nicht durch Messberichte und Stellungnahmen o. ä. belegt werden. Aus den Archivunterlagen schließe er u. a. auf eine Lösemittelexposition (bis Ende 1972 auch Verwendung von Benzol). Im Zeitraum von 1988 bis 1991 sei der Kläger überwiegend in der sogenannten neuen Halle beschäftigt gewesen. Hier hätten neben Reifenbaumaschinen 12 Vulkanisationspressen gestanden. Die Heizzeit pro Reifen habe ca. eine Stunde betragen, wobei beim Öffnen der Presse sichtbar Dämpfe freigesetzt worden seien. Laut einem Archivprotokoll der Betriebsleitung, Gewerkschaftssicherheitsfachkraft und Betriebsarzt nach gemeinsamer Begehung im November 1988 seien keine relevanten arbeitshygienischen Sachverhalte beobachtet oder erkannt worden. Der Arbeitsbereich sei Anfang 1988 in Betrieb gegangen.
Der Mitarbeiter des TAD der Bergbau-BG, Bezirksverwaltung G., H. nahm am 14.01.2003 zur Strahlenbelastung des Klägers während seiner Tätigkeit im Reifenwerk dahingehend Stellung, dass das Reifenwerk auf dem ehemaligen W.-Gelände errichtet worden sei. Hierzu seien die vorhandenen Gebäude der W.-Aufbereitung verwendet worden (Verwaltungsgebäude, Lagerräume, Hallen und Werkstätten sowie entkernte Zechengebäude). Während der Beschäftigungszeit des Reifenwerks seien keine weiteren Messungen durchgeführt worden, weshalb man sich bei der Berechnung der retrospektiven Belastung durch ionisierende Strahlen auf Messungen des TÜF Bayern "Bericht zur radiologischen Untersuchung des Betriebsgeländes der Firma P. Reifenwerke F. AG in D./G." von 28.02.1991 und der I.-Radiologie GmbH D. "Bestimmung der ODL Verteilung - Verteilung in radioaktiv kontaminierten Gebäuden des Bereiches II B" vom 22.02.1994 stützen müsse. In beiden Berichten seien alle Flächen noch vorhandener Gebäude detailliert ausgemessen und bewertet worden. Die Hallen E 2 und 3 seien hierbei nicht namentlich erwähnt. Um eine Bewertung der Strahlenbelastung von beschäftigten Personen im Reifenwerk D. durchführen zu können, sei eine konservative Bewertung aus allen vorhandenen Daten für eine retrospektive Belastung der Jahre nach der W. erstellt worden. Hierbei hätten die Expositionen durch Gammastrahlung 0,4 mSv betragen. Wobei man den Versicherten fiktiv als Fördermann (höchste Belastung im Übertagebereich) betrachtet habe. Da man jedoch keine Angaben zum Erkrankungsbeginn und zur Karzinomart habe, könne keine Verursachungswahrscheinlichkeit berechnet werden.
Am 16.09.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten das bei ihm vorliegende Nierenzellkarzinom als BK im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Reifenwerk D. anzuerkennen.
Am 02.11.2004 wurde der Kläger daraufhin von Herrn J., dem Berufskrankheitensonderbeauftragten der Beklagten, zu Hause aufgesucht und befragt. Im Rahmen dieser Befragung teilte der Kläger u. a. mit, er sei während seiner Zugehörigkeit zum Reifenwerk in D. regelmäßig durch Werks- und Betriebsärzte untersucht worden. Die vom TAD Berlin im Jahr 2003 erstellten Stellungnahmen hielt der Kläger insgesamt für zutreffend, diesen könne er sonst nichts mehr hinzufügen, außer dass er vermute, dass in den damals nicht beachteten Gummilösungen Stoffe enthalten gewesen seien, die seine Lunge und Niere geschädigt hätten. Er könne sich zwar nicht an einen bewussten Umgang mit Trichlorethylen erinnern, aber daran, dass es im Reifenwerk immer gestunken habe und er gelegentlich mit Kopfschmerzen nach Schichtende nach Hause gefahren sei. An oder in geschlossenen Systemen wie Tanks, Containern oder Behältern habe er niemals zu tun gehabt.
Die Beklagte zog sodann ärztliche Befundberichte zum Nierenzellkarzinom sowie das Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse bei und holte erneut eine Stellungnahme des TAD ein. Der Dipl.-Ing. S. teilte am 03.03.2005 mit, die am Arbeitsplatz eines Reifenbauers zusammengesetzten Halbfabrikate seien mit Lösungen eingestrichen worden, bei denen es sich bis etwa 1972/73 um Benzol und danach um handelsübliche Gummilösungen (Chemosil) oder benzinische Lösungen (Siedegrenzbenzin 80/110) gehandelt habe. Chemosil bestehe zum großen Teil aus aliphatischen Kohlenwasserstoffen (insbesondere Methylethylketon) und zu einem geringen Teil aus aromatischen Kohlenwasserstoffen (Xylol, Toluol). Bei industriemäßig verwendetem Siedegrenzbenzin könne zu einem geringen Prozentsatz (ein bis zwei Prozent) im angefragten Zeitraum auch Benzol enthalten gewesen sein. Die Verwendung von halogenierten Wasserstoffen in der eigentlichen Reifenfertigung (Reifenbau) sei zu verneinen, da diese das benetzte Material zum Aufquellen brächten und daher ein maßhaltiger Zusammenbau nicht mehr gewährleistet sei. Da der Kläger jedoch von 1982 bis 1991 in der Nähe der Vulkanisationspressen tätig gewesen sei, sei zu bedenken, dass sich bei den dortigen Verarbeitungstemperaturen Nitrosamine sich hätten bilden und frei werden können. Die konkrete Exposition gegenüber Nitrosaminen könne jedoch nicht durch Messberichte, Stellungnahmen oder Abschätzungen belegt werden. Dipl-Ing. S. holte erneut beim TAD der Bergbau-BG in G. eine Stellungnahme zur Strahlenexposition ein. Unter Berücksichtigung der Strahlendosis eines Fördermanns über Tage von 2,64 mSv betrage die Verursachungswahrscheinlichkeit 0 %.
Mit Bescheid vom 14.04.2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Nierenerkrankung des Klägers als BK Nr. 1302, Nr. 2402 und Nr. 1303 der Anlage 1 der BKV ab. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, bezüglich der BK Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV habe durch umfangreiche Untersuchungen lediglich für den Gefahrstoff Trichlorethylen aus der Gruppe der Halogenkohlenwasserstoffe eine krebserregende Wirkung bei Menschen auf das Organ Niere mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden können. Nach der Stellungnahme des TAD könne jedoch bei dem Kläger kein beruflicher Umgang zu Trichlorethylen recherchiert werden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien daher nicht erfüllt und eine solche BK liege nicht vor. Zur BK Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV führte die Beklagte aus, zwar habe sich das Reifenwerk D. auf dem ehemaligen W. Gelände befunden, die Recherchen beim TAD der Bergbau-BG hätten jedoch ergeben, dass der Kläger einer kumulativen Strahlenbelastung von 2,64 mSv ausgesetzt gewesen sei und die Verursachungswahrscheinlichkeit für die bei ihm bestehende Erkrankung 0 % betrage. Insgesamt sei die festgestellte Strahlendosis von 2,64 mSv als sehr gering anzusehen, da sie sich nur geringfügig oberhalb der durchschnittlichen natürlichen Strahlenexposition in Deutschland von etwa 2,4 mSv pro Jahr bewege. Erst wenn die Verursachungswahrscheinlichkeit oberhalb von 50 % liege, könne vom Vorliegen einer Berufskrankheit ausgegangen werden. Hinsichtlich der BK Nr. 1303 stellte die Beklagte fest, nach den Recherchen des TAD könne zwar bis 1973 von einem Umgang mit reinem Benzol und danach mit benzolhaltigen benzinischen Lösungen ausgegangen werden, jedoch ergebe sich nach derzeitig medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand lediglich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Benzoleinwirkung und der Entstehung von Erkrankungen des blutbildenden Systems. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Benzolgefährdung am Arbeitsplatz und der beim Kläger vorliegenden Erkrankung könne damit ausgeschlossen und eine Berufskrankheit Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV ebenfalls nicht anerkannt werden.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 06.05.2005 Widerspruch. Zu dessen Begründung führte er im Wesentlich an, mit Sicherheit habe die Gummilösung, welche er beim Reifenmachen eingearbeitet habe, Trichlorethylen enthalten. Weiterhin sei er den Vulkanisationsdämpfen beim Heizen und der Lagerung im Konfektionsbereich ausgesetzt gewesen. Benzol habe er jahrelang verarbeitet, eingeatmet und über die Haut aufgenommen. Auch die Berücksichtigung der Strahlenbelastung hielt der Kläger für falsch. In den 60-iger und 70-iger Jahren seien Experten der Wismut mit dem Geigerzähler durch die Produktionshallen gegangen und hätten deutlich erhöhte Werte gemessen.
In einer daraufhin eingeholten gewerbeärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vertrat die Ärztin die Ansicht ein entsprechendes Krankheitsbild der BK Nr. 1303 liege nicht vor. Die bei dem Kläger durch den TAD der Bergbau-BG in Bezug auf die BK Nr. 2402 zur Anlage 1 der BKV als "worst case-Betrachtung" angenommene kumulative Organdosis von 2,64 mSv habe unter Berücksichtigung des heutigen strahlenmedizinischen Kenntnisstandes eine nur geringe Wahrscheinlichkeit der Induktion einer bösartigen Neubildung im Bereich der Niere.
In der abschließenden Stellungnahme des TAD vom 30.06.2005 führte der Dipl.-Ing. S. u. a. aus, der Umfang der Sanierung bzw. Dekontamination des ehemaligen Wismut-Geländes bei der Nutzungsänderung sei in den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht eindeutig beschrieben. Deshalb habe er eine Einschätzung des TAD der Bergbau-BG zur Abschätzung der Strahlendosis und Verursachungswahrscheinlichkeit eingeholt. Diese Berechnung sei als Extremwertbetrachtung erfolgt, man habe die Strahlenbelastung eines Fördermanns über Tage als höchstmögliche Belastung über Tage angenommen. Bei seinen Recherchen habe er wiederholt und ausführlich mit dem Kläger telefoniert. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hierbei wiederholte sie im Wesentlichen die Begründung aus dem angefochtenen Bescheid und führte ergänzend aus, auch die Äußerungen des Klägers im Widerspruchsverfahren sowie die erneuten Stellungnahmen des TAD könnten nicht zu einer Änderung der Entscheidung führen.
Am 26.09.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des ablehnenden Bescheides vom 14.04.2005. Zur Begründung des Antrages gab er an, Trichlorethylen sei bei der Reifenherstellung und auch als Handwaschmittel verwendet worden. Der TAD habe in seiner Stellungnahme vom 06.01.2003 selbst Gummilösungen und Wasserstofflösungen und einen Verbrauch an Kohlenwasserstoffgemisch mit drei Litern pro Schicht erwähnt. Wissenschaftlich sei auch anerkannt, dass Nierenschäden nicht nur im Hochdosisbereich, sondern auch nach langfristiger Exposition gegenüber geringen Konzentrationen von Trichlorethylen auftreten könnten.
Die Beklagte holte erneut eine Stellungnahme des TAD, Dipl.-Ing. S. ein. In der Stellungnahme vom 28.03.2008 führte Dipl-Ing. S. aus, Trichlorethylen sei ein typischer Reiniger und Entfetter von Metallteilen und in keiner Art und Weise für die persönliche Hygiene (Reinigung von verschmutzten Händen) geeignet. In einem ausführlichen Telefonat mit dem Kläger am 20.03.2008 habe dieser keinen konkreten Einsatzfall von Trichlorethylen während der Dauer der beruflichen Tätigkeit im Reifenwerk benennen können. Dieser vermute, dass eine besonders klebrige Substanz in geringen Mengen den verwendeten benzinischen Lösungen in solchen Fällen beigesetzt worden sei, wenn es um eine besondere Klebkraft gegangen sei. Trichlorethylen sei erst ab einer sehr hohen Atemluftkonzentration von 300 ppm, also fast im narkotischen Bereich, geeignet Nierenkrebs hervorzurufen. Berücksichtige man das Volumen der Fertigungshallen von etwa 40.000 m3 (ermittelt nach den Angaben des Klägers in der Stellungnahme vom 06.01.2003) so ergebe sich ein notwendiger Verbrauch von ca. 45 Litern reiner Chemikalie. Bei dieser Abschätzung sei er von einer Luftwechselzahl 1 und stationären Betrachtungen ausgegangen. In Wirklichkeit sei ein deutlich höherer Luftwechsel zu verzeichnen, da der Kläger im Telefonat erneut die stets und ständig offenen Türen angeführt habe. Den Verbrauch dieser Menge Lösungsmittel in einer Schicht schließe er nach Kenntnis der Fertigungsabläufe der Reifenfertigung aus. Diese Aussage beziehe sich auch eindeutig auf den Verbrauch von Lösungsmitteln vor 1990. Zusammenfassend führte Dipl.-Ing. S. aus, aus der Technologie des Reifenbaus in den 70-iger bis 90-iger Jahren könne der Einsatz von Trichlorethylen in großem Umfang nicht hergeleitet werden. Pränarkotische Konzentrationen von Trichlorethylen könnten beim Verbrauch von wenigen Litern Wasserstoffgemischen in speziellen Klebern nicht erreicht werden. Die Verwendung als Handreiniger habe der Kläger auch auf Nachfrage nicht bestätigt.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides vom 14.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2005 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, die vom Kläger behauptete Verwendung von Trichlorethylen als Reinigungsmittel für die Hände sei ohne Bezeichnung von Beweismitteln behauptet worden und erscheine bereits unschlüssig, da Trichlorethylen als Reinigungsmittel für die Hände ungeeignet sei. Davon abgesehen liege selbst bei einem Nachweis einer entsprechenden Verwendung die durch Trichlorethylen entstandene Belastung weit unterhalb der Exposition, die nach dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand erforderlich sei, um ein Nierenzellkarzinom zu verursachen. Soweit der Kläger Bezug nehme auf die Stellungnahme des TAD vom 06.01.2003, so enthalte diese keine Aussage zu einer Trichlorethylenbelastung. Die Frage einer Trichlorethylenexposition sei erst im Rahmen der internen Stellungnahme vom 03.03.2005 zur Vorbereitung über die Anerkennung der BK Nr. 1302 verhandelt worden. In der Stellungnahme vom Januar 2003 sei zwar eine Gummilösung genannt worden, diese gelte jedoch als Oberbegriff für die aliphatischen Kohlenwasserstoffe und der Nachweis einer Trichlorethylenexposition sei mit dieser Bezeichnung nicht geführt.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 05.01.2009 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er habe gegenüber Dipl.-Ing. S. bereits Ende 2002 klargestellt, dass das Lösungsmittel und Benzol mit einem Pinsel auf die rotierende Maschine aufgetragen worden und es dabei zu Hautkontakt und großflächiger Benetzung von Arbeitskleidung mit Lösungsmittel gekommen sei. Bereits damals habe er auch mitgeteilt, dass die Lüftungsverhältnisse schlecht gewesen seien. Das Öffnen von Fenstern wegen Zugluft sei verboten gewesen. Falsch sei auch, dass die Türen ständig offen gestanden hätten. Im Reifenwerk sei Trichlorethylen als Reinigungsmittel verwendet worden, da es bei der Heizung erforderlich sei, die Formen stets sauber und fettfrei zu halten. Es sei auch unberücksichtigt geblieben, dass es in der Wissenschaft bezüglich der BK Nr. 1303 auch kritische Stimmen gebe, die die Ansicht verträten, Benzol könne auch Nierenerkrankungen verursachen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, Voraussetzung für die Anerkennung von Nierenzellkarzinomen verursacht durch Trichlorethylen sei u. a. eine mehrjährige Exposition im fast narkotischen Hochdosisbereich von 330ppm. Selbst bei Unterstellung der vom Kläger geschilderten Verwendung von Trichlorethylen in seinem Tätigkeitsbereich sei eine solche Exposition ausgeschlossen. Der Zusammenhang zwischen Benzol und Nierenerkrankungen betreffe nicht den Zusammenhang zwischen der Einwirkung von Benzol und der Entstehung eines Nierenzellkarzinoms, sondern den Zusammenhang mit einer Glomerulonephritis, einem Krankheitsbild, das bei dem Kläger nicht vorliege. Nach dem derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand führe Benzol vorwiegend zu hämatologischen Schäden, sei jedoch nicht geeignet, kanzerogen auf das Organ Niere zu wirken.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 14.05.2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. In der Klagebegründung hat der Kläger wiederum darauf abgestellt, dass bei der Vulkanisation der Reifen Trichlorethylen als Reinigungsmittel eingesetzt worden sei. Dadurch und durch die Lagerung sei es zu krebserregenden Dämpfen in unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes gekommen. Ohne nähere Angabe und Belege komme die Beklagte auch weiter zu dem Schluss, dass es sich bei den Gummilösungen, mit welchen die Halbfabrikate eingestrichen worden seien, um Benzol gehandelt habe, welches nicht lediglich bis 1973, sondern bis mindestens 1978 verwendet worden sei und sehr wohl eine Nierenschädigung verursachen könne. Bei der Berechnung der Benzoljahre habe die Beklagte auch übersehen, dass er auch an Samstagen gearbeitet habe. Bezüglich der Strahlenbelastung zur BK Nr. 2402 sei zum einen nicht ersichtlich, auf welche Grundlagen sich die Einschätzung der BG Bergbau stützte, zum anderen sei seine Strahlenbelastung während seiner Berufstätigkeit auch höher gewesen als später zum Zeitpunkt einer Messung im Jahr 1994. Zur Ergänzung hat der Kläger auszugsweise die Dokumentation "Sanierungsbegleitende Altlastuntersuchungen im Gewerbegebiet D.-C./G." der Ingenieurgesellschaft Baugrund D. vom 30.09.1994 vorgelegt.
In einer Stellungnahme vom 27.05.2010 hat die Beklagte sich nochmals ausführlich zu den einzelnen Berufskrankheiten geäußert. Im Wesentlichen hat sie nochmals die Ausführungen des TAD zusammengefasst. In Ergänzung hat sie zur BK Nr. 1302 ausgeführt, der Kläger habe keinen konkreten Einzelfall benennen können, bei dem er Trichlorethylen während seiner Tätigkeit im Reifenwerk benutzt habe. Bei der Befragung im Jahr 2004 habe er auf mehrfache Nachfrage eingeräumt, sich an einen bewussten Umgang mit Trichlorethylen nicht erinnern zu können. Soweit im Laufe des Verfahrens angegeben worden sei, dass die Beschäftigung an Arbeitsplätzen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Betriebsbereich Vulkanisation erfolgt sei, habe eine Exposition gegenüber solchen Dämpfen zwar nicht ausgeschlossen, jedoch ein entsprechender Nachweis andererseits auch nicht geführt werden können. Wenn der Kläger bemängele, dass aus den betreffenden Zeiträumen nicht ausreichend Unterlagen zur Verfügung stünden, so könne die Beklagte an der Tatsache, dass Unterlagen fehlten nichts ändern.
Die Beklagte hat eine Auskunft des Beratungsarztes Dr. D. vorgelegt, in welcher die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der krebserregenden Wirkungen in der Gummiindustrie auf die Niere dargelegt hat. Berufsbedingte Schädigungen der Niere seien epidemiologisch lediglich von Trichlorethylen gesichert bekannt. Wegen des in der Gummiindustrie häufig verwendeten Benzols sei auch eine krebserregende Wirkung auf das blutbildende System in Form von Leukämie bekannt geworden. Dr. D. hat eine epidemiologische Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie von Weiland und Keil aus dem Jahr 1995 zitiert. Aus dieser ergebe sich tatsächlich eine signifikant erhöhte Gesamtmortalität an Krebserkrankungen bei Beschäftigungen in der Gummiindustrie. Es werde daraus jedoch ersichtlich, dass bösartige Neubildungen an der Niere, der Leber, den Gallengängen und Blasen nicht erhöht seien. Somit sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass die im Gummi verwendeten unterschiedlichsten Inhaltsstoffe keinen wesentlichen Einfluss auf die Häufigkeit von bösartigen Nierenerkrankungen gezeigt hätten. Hinsichtlich der Tumorinduktion durch ionisierende Strahlen hat Dr. D. darauf hingewiesen, dass die Jakobi-Studien II und III keine erhöhte Erkrankungshäufigkeit an Nierentumoren nachgewiesen hätten und die Niere als nur gering strahlensensibel gegenüber anderen Organsystemen gelte. Für das blutbildende System werde für eine kausale Beziehung zur Strahleninduktion eine Erkrankungswahrscheinlichkeit von 50 % aus strahlenepidemiologischer Sicht gefordert, welche mit Sicherheit durch Tätigkeiten außerhalb des Wismut Bergbaus jedoch nicht zu erreichen sei. Somit könne auch eine Strahleninduktion für die kausale Beziehung eines Nierenkarzinoms, da die Niere nur wenig strahlensensibel sei, zu einer beruflichen Belastung mit ionisierenden Strahlen nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Darüber hinaus hat die Beklagte erneut eine Stellungnahme des TAD der Bergbau-BG zur Strahlenexposition im Bezug auf die BK Nr. 2402 vom 08.03.2010 vorgelegt. Dr. H., Branchenprävention G., hat ausgeführt, dass sich an den bisher vorgelegten Berechnungen keine Änderungen ergäben. Der Präventionsdienst hat insoweit erneut auf die zugrunde liegenden Gutachten und Messungen des TÜF Bayern und des IAF Dresden hingewiesen, welche in der Anlage zu der Stellungnahme mitübersandt wurden (Bl. 41-58 SG-Akte). Zum Vergleich hat der TAD als Extremwertberechnung eine fiktive Berechnung für einen Zechenarbeiter erstellt, welcher während der gesamten Produktionszeit im Aufarbeitungsbetrieb der Wismut tätig gewesen ist. Unter Berücksichtigung des Abschlussberichtes zum Forschungsvorhaben "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" (in der Anlage angefügt) wurde für den Zechenarbeiter eine Verursachungswahrscheinlichkeit von etwa 1 % bei Annahme einer 11-jährigen Exposition in der Fabrik 95 der W. errechnet worden.
Auf Einwendungen des Klägers hin hat die Beklagte erneut Stellungnahmen des TAD der Bergbau-BG vom 16.07.2010 sowie eine Stellungnahme von Dipl.-Ing. S. vom 03.08.2010 vorgelegt. Zur BK 2402 hat der TAD Branchenprävention Bergbau ausgeführt, Gebäude, die nach den Messberichten des TÜF Bayern und des IAF Dresden nicht aufgeführt seien, müssten als unbelastet angesehen werden (keine Radioaktivität). Dipl.-Ing. S. hat darin nochmals dargelegt, dass die Technologie des Reifenaufbaus in keiner Art und Weise den Einsatz eines chlorierten Kohlenwasserstoffes (Trichlorethylen) erfordere. Zur Begründung hat er die Rezeptur der im VEB Reifenwerk D. am häufigsten benutzten Mischung Kb 17 dargestellt, welche er bei der Landesdirektion D. haben recherchieren können. Weiterhin hat er eine vollständige Übersicht der eingesetzten Chemikalien vom 22.5.1973 vorgelegt, zwei Stofflisten in Form sogenannter arbeitshygienischer Berichte vom 30.09.1981 und vom 30.09.1982 sowie eine arbeitshygienische Belegarbeit des Allgemeinmediziners B. aus dem Jahre 1974. Bezugnehmend auf diese Unterlagen hat Dipl.-Ing. S. ausgeführt, aus den Stofflisten ergebe sich kein Einsatz von chlorierten Kohlenwasserstoffen (bzw. Halogenkohlenwasserstoffen). Bei dem eingesetzten Trennmittel handle es sich um eine Silikon-Öl-Emulsion mit der Typenbezeichnung MOE-605. Die Verwendung von solchen Silikonölen decke sich mit seinen Erkenntnissen und Erfahrungen aus zahlreichen Betriebsbesichtigungen im Unternehmen der gummiherstellenden und gummiverarbeitenden Industrie. Bezüglich der Benzolbelastung sei eine deutlich höhere Belastung als 400 ppm bereits berücksichtigt worden. Aus dem Bericht des Dr. B. ergebe sich, dass seit Mitte der 70-iger Jahre keine Belastung durch ionisierende Strahlung mehr habe festgestellt werden können. Ausweislich dieser Arbeit werde auch seit Januar 1973 in der Produktion kein Benzol mehr verwendet.
Mit Urteil vom 29.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Nierenkrebserkrankung des Klägers sei zunächst nicht als BK Nr. 1303 anzuerkennen, denn eine Nierenkrebserkrankung sei keine typische Folge von Benzolexposition. Die Nierenkrebserkrankung sei auch nicht als BK Nr. 2402 anzuerkennen, da schon nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger während seines Arbeitslebens einer hinreichenden Exposition gegenüber ionisierender Strahlen ausgesetzt gewesen sei. Das SG hat sich hier der Argumentation der Beklagten in der Vergleichsberechnung eines Zechenarbeiters im Uranerzbergbau angeschlossen. Weitere Ermittlungen in arbeitstechnischer und medizinischer Hinsicht seien nicht erforderlich, da es sich bereits um eine "worst-case-Berechnung" zugunsten des Klägers handele. Schließlich sei die Nierenkrebserkrankung auch nicht als BK Nr. 1302 anzuerkennen, da eine hierfür erforderliche Exposition gegenüber Trichlorethylen im Hochdosisbereich nicht nachgewiesen sei. Bereits die klägereigenen Angaben zur Trichlorethylenbenutzung seien widersprüchlich, da der Kläger zu Beginn des Verwaltungsverfahrens angegeben habe, sich an keine Trichlorethylenverwendung zu erinnern, wohingegen er im Laufe des Klageverfahrens wechselnde Einsatzarten von Trichlorethylen angegeben habe. Die Einlassungen des Klägers seien angesichts der Ausführungen des TAD weder in Bezug auf die Verwendung von Trichlorethylen als Handreinigungsmittel noch als Verwendung im Reifenaufbau überzeugend. Deswegen müsse weder, die zuletzt in der mündlichen Verhandlung beantragt, ein arbeitstechnisches Gutachten eingeholt noch der Zeuge T. gehört werden.
Gegen das am 23.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.09.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, da die erforderlichen Unterlagen abhanden gekommen seien, sei es ihm nicht möglich, vollständig Beweis über Ursache und Vorliegen seiner Berufskrankheiten zu führen. Letztlich müsse daher die Beweisführung im Wesentlichen auf arbeitsmedizinische und arbeitstechnische Sachverständigengutachten sowie Zeugenbeweis gestützt werden, dem sei das SG jedoch nicht nachgekommen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er nach den Ermittlungen der Beklagten hinsichtlich der BK Nr. 1303 einer Benzolbelastung in Höhe von mehr als 400 ppm (Benzoljahre) ausgesetzt gewesen sei. Die karzinogene Wirkung von Benzol sei bekannt. Hinsichtlich der BK Nr. 2402 sei übersehen worden, dass die Beklagte eine fiktive Berechnung für einen Zechenarbeiter in einer Urangrube durchgeführt habe, sein ehemalige Arbeitsplatz sich gleichwohl auf dem Gelände einer ehemaligen Urananreicherungsanlage befunden habe, was zu einer wesentlich höheren Strahlenexposition geführt habe. Hinsichtlich der BK Nr. 1302 könne einzig ein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten über die Verwendung oder Bildung von Trichlorethylen als Nebenprodukt von Benzol oder anderen in der Reifenherstellung verwendeten chemischen Produkten Auskunft geben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Juni 2012 und den Bescheid vom 3. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 14. April 2005 zurückzunehmen und das bei ihm vorliegende Nierenzellkarzinom als Berufskrankheit Nrn. 1302, 1303 und 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen, hilfsweise ein arbeitsmedizinisches Gutachten zum Zusammenhang zwischen einem Nierenzellkarzinom und einer Benzol- und Trichlorethylenexposition und ein arbeitstechnisches Gutachten zur Verwendung von Trichlorethylen in der Reifenherstellung einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Vorliegen der BK Nr. 1303 sei unabhängig von der Exposition abgelehnt worden, da nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Benzol und einer Nierenkrebserkrankung nicht zu bejahen sei. Die Expositionsermittlung hinsichtlich der BK Nr. 2402 sei anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen und Vergleichswerte durchgeführt worden. Selbst bei Annahme einer 24-jährigen Exposition sei die daraus zu errechnende Verursachungswahrscheinlichkeit nur unwesentlich höher als 1 %. Die BK Nr. 1302 sei zu Recht mangels ausreichender Exposition abgewiesen worden, wobei im Einzelnen die Frage der Expositionshöhe dahingestellt bleiben könne, da erst bei einer hohen Dosis von Trichlorethylen eine Anerkennung eines Nierenzellkarzinoms zu diskutieren sei, pro Schicht tatsächlich aber nur ca. drei Liter Kohlenwasserstoffgemische verbraucht worden seien, was keine Exposition im Hochdosisbereich darstelle.
Der Sachverhalt ist mit den Beteiligten am 23.04.2013 durch die Berichterstatterin erörtert worden. Im Rahmen des Erörterungstermins hat der Kläger mitgeteilt, Trichlorethylen sei immer und zwar zum Aussprühen der Reifenformen sowie als Handwaschpaste verwendet worden Mit Trichlorethylen sei er vor allem durch die sich in der Halle befindlichen Dämpfe bzw. Sprühnebel in Berührung gekommen. Täglich seien ca. 40 bis 50 Reifen durch seine Hände gegangen. Täglich seien insgesamt ca. 96 Reifen vulkanisiert worden, wenn man von 12 Heizern ausgehe, die am Tag 7 bis 8 Runden Reifen vulkanisiert hätten.
Sodann ist der ehemalige Beschäftigte des VEB Reifenwerks D. T. T. schriftlich als Zeuge vernommen worden. Dieser hat ausgesagt, in der Zeit vom 01.09.1976 bis zum 15.06.1978 im VEB Reifenwerk Dresden gearbeitet zu haben. Nach seiner Ausbildung sei er in den Bereichen Konfektion und Vorkonfektion tätig gewesen. Es sei ihm zwar bekannt gewesen, dass er mit Gefahr- und Giftstoffen gearbeitet habe, die einzelnen Stoffe habe man jedoch nicht erfahren. Zur Herstellung der Rohlinge sei Benzol benötigt worden, um die Haftung der einzelnen Elemente zu gewährleisten. Klebelösungen seien ebenfalls verwendet worden, deren Inhalte seien ihm jedoch nicht bekannt gewesen. Da Konfektion und Vulkanisation in einer Halle untergebracht gewesen seien, seien der Kläger und er durch Dämpfe acht Stunden pro Schicht in Kontakt mit Trichlorethylen gekommen, wobei er sich nicht sicher sei, dass es sich tatsächlich um Trichlorethylen gehandelt habe. Außer dem Giftstoff Benzol sei ihm direkt keiner bekannt.
Auf Nachfrage des Senats beim TAD der Beklagten hat Dipl.-Ing. S. am 13.06.2013 erneut eine Stellungnahme abgegeben. Darin hat er nochmals darauf hingewiesen, dass nur im Zeitraum 1981/82 bis 1991 die Reifenkonfektion ihre Arbeitsplätze zusammen mit der Vulkanisation in einer Halle gehabt habe. In den vorherigen Beschäftigungszeiten des Klägers seien die Arbeitsplätze Reifenaufbau und der Bereich Vulkanisation durch eine Werkstraße getrennt gewesen. Die Vulkanisationsformen seien in einem bestimmten Zyklus zunächst mit Druckluft und anschließend mit benzinischen Lösungen fein gereinigt worden, wobei diese benzinischen Lösungen bis 1973 möglicherweise Benzol gewesen sein könnten. Danach sei Siedegrenzbenzin unterschiedlichen Verschnittes eingesetzt worden. Diesem Siedegrenzbenzin seien "arbeitshygienisch unbedenkliche Zuschlagstoffe" zugesetzt worden, wobei es sich seiner Kenntnis entziehe, welche dies konkret gewesen seien. Er hat dies insoweit auf das beigefügte Messprotokoll über die Messung toxischer Stoffe in der Luft am Arbeitsplatz vom 11.06.1980 im VEB Reifenwerkt D. (Bl. 58 Senatsakten) verwiesen. Vor dem Einlegen der Rohlinge sei die Form dann im unbestimmten Zyklus mit wässrigen Lösungen eingesprüht worden, wobei es sich hierbei in den früheren Jahren um wässrige Talkumlösungen und später um Öl-Wasser-Mischungen (Silikon als Hauptbestandteil) gehandelt habe. Die Verwendung von Trichlorethylen für die Reinigung von Vulkanisationsformen oder für die Verwendung als Trennmittel sei ihm nicht bekannt und auch nicht zu recherchieren gewesen. Im Gegenteil, aus der bereits vorgelegten Stoffliste aus dem Jahre 1973, den arbeitshygienischen Berichten von 1981 und 1982 gehe eindeutig hervor, dass Trichlorethylen im Unternehmen nicht eingesetzt worden sei. Bezüglich der Raumluftkonzentration hat Dipl.-Ing. S. ausgeführt, unter Zugrundelegung der geometrischen Abmaße der alten Halle, wie der Kläger sie in einem Telefonat angegeben habe bzw. der neuen Halle, ergebe sich für ihn ein Hallenvolumen von 40.000 m3. Um bei einem solchen Hallenvolumen eine Hochdosisexposition von Trichlorethylen im pränarkotischen Bereich zu erreichen, müssten auf einen Schlag spontan 45 Liter reines Trichlorethylen auslaufen oder verdampfen. Im Unternehmen habe es aber erhebliche Querlüftungen durch offene Türen und Tore gegeben, wie der Versicherte ihm gegenüber in verschiedenen Telefonaten betont habe. Der Arbeitsbereich Reifenaufbau sei, da in derselben Halle befindlich mit der Vulkanisation, den herrschenden Luftbedingungen (benzinische Dämpfe, Vulkanisationsdämpfe) exponiert gewesen. Die Höhe der Exposition sei als sogenannte "By-stander"-Exposition zu beschreiben. In anderen Bereichen der Prävention sei das etwa ein Zehntel der tatsächlich am Arbeitsplatz herrschenden Konzentration.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die beigezogenen Akten S 6 U 1276/03 und S 6 U 114/04 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und statthafte Berufung ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1, 4 und 5 SGG die Aufhebung der das Vorliegen der BK ablehnenden Verwaltungsentscheidung sowie die Verurteilung der Beklagten, die BK Nr. 1302, Nr. 1303 und Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV im Überprüfungsverfahren festzustellen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Rücknahme des Bescheides vom 14.04.2005 und auf Anerkennung der in Streit stehenden BKen wegen des bei ihm vorliegenden Nierenzellkarzinoms.
Hierüber konnte der Senat ohne weitere Ermittlungen, insbesondere ohne Einholung weiterer arbeitstechnischer oder arbeitsmedizinischer Gutachten entscheiden. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Tatsachengrundlage zur Entscheidung nicht ausreichend ist. Die Ausführungen des TAD zur Verwendung von Trichlorethylen in der Reifenherstellung sind plausibel und wurden vom Kläger nicht substantiiert erschüttert. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Einwendungen des Klägers bezüglich des Zusammenhangs von Benzol und Nierenschädigungen auch auf ein Nierenzellkarzinom übertragbar sind, ließen sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Weitere Ermittlungen auf diesem Gebiet wären einer Ausforschung gleichgekommen. Der Senat sah sich daher nicht gedrängt, aufgrund dargetaner Widersprüchlichkeiten oder verbleibender Unklarheiten weitere Ermittlungen anzustellen.
Der Senat musste auch nicht grundsätzlich von einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Klägers ausgehen. Wiederholt hat der Kläger vorgetragen, es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass entsprechende Unterlagen zur Reifenherstellung bzw. zur Verwendung von Schadstoffen in seiner Beschäftigungszeit nicht mehr aufzufinden seien. Zum einen entspricht der Vortrag des Klägers nicht den Tatsachen. Der Technische Präventionsdienst der Beklagten konnte durchaus Unterlagen zu den verwendeten Gefahrstoffen in der Reifenherstellung am Arbeitsplatz des Klägers in dem fraglichen Zeitraum vorlegen. Insoweit ist für eine Beweislastumkehr kein Raum. Zum anderen kann eine Beweislastumkehr nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn eine planmäßige Unklarheit wie bei einer Beweisvereitelung vorliegt (Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 19.12.2013 - L 6 VS 2299/13). Denn allgemein gültige Grundsätze zur Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes würden dem in § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen (BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 25/03 R - Juris). Von einer planmäßigen Vernichtung von Unterlagen im Rahmen einer gewollten und geplanten Beweisvereitelung von Seiten der Beklagten und damit einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden, eine solche behauptet noch nicht einmal der Kläger.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger im Interesse der materiellen Gerechtigkeit einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 28.01.1981 - 9 RV 29/80; Urteil vom 22.04.1986 - 1 RA 21/85). Ob bei Erlass des Bescheides von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist, beurteilt sich im Vergleich der Sachlage, wie sie dem zu überprüfenden Verwaltungsakt zu Grunde gelegt worden ist und wie sie sich bei Erlass des Verwaltungsaktes bei nachträglicher Betrachtung im Zeitpunkt der Überprüfung rückschauend tatsächlich darstellt. Mithin kommt es nicht auf den Erkenntnisstand bei Erlass, sondern bei Überprüfung an, die Rechtswidrigkeit beurteilt sich also nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSG, Urteil vom 25.10.1984 - 11 RAz 3/83). Dies gilt auch dann, wenn z. B. die richtige medizinische Beurteilung erst später möglich geworden ist. Nach Unanfechtbarkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes liegt allerdings die objektive Beweislast für Tatsachen, aus denen sich eine Unrichtigkeit des Verwaltungsaktes wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahme ergeben kann, bei dem Adressaten des Verwaltungsaktes (st. Rspr. BSG, Urteil vom 10.12.1985 - 10 RKg 14/85).
Danach hat die Beklagte mit dem bestandskräftigen (§ 77 SGG) Bescheid vom 14.04.2005 die Anerkennung der BK Nr. 1302, Nr. 1303 und Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV zu Recht abgelehnt. Sie hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen
Unter welchen Voraussetzungen eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen ist, ergibt sich aus §§ 7 und 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wenn - wie vorliegend - der Eintritt einer BK für die Zeit nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 geltend gemacht wird (vgl. § 212 SGB VII). Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I Seite 2623) mit der Anlage 1 zu § 1 BKV erlassen, in der unter Nr. 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, unter Nr. 1303 Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol und unter Nr. 2402 Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen gelistet sind.
Für die Feststellung einer Erkrankung als BK müssen die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013 B 2 U 11/12 R - Juris): Die Verrichtung des Versicherten muss einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), der Versicherte muss Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper ausgesetzt gewesen sein, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss zu diesen Einwirkungen geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Anerkennung des bei dem Kläger diagnostizierten Nierenzellkarzinoms als BK Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV zur Überzeugung des Senates nicht gegeben.
Nach der unfallmedizinischen Literatur (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, abgedruckt in Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1302, Seite 15 Nr. 8) leidet der Kläger an einer Erkrankung, nämlich einem Nierenzellkarzinom - was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist -, welche durch einen Halogenkohlenwasserstoff nämlich Trichlorethylen (i.e. der Trivialname des im Merkblatt genannten Trichlorethen) verursacht werden kann. Die Ätiologie des Nierenzellkarzinoms ist unbekannt. Insgesamt wird von einem multifaktoriellen Geschehen ausgegangen. Da die Wirkungszusammenhänge aber weder bekannt noch wissenschaftlich vollständig erwiesen sind, kann im Hinblick auf die wissenschaftlich kontrovers diskutierten Wege der Entstehung eine Abwägung von Wahrscheinlichkeiten nicht erfolgen. Gesichert ist insoweit jedoch die Entstehung durch Trichlorethylen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 978). Voraussetzung für die Anerkennung in einem solchen Fall ist neben dem pathologisch-histologischen Nachweis eines primären Nierenzellkarzinoms eine mehrjährige Exposition im Hochdosisbereich (Exposition gegenüber Luftkonzentrationen ab einer Höhe von ca. 300 ppm), eine regelmäßige Expositionsdauer von drei Jahren mit gravierenden und langanhaltenden expositionsbezogenen pränarkotischen Zuständen (mehrfach wöchentlich über mindestens drei Jahre) und einer Mindestexpositionsdauer von 30 Minuten pro Arbeitsschicht im Hochdosisbereich (Exposition gegenüber Luftkonzentrationen ab einer Höhe von 300 ppm), einer Latenzzeit von 20 jedoch mindestens 10 Jahren, den Nachweis eines tubulären Nierenschadens (insbesondere der Nierenkanälchen) und ggf. somatische Mutationen im VHL-Gen des Tumorgewebes (Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1302, Seite 15 Nr. 8).
Die Exposition des Klägers gegenüber Trichlorethylen ist nicht nachgewiesen. Zunächst sind die eigenen Angaben des Klägers in sich widersprüchlich und haben sich im Laufe des Verfahrens geändert. Anfänglich hat er noch gegenüber dem Technischen Aufsichtsbeamten Schwabe in Gesprächen angegeben, ein Kontakt mit Trichlorethylen sei ihm nicht bekannt. Später hat der Kläger behauptet, er habe sehr wohl in Kontakt mit Trichlorethylen gestanden, zum einen durch Einsprühen der Formen mit Trichlorethylen durch die an benachbarten Arbeitsplätzen tätigen Heizer als Reinigungs- bzw. Trennmittel und zum anderen, weil Trichlorethylen in der Handwaschpaste bzw. -mittel enthalten gewesen sei. Diese Angaben des Klägers ließen sich jedoch nicht verifizieren, denn der vom Senat schriftlich vernommene Zeuge T. konnte nicht bestätigen, ob Trichlorethylen tatsächlich verwendet worden ist. Gegen die Annahme des Klägers, Trichlorethylen sei verwendet worden, sprechen auch die vom TAD der Beklagten vorgelegten Unterlagen aus den 1970-iger und 1980-iger Jahren. Mithin geht auch das Argument des Klägers, man habe nur Unterlagen aus der heutigen Zeit nach Ende seiner Arbeitstätigkeit beigezogen, fehl. Aus der von Dipl.-Ing. S. vorgelegten Rezeptur der Reifen im VEB Reifenwerke Dresden ergibt sich kein Hinweis auf die Verwendung von Trichlorethylen im Reifenaufbau selbst. Auch aus der im Stoffkataster ersichtlichen Liste aus dem Jahr 1974 mit den im Betrieb eingesetzten Chemikalien folgt nichts hinsichtlich der Verwendung von Halogenkohlenwasserstoffen insbesondere Trichlorethylen. In den arbeitshygienischen Berichten von 1981 und 1982 wird keine Verwendung von Halogenkohlenwasserstoffen angegeben. Soweit der Kläger vorträgt, Trichlorethylen sei zum Besprühen der Reifenformen bei der Vulkanisation als Trennmittel aufgebracht worden, so widerspricht dies der Chemikaliensammlung in dem Schreiben vom 11.01.1974, wo Silikonölemulsion (MOE/605) aufgelistet ist. Es besteht daher für den Senat kein Anhalt, an der Einschätzung von Dipl-Ing. S. zu zweifeln, dass diese Silikonemulsion als Trennmittel eingesetzt worden ist. Es lässt sich somit weder eine Trichlorethylenexposition überhaupt noch eine Exposition gar im Hochdosisbereich nachweisen. Auch die als Voraussetzung genannten regelmäßigen gravierenden und langanhaltenden expositionsbezogenen pränarkotischen Zustände, mehrfach wöchentlich über mindestens drei Jahre wurden vom Kläger nicht mitgeteilt. Der Kläger hat zwar angegeben, wegen der schlechten Lüftungsverhältnisse sei er öfter mit Kopfschmerzen nach Hause gefahren, pränarkotische Zustände in dem Sinne, dass er vor einer Betäubung stand, hat er jedoch nicht dargestellt, obwohl er nach seinen eigenen Angaben während seiner Tätigkeit regelmäßig von Werks- bzw. Betriebsärzten untersucht worden ist. Soweit der Kläger eingewandt hat, auch eine langjährige Exposition in geringer Konzentration sei für die Schädigung in Form von Nierenzellkarzinomen verantwortlich zu machen, so verkennt er, dass sich dies auf von Nierenzellkarzinomen zu unterscheidende Nierenschäden bezieht (Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1302, Seite 8). Allein die Exposition im Hochdosisbereich, welche bei dem Kläger keinesfalls nachweisbar ist, kann nach heutigem Stand der Wissenschaft zu einer solchen Krebserkrankung führen. Diese Ansicht teilt auch der Beratungsarzt der Beklagten Dr. D. in seiner Stellungnahme unter Aufarbeitung der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur. Der Dipl.-Ing. S. hat anschaulich dargetan, dass bei dem vom Kläger selbst angegebenen Hallenvolumen 45 Liter reines Trichlorethylen auf einmal verdampfen hätte müssen, um eine solche pränarkotische Hochdosisbelastung zu erzeugen. Dies kann durch die Verwendung von Sprühnebel zum Einbringen von Trennmittel in die Reifenformen nicht erreicht werden. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vom Kläger angeschuldigte Lösung, mit welcher die Reifen beim Aufbau eingestrichen wurden, in solchen Mengen verwendet wurde, dass eine solche Konzentration hätte erreicht werden können. Unwidersprochen ist hier die Rede von drei Litern pro Arbeiter pro Schicht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass dies nicht dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Stand entspricht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihm wegen des Nierenzellkarzinoms die BK Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV anerkennt.
Aus dem Merkblatt zur BK Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV (Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1303, Seite 2) ergibt sich, dass eine akute Vergiftung mit Benzol zu Erregungszuständen (Benzolrausch) und schließlich zu einer oft langanhaltenden Narkose führt. Es treten Muskelzuckungen, Krämpfe, Kreislaufschwäche und Atemlähmungen auf. Bei einer langzeitigen Einwirkung kleinerer Dosen kann dies zu chronischen Erkrankungen mit Mattigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Störungen als Leitsymptomen führen. Benzol schädigt das hämatopoetische System durch Veränderung der roten und weißen Blutzellen sowie der Blutblättchen. In dem Betrieb wurde zwar bis 1973 Benzol verwendet, was der Senat der Notiz über die Befragung und Begehung des Werks am 09.01.1974 (Bl. 86 SG-Akte) entnimmt. Nach 1973 wurde Siedegrenzbenzin mit unbekannten Zusatzstoffen eingesetzt, wie dies Dipl.-Ing. S. unter Hinweis auf das Messprotokoll über toxische Stoffe im Juni 1980 dargelegt hat. Die Angaben des Zeugen T. entbehren daher einer tatsächlichen Grundlage. Es bestand während seiner Beschäftigungszeiten vielmehr kein nachweisbarer Kontakt zu Benzol.
Dessen ungeachtet fehlt es auch an den medizinischen Voraussetzungen der BK. Denn der Kläger leidet nicht unter einen Erkrankung des Blutes bzw. des blutbildenden und lymphatischen Systems. Das beim Kläger vorliegende Nierenzellkarzinom ist daher mit Wahrscheinlichkeit nicht durch einen Kontakt mit Benzol, selbst wenn die Beklagten von einer Belastung in einem Bereich von über 400 Benzoljahren (ppm/Jahre) ausgegangen ist, verursacht. Die Nieren sind nicht das Zielorgan einer Vergiftung durch Benzol. Soweit der Kläger dies bestreitet, tut er dies wiederum nur ohne substantiierte Darlegung, worauf er seine Zweifel begründet. Da eine solche Erkrankung des Blutes, des blutbildenden und lymphatischen Systems durch Benzol bei dem Kläger nicht vorliegt, war insoweit auch keine Prüfung der BK Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV, welche nach der Rechtsprechung des Senats keine neue BK in Bezug auf die BK Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV darstellt, sondern lediglich als "lex specialis" zu betrachten ist, anzustellen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 26.09.2013 - L 6 U 1510/12).
Zu Recht hat die Beklagte letztlich auch die Anerkennung des Nierenzellkarzinoms als BK Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt.
Die Anerkennung der BK 2402 der Anlage 1 zur BKV setzt, wie sich aus dem Anhang 3 zum Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV ergibt, den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis voraus. Es wird davon ausgegangen, dass eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit nicht erreicht wird, wenn die Dosis im relevanten Organ unter 50 mSv liegt (Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2402, S. 14 und 18). Eine erhöhte Einwirkung ionisierender Strahlen liegt vor, wenn die Strahlung in einer Menge auf den menschlichen Körper eingewirkt hat, welche die zulässige Strahlendosis nach der Strahlenschutzverordnung (SSVO) und/oder der Röntgenverordnung (RöV) überschreitet (vgl. Urteil des Senats vom 19.12.2013 - L 6 VS 2299/13). Nach § 56 Satz 1 SSVO beträgt der Grenzwert für die Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosen beruflich strahlenexponierter Personen 400 mSv. Nach § 31a Abs. 1 RöV darf für beruflich strahlenexponierte Personen die effektive Dosis den Grenzwert von 20 mSv im Kalenderjahr grundsätzlich nicht überschreiten. Zu beachten ist, dass epidemiologische Studien zeigen, dass eine statistisch signifikante und damit zahlenmäßig bestimmbare Erhöhung bösartiger Erkrankungen im Allgemeinen erst im Dosisbereich von einigen Zehntel bis 100 mSv eintritt (Hessisches LSG, Urteil vom 29.04.2009 - L 4 VS 1/05 unter Hinweis auf die Unterrichtung durch die Bundesregierung, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2006 [BT-Drucksache, 16/6835, S. 60]).
Eine konkrete gesundheitsgefährdende Strahlenbelastung des Klägers durch seine Tätigkeit beim VEB Reifenwerke Dresden ist nicht nachgewiesen. Der Kläger selbst war niemals in einem Betrieb des Uranbergbaus tätig. Die Tätigkeit der Reifenherstellung an sich ist grundsätzlich keine Tätigkeit im Kontakt mit radioaktiver Strahlung. Allein die Tatsache, dass auf dem ehemaligen Gelände der Firma W. gearbeitet wurde, könnte die Strahlenexposition begründen. Der Senat stützt sich daher auf die vom Präventionsbereich Gera vorgenommene Vergleichsberechnung vom 09.03.2005 (Bl. 128 der Verwaltungsakte). Hierbei hat man eine "worst-case" -Berechnung, also eine Berechnung des schlimmsten möglichen Falles, durchgeführt, in dem man den Kläger mit einem Fördermann über Tage bei der W. gleichgestellt und hierbei eine Strahlenbelastung von insgesamt 2,64 mSv errechnet hat. Nach der Berechnung beträgt bei einem Fördermann die Verursachungswahrscheinlichkeit unter Zugrundelegung des Zielorganes und des Auftretens der Erkrankung des Klägers 0 %. Wenn also selbst bei einem tatsächlich im Uranbergbau beschäftigten Mitarbeiter über Tage die Strahlenbelastung nur knapp über der natürlichen Strahlenbelastung und die Verursachungswahrscheinlichkeit bei 0 % liegt, dann kann eine gesundheitsgefährdende Strahlenexposition des Klägers nicht angenommen werden. Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch auf die Vergleichsberechnung vom 08.03.2010 (Bl. 40 SG-Akte) Bezug genommen. In dieser Berechnung wurde ausgeführt, dass eine Extremwertberechnung für einen Zechenarbeiter unter Tage der Firma W. während der gesamten Produktionszeit in dem Objekt 96/Fabrik 95 (1952 bis 1962) zu einer Gammastrahlung in Höhe von 20,6 mSv - geführt hätte. Angesichts der Art der Erkrankung und des Krankheitsbeginns berechnet sich anhand des Jacobi-Gutachtens hieraus eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 1 %. Auch bei Annahme einer 24-jährigen Exposition in der Fabrik 95 würde sich die Exposition und die sich daraus berechnete Verursachungswahrscheinlichkeit nur unwesentlich erhöhen. Dies wiederum stimmt mit der Einschätzung von Dr. D. überein, wonach es sich bei der Niere nicht um ein strahlensensibles Organ handelt. Zudem ist der Kläger einem Arbeiter unter Tage nicht vergleichbar. Der Präventionsbereich Gera hatte zu seinen Berechnungen jeweils ausgeführt, die zur Verfügung stehenden Messdaten, welche in den 1990-iger Jahren auf dem W.-Gelände erhoben wurden, zugrunde gelegt und eine retrospektive Berechnung vorgenommen zu haben. Der Berechnung liegt insoweit eine rückschauende Berechnung unter Berücksichtigung der damals wohl zu erwartenden Strahlenbelastung zugrunde. Allein die Gleichstellung mit einem Wismut-Arbeiter macht dies deutlich. Der Einwand des Klägers, man habe daher fälschlicher Weise Werte nach der Sanierung zugrunde gelegt, geht daher ins Leere. Soweit der Kläger diese Ergebnisse anzweifelt, hat er dies wiederrum nicht substantiiert getan. Andere Unterlagen zur Strahlenbelastung des Geländes sind nicht vorhanden.
Zu Recht haben sowohl die Beklagte als auch das SG die Anerkennung der in Streit stehenden BKen abgelehnt. Der Kläger kann mit seinem Überprüfungsbegehren nicht durchdringen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Fall des § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darüber, ob ein bei dem Kläger vorliegendes Nierenzellkarzinom als Berufskrankheit (BK) Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe), Nr. 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol) oder Nr. 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen ist.
Der am 24.12.1944 geborene Kläger arbeitete von 1964 bis 1971 und von 1975 bis 1991 im VEB Reifenwerk D. als Reifenkonfektionierer und Reifenmacher. Ab 01.01.1988 bis zu seinem Ausscheiden am 06.09.1991 war er als Meister in der Reifenherstellung tätig. Das VEB Reifenwerk D. befand sich auf dem ehemaligen W. Gelände (Unternehmen des U. in S. und T.), dessen Sanierung 1991 begonnen wurde. Das Reifenwerk existiert nicht mehr, einen Rechtsnachfolger gibt es nicht. Auf dem Gelände werden heute von der Firma G. D. Reifen hergestellt (Schreiben der Firma vom 16.10.2002). Seit Oktober 2003 war der Kläger wegen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) arbeitsunfähig erkrankt. Im Juli 2004 wurde bei dem Kläger ein bilaterales papilläres Nierenzellkarzinom diagnostiziert, beide Nieren konnten erhalten werden (Bericht Urologische Klinik des D. S. H. vom 10.08.2004).
Wegen der bei ihm vorliegenden COPD hatte der Kläger bei der Holz-Berufsgenossenschaft ein Verfahren zur Feststellung der Berufskrankheiten-Nr. 1303 und 1317 der Anlage 1 zur BKV angestrengt. Im Rahmen dieser Verfahren hatte die damals zuständige Berufsgenossenschaft (BG) Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der jetzigen Beklagten BG Chemie eingeholt, welche von der jetzigen Beklagten beigezogen wurden.
In einer ersten Stellungnahme vom 06.01.2003 führte der Technische Aufsichtsbeamte Dipl.-Ing. S. aus, das Reifenwerk D. sei 1990/1991 stillgelegt worden. Die Beschäftigung des Klägers habe sich im Wesentlichen an der sogenannten englischen Konfektioniermaschine oder der Kruppmaschine abgespielt. Je nach Dimension seien 35 bis 70 überwiegend Großreifen für Landmaschinen, LKW und Busse in der Schicht gefertigt worden. In dem Zeitraum von 1964 bis 1971 und 1976 bis 1991 habe man die verschiedenen Halbfabrikate beim Zusammenbau mit Gummilösung oder Kohlenwasserstofflösung eingestrichen. Zum Anlösen der Wulste sei bis 1973 Benzol verwendet worden und anschließend ausschließlich Siedegrenzbenzin 80/110. Durch einen Reifenbauer seien etwa drei Liter Kohlenwasserstoffgemisch bzw. Lösung pro Schicht verbraucht worden. Der Reifenrohling sei dann auf einem Transportwagen abgelegt worden. Sowohl Gummilösung als auch Kohlenwasserstofflösung hätten offen in einem Gefäß unmittelbar am Arbeitsplatz gestanden und seien mit einem Pinsel (auch Quaste) bei rotierender Trommel aufgetragen worden. Eine Exposition am Arbeitsplatz gegenüber Vulkanisationsdämpfen scheide jedoch aus, da die Vulkanisation sich in einer anderen Halle befunden habe, die durch eine Betriebsstraße von der Reifenfertigung getrennt gewesen sei. Die Ermittlung der Benzolbelastung (Benzoljahre) ergebe unter Berücksichtigung des Einsatzes reinen Benzols bzw. des Einsatzes von Siedegrenzbenzin eine Dosis von 417,65 Benzoljahre durch Inhalation.
In einer weiteren Stellungnahme gab Dipl.-Ing. S. am 18.09.2003 an, nach erneuter Rücksprache mit dem Kläger sowie Durchsicht der Unterlagen der Arbeitsschutzbehörden der DDR aus dem Archiv des Gewerbeaufsichtsamtes D. lasse sich schließen, dass der Kläger - was er zunächst nicht angegeben habe - von 1982 bis 1988 und 1988 bis 1991 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Betriebsbereich Vulkanisation beschäftigt gewesen sei. Im Zeitraum von 1982 bis 1988 sei er in einer alten Halle (Sonderfertigung) in unmittelbarer Nachbarschaft zu 12 bis 14 Vulkanisationspressen in der anderen Hallenhälfte tätig gewesen, welche durch eine Mauerwand sei mit einer fünf bis sechs Meter breiten, nie geschlossenen Türöffnung getrennt gewesen. Zu den Luft- und Strömungsverhältnissen habe der Kläger keine Aussagen machen können. Eine Exposition gegenüber Vulkanisationsdämpfen könne wegen der fehlenden räumlichen Trennung nicht ausgeschlossen, aber konkrete Exposition nicht durch Messberichte und Stellungnahmen o. ä. belegt werden. Aus den Archivunterlagen schließe er u. a. auf eine Lösemittelexposition (bis Ende 1972 auch Verwendung von Benzol). Im Zeitraum von 1988 bis 1991 sei der Kläger überwiegend in der sogenannten neuen Halle beschäftigt gewesen. Hier hätten neben Reifenbaumaschinen 12 Vulkanisationspressen gestanden. Die Heizzeit pro Reifen habe ca. eine Stunde betragen, wobei beim Öffnen der Presse sichtbar Dämpfe freigesetzt worden seien. Laut einem Archivprotokoll der Betriebsleitung, Gewerkschaftssicherheitsfachkraft und Betriebsarzt nach gemeinsamer Begehung im November 1988 seien keine relevanten arbeitshygienischen Sachverhalte beobachtet oder erkannt worden. Der Arbeitsbereich sei Anfang 1988 in Betrieb gegangen.
Der Mitarbeiter des TAD der Bergbau-BG, Bezirksverwaltung G., H. nahm am 14.01.2003 zur Strahlenbelastung des Klägers während seiner Tätigkeit im Reifenwerk dahingehend Stellung, dass das Reifenwerk auf dem ehemaligen W.-Gelände errichtet worden sei. Hierzu seien die vorhandenen Gebäude der W.-Aufbereitung verwendet worden (Verwaltungsgebäude, Lagerräume, Hallen und Werkstätten sowie entkernte Zechengebäude). Während der Beschäftigungszeit des Reifenwerks seien keine weiteren Messungen durchgeführt worden, weshalb man sich bei der Berechnung der retrospektiven Belastung durch ionisierende Strahlen auf Messungen des TÜF Bayern "Bericht zur radiologischen Untersuchung des Betriebsgeländes der Firma P. Reifenwerke F. AG in D./G." von 28.02.1991 und der I.-Radiologie GmbH D. "Bestimmung der ODL Verteilung - Verteilung in radioaktiv kontaminierten Gebäuden des Bereiches II B" vom 22.02.1994 stützen müsse. In beiden Berichten seien alle Flächen noch vorhandener Gebäude detailliert ausgemessen und bewertet worden. Die Hallen E 2 und 3 seien hierbei nicht namentlich erwähnt. Um eine Bewertung der Strahlenbelastung von beschäftigten Personen im Reifenwerk D. durchführen zu können, sei eine konservative Bewertung aus allen vorhandenen Daten für eine retrospektive Belastung der Jahre nach der W. erstellt worden. Hierbei hätten die Expositionen durch Gammastrahlung 0,4 mSv betragen. Wobei man den Versicherten fiktiv als Fördermann (höchste Belastung im Übertagebereich) betrachtet habe. Da man jedoch keine Angaben zum Erkrankungsbeginn und zur Karzinomart habe, könne keine Verursachungswahrscheinlichkeit berechnet werden.
Am 16.09.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten das bei ihm vorliegende Nierenzellkarzinom als BK im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Reifenwerk D. anzuerkennen.
Am 02.11.2004 wurde der Kläger daraufhin von Herrn J., dem Berufskrankheitensonderbeauftragten der Beklagten, zu Hause aufgesucht und befragt. Im Rahmen dieser Befragung teilte der Kläger u. a. mit, er sei während seiner Zugehörigkeit zum Reifenwerk in D. regelmäßig durch Werks- und Betriebsärzte untersucht worden. Die vom TAD Berlin im Jahr 2003 erstellten Stellungnahmen hielt der Kläger insgesamt für zutreffend, diesen könne er sonst nichts mehr hinzufügen, außer dass er vermute, dass in den damals nicht beachteten Gummilösungen Stoffe enthalten gewesen seien, die seine Lunge und Niere geschädigt hätten. Er könne sich zwar nicht an einen bewussten Umgang mit Trichlorethylen erinnern, aber daran, dass es im Reifenwerk immer gestunken habe und er gelegentlich mit Kopfschmerzen nach Schichtende nach Hause gefahren sei. An oder in geschlossenen Systemen wie Tanks, Containern oder Behältern habe er niemals zu tun gehabt.
Die Beklagte zog sodann ärztliche Befundberichte zum Nierenzellkarzinom sowie das Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse bei und holte erneut eine Stellungnahme des TAD ein. Der Dipl.-Ing. S. teilte am 03.03.2005 mit, die am Arbeitsplatz eines Reifenbauers zusammengesetzten Halbfabrikate seien mit Lösungen eingestrichen worden, bei denen es sich bis etwa 1972/73 um Benzol und danach um handelsübliche Gummilösungen (Chemosil) oder benzinische Lösungen (Siedegrenzbenzin 80/110) gehandelt habe. Chemosil bestehe zum großen Teil aus aliphatischen Kohlenwasserstoffen (insbesondere Methylethylketon) und zu einem geringen Teil aus aromatischen Kohlenwasserstoffen (Xylol, Toluol). Bei industriemäßig verwendetem Siedegrenzbenzin könne zu einem geringen Prozentsatz (ein bis zwei Prozent) im angefragten Zeitraum auch Benzol enthalten gewesen sein. Die Verwendung von halogenierten Wasserstoffen in der eigentlichen Reifenfertigung (Reifenbau) sei zu verneinen, da diese das benetzte Material zum Aufquellen brächten und daher ein maßhaltiger Zusammenbau nicht mehr gewährleistet sei. Da der Kläger jedoch von 1982 bis 1991 in der Nähe der Vulkanisationspressen tätig gewesen sei, sei zu bedenken, dass sich bei den dortigen Verarbeitungstemperaturen Nitrosamine sich hätten bilden und frei werden können. Die konkrete Exposition gegenüber Nitrosaminen könne jedoch nicht durch Messberichte, Stellungnahmen oder Abschätzungen belegt werden. Dipl-Ing. S. holte erneut beim TAD der Bergbau-BG in G. eine Stellungnahme zur Strahlenexposition ein. Unter Berücksichtigung der Strahlendosis eines Fördermanns über Tage von 2,64 mSv betrage die Verursachungswahrscheinlichkeit 0 %.
Mit Bescheid vom 14.04.2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Nierenerkrankung des Klägers als BK Nr. 1302, Nr. 2402 und Nr. 1303 der Anlage 1 der BKV ab. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, bezüglich der BK Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV habe durch umfangreiche Untersuchungen lediglich für den Gefahrstoff Trichlorethylen aus der Gruppe der Halogenkohlenwasserstoffe eine krebserregende Wirkung bei Menschen auf das Organ Niere mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden können. Nach der Stellungnahme des TAD könne jedoch bei dem Kläger kein beruflicher Umgang zu Trichlorethylen recherchiert werden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien daher nicht erfüllt und eine solche BK liege nicht vor. Zur BK Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV führte die Beklagte aus, zwar habe sich das Reifenwerk D. auf dem ehemaligen W. Gelände befunden, die Recherchen beim TAD der Bergbau-BG hätten jedoch ergeben, dass der Kläger einer kumulativen Strahlenbelastung von 2,64 mSv ausgesetzt gewesen sei und die Verursachungswahrscheinlichkeit für die bei ihm bestehende Erkrankung 0 % betrage. Insgesamt sei die festgestellte Strahlendosis von 2,64 mSv als sehr gering anzusehen, da sie sich nur geringfügig oberhalb der durchschnittlichen natürlichen Strahlenexposition in Deutschland von etwa 2,4 mSv pro Jahr bewege. Erst wenn die Verursachungswahrscheinlichkeit oberhalb von 50 % liege, könne vom Vorliegen einer Berufskrankheit ausgegangen werden. Hinsichtlich der BK Nr. 1303 stellte die Beklagte fest, nach den Recherchen des TAD könne zwar bis 1973 von einem Umgang mit reinem Benzol und danach mit benzolhaltigen benzinischen Lösungen ausgegangen werden, jedoch ergebe sich nach derzeitig medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand lediglich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Benzoleinwirkung und der Entstehung von Erkrankungen des blutbildenden Systems. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Benzolgefährdung am Arbeitsplatz und der beim Kläger vorliegenden Erkrankung könne damit ausgeschlossen und eine Berufskrankheit Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV ebenfalls nicht anerkannt werden.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 06.05.2005 Widerspruch. Zu dessen Begründung führte er im Wesentlich an, mit Sicherheit habe die Gummilösung, welche er beim Reifenmachen eingearbeitet habe, Trichlorethylen enthalten. Weiterhin sei er den Vulkanisationsdämpfen beim Heizen und der Lagerung im Konfektionsbereich ausgesetzt gewesen. Benzol habe er jahrelang verarbeitet, eingeatmet und über die Haut aufgenommen. Auch die Berücksichtigung der Strahlenbelastung hielt der Kläger für falsch. In den 60-iger und 70-iger Jahren seien Experten der Wismut mit dem Geigerzähler durch die Produktionshallen gegangen und hätten deutlich erhöhte Werte gemessen.
In einer daraufhin eingeholten gewerbeärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vertrat die Ärztin die Ansicht ein entsprechendes Krankheitsbild der BK Nr. 1303 liege nicht vor. Die bei dem Kläger durch den TAD der Bergbau-BG in Bezug auf die BK Nr. 2402 zur Anlage 1 der BKV als "worst case-Betrachtung" angenommene kumulative Organdosis von 2,64 mSv habe unter Berücksichtigung des heutigen strahlenmedizinischen Kenntnisstandes eine nur geringe Wahrscheinlichkeit der Induktion einer bösartigen Neubildung im Bereich der Niere.
In der abschließenden Stellungnahme des TAD vom 30.06.2005 führte der Dipl.-Ing. S. u. a. aus, der Umfang der Sanierung bzw. Dekontamination des ehemaligen Wismut-Geländes bei der Nutzungsänderung sei in den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht eindeutig beschrieben. Deshalb habe er eine Einschätzung des TAD der Bergbau-BG zur Abschätzung der Strahlendosis und Verursachungswahrscheinlichkeit eingeholt. Diese Berechnung sei als Extremwertbetrachtung erfolgt, man habe die Strahlenbelastung eines Fördermanns über Tage als höchstmögliche Belastung über Tage angenommen. Bei seinen Recherchen habe er wiederholt und ausführlich mit dem Kläger telefoniert. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hierbei wiederholte sie im Wesentlichen die Begründung aus dem angefochtenen Bescheid und führte ergänzend aus, auch die Äußerungen des Klägers im Widerspruchsverfahren sowie die erneuten Stellungnahmen des TAD könnten nicht zu einer Änderung der Entscheidung führen.
Am 26.09.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des ablehnenden Bescheides vom 14.04.2005. Zur Begründung des Antrages gab er an, Trichlorethylen sei bei der Reifenherstellung und auch als Handwaschmittel verwendet worden. Der TAD habe in seiner Stellungnahme vom 06.01.2003 selbst Gummilösungen und Wasserstofflösungen und einen Verbrauch an Kohlenwasserstoffgemisch mit drei Litern pro Schicht erwähnt. Wissenschaftlich sei auch anerkannt, dass Nierenschäden nicht nur im Hochdosisbereich, sondern auch nach langfristiger Exposition gegenüber geringen Konzentrationen von Trichlorethylen auftreten könnten.
Die Beklagte holte erneut eine Stellungnahme des TAD, Dipl.-Ing. S. ein. In der Stellungnahme vom 28.03.2008 führte Dipl-Ing. S. aus, Trichlorethylen sei ein typischer Reiniger und Entfetter von Metallteilen und in keiner Art und Weise für die persönliche Hygiene (Reinigung von verschmutzten Händen) geeignet. In einem ausführlichen Telefonat mit dem Kläger am 20.03.2008 habe dieser keinen konkreten Einsatzfall von Trichlorethylen während der Dauer der beruflichen Tätigkeit im Reifenwerk benennen können. Dieser vermute, dass eine besonders klebrige Substanz in geringen Mengen den verwendeten benzinischen Lösungen in solchen Fällen beigesetzt worden sei, wenn es um eine besondere Klebkraft gegangen sei. Trichlorethylen sei erst ab einer sehr hohen Atemluftkonzentration von 300 ppm, also fast im narkotischen Bereich, geeignet Nierenkrebs hervorzurufen. Berücksichtige man das Volumen der Fertigungshallen von etwa 40.000 m3 (ermittelt nach den Angaben des Klägers in der Stellungnahme vom 06.01.2003) so ergebe sich ein notwendiger Verbrauch von ca. 45 Litern reiner Chemikalie. Bei dieser Abschätzung sei er von einer Luftwechselzahl 1 und stationären Betrachtungen ausgegangen. In Wirklichkeit sei ein deutlich höherer Luftwechsel zu verzeichnen, da der Kläger im Telefonat erneut die stets und ständig offenen Türen angeführt habe. Den Verbrauch dieser Menge Lösungsmittel in einer Schicht schließe er nach Kenntnis der Fertigungsabläufe der Reifenfertigung aus. Diese Aussage beziehe sich auch eindeutig auf den Verbrauch von Lösungsmitteln vor 1990. Zusammenfassend führte Dipl.-Ing. S. aus, aus der Technologie des Reifenbaus in den 70-iger bis 90-iger Jahren könne der Einsatz von Trichlorethylen in großem Umfang nicht hergeleitet werden. Pränarkotische Konzentrationen von Trichlorethylen könnten beim Verbrauch von wenigen Litern Wasserstoffgemischen in speziellen Klebern nicht erreicht werden. Die Verwendung als Handreiniger habe der Kläger auch auf Nachfrage nicht bestätigt.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides vom 14.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2005 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, die vom Kläger behauptete Verwendung von Trichlorethylen als Reinigungsmittel für die Hände sei ohne Bezeichnung von Beweismitteln behauptet worden und erscheine bereits unschlüssig, da Trichlorethylen als Reinigungsmittel für die Hände ungeeignet sei. Davon abgesehen liege selbst bei einem Nachweis einer entsprechenden Verwendung die durch Trichlorethylen entstandene Belastung weit unterhalb der Exposition, die nach dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand erforderlich sei, um ein Nierenzellkarzinom zu verursachen. Soweit der Kläger Bezug nehme auf die Stellungnahme des TAD vom 06.01.2003, so enthalte diese keine Aussage zu einer Trichlorethylenbelastung. Die Frage einer Trichlorethylenexposition sei erst im Rahmen der internen Stellungnahme vom 03.03.2005 zur Vorbereitung über die Anerkennung der BK Nr. 1302 verhandelt worden. In der Stellungnahme vom Januar 2003 sei zwar eine Gummilösung genannt worden, diese gelte jedoch als Oberbegriff für die aliphatischen Kohlenwasserstoffe und der Nachweis einer Trichlorethylenexposition sei mit dieser Bezeichnung nicht geführt.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 05.01.2009 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er habe gegenüber Dipl.-Ing. S. bereits Ende 2002 klargestellt, dass das Lösungsmittel und Benzol mit einem Pinsel auf die rotierende Maschine aufgetragen worden und es dabei zu Hautkontakt und großflächiger Benetzung von Arbeitskleidung mit Lösungsmittel gekommen sei. Bereits damals habe er auch mitgeteilt, dass die Lüftungsverhältnisse schlecht gewesen seien. Das Öffnen von Fenstern wegen Zugluft sei verboten gewesen. Falsch sei auch, dass die Türen ständig offen gestanden hätten. Im Reifenwerk sei Trichlorethylen als Reinigungsmittel verwendet worden, da es bei der Heizung erforderlich sei, die Formen stets sauber und fettfrei zu halten. Es sei auch unberücksichtigt geblieben, dass es in der Wissenschaft bezüglich der BK Nr. 1303 auch kritische Stimmen gebe, die die Ansicht verträten, Benzol könne auch Nierenerkrankungen verursachen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, Voraussetzung für die Anerkennung von Nierenzellkarzinomen verursacht durch Trichlorethylen sei u. a. eine mehrjährige Exposition im fast narkotischen Hochdosisbereich von 330ppm. Selbst bei Unterstellung der vom Kläger geschilderten Verwendung von Trichlorethylen in seinem Tätigkeitsbereich sei eine solche Exposition ausgeschlossen. Der Zusammenhang zwischen Benzol und Nierenerkrankungen betreffe nicht den Zusammenhang zwischen der Einwirkung von Benzol und der Entstehung eines Nierenzellkarzinoms, sondern den Zusammenhang mit einer Glomerulonephritis, einem Krankheitsbild, das bei dem Kläger nicht vorliege. Nach dem derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand führe Benzol vorwiegend zu hämatologischen Schäden, sei jedoch nicht geeignet, kanzerogen auf das Organ Niere zu wirken.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 14.05.2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. In der Klagebegründung hat der Kläger wiederum darauf abgestellt, dass bei der Vulkanisation der Reifen Trichlorethylen als Reinigungsmittel eingesetzt worden sei. Dadurch und durch die Lagerung sei es zu krebserregenden Dämpfen in unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes gekommen. Ohne nähere Angabe und Belege komme die Beklagte auch weiter zu dem Schluss, dass es sich bei den Gummilösungen, mit welchen die Halbfabrikate eingestrichen worden seien, um Benzol gehandelt habe, welches nicht lediglich bis 1973, sondern bis mindestens 1978 verwendet worden sei und sehr wohl eine Nierenschädigung verursachen könne. Bei der Berechnung der Benzoljahre habe die Beklagte auch übersehen, dass er auch an Samstagen gearbeitet habe. Bezüglich der Strahlenbelastung zur BK Nr. 2402 sei zum einen nicht ersichtlich, auf welche Grundlagen sich die Einschätzung der BG Bergbau stützte, zum anderen sei seine Strahlenbelastung während seiner Berufstätigkeit auch höher gewesen als später zum Zeitpunkt einer Messung im Jahr 1994. Zur Ergänzung hat der Kläger auszugsweise die Dokumentation "Sanierungsbegleitende Altlastuntersuchungen im Gewerbegebiet D.-C./G." der Ingenieurgesellschaft Baugrund D. vom 30.09.1994 vorgelegt.
In einer Stellungnahme vom 27.05.2010 hat die Beklagte sich nochmals ausführlich zu den einzelnen Berufskrankheiten geäußert. Im Wesentlichen hat sie nochmals die Ausführungen des TAD zusammengefasst. In Ergänzung hat sie zur BK Nr. 1302 ausgeführt, der Kläger habe keinen konkreten Einzelfall benennen können, bei dem er Trichlorethylen während seiner Tätigkeit im Reifenwerk benutzt habe. Bei der Befragung im Jahr 2004 habe er auf mehrfache Nachfrage eingeräumt, sich an einen bewussten Umgang mit Trichlorethylen nicht erinnern zu können. Soweit im Laufe des Verfahrens angegeben worden sei, dass die Beschäftigung an Arbeitsplätzen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Betriebsbereich Vulkanisation erfolgt sei, habe eine Exposition gegenüber solchen Dämpfen zwar nicht ausgeschlossen, jedoch ein entsprechender Nachweis andererseits auch nicht geführt werden können. Wenn der Kläger bemängele, dass aus den betreffenden Zeiträumen nicht ausreichend Unterlagen zur Verfügung stünden, so könne die Beklagte an der Tatsache, dass Unterlagen fehlten nichts ändern.
Die Beklagte hat eine Auskunft des Beratungsarztes Dr. D. vorgelegt, in welcher die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der krebserregenden Wirkungen in der Gummiindustrie auf die Niere dargelegt hat. Berufsbedingte Schädigungen der Niere seien epidemiologisch lediglich von Trichlorethylen gesichert bekannt. Wegen des in der Gummiindustrie häufig verwendeten Benzols sei auch eine krebserregende Wirkung auf das blutbildende System in Form von Leukämie bekannt geworden. Dr. D. hat eine epidemiologische Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie von Weiland und Keil aus dem Jahr 1995 zitiert. Aus dieser ergebe sich tatsächlich eine signifikant erhöhte Gesamtmortalität an Krebserkrankungen bei Beschäftigungen in der Gummiindustrie. Es werde daraus jedoch ersichtlich, dass bösartige Neubildungen an der Niere, der Leber, den Gallengängen und Blasen nicht erhöht seien. Somit sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass die im Gummi verwendeten unterschiedlichsten Inhaltsstoffe keinen wesentlichen Einfluss auf die Häufigkeit von bösartigen Nierenerkrankungen gezeigt hätten. Hinsichtlich der Tumorinduktion durch ionisierende Strahlen hat Dr. D. darauf hingewiesen, dass die Jakobi-Studien II und III keine erhöhte Erkrankungshäufigkeit an Nierentumoren nachgewiesen hätten und die Niere als nur gering strahlensensibel gegenüber anderen Organsystemen gelte. Für das blutbildende System werde für eine kausale Beziehung zur Strahleninduktion eine Erkrankungswahrscheinlichkeit von 50 % aus strahlenepidemiologischer Sicht gefordert, welche mit Sicherheit durch Tätigkeiten außerhalb des Wismut Bergbaus jedoch nicht zu erreichen sei. Somit könne auch eine Strahleninduktion für die kausale Beziehung eines Nierenkarzinoms, da die Niere nur wenig strahlensensibel sei, zu einer beruflichen Belastung mit ionisierenden Strahlen nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Darüber hinaus hat die Beklagte erneut eine Stellungnahme des TAD der Bergbau-BG zur Strahlenexposition im Bezug auf die BK Nr. 2402 vom 08.03.2010 vorgelegt. Dr. H., Branchenprävention G., hat ausgeführt, dass sich an den bisher vorgelegten Berechnungen keine Änderungen ergäben. Der Präventionsdienst hat insoweit erneut auf die zugrunde liegenden Gutachten und Messungen des TÜF Bayern und des IAF Dresden hingewiesen, welche in der Anlage zu der Stellungnahme mitübersandt wurden (Bl. 41-58 SG-Akte). Zum Vergleich hat der TAD als Extremwertberechnung eine fiktive Berechnung für einen Zechenarbeiter erstellt, welcher während der gesamten Produktionszeit im Aufarbeitungsbetrieb der Wismut tätig gewesen ist. Unter Berücksichtigung des Abschlussberichtes zum Forschungsvorhaben "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" (in der Anlage angefügt) wurde für den Zechenarbeiter eine Verursachungswahrscheinlichkeit von etwa 1 % bei Annahme einer 11-jährigen Exposition in der Fabrik 95 der W. errechnet worden.
Auf Einwendungen des Klägers hin hat die Beklagte erneut Stellungnahmen des TAD der Bergbau-BG vom 16.07.2010 sowie eine Stellungnahme von Dipl.-Ing. S. vom 03.08.2010 vorgelegt. Zur BK 2402 hat der TAD Branchenprävention Bergbau ausgeführt, Gebäude, die nach den Messberichten des TÜF Bayern und des IAF Dresden nicht aufgeführt seien, müssten als unbelastet angesehen werden (keine Radioaktivität). Dipl.-Ing. S. hat darin nochmals dargelegt, dass die Technologie des Reifenaufbaus in keiner Art und Weise den Einsatz eines chlorierten Kohlenwasserstoffes (Trichlorethylen) erfordere. Zur Begründung hat er die Rezeptur der im VEB Reifenwerk D. am häufigsten benutzten Mischung Kb 17 dargestellt, welche er bei der Landesdirektion D. haben recherchieren können. Weiterhin hat er eine vollständige Übersicht der eingesetzten Chemikalien vom 22.5.1973 vorgelegt, zwei Stofflisten in Form sogenannter arbeitshygienischer Berichte vom 30.09.1981 und vom 30.09.1982 sowie eine arbeitshygienische Belegarbeit des Allgemeinmediziners B. aus dem Jahre 1974. Bezugnehmend auf diese Unterlagen hat Dipl.-Ing. S. ausgeführt, aus den Stofflisten ergebe sich kein Einsatz von chlorierten Kohlenwasserstoffen (bzw. Halogenkohlenwasserstoffen). Bei dem eingesetzten Trennmittel handle es sich um eine Silikon-Öl-Emulsion mit der Typenbezeichnung MOE-605. Die Verwendung von solchen Silikonölen decke sich mit seinen Erkenntnissen und Erfahrungen aus zahlreichen Betriebsbesichtigungen im Unternehmen der gummiherstellenden und gummiverarbeitenden Industrie. Bezüglich der Benzolbelastung sei eine deutlich höhere Belastung als 400 ppm bereits berücksichtigt worden. Aus dem Bericht des Dr. B. ergebe sich, dass seit Mitte der 70-iger Jahre keine Belastung durch ionisierende Strahlung mehr habe festgestellt werden können. Ausweislich dieser Arbeit werde auch seit Januar 1973 in der Produktion kein Benzol mehr verwendet.
Mit Urteil vom 29.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Nierenkrebserkrankung des Klägers sei zunächst nicht als BK Nr. 1303 anzuerkennen, denn eine Nierenkrebserkrankung sei keine typische Folge von Benzolexposition. Die Nierenkrebserkrankung sei auch nicht als BK Nr. 2402 anzuerkennen, da schon nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger während seines Arbeitslebens einer hinreichenden Exposition gegenüber ionisierender Strahlen ausgesetzt gewesen sei. Das SG hat sich hier der Argumentation der Beklagten in der Vergleichsberechnung eines Zechenarbeiters im Uranerzbergbau angeschlossen. Weitere Ermittlungen in arbeitstechnischer und medizinischer Hinsicht seien nicht erforderlich, da es sich bereits um eine "worst-case-Berechnung" zugunsten des Klägers handele. Schließlich sei die Nierenkrebserkrankung auch nicht als BK Nr. 1302 anzuerkennen, da eine hierfür erforderliche Exposition gegenüber Trichlorethylen im Hochdosisbereich nicht nachgewiesen sei. Bereits die klägereigenen Angaben zur Trichlorethylenbenutzung seien widersprüchlich, da der Kläger zu Beginn des Verwaltungsverfahrens angegeben habe, sich an keine Trichlorethylenverwendung zu erinnern, wohingegen er im Laufe des Klageverfahrens wechselnde Einsatzarten von Trichlorethylen angegeben habe. Die Einlassungen des Klägers seien angesichts der Ausführungen des TAD weder in Bezug auf die Verwendung von Trichlorethylen als Handreinigungsmittel noch als Verwendung im Reifenaufbau überzeugend. Deswegen müsse weder, die zuletzt in der mündlichen Verhandlung beantragt, ein arbeitstechnisches Gutachten eingeholt noch der Zeuge T. gehört werden.
Gegen das am 23.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.09.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, da die erforderlichen Unterlagen abhanden gekommen seien, sei es ihm nicht möglich, vollständig Beweis über Ursache und Vorliegen seiner Berufskrankheiten zu führen. Letztlich müsse daher die Beweisführung im Wesentlichen auf arbeitsmedizinische und arbeitstechnische Sachverständigengutachten sowie Zeugenbeweis gestützt werden, dem sei das SG jedoch nicht nachgekommen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er nach den Ermittlungen der Beklagten hinsichtlich der BK Nr. 1303 einer Benzolbelastung in Höhe von mehr als 400 ppm (Benzoljahre) ausgesetzt gewesen sei. Die karzinogene Wirkung von Benzol sei bekannt. Hinsichtlich der BK Nr. 2402 sei übersehen worden, dass die Beklagte eine fiktive Berechnung für einen Zechenarbeiter in einer Urangrube durchgeführt habe, sein ehemalige Arbeitsplatz sich gleichwohl auf dem Gelände einer ehemaligen Urananreicherungsanlage befunden habe, was zu einer wesentlich höheren Strahlenexposition geführt habe. Hinsichtlich der BK Nr. 1302 könne einzig ein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten über die Verwendung oder Bildung von Trichlorethylen als Nebenprodukt von Benzol oder anderen in der Reifenherstellung verwendeten chemischen Produkten Auskunft geben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Juni 2012 und den Bescheid vom 3. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 14. April 2005 zurückzunehmen und das bei ihm vorliegende Nierenzellkarzinom als Berufskrankheit Nrn. 1302, 1303 und 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen, hilfsweise ein arbeitsmedizinisches Gutachten zum Zusammenhang zwischen einem Nierenzellkarzinom und einer Benzol- und Trichlorethylenexposition und ein arbeitstechnisches Gutachten zur Verwendung von Trichlorethylen in der Reifenherstellung einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Vorliegen der BK Nr. 1303 sei unabhängig von der Exposition abgelehnt worden, da nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Benzol und einer Nierenkrebserkrankung nicht zu bejahen sei. Die Expositionsermittlung hinsichtlich der BK Nr. 2402 sei anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen und Vergleichswerte durchgeführt worden. Selbst bei Annahme einer 24-jährigen Exposition sei die daraus zu errechnende Verursachungswahrscheinlichkeit nur unwesentlich höher als 1 %. Die BK Nr. 1302 sei zu Recht mangels ausreichender Exposition abgewiesen worden, wobei im Einzelnen die Frage der Expositionshöhe dahingestellt bleiben könne, da erst bei einer hohen Dosis von Trichlorethylen eine Anerkennung eines Nierenzellkarzinoms zu diskutieren sei, pro Schicht tatsächlich aber nur ca. drei Liter Kohlenwasserstoffgemische verbraucht worden seien, was keine Exposition im Hochdosisbereich darstelle.
Der Sachverhalt ist mit den Beteiligten am 23.04.2013 durch die Berichterstatterin erörtert worden. Im Rahmen des Erörterungstermins hat der Kläger mitgeteilt, Trichlorethylen sei immer und zwar zum Aussprühen der Reifenformen sowie als Handwaschpaste verwendet worden Mit Trichlorethylen sei er vor allem durch die sich in der Halle befindlichen Dämpfe bzw. Sprühnebel in Berührung gekommen. Täglich seien ca. 40 bis 50 Reifen durch seine Hände gegangen. Täglich seien insgesamt ca. 96 Reifen vulkanisiert worden, wenn man von 12 Heizern ausgehe, die am Tag 7 bis 8 Runden Reifen vulkanisiert hätten.
Sodann ist der ehemalige Beschäftigte des VEB Reifenwerks D. T. T. schriftlich als Zeuge vernommen worden. Dieser hat ausgesagt, in der Zeit vom 01.09.1976 bis zum 15.06.1978 im VEB Reifenwerk Dresden gearbeitet zu haben. Nach seiner Ausbildung sei er in den Bereichen Konfektion und Vorkonfektion tätig gewesen. Es sei ihm zwar bekannt gewesen, dass er mit Gefahr- und Giftstoffen gearbeitet habe, die einzelnen Stoffe habe man jedoch nicht erfahren. Zur Herstellung der Rohlinge sei Benzol benötigt worden, um die Haftung der einzelnen Elemente zu gewährleisten. Klebelösungen seien ebenfalls verwendet worden, deren Inhalte seien ihm jedoch nicht bekannt gewesen. Da Konfektion und Vulkanisation in einer Halle untergebracht gewesen seien, seien der Kläger und er durch Dämpfe acht Stunden pro Schicht in Kontakt mit Trichlorethylen gekommen, wobei er sich nicht sicher sei, dass es sich tatsächlich um Trichlorethylen gehandelt habe. Außer dem Giftstoff Benzol sei ihm direkt keiner bekannt.
Auf Nachfrage des Senats beim TAD der Beklagten hat Dipl.-Ing. S. am 13.06.2013 erneut eine Stellungnahme abgegeben. Darin hat er nochmals darauf hingewiesen, dass nur im Zeitraum 1981/82 bis 1991 die Reifenkonfektion ihre Arbeitsplätze zusammen mit der Vulkanisation in einer Halle gehabt habe. In den vorherigen Beschäftigungszeiten des Klägers seien die Arbeitsplätze Reifenaufbau und der Bereich Vulkanisation durch eine Werkstraße getrennt gewesen. Die Vulkanisationsformen seien in einem bestimmten Zyklus zunächst mit Druckluft und anschließend mit benzinischen Lösungen fein gereinigt worden, wobei diese benzinischen Lösungen bis 1973 möglicherweise Benzol gewesen sein könnten. Danach sei Siedegrenzbenzin unterschiedlichen Verschnittes eingesetzt worden. Diesem Siedegrenzbenzin seien "arbeitshygienisch unbedenkliche Zuschlagstoffe" zugesetzt worden, wobei es sich seiner Kenntnis entziehe, welche dies konkret gewesen seien. Er hat dies insoweit auf das beigefügte Messprotokoll über die Messung toxischer Stoffe in der Luft am Arbeitsplatz vom 11.06.1980 im VEB Reifenwerkt D. (Bl. 58 Senatsakten) verwiesen. Vor dem Einlegen der Rohlinge sei die Form dann im unbestimmten Zyklus mit wässrigen Lösungen eingesprüht worden, wobei es sich hierbei in den früheren Jahren um wässrige Talkumlösungen und später um Öl-Wasser-Mischungen (Silikon als Hauptbestandteil) gehandelt habe. Die Verwendung von Trichlorethylen für die Reinigung von Vulkanisationsformen oder für die Verwendung als Trennmittel sei ihm nicht bekannt und auch nicht zu recherchieren gewesen. Im Gegenteil, aus der bereits vorgelegten Stoffliste aus dem Jahre 1973, den arbeitshygienischen Berichten von 1981 und 1982 gehe eindeutig hervor, dass Trichlorethylen im Unternehmen nicht eingesetzt worden sei. Bezüglich der Raumluftkonzentration hat Dipl.-Ing. S. ausgeführt, unter Zugrundelegung der geometrischen Abmaße der alten Halle, wie der Kläger sie in einem Telefonat angegeben habe bzw. der neuen Halle, ergebe sich für ihn ein Hallenvolumen von 40.000 m3. Um bei einem solchen Hallenvolumen eine Hochdosisexposition von Trichlorethylen im pränarkotischen Bereich zu erreichen, müssten auf einen Schlag spontan 45 Liter reines Trichlorethylen auslaufen oder verdampfen. Im Unternehmen habe es aber erhebliche Querlüftungen durch offene Türen und Tore gegeben, wie der Versicherte ihm gegenüber in verschiedenen Telefonaten betont habe. Der Arbeitsbereich Reifenaufbau sei, da in derselben Halle befindlich mit der Vulkanisation, den herrschenden Luftbedingungen (benzinische Dämpfe, Vulkanisationsdämpfe) exponiert gewesen. Die Höhe der Exposition sei als sogenannte "By-stander"-Exposition zu beschreiben. In anderen Bereichen der Prävention sei das etwa ein Zehntel der tatsächlich am Arbeitsplatz herrschenden Konzentration.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die beigezogenen Akten S 6 U 1276/03 und S 6 U 114/04 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und statthafte Berufung ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1, 4 und 5 SGG die Aufhebung der das Vorliegen der BK ablehnenden Verwaltungsentscheidung sowie die Verurteilung der Beklagten, die BK Nr. 1302, Nr. 1303 und Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV im Überprüfungsverfahren festzustellen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Rücknahme des Bescheides vom 14.04.2005 und auf Anerkennung der in Streit stehenden BKen wegen des bei ihm vorliegenden Nierenzellkarzinoms.
Hierüber konnte der Senat ohne weitere Ermittlungen, insbesondere ohne Einholung weiterer arbeitstechnischer oder arbeitsmedizinischer Gutachten entscheiden. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Tatsachengrundlage zur Entscheidung nicht ausreichend ist. Die Ausführungen des TAD zur Verwendung von Trichlorethylen in der Reifenherstellung sind plausibel und wurden vom Kläger nicht substantiiert erschüttert. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Einwendungen des Klägers bezüglich des Zusammenhangs von Benzol und Nierenschädigungen auch auf ein Nierenzellkarzinom übertragbar sind, ließen sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Weitere Ermittlungen auf diesem Gebiet wären einer Ausforschung gleichgekommen. Der Senat sah sich daher nicht gedrängt, aufgrund dargetaner Widersprüchlichkeiten oder verbleibender Unklarheiten weitere Ermittlungen anzustellen.
Der Senat musste auch nicht grundsätzlich von einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Klägers ausgehen. Wiederholt hat der Kläger vorgetragen, es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass entsprechende Unterlagen zur Reifenherstellung bzw. zur Verwendung von Schadstoffen in seiner Beschäftigungszeit nicht mehr aufzufinden seien. Zum einen entspricht der Vortrag des Klägers nicht den Tatsachen. Der Technische Präventionsdienst der Beklagten konnte durchaus Unterlagen zu den verwendeten Gefahrstoffen in der Reifenherstellung am Arbeitsplatz des Klägers in dem fraglichen Zeitraum vorlegen. Insoweit ist für eine Beweislastumkehr kein Raum. Zum anderen kann eine Beweislastumkehr nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn eine planmäßige Unklarheit wie bei einer Beweisvereitelung vorliegt (Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 19.12.2013 - L 6 VS 2299/13). Denn allgemein gültige Grundsätze zur Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes würden dem in § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen (BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 25/03 R - Juris). Von einer planmäßigen Vernichtung von Unterlagen im Rahmen einer gewollten und geplanten Beweisvereitelung von Seiten der Beklagten und damit einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden, eine solche behauptet noch nicht einmal der Kläger.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger im Interesse der materiellen Gerechtigkeit einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 28.01.1981 - 9 RV 29/80; Urteil vom 22.04.1986 - 1 RA 21/85). Ob bei Erlass des Bescheides von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist, beurteilt sich im Vergleich der Sachlage, wie sie dem zu überprüfenden Verwaltungsakt zu Grunde gelegt worden ist und wie sie sich bei Erlass des Verwaltungsaktes bei nachträglicher Betrachtung im Zeitpunkt der Überprüfung rückschauend tatsächlich darstellt. Mithin kommt es nicht auf den Erkenntnisstand bei Erlass, sondern bei Überprüfung an, die Rechtswidrigkeit beurteilt sich also nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSG, Urteil vom 25.10.1984 - 11 RAz 3/83). Dies gilt auch dann, wenn z. B. die richtige medizinische Beurteilung erst später möglich geworden ist. Nach Unanfechtbarkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes liegt allerdings die objektive Beweislast für Tatsachen, aus denen sich eine Unrichtigkeit des Verwaltungsaktes wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahme ergeben kann, bei dem Adressaten des Verwaltungsaktes (st. Rspr. BSG, Urteil vom 10.12.1985 - 10 RKg 14/85).
Danach hat die Beklagte mit dem bestandskräftigen (§ 77 SGG) Bescheid vom 14.04.2005 die Anerkennung der BK Nr. 1302, Nr. 1303 und Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV zu Recht abgelehnt. Sie hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen
Unter welchen Voraussetzungen eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen ist, ergibt sich aus §§ 7 und 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wenn - wie vorliegend - der Eintritt einer BK für die Zeit nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 geltend gemacht wird (vgl. § 212 SGB VII). Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I Seite 2623) mit der Anlage 1 zu § 1 BKV erlassen, in der unter Nr. 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, unter Nr. 1303 Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol und unter Nr. 2402 Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen gelistet sind.
Für die Feststellung einer Erkrankung als BK müssen die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013 B 2 U 11/12 R - Juris): Die Verrichtung des Versicherten muss einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), der Versicherte muss Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper ausgesetzt gewesen sein, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss zu diesen Einwirkungen geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Anerkennung des bei dem Kläger diagnostizierten Nierenzellkarzinoms als BK Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV zur Überzeugung des Senates nicht gegeben.
Nach der unfallmedizinischen Literatur (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, abgedruckt in Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1302, Seite 15 Nr. 8) leidet der Kläger an einer Erkrankung, nämlich einem Nierenzellkarzinom - was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist -, welche durch einen Halogenkohlenwasserstoff nämlich Trichlorethylen (i.e. der Trivialname des im Merkblatt genannten Trichlorethen) verursacht werden kann. Die Ätiologie des Nierenzellkarzinoms ist unbekannt. Insgesamt wird von einem multifaktoriellen Geschehen ausgegangen. Da die Wirkungszusammenhänge aber weder bekannt noch wissenschaftlich vollständig erwiesen sind, kann im Hinblick auf die wissenschaftlich kontrovers diskutierten Wege der Entstehung eine Abwägung von Wahrscheinlichkeiten nicht erfolgen. Gesichert ist insoweit jedoch die Entstehung durch Trichlorethylen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 978). Voraussetzung für die Anerkennung in einem solchen Fall ist neben dem pathologisch-histologischen Nachweis eines primären Nierenzellkarzinoms eine mehrjährige Exposition im Hochdosisbereich (Exposition gegenüber Luftkonzentrationen ab einer Höhe von ca. 300 ppm), eine regelmäßige Expositionsdauer von drei Jahren mit gravierenden und langanhaltenden expositionsbezogenen pränarkotischen Zuständen (mehrfach wöchentlich über mindestens drei Jahre) und einer Mindestexpositionsdauer von 30 Minuten pro Arbeitsschicht im Hochdosisbereich (Exposition gegenüber Luftkonzentrationen ab einer Höhe von 300 ppm), einer Latenzzeit von 20 jedoch mindestens 10 Jahren, den Nachweis eines tubulären Nierenschadens (insbesondere der Nierenkanälchen) und ggf. somatische Mutationen im VHL-Gen des Tumorgewebes (Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1302, Seite 15 Nr. 8).
Die Exposition des Klägers gegenüber Trichlorethylen ist nicht nachgewiesen. Zunächst sind die eigenen Angaben des Klägers in sich widersprüchlich und haben sich im Laufe des Verfahrens geändert. Anfänglich hat er noch gegenüber dem Technischen Aufsichtsbeamten Schwabe in Gesprächen angegeben, ein Kontakt mit Trichlorethylen sei ihm nicht bekannt. Später hat der Kläger behauptet, er habe sehr wohl in Kontakt mit Trichlorethylen gestanden, zum einen durch Einsprühen der Formen mit Trichlorethylen durch die an benachbarten Arbeitsplätzen tätigen Heizer als Reinigungs- bzw. Trennmittel und zum anderen, weil Trichlorethylen in der Handwaschpaste bzw. -mittel enthalten gewesen sei. Diese Angaben des Klägers ließen sich jedoch nicht verifizieren, denn der vom Senat schriftlich vernommene Zeuge T. konnte nicht bestätigen, ob Trichlorethylen tatsächlich verwendet worden ist. Gegen die Annahme des Klägers, Trichlorethylen sei verwendet worden, sprechen auch die vom TAD der Beklagten vorgelegten Unterlagen aus den 1970-iger und 1980-iger Jahren. Mithin geht auch das Argument des Klägers, man habe nur Unterlagen aus der heutigen Zeit nach Ende seiner Arbeitstätigkeit beigezogen, fehl. Aus der von Dipl.-Ing. S. vorgelegten Rezeptur der Reifen im VEB Reifenwerke Dresden ergibt sich kein Hinweis auf die Verwendung von Trichlorethylen im Reifenaufbau selbst. Auch aus der im Stoffkataster ersichtlichen Liste aus dem Jahr 1974 mit den im Betrieb eingesetzten Chemikalien folgt nichts hinsichtlich der Verwendung von Halogenkohlenwasserstoffen insbesondere Trichlorethylen. In den arbeitshygienischen Berichten von 1981 und 1982 wird keine Verwendung von Halogenkohlenwasserstoffen angegeben. Soweit der Kläger vorträgt, Trichlorethylen sei zum Besprühen der Reifenformen bei der Vulkanisation als Trennmittel aufgebracht worden, so widerspricht dies der Chemikaliensammlung in dem Schreiben vom 11.01.1974, wo Silikonölemulsion (MOE/605) aufgelistet ist. Es besteht daher für den Senat kein Anhalt, an der Einschätzung von Dipl-Ing. S. zu zweifeln, dass diese Silikonemulsion als Trennmittel eingesetzt worden ist. Es lässt sich somit weder eine Trichlorethylenexposition überhaupt noch eine Exposition gar im Hochdosisbereich nachweisen. Auch die als Voraussetzung genannten regelmäßigen gravierenden und langanhaltenden expositionsbezogenen pränarkotischen Zustände, mehrfach wöchentlich über mindestens drei Jahre wurden vom Kläger nicht mitgeteilt. Der Kläger hat zwar angegeben, wegen der schlechten Lüftungsverhältnisse sei er öfter mit Kopfschmerzen nach Hause gefahren, pränarkotische Zustände in dem Sinne, dass er vor einer Betäubung stand, hat er jedoch nicht dargestellt, obwohl er nach seinen eigenen Angaben während seiner Tätigkeit regelmäßig von Werks- bzw. Betriebsärzten untersucht worden ist. Soweit der Kläger eingewandt hat, auch eine langjährige Exposition in geringer Konzentration sei für die Schädigung in Form von Nierenzellkarzinomen verantwortlich zu machen, so verkennt er, dass sich dies auf von Nierenzellkarzinomen zu unterscheidende Nierenschäden bezieht (Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1302, Seite 8). Allein die Exposition im Hochdosisbereich, welche bei dem Kläger keinesfalls nachweisbar ist, kann nach heutigem Stand der Wissenschaft zu einer solchen Krebserkrankung führen. Diese Ansicht teilt auch der Beratungsarzt der Beklagten Dr. D. in seiner Stellungnahme unter Aufarbeitung der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur. Der Dipl.-Ing. S. hat anschaulich dargetan, dass bei dem vom Kläger selbst angegebenen Hallenvolumen 45 Liter reines Trichlorethylen auf einmal verdampfen hätte müssen, um eine solche pränarkotische Hochdosisbelastung zu erzeugen. Dies kann durch die Verwendung von Sprühnebel zum Einbringen von Trennmittel in die Reifenformen nicht erreicht werden. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vom Kläger angeschuldigte Lösung, mit welcher die Reifen beim Aufbau eingestrichen wurden, in solchen Mengen verwendet wurde, dass eine solche Konzentration hätte erreicht werden können. Unwidersprochen ist hier die Rede von drei Litern pro Arbeiter pro Schicht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass dies nicht dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Stand entspricht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihm wegen des Nierenzellkarzinoms die BK Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV anerkennt.
Aus dem Merkblatt zur BK Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV (Mertens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 1303, Seite 2) ergibt sich, dass eine akute Vergiftung mit Benzol zu Erregungszuständen (Benzolrausch) und schließlich zu einer oft langanhaltenden Narkose führt. Es treten Muskelzuckungen, Krämpfe, Kreislaufschwäche und Atemlähmungen auf. Bei einer langzeitigen Einwirkung kleinerer Dosen kann dies zu chronischen Erkrankungen mit Mattigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Störungen als Leitsymptomen führen. Benzol schädigt das hämatopoetische System durch Veränderung der roten und weißen Blutzellen sowie der Blutblättchen. In dem Betrieb wurde zwar bis 1973 Benzol verwendet, was der Senat der Notiz über die Befragung und Begehung des Werks am 09.01.1974 (Bl. 86 SG-Akte) entnimmt. Nach 1973 wurde Siedegrenzbenzin mit unbekannten Zusatzstoffen eingesetzt, wie dies Dipl.-Ing. S. unter Hinweis auf das Messprotokoll über toxische Stoffe im Juni 1980 dargelegt hat. Die Angaben des Zeugen T. entbehren daher einer tatsächlichen Grundlage. Es bestand während seiner Beschäftigungszeiten vielmehr kein nachweisbarer Kontakt zu Benzol.
Dessen ungeachtet fehlt es auch an den medizinischen Voraussetzungen der BK. Denn der Kläger leidet nicht unter einen Erkrankung des Blutes bzw. des blutbildenden und lymphatischen Systems. Das beim Kläger vorliegende Nierenzellkarzinom ist daher mit Wahrscheinlichkeit nicht durch einen Kontakt mit Benzol, selbst wenn die Beklagten von einer Belastung in einem Bereich von über 400 Benzoljahren (ppm/Jahre) ausgegangen ist, verursacht. Die Nieren sind nicht das Zielorgan einer Vergiftung durch Benzol. Soweit der Kläger dies bestreitet, tut er dies wiederum nur ohne substantiierte Darlegung, worauf er seine Zweifel begründet. Da eine solche Erkrankung des Blutes, des blutbildenden und lymphatischen Systems durch Benzol bei dem Kläger nicht vorliegt, war insoweit auch keine Prüfung der BK Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV, welche nach der Rechtsprechung des Senats keine neue BK in Bezug auf die BK Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV darstellt, sondern lediglich als "lex specialis" zu betrachten ist, anzustellen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 26.09.2013 - L 6 U 1510/12).
Zu Recht hat die Beklagte letztlich auch die Anerkennung des Nierenzellkarzinoms als BK Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt.
Die Anerkennung der BK 2402 der Anlage 1 zur BKV setzt, wie sich aus dem Anhang 3 zum Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV ergibt, den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis voraus. Es wird davon ausgegangen, dass eine Zusammenhangswahrscheinlichkeit nicht erreicht wird, wenn die Dosis im relevanten Organ unter 50 mSv liegt (Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2402, S. 14 und 18). Eine erhöhte Einwirkung ionisierender Strahlen liegt vor, wenn die Strahlung in einer Menge auf den menschlichen Körper eingewirkt hat, welche die zulässige Strahlendosis nach der Strahlenschutzverordnung (SSVO) und/oder der Röntgenverordnung (RöV) überschreitet (vgl. Urteil des Senats vom 19.12.2013 - L 6 VS 2299/13). Nach § 56 Satz 1 SSVO beträgt der Grenzwert für die Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosen beruflich strahlenexponierter Personen 400 mSv. Nach § 31a Abs. 1 RöV darf für beruflich strahlenexponierte Personen die effektive Dosis den Grenzwert von 20 mSv im Kalenderjahr grundsätzlich nicht überschreiten. Zu beachten ist, dass epidemiologische Studien zeigen, dass eine statistisch signifikante und damit zahlenmäßig bestimmbare Erhöhung bösartiger Erkrankungen im Allgemeinen erst im Dosisbereich von einigen Zehntel bis 100 mSv eintritt (Hessisches LSG, Urteil vom 29.04.2009 - L 4 VS 1/05 unter Hinweis auf die Unterrichtung durch die Bundesregierung, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2006 [BT-Drucksache, 16/6835, S. 60]).
Eine konkrete gesundheitsgefährdende Strahlenbelastung des Klägers durch seine Tätigkeit beim VEB Reifenwerke Dresden ist nicht nachgewiesen. Der Kläger selbst war niemals in einem Betrieb des Uranbergbaus tätig. Die Tätigkeit der Reifenherstellung an sich ist grundsätzlich keine Tätigkeit im Kontakt mit radioaktiver Strahlung. Allein die Tatsache, dass auf dem ehemaligen Gelände der Firma W. gearbeitet wurde, könnte die Strahlenexposition begründen. Der Senat stützt sich daher auf die vom Präventionsbereich Gera vorgenommene Vergleichsberechnung vom 09.03.2005 (Bl. 128 der Verwaltungsakte). Hierbei hat man eine "worst-case" -Berechnung, also eine Berechnung des schlimmsten möglichen Falles, durchgeführt, in dem man den Kläger mit einem Fördermann über Tage bei der W. gleichgestellt und hierbei eine Strahlenbelastung von insgesamt 2,64 mSv errechnet hat. Nach der Berechnung beträgt bei einem Fördermann die Verursachungswahrscheinlichkeit unter Zugrundelegung des Zielorganes und des Auftretens der Erkrankung des Klägers 0 %. Wenn also selbst bei einem tatsächlich im Uranbergbau beschäftigten Mitarbeiter über Tage die Strahlenbelastung nur knapp über der natürlichen Strahlenbelastung und die Verursachungswahrscheinlichkeit bei 0 % liegt, dann kann eine gesundheitsgefährdende Strahlenexposition des Klägers nicht angenommen werden. Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch auf die Vergleichsberechnung vom 08.03.2010 (Bl. 40 SG-Akte) Bezug genommen. In dieser Berechnung wurde ausgeführt, dass eine Extremwertberechnung für einen Zechenarbeiter unter Tage der Firma W. während der gesamten Produktionszeit in dem Objekt 96/Fabrik 95 (1952 bis 1962) zu einer Gammastrahlung in Höhe von 20,6 mSv - geführt hätte. Angesichts der Art der Erkrankung und des Krankheitsbeginns berechnet sich anhand des Jacobi-Gutachtens hieraus eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 1 %. Auch bei Annahme einer 24-jährigen Exposition in der Fabrik 95 würde sich die Exposition und die sich daraus berechnete Verursachungswahrscheinlichkeit nur unwesentlich erhöhen. Dies wiederum stimmt mit der Einschätzung von Dr. D. überein, wonach es sich bei der Niere nicht um ein strahlensensibles Organ handelt. Zudem ist der Kläger einem Arbeiter unter Tage nicht vergleichbar. Der Präventionsbereich Gera hatte zu seinen Berechnungen jeweils ausgeführt, die zur Verfügung stehenden Messdaten, welche in den 1990-iger Jahren auf dem W.-Gelände erhoben wurden, zugrunde gelegt und eine retrospektive Berechnung vorgenommen zu haben. Der Berechnung liegt insoweit eine rückschauende Berechnung unter Berücksichtigung der damals wohl zu erwartenden Strahlenbelastung zugrunde. Allein die Gleichstellung mit einem Wismut-Arbeiter macht dies deutlich. Der Einwand des Klägers, man habe daher fälschlicher Weise Werte nach der Sanierung zugrunde gelegt, geht daher ins Leere. Soweit der Kläger diese Ergebnisse anzweifelt, hat er dies wiederrum nicht substantiiert getan. Andere Unterlagen zur Strahlenbelastung des Geländes sind nicht vorhanden.
Zu Recht haben sowohl die Beklagte als auch das SG die Anerkennung der in Streit stehenden BKen abgelehnt. Der Kläger kann mit seinem Überprüfungsbegehren nicht durchdringen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Fall des § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
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