L 5 KR 2458/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 604/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2458/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03.05.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Fahrkosten für eine stationäre Behandlung der Klägerin in der Sch.-Klinik in M. H ...

Die 1968 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet unter einer infantilen bilateral beinbetonten Cerebralparese mit Tetraspastik. Es besteht eine ausgeprägte Rektusspastik beidseits, eine Schwäche der rechten Armmuskulatur und eine Schwäche der beckenstabilisierenden Muskulatur, der Hüft- und Kniegelenksbeuger und der Fußheber beidseits. Die Klägerin, die in Pflegestufe II eingestuft ist, bewegt sich überwiegend im Rollstuhl, teilweise auch an zwei Gehstützen fort. Sie hat einen Schwerbehindertenausweis über einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen G, aG, H und RF.

Unter dem 25.06.2010 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Verordnung des Facharztes für Innere Medizin Dr. W. die Übernahme der Fahrkosten für eine konservative stationäre Intensivtherapie in der orthopädischen Klinik in M.-H. mit Hinfahrt am 26.09.2010 und Rückfahrt am 01.10.2010. Dr. W. teilte in einer ärztlichen Bescheinigung vom 21.06.2010 mit, dass die Sch.-Klinik in M.-H. die einzige Klinik in Deutschland sei, die die konservative stationäre Intensivtherapie für Patienten mit infantiler Cerebralparese anbiete. Mit der Therapie solle eine Erhaltung bzw. Besserung des Gesundheitszustands der Klägerin erreicht werden.

Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), der in einer Stellungnahme vom 05.07.2010 zu dem Ergebnis kam, dass die Fahrkosten nicht notwendig seien, weil die Klägerin mit gleichen Erfolgsaussichten auch in der Uniklinik F. behandelt werden könne.

Mit Bescheid vom 19.07.2010 lehnte die Beklagte die Übernahme der Fahrkosten nach M. H. ab. Die nächst erreichbare Behandlungsmöglichkeit sei in der Uniklinik F., so dass nur bis dorthin Fahrkosten übernommen werden könnten.

Dagegen erhob die Klägerin am 28.07.2010 Widerspruch, woraufhin die Beklagte erneut den MDK einschaltete. Sie wies in ihrer Anfrage vom 03.08.2010 darauf hin, dass die H. M.r Krankenkasse, bei der die Klägerin zuvor bis zur Übernahme durch die D. versichert gewesen sei, die Fahrkosten nach M.-H. einmal genehmigt habe, so dass der Klägerin diese im Februar 2010 erstattet worden seien. Dr. St. vom MDK nahm in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 05.08.2010 dahingehend Stellung, dass eine konservative orthopädische Behandlung auch in der Uniklinik F. möglich sei. Diese Klinik biete das gesamte Spektrum der konservativ orthopädischen Behandlung an.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 16.08.2010 ließ die Klägerin ihren Widerspruch näher begründen und ausführen, dass die Klinik in M. bundesweit als einzige Klinik die sog. Brucker-Biofeedback-Therapie durchführe. Sie habe diese Therapie bereits in dieser Klinik begonnen. Es solle nunmehr ein weiterer Therapiezyklus durchgeführt werden. Eine andere Klinik führe die Therapie nicht durch und es sei auch nicht sinnvoll, während der laufenden Therapie einen Klinikwechsel durchzuführen. Dazu legte sie eine Bescheinigung der Sch.-Klinik in M.-H. vom 23.07.2010 vor. Danach ist die Brucker-Biofeedback-Therapie ein wesentlicher Bestandteil der stationären intensiven konservativen Therapie und wird durch krankengymnastische Übungen, Elektrotherapie, Gerätetraining und Galileo-Vibrationstraining ergänzt. Gegenüber anderen Biofeedback-Therapien zeichne sie sich dadurch aus, dass die neuromuskuläre Ansteuerung präzise für die zu therapierenden Muskelgruppen gemessen und dem Patienten dargestellt werde. Für die Therapie der einzelnen Muskelgruppen gebe es standardisierte Methoden, mit denen diese Muskeln trainiert würden. Die Methode sei von Prof. B. entwickelt worden, die behandelnden Therapeuten würden in einer vier Monate dauernden Ausbildung in der Anwendung ausgebildet. Die Ärzte seien auf diesem Gebiet spezialisiert.

Der MDK nahm hierzu am 20.09.2010 Stellung. Dr. St. führte aus, das Grundprinzip der Biofeedback-Therapien basiere auf einer Rückmeldung physiologischer Prozesse, die nicht oder noch ungenau von den Sinnesorganen wahrgenommen werden könnten. Diese würden mithilfe von Apparaten gemessen und zurückgemeldet. Damit werde die willentliche Selbstkontrolle von Körperfunktionen ermöglicht bzw. erleichtert. Störungen, die mit der Fehlfunktion des biologischen Systems einhergingen, könnten so gezielt beeinflusst werden. Aus der bisherigen Forschung lasse sich die Effektivität des Biofeedback nur für wenige Störungsformen belegen. Es gebe Störungen, in denen diese Therapie hocheffizient eingesetzt werden könne, wie z.B. zur Stärkung der Rückenmuskulatur bei Kyphose und Skoliose. Für die bei der Klägerin bestehenden Störungen gebe es noch nicht genügend empirische Befunde, die eine Überlegenheit gegenüber weniger aufwändigeren physiotherapeutischen Verfahren belegten. Die Methode sei eine neue Behandlungsmethode, die im ambulanten Bereich nicht erbracht werden könne. Für die Fahrkosten fehle es insofern an einer allgemeinen Anerkennung in der Medizin, denn abschließende Studien gebe es noch nicht. Es stünden Behandlungsmöglichkeiten in der Uniklinik F. und auch in Rehabilitationskliniken in der Nähe zur Verfügung.

Nach Kenntnis des Gutachtens ließ die Klägerin ergänzend vortragen, dass nach § 137c SGB V im stationären Bereich gerade keine vorherige Genehmigung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erfolgen müsse. Die Vorschriften zur ambulanten Behandlung seien nicht analogiefähig. Sie legte Quittungen von zwei Privatpersonen vor, die sie am 26.09.2010 nach M.-H. gefahren bzw. am 01.10.2010 von dort abgeholt und je 168,40 EUR (421km x 0,20 EUR) für die Fahrt erhalten hatten.

Die Beklagte erstattete der Klägerin fiktive Fahrkosten, die für eine Fahrt zur Uniklinik F. angefallen wären (6,20 EUR).

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es könnten nur die Kosten bis zur nächst gelegenen Behandlungsstätte übernommen werden. Soweit die Klägerin sich darauf berufe, in der Orthopädischen Klinik in M.-H. würden besondere Behandlungsmethoden angeboten, folge daraus kein weitergehender Anspruch, da die aufgrund einer Wunschbehandlung anfallenden Mehrkosten in den Eigenverantwortungsbereich des Versicherten fielen.

Dagegen erhob die Klägerin am 04.02.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg, zu deren Begründung sie geltend machte, es komme nicht darauf an, ob eine irgendwie geeignete Therapie in der Uniklinik F. stattfinden könne. Vielmehr sei die Brucker-Biofeedback-Therapie verordnet gewesen, so dass nur diese auch für die Erstattung der Fahrkosten maßgeblich sein könne. Die vom MDK vorgeschlagene R. in Bad K. sei keine Alternative, weil dort keine Unterbringung mit der erforderlichen Pflege möglich sei. Sie könne die dortige Therapie zwar ambulant durchführen, das werde aber von der Beklagten allenfalls im Rahmen der Kostenerstattung übernommen. Dazu kämen Kosten für die tägliche Inanspruchnahme eines Taxis zur Therapie. Sie habe mit der Biofeedbacktherapie eine Komplextherapie gefunden, die mit großem Erfolg durchgeführt werde. Schmerzen würden wesentlich reduziert und sie könne das Gleichgewicht besser halten. Die Sturzgefahr reduziere sich. Zwar gebe es keinen Anspruch auf eine bestimmte Behandlungsmethode. Das treffe aber nicht zu, wenn es - wie hier - nachweislich nur eine einzige Behandlungsmethode gebe, die Besserung erreichen könne. Ihr Gesundheitszustand habe sich durch die Aufenthalte in der Sch.-Klinik in M.-H. nachweislich verbessert. Sie habe seit dem Jahr 1993 keine Rehabilitation mehr in Anspruch genommen, weil die dort durchgeführten Therapien ihr nie etwas gebracht hätten. Durch die Therapie in M. habe sie endlich eine Möglichkeit gefunden, ihren gesundheitlichen Zustand zu verbessern oder wenigstens den Status zu erhalten. Aufgrund der nachgewiesenen Verbesserungen ihres Gesundheitszustands durch die Behandlungen in der Sch.-Klinik sei diese für sie die nächst erreichbare geeignete Behandlungsmöglichkeit im Sinne der Krankentransport-Richtlinie.

Die Beklagte legte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 21.12.2011 vor. Dr. N. schlug darin als alternative Kliniken die neurologische Klinik in E. im Rahmen der Rehabilitation und die R. in Bad K. mit besonderem manualtherapeutischem Schwerpunkt vor. Die Brucker-Biofeedback-Therapie sei in M. von einem Prof. B. entwickelt worden und werde in Europa als einziges Therapiezentrum von der Sch.-Klinik angeboten. Sie sei in Deutschland als Behandlungsmethode nicht anerkannt.

Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. K. von der Sch.-Klinik M.-H. teilte am 01.08.2011 mit, dass die Klägerin mit der Biofeedback-Therapie behandelt worden sei. Dabei könne sie am Computer sehen, welche Signale ihr Gehirn zu den Muskeln sende, und lernen die Signalgebung zu steigern und damit eine bessere Kontrolle über ihre geschwächten Muskelgruppen erreichen. Diese spezielle Therapie werde nur in M.-H. angeboten. Aufgrund ihres speziellen Stellenwerts in der Rehabilitation sei diese Behandlung nur dort möglich.

Dr. W. berichtete unter dem 11.08.2011, dass die Klägerin an einer Tetraspastik, einer schmerzhaften Skoliose, einem Lymphödem, einer Eisenmangelanämie und einer Migräne leide. Er habe ihr ambulante Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage kontinuierlich verschrieben, um Muskelverkürzungen zu verhindern. Außerdem habe er sie in M. eingewiesen, weil die Klägerin sehr gut auf das dort durchgeführte Verfahren anspreche. Damit könne eine Schmerzlinderung erreicht und einer Verschlechterung des Gesundheitszustands entgegen gewirkt werden.

Die Klägerin war in der Folgezeit erneut zur stationären Behandlung in der Sch.-Klinik in M.-H ... Das Sozialgericht zog die Entlassberichte über die stationären Behandlungen in der Zeit vom 01.02.2010 bis 05.02.2010, vom 26.09.2010 bis 01.10.2010, 20.02.2011 bis 24.02.2011 und vom 03.07.2011 bis 07.07.2011 bei.

Mit Urteil vom 03.05.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Ein Anspruch auf Fahrkosten zur stationären Behandlung in der Sch.-Klinik in M.-H. bestehe nicht. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V übernehme die Krankenkasse die Kosten für Fahrten, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der stationären Krankenbehandlung aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig seien. Da die Beklagte die Kosten der stationären Krankenhausbehandlung in M.-H. übernommen habe, sei allein problematisch, ob die Fahrkosten aus "zwingenden medizinischen Gründen" notwendig gewesen seien. Zwingende medizinische Gründe würden in der Regel nur für eine Behandlung im nächsterreichbaren Krankenhaus vorliegen, das eine stationäre Behandlung der konkreten Erkrankung des Versicherten gewährleisten könne. Die Inanspruchnahme gleich geeigneter, aber weiter entfernt liegender Krankenhäuser erfolge regelmäßig nicht aus medizinischen Gründen, sondern liege in der Entscheidung des Versicherten. Welches Krankenhaus das nächsterreichbare sei, bestimme sich nach der Art der notwendigen Leistung. Dazu müsse die Krankenkasse im konkreten Einzelfall bestimmen, welcher Behandlung der Versicherte bedürfe, um dann festzustellen, an welchem Krankenhaus diese Leistung angeboten werde. Das Tatbestandsmerkmal der zwingenden medizinischen Gründe für die Fahrt sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht im Lichte des § 137c SGB V, sondern unter Berücksichtigung des in § 12 Abs. 1 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots und dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V zur Voraussetzung der Leistungen gemachten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auszulegen. Nach § 137c SGB V bestehe dem Grunde nach eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Das bedeute, dass Krankenhäuser alles anbieten dürften, was nicht ausdrücklich verboten sei. Im stationären Sektor müssten die Krankenhäuser mithilfe der ihnen gewährten und unter ihrer Beteiligung ausgehandelten Fallpauschalen und Pflegesätze die erbrachten Leistungen finanzieren. Durch die Notwendigkeit dieser Finanzierung finde sich ein Regulativ, das auf wirtschaftlichem Wege das Angebot besonders teurer, nicht erprobter Methoden verhindere. Die Bestimmung, was nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V zwingend medizinisch notwendig sei, erfolge nach der allgemeinen Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche eine Methode dann, wenn sie nicht nur von einzelnen Ärzten, sondern von einer großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte und Wissenschaftler) befürwortet werde. Von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, müsse über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen (Fastabend/Schneider, Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 89, Rn.60 mwN). Die Klägerin habe der stationären Krankenhausbehandlung bedurft, um einerseits Muskelverkürzungen zu verhindern, also ihren gesundheitlichen Zustand zu erhalten und einer weiteren Behinderung vorzubeugen, und andererseits soweit möglich die Kontrolle über ihre Muskeln zu erreichen und damit ihren gesundheitlichen Zustand zu verbessern. Dazu habe sie intensive Physiotherapie, Elektrotherapie und Vibrationstraining benötigt. Diese Therapien würden unstreitig auch in der Uniklinik in F. angeboten. Soweit die Klägerin darüber hinaus das besondere Konzept der Brucker-Biofeedback-Therapie in Anspruch nehmen wolle, das sich neben der besonderen Inbeziehungsetzung der genannten einzelnen Elemente auch noch durch eine computergestützte Beübung auszeichne, entspreche diese Therapie nach den überzeugenden Ausführungen des MDK in seiner Stellungnahme vom 20.09.2010 nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Sie werde außer in M. nur noch in M. durchgeführt. Studien oder sonstige Nachweise zur Wirksamkeit der Therapie über den Einzelfall der Klägerin hinaus gebe es nicht. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V seien deshalb nicht erfüllt. Der Klägerin stehe auch nicht deshalb ein Anspruch auf die vollen Fahrkosten bis nach M. zu, weil die Beklagte die Kosten für die stationäre Behandlung in M. als solche übernommen habe. Der Anspruch der Klägerin auf stationäre Krankenhausbehandlung in M. ergebe sich aus § 39 SGB V. Der Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung setze entgegen demjenigen auf Fahrkosten nach § 60 SGB V nicht die Inanspruchnahme der nächsterreichbaren Behandlungseinrichtung, sondern lediglich die Zulassung des Krankenhauses zur Leistungserbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nach § 108 SGB V voraus. Die Versicherten hätten insofern die freie Wahl zwischen allen zugelassenen Krankenhäusern unabhängig davon, wie weit sie von ihrem jeweiligen Wohn- oder Aufenthaltsort entfernt liegen würden. Der Anspruch auf Fahrkosten habe demgegenüber - trotz seiner Akzessorietät zum Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung - eigene, zusätzliche Voraussetzungen, die bei der Wahl eines Krankenhauses, das weiter vom Wohn- oder Aufenthaltsort entfernt liegt, einen Teil der Fahrkosten in die Eigenverantwortung des Versicherten stellten. Auch aus der Bewilligung der Fahrkosten durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Vergangenheit folge kein Anspruch auf Fahrkostenerstattung. Dieser sei jeweils gesondert für jede stationäre Behandlung zu prüfen. Ein Vertrauensschutz sei nicht anzunehmen. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Sch.-Klinik Therapiezyklen anbiete, innerhalb derer die verschiedenen stationären Behandlungen aufeinander aufbauten. Es folge aber nicht notwendig nach einer stationären Behandlung eine weitere. Vielmehr würden vor jeder erneuten stationären Aufnahme die Voraussetzungen für die Behandlung insbesondere im Hinblick auf eventuelle Erfolgsaussichten erneut geprüft. Die als "Therapiezyklen" bezeichneten Krankenhausbehandlungen stellten sich deshalb nicht als eine einheitliche Behandlung mit mehreren Stadien dar. Das Sozialgericht ließ die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 18.05.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.06.2012 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, bei der zwischenzeitlich durchgeführten Maßnahme handele es sich unstreitig um eine stationäre Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Die beantragten Fahrkosten seien auch medizinisch notwendig, da die Sch.-Klinik in M.-H. bundesweit die einzige Klinik ist, die die sog. Brucker-Biofeedback-Therapie durchführe. Eine entsprechende Bescheinigung der Klinik vom 23.07.2010 sei im Widerspruchsverfahren vorgelegt worden. Die Berufungsklägerin habe diese Therapie bereits in der dortigen Klinik begonnen. Im September 2010 sei dann der weitere Therapiezyklus durchgeführt worden, um ihren derzeitigen körperlichen Zustand zumindest zu erhalten. Entgegen der von der Berufungsbeklagten unter Berufung auf den MDK vertretenen Auffassung, sei ihr nicht mit irgendeiner Behandlung gedient, die eventuell in F. erfolgen könne. Vielmehr sei die Behandlung mit der Brucker-Biofeedback-Therapie ärztlich verordnet worden. Eine gleich geeignete Behandlung stehe nicht zur Verfügung. Aufgrund der nachgewiesenen Verbesserung des Gesundheitszustands der Berufungsklägerin sei die stationäre Biofeedbacktherapie in der Sch.-Klinik M.-H. als nächst erreichbare Behandlungsmöglichkeit im Sinne der Krankentransport-Richtlinie anzusehen. Deshalb sei auch das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet. Der behandelnde Arzt Dr. W. habe die Krankenfahrten zu einer Behandlung verordnet, die nachgewiesenermaßen eine erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin bewirke.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03.05.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 19.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Fahrkosten in Höhe von 336,80 EUR für die Fahrten nach und von M. am 26.09.2010 und 01.10.2010 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Bezug.

Die Berichterstatterin hat am 19.12.2012 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Klägerin angegeben hat, sie sei auch vor 2010 wiederholt in der Sch.-Klinik gewesen, die Fahrkosten seien stets übernommen worden. Vorgelegt wurde ferner ein Entlassbericht der Sch.-Klink vom 31.10.2012, aus dem sich ergab, dass bei der Klägerin die Diagnose einer schweren motorischen Funktionseinschränkung mit einem Barthel-Index von 35 vorliege (U50.40G). Ferner berief sich die Klägerin auf eine ebenfalls vorgelegte E-Mail-Nachricht der B. A., wonach eine Vereinbarung (seit 04.10.2012 auch der Ersatzkassen) mit der Sch.-Klinik bestehe, nach der Patienten mit einer Funktionsbeeinträchtigung und einem Barthel-Index von 0-35 als akut stationär behandlungsbedürftig angesehen würden und die Behandlungskosten übernommen würden.

Die Klägerin ließ schriftsätzlich noch geltend machen, es bedürfe einer Stellungnahme des MDK B. zu der Frage, ob die Biofeedback-Therapie nach Brucker unter Berücksichtigung des § 12 SGB V einen weiteren Nutzen für sie aufweise als die Therapien, die sie wohnortnah in Anspruch nehmen könne.

Die Beklagte hat hierzu entgegnet, es sei nicht maßgeblich, ob aktuell eine Vereinbarung zwischen der Sch.-Klinik und der A. bestehe, da diese für die Vergangenheit keine Wirkung entfalte. Der MDK habe bereits Stellung genommen und eine medizinischen Notwendigkeit der Behandlung in M.-H. verneint.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG- aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Senat ist nach § 144 Abs. 3 SGG an die Zulassung gebunden. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Kostenübernahme für die streitgegenständlichen Fahrkosten zur Sch.-Klinik in ihrem Bescheid vom 19.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2011 zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die von ihr aufgewendeten Fahrkosten. Das Sozialgericht hat die Klage unter ausführlicher Darlegung der Rechtslage mit zutreffenden Erwägungen zu Recht abgewiesen. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts und nimmt auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ist noch Folgendes zu ergänzen:

Soweit die Klägerin sich darauf beruft, die Behandlungskosten der Sch.-Klinik würden für Patienten mit einer Funktionsbeeinträchtigung und einem Bartel-Index von 0-35 aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung der Klinik mit der bayerischen A. und den Ersatzkassen übernommen, kann sie daraus für ihren Anspruch auf Fahrkostenerstattung nichts herleiten. Die Behandlungskosten für die stationären Aufenthalte sind von der Beklagten übernommen worden und nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Fahrkosten sind - obwohl sie Nebenkosten der stationären Behandlung darstellen - nicht im Sinne eines Rechtsreflexes zwingend von der Beklagten zu übernehmen. Vielmehr unterliegen sie - worauf das Sozialgericht zutreffend abgestellt hat - eigenen Anspruchsvoraussetzungen, die hier nicht erfüllt sind.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind Fahrkosten nur dann von der Beklagten zu übernehmen, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Nach § 3 Abs. 2 der auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 SGB V erlassenen Krankentransport-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (i.d.F. vom 22.01.2004, zuletzt geändert am 21.12.2004, BAnZ 2005, Nr. 41 S. 2937) sind notwendig im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse in der Regel nur die Fahrten auf dem direkten Weg zwischen dem jeweiligen Aufenthaltsort des Versicherten und der nächst erreichbaren geeigneten Behandlungsmöglichkeit.

Die Klägerin kann sich hier nicht darauf berufen, dass die Sch.-Klinik die für sie nächst erreichbare geeignete Behandlungsmöglichkeit in diesem Sinne sei. Sie begründet diese Auffassung damit, dass allein dort die Biofeedback-Behandlung nach Brucker durchgeführt werde. Diese stellt aber keine zugelassene Behandlungsmethode dar, so dass die Klägerin die Eignung der Sch.-Klinik wegen dieser Behandlungsmethode nicht für sich reklamieren kann. Dr. St. vom MDK hat die Biofeedback-Methode in seiner Stellungnahme vom 20.09.2010 differenziert dargestellt und ausgeführt, dass diese Methode für das Krankheitsbild der Klägerin noch keine empirisch nachgewiesenen Behandlungserfolge erzielt hat, die weniger aufwändigeren Verfahren überlegen wären. Dem fehlenden Wirkungsnachweis kann die Klägerin auch nicht entgegensetzen, dass sie selbst die Behandlung als hilfreich erfahren hat. Einen Anspruch auf Gewährung einer Behandlung nach einem NUB-Verfahren begründet dies nicht. Die Sch.-Klinik wird durch die Anwendung dieser Behandlungsmethode nicht zu der nächst erreichbaren geeigneten Behandlungseinrichtung im Sinne von § 3 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinie.

Auf die Frage, ob diese Behandlungsmethode in der Sch.-Klinik berechtigterweise nach § 137c SGB V überhaupt angewendet werden durfte, kommt es vorliegend nicht an. Denn die Behandlung in der Sch.-Klinik umfasste auch andere Behandlungselemente, Krankengymnastik, Elektrotherapie und medizinische Trainingstherapie (vgl. Bericht vom 28.09.2010). Aufgrund der Abrechnung nach Fallpauschalen entstehen für die Anwendung der Biofeedbacktherapie im Rahmen der stationären Behandlung keine gesonderten Kosten. Dr. St. hat darauf hingewiesen, dass von einer Fehlbelegung nicht ausgegangen werden kann, da die Klägerin in der Sch.-Klinik auch Maßnahmen des konservativen Behandlungsspektrums erhalten hat, so dass die Übernahme der Behandlungskosten durch die Beklagte auch nicht in Frage steht. Die Klägerin hat in der Sch.-Klink eine konservative Therapie erhalten, auf die sie aufgrund ihres Krankheitsbildes einen Anspruch hatte. Auf die Behandlung nach der Biofeedbackmethode hatte sie hingegen keinen Anspruch, da es sich um eine bezüglich ihrer Wirksamkeit nicht ausreichend validierte Behandlungsmethode handelt. Sie muss sich deshalb hinsichtlich des Anspruchs auf Fahrkostenerstattung entgegen halten lassen, dass die rein konservative Behandlung in einer wohnortnahen Klinik hätte durchgeführt werden können. Die Auswahl der Sch.-Klinik erfolgte hier nicht aus Gründen der medizinischen Notwendigkeit, sondern aufgrund des Wunsches der Klägerin. Die Fahrkosten unterfallen mithin dem Bereich ihrer Eigenvorsorge.

Unerheblich bleibt auch, dass die Klägerin auf ihre Anfrage von der R. die Auskunft erhalten hat, dass während einer Rehabilitionsbehandlung dort die von ihr benötigten pflegerischen Unterstützungsmaßnahmen nicht gewährleistet wären. Die Beklagte hat auch auf die Möglichkeit der Durchführung einer konservativen Behandlung in der Uniklinik F. verwiesen, wo eine pflegerische Behandlung durch Krankenpflegefachkräfte in jedem Fall sichergestellt ist.

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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