L 8 SB 4458/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 SB 4551/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4458/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. September 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Bei der 1963 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt S: mit Bescheid vom 07.03.2003 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einer Gebrauchseinschränkung beider Beine (Teil-GdB 30), Diabetes mellitus, Adipositas per magna, einem metabolischen Syndrom und Harnsäurestoffwechselstörung (Teil-GdB 10) den GdB mit 30 sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz fest. Ein Antrag der Klägerin auf Neufeststellung eines höheren GdB blieb durch Bescheid des Versorgungsamtes S: vom 22.03.2004 ohne Erfolg.

Am 24.03.2011 beantragte die Klägerin beim Landratsamt B: - Versorgungsamt in S. - (VA) erneut die Erhöhung des GdB. Das VA zog medizinische Befundunterlagen bei (insbesondere Ambulanzbrief des Klinikums S.-B. vom 03.03.2011, Diagnosen: Radikulopathie C6 bei Bandscheibenprolaps C5/C6 und C6/C7 sowie weiteren Bandscheibenprolapse, Verdacht auf Karpaltunnelsyndrom beidseits, Dorsalgie mit Ausstrahlung in das rechte Bein bei Bandscheibenprotrusionen L4/L5 und L5/S1, Diabetes mellitus Typ II - diätisch eingestellt - sowie arterielle Hypertonie). In der gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes des VA, Dr. F., vom 24.04.2011 wurde der GdB weiterhin mit 30 vorgeschlagen. Mit Bescheid vom 04.05.2011 entsprach das VA dem Neufeststellungsantrag der Klägerin nicht.

Hiergegen legte die Klägerin am 25.05.2011 Widerspruch ein, mit dem sie eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend machte und sich hierzu auf die sie behandelnden Ärzte berief. Das VA zog den Ärztlichen Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik B. W. über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 28.04.2011 bis 19.05.2011 bei. In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes des VA, Dr. M.-T., vom 16.06.2011 wurde wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Bandscheibenschaden und Gebrauchseinschränkung beider Beine (Teil-GdB 30), metabolisches Syndrom, Harnsäurestoffwechselstörung, Diabetes mellitus und Adipositas per magna (Teil-GdB 10) der GdB weiterhin mit 30 vorgeschlagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2011 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 04.05.2011 zurück. Die Auswertung der vorliegenden Unterlagen habe gezeigt, dass sich eine Verschlimmerung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigen könne, nicht feststellen lasse.

Hiergegen erhob die Klägerin am 05.08.2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte zur Begründung geltend, der vom Beklagten festgestellte GdB entspreche nicht dem Schweregrad der tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen. Es lägen schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem Teil-GdB von 40 vor. Weiter sei wegen einer Erkrankung beider Kniegelenke von einem Teil-GdB von mindestens 40 auszugehen. Eine Schmerzerkrankung sei zusätzlich zu berücksichtigen. Auch das Karpaltunnelsyndrom sei nicht angemessen berücksichtigt worden. Sofern eine wesentliche psychische Komponente vorhanden sein sollte, wäre von einer stärker behinderten Störung mit einem Teil-GdB von 30 auszugehen. Ein Gesamt-GdB in Höhe von mindestens 50 sei gerechtfertigt. Die Klägerin verwies u.a. auf den bereits aktenkundigen Ärztlichen Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik B. W. vom 19.05.2011 (Diagnosen: Radikulopathie C6 rechts bei Bandscheibenprolaps C5/6 und C6/7, weitere Bandscheibenprolapse, chronische Dorsalgie mit Ausstrahlung ins rechte Bein bei Bandscheibenprotrusionen L4/L5 und L5/S1, Adipositas per magna sowie Diabetes mellitus Typ II - diätisch -).

Das SG hörte von der Klägerin benannte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G. teilte in seiner Stellungnahme vom 09.12.2011 unter Vorlage medizinischer Berichte den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit. Er schätzte den GdB auf 50 ein. Der Facharzt für Neurochirurgie und spezielle Schmerztherapie Dr. L. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.12.2011 unter Vorlage medizinischer Berichte die Diagnosen mit. Er schätzte auf seinem Fachgebiet den GdB mit 40 bis 50 ein. Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Schmerztherapie Dr. S. teilte in seiner Stellungnahme vom 16.01.2012 unter Vorlage medizinischer Berichte den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Er stimmte auf orthopädischem Gebiet der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes zu und schätzte den GdB auf 30 bis 40 ein. Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. teilte in seiner Stellungnahme vom 16.02.2012 unter Vorlage medizinischer Berichte den Behandlungsbeginn, die Befunde und Diagnosen mit. Er schätzte wegen einer Gonarthrose den GdB auf 20 ein.

Der Beklagte unterbreitete der Klägerin unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A.-B. vom 15.03.2012 ein Vergleichsangebot dahin, den GdB mit 40 ab Juni 2011 festzustellen (Schriftsatz vom 22.03.2012), das die Klägerin zurückwies (Schriftsatz vom 02.04.2012).

Das SG hörte anschließend die behandelnde Ärztin für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugin an. Dr. S. teilte in ihrer Stellungnahme vom 24.04.2012 - in Kenntnis der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 16.06.2011 - unter Vorlage medizinischer Berichte den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit. Eine Gonarthrose links sei nicht berücksichtigt.

Weiter holte das SG das orthopädische Gutachten des Dr. D. vom 02.07.2012 ein. Dr. D. gelangte zusammenfassend zu der Beurteilung, bei der Klägerin bestehe eine etwa 5 prozentige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule ohne Nachweis motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen sowie der Brustwirbelsäule, eine endgradig eingeschränkte Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule ohne aktuellen Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20), eine endgradig eingeschränkte Armseitwärts- und Armvorwärtsanhebung im rechten Schultergelenk (Teil-GdB 0) und eine Beugeeinschränkung in beiden Kniegelenken bei Verdacht auf eine Arthrose, ohne anhaltende Reizerscheinungen (Teil-GdB 20). Unter Einbeziehung der fachfremden Gesundheitsstörungen mit einem Teil-GdB von 10 schätzte Dr. D. den Gesamt-GdB auf 30 seit März 2011 ein.

Mit Schriftsatz vom 20.07.2012 widerrief der Beklagte sein Vergleichsangebot vom 23.03.2012.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.09.2012 wies das SG die Klage ab. Es führte in den Entscheidungsgründen aus, die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen bedingten nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG) keinen höheren GdB als 30. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die bei der Klägerin vorliegenden endgradigen Bewegungseinschränkungen in drei Wirbelsäulenabschnitten seien mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt gleichzusetzen. Der nicht nachvollziehbaren Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. L. in seiner Auskunft vom 13.12.2011 folge das Gericht nicht. Auch aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen seien keine höhergradigen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule zu entnehmen, die einen höheren Teil-GdB als 20 rechtfertigten. Die endgradige Bewegungseinschränkung der Beugung der Kniegelenke beidseits bedinge nach den VG entsprechend der Einschätzung des Dr. D. und des Dr. S. in seiner Auskunft vom 16.02.2012 einen Teil-GdB von 20. Die endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im rechten Schultergelenk bedinge keinen GdB. Auch der bestehende Verdacht auf ein beginnendes Karpaltunnelsyndrom rechtfertige nach den VG keinen GdB von wenigstens 10. Die Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet (metabolisches Syndrom, Adipositas per magna, Diabetes mellitus und Hypertonie) bedingten einen Teil-GdB von 10. Der diätisch behandelnde und gut eingestellte Diabetes mellitus Typ II sei als leicht einzuschätzen und bedinge nach den VG in der Fassung der Zweiten Änderung-Verordnung vom 14.07.2010 keinen GdB. Entsprechendes gelte für die Adipositas. Die leichte Hypertonie sei medikamentös behandelt und rechtfertige nach den VG einen GdB von maximal 10. Die Hyperurikämie bedinge kein GdB. Der Gesamt-GdB sei mit 30 zu bewerten. Die abweichenden Einschätzungen der sachverständigen Zeugen Dr. G. und Dr. L. überzeugten nicht.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 04.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die durch ihren Prozessbevollmächtigten beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 25.10.2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie hat zur Begründung geltend gemacht, das SG habe übersehen, dass bei ihr ein chronisches Schmerzsyndrom (Grad II nach Gerbershagen) vorliege, das bei der Bestimmung des Gesamt-GdB keine Berücksichtigung gefunden habe. Im Gutachten von Dr. D. werde hierauf nicht eingegangen. Das Gutachten von Dr. D. leide an formellen Mängeln. Sie nehme wegen der chronifizierten Schmerzerkrankung regelmäßig starke Schmerzmittel ein, was Auswirkungen auf das Untersuchungsergebnis haben könnte. Die Einschätzung der Funktionsbeeinträchtigung in beiden Kniegelenken sei zu niedrig. Das Gutachten lasse offen, worauf Dr. D. seine GdB-Wertung gründe. Sie leide links an einer schweren Gonarthrose. Bei ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke sei ein Teil-GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt. Hinsichtlich der Wirbelsäule lägen nach den VG mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, die einen Teil-GdB von 30 bis 40 rechtfertigten. Auch hier sei das Gutachten lückenhaft. Das Gutachten von Dr. D. leide unter schweren Mängeln und sei daher nicht verwertbar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. September 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 24. März 2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Argumente. Die Bewertung des Dr. D. sei unter Berücksichtigung der ermittelten Untersuchungsbefunde nicht zu beanstanden. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB durch ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom sei nicht begründet. Der vorliegende medizinische Sachverhalt sei zutreffend gewürdigt.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. S. vom 01.10.2013 eingeholt. Dr. S. gelangte zusammenfassend zu der Bewertung, die erhobenen Untersuchungsbefunde erlaubten für die Halswirbelsäule und die Brustwirbelsäule die Annahme einer leichtgradigen Funktionsstörung und für die Lendenwirbelsäule die Annahme einer mittelgradigen Funktionsstörung. Da alle Wirbelsäulenabschnitte betroffen seien und zumindest von rezidivierenden Reizzuständen ausgegangen werden könne, sei ein Teil-GdB von 30 anzunehmen. Eine höhere Bewertung sei nicht möglich. Beide Schultergelenke zeigten eine leichte Funktionseinschränkung. Es ergäbe sich hier ein Teil-GdB von 10. Die Funktionsbeeinträchtigung beider Beine sei bei kernspintomographisch gesichertem ausgeprägtem Knorpelschaden des linken Kniegelenks bei anzunehmendem Reizzustand mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Fußdeformitäten rechtfertigten keinen Teil-GdB. Unter Berücksichtigung der außerhalb seines Fachgebiets angenommenen Ansätze hat Dr. S. den Gesamt-GdB mit 40 bewertet.

Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 07.01.2014 der Bewertung des Gesamt-GdB mit 40 durch Dr. S. entgegen getreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin sinngemäß gefasst.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 04.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine wesentliche Verschlimmerung ist im Vergleich mit dem im Bescheid vom 07.03.2003 mit einem GdB von 30 berücksichtigten Behinderungszustandes der Klägerin nicht eingetreten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30)

Hiervon ausgehend steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Neufeststellung eines höheren GdB als 30 seit dem 24.03.2011 nicht zu.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids unter Darstellung der maßgeblichen GdB-Bewertungskriterien der VG sehr ausführlich und zutreffend begründet, dass die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen weiterhin keinen höheren GdB als 30 bedingen. Das SG hat ausgeführt: Die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule sind mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Der nicht nachvollziehbaren Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. L. in seiner Auskunft vom 13.12.2011 kann nicht gefolgt werden. Aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen sind keine höhergradigen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule zu entnehmen, die einen höheren Teil-GdB als 20 bedingen. Die endgradige Bewegungseinschränkung der Beugung der Kniegelenke beidseits rechtfertigt entsprechend der Einschätzung des Dr. D. und des Dr. S. in seiner Auskunft vom 16.02.2012 einen Teil-GdB von 20. Die endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im rechten Schultergelenk rechtfertigt keinen GdB. Auch der bestehende Verdacht auf ein beginnendes Karpaltunnelsyndrom rechtfertigt keinen GdB von wenigstens 10. Die Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet (metabolisches Syndrom, Adipositas per magna, Diabetes mellitus und Hypertonie) bedingen einen Teil-GdB von 10. Der diätisch behandelnde und gut eingestellte Diabetes mellitus Typ II ist als leicht einzuschätzen und rechtfertigt nach den VG in der Fassung der Zweiten Änderung-Verordnung vom 14.07.2010 keinen GdB. Entsprechendes gilt für die Adipositas. Die leichte Hypertonie ist medikamentös behandelt und rechtfertigt einen GdB von maximal 10. Die Hyperurikämie bedingt keinen GdB. Der Gesamt-GdB ist mit 30 zu bewerten. Die abweichenden Einschätzungen der sachverständigen Zeugen Dr. G. und Dr. L. überzeugen nicht. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zur selben Überzeugung. Er schließt sich der eingehenden und zutreffenden Begründung des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:

Das im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. S. vom 01.10.2013 rechtfertigt keine der Klägerin günstigere Entscheidung.

Die von Dr. S. hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens der Klägerin erhobenen und in seinem Gutachten beschriebenen Wirbelsäulenbefunde entsprechen im Wesentlichen den bereits von Dr. D. in dessen Gutachten vom 02.07.2012 festgestellten und beschriebenen Befunden. Danach bestehen an der Halswirbelsäule funktionell keine deutlichen Defizite. Auch Dr. S. hat eine allenfalls endgradig eingeschränkte Drehbewegung sowie Seitneigung der Halswirbelsäule ohne segmentale Blockierung beschrieben, bei von der Klägerin beklagten Bewegungsschmerzen und geringgradigen Verhärtungen der Nackenmuskulatur. Die Bewegung des Kopfes gegen Widerstand ist mit normaler konzentrischer Kraftentwicklung möglich. Hinsichtlich der Rumpfwirbelsäule (Brust- und Lendenwirbelsäule) beschreibt Dr. S. einen Finger-Boden-Abstand von 30 cm. Die Drehbewegung im Sitzen ist normal möglich, die Seitneigung (25-0-25°) zur Norm (35-0-35°) leicht bis allenfalls mittelgradig reduziert. Weiter beschreibt Dr. S. eine im Vergleich zu Dr. D. teilweise reduzierte Entfaltbarkeit nach Ott und Schober jedoch ohne auffällige Reduktion der Mobilität des thorakolumbalen Übergangs mit Wirbelgleiten bei L4/L5. Radikuläre zuordenbare Sensibilitätsstörungen oder Paresen liegen nicht vor. Danach bestehen auch nach dem Gutachten von Dr. S. für die Hals- wie auch die Brustwirbelsäule nur leichtgradige funktionelle Auswirkungen und für die Lendenwirbelsäule allenfalls mittelgradige funktionelle Auswirkungen, wovon auch Dr. S. in seinem Gutachten (Seite 34) ausgeht. Diese funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden rechtfertigen nach den vom SG zutreffend dargestellten Bewertungsvorgaben der VG sowie der Rechtsprechung des Senats keinen höheren Teil-GdB als 20. Dabei kommt es auf den medizinischen Gesichtspunkt, ob BWS und LWS funktional als Rumpfwirbelsäule eine Einheit bilden, vorliegend in dieser Hinsicht nicht an. Denn die GdB-Bewertung bei Wirbelsäulen-Einschränkungen ist durch die rechtlichen Vorgaben der VG an die Differenzierung in (drei) Wirbelsäulenabschnitte gebunden. Maßgebend ist damit, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet: sozialgerichtsbarkeit.de). Danach ist bei (allenfalls) mittelgradigen funktionellen Auswirkungen hinsichtlich der Lendenwirbelsäule und bei jeweils nur leichtgradigen funktionellen Auswirkungen hinsichtlich der Hals- und der Brustwirbelsäule der Teil-GdB mit 20 zu bewerten. Mittelgradige Funktionsbehinderungen in (mindestens) zwei Wirbelsäulenabschnitten liegen nicht vor, worauf auch Dr. R. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.01.2014 zutreffend hinweist. Ein Teil-GdB von 30, wie Dr. S. in seinem Gutachten annimmt, ist damit nicht gerechtfertigt. Dr. S. geht bei seiner Bewertung von einem Teil-GdB von 20 für die Lendenwirbelsäule aus und berücksichtigt zusätzlich (integrierend) das Betroffen sein auch der anderen Wirbelsäulenabschnitte Teil-GdB erhöhend, wobei er zudem rezidivierende Reizzustände lediglich annimmt. Diese Betrachtung widerspricht den Bewertungsvorgaben der VG nach der dargestellten Rechtsprechung des Senats, weshalb der Teil-GdB-Bewertung mit 30 durch Dr. S. für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin nicht gefolgt werden kann.

Die Funktionsbehinderung der Kniegelenke der Klägerin rechtfertigt einen Teil-GdB von 20. Neue Gesichtspunkte, die eine der Klägerin günstigere Entscheidung rechtfertigen, lassen sich dem Gutachten von Dr. S. nicht entnehmen. Dr. S. beschreibt in seinem Gutachten eine schmerzhaft, aber nur mäßig eingeschränkte Beweglichkeit der Kniegelenke beidseits (0-0-95° rechts, 0-0-100° links), die nach den vom SG zutreffend dargestellten Bewertungsvorgaben der VG noch nicht das Ausmaß einer GdB-relevanten Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk geringen Grades erreicht. Sonstige relevante Einschränkung der Funktion der Kniegelenke beschreibt Dr. S. nicht. Insbesondere ist die Bandführung stabil. Ein eindeutiger Verdacht hinsichtlich einer intraartikulären Ergussbildung findet sich beidseits nicht. Auch eine Überwärmung der Kniegelenke beschreibt Dr. S. nicht. Damit ist hinsichtlich der Kniegelenke der Klägerin nur unter Berücksichtigung der Knorpelschäden an beiden Kniegelenken ein Teil-GdB von 20 gerechtfertigt, wie ihn der Beklagte berücksichtigt. Der abweichenden Bewertung von Dr. S., der von einem Teil-GdB von 30 ausgeht, kann nicht gefolgt werden. Dr. S. berücksichtigt bei seiner Bewertung für die Funktionsbeeinträchtigung der Kniegelenke einen Teil-GdB von 20 und schöpft damit den nach den VG vorgegebenen Bewertungsrahmen für eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades beidseitig voll aus, was nach der von ihm beschriebenen Bewegungseinschränkung der Kniegelenke nach dem oben Ausgeführten nicht überzeugt. Zudem nimmt Dr. S. bei seiner Teil-GdB-Bewertung von 30 einen Reizzustand des linken Knies an, den er aus einem kernspintomographischen Befund vom 11.07.2011 ableitet, obwohl sich bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. S. klinisch ein eindeutiger Verdacht hinsichtlich einer intraartikulären Ergussbildung bezüglich beider Kniegelenke nicht gefunden hat. Der Bewertung des Teil-GdB von 30 für die Funktionsbehinderung der Kniegelenke der Klägerin durch Dr. S. vermag sich der Senat daher nicht anzuschließen.

Die Teil-GdB Bewertung mit 30 durch Dr. S. für eine Funktionsbeeinträchtigung beider Beine lässt sich auch nicht mit einer (nach dem Ärztlichen Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik B. W. vom 19.05.2011 wohl durch die Adipositas bedingten) Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke der Klägerin rechtfertigen. Zwar beschreibt Dr. D. in seinem Gutachten eine Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke (Streckung/Beugung 10-0-100° beidseits). Dem entspricht auch die Beschreibung von Dr. S. in seinem Gutachten (Streckung/Beugung 0-90° beidseits). Nach den VG Teil B 18.14 rechtfertigt eine Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig einen GdB von 10 bis 20 und beidseitig von 20 bis 30. Ein solches Ausmaß erreicht weder die von Dr. D. noch von Dr. S. in ihren Gutachten beschriebene Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke der Klägerin, wobei für die Bewertung des GdB das Vorliegen einer Beugekontraktur die maßgebliche Bedeutung zukommt, wie der Vergleich der nach den VG für eine Bewegungseinschränkung mittleren Grades (Streckung/Beugung bis zu 0-30-90°) vorgesehenen Bewertung des GdB (einseitig 30 und beidseitig 50) zeigt. Ein hinsichtlich der unteren Extremitäten der Klägerin erhöhend zu berücksichtigender Teil-GdB liegt wegen der Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke der Klägerin damit nicht vor. Dem entsprechen auch die übereinstimmenden Bewertungen des Dr. D. und des Dr. S. in ihren Gutachten, die eine GdB-relevante Funktionsbehinderung der Hüftgelenke der Klägerin nicht angenommen haben.

Entsprechendes gilt für die von Dr. S. in seinem Gutachten beschriebenen Fußdeformitäten, die keine wesentliche statische Auswirkung haben und eine GdB-relevante Funktionsstörung nicht hervorrufen, wie Dr. S. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat, dem sich der Senat insoweit anschließt.

Auch die leichte Funktionsbeeinträchtigung der Schultergelenke der Klägerin rechtfertigt keinen Teil-GdB. Nach den Beschreibungen von Dr. S. in seinem Gutachten besteht eine geringgradige Bewegungseinschränkung der Schultergelenke, wobei die Klägerin den Arm jeweils zur Seite und nach vorne über 120° führen kann (Arm seitwärts/körperwärts 140-0-25° rechts, 160-0-25° links; Arm rückwärts/vorwärts 40-0-130° rechts, 50-0-130° links). Nach den vom SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend beschriebenen Bewertungsvorgaben der VG ist damit ein Teil-GdB für eine Funktionsbeeinträchtigung der Schultergelenke der Klägerin nicht gerechtfertigt. Gesichtspunkte, die die abweichende Bewertung des Dr. S. in seinem Gutachten rechtfertigen, legt Dr. S. nicht dar. Allein die von ihm angenommenen allenfalls leichten Reizzustände rechtfertigen seine Bewertung des Teil-GdB von 10 nicht.

Die auf internistischem Fachgebiet der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen (metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Hypertonie) wie auch die Adipositas und die Hyperurikämie rechtfertigen insgesamt keinen höheren Teil-GdB als 10. Neue Gesichtspunkte, die eine der Klägerin günstigere Entscheidung rechtfertigen, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Das geltend gemachte Schmerzsyndrom ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Zwar nennt Dr. G. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 09.12.2011 (unter anderem) als Diagnose ein Schmerzsyndrom bei Wirbelsäulenschäden und Dr. S. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 24.04.2012 als Diagnose ein chronisches Schmerzsyndrom (Chronifizierungsstadium II nach Gerbershagen). Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Nur wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (vgl. VG Teil A 2j und AHP Nr. 18 Abs. 8). Bereits eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit ist bei der Klägerin nicht belegt. Den vorliegenden Gutachten und den zu den Akten gelangten sonstigen medizinischen Unterlagen lässt sich eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nicht entnehmen. Auch der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. G. lassen sich hinsichtlich der genannten Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms keine näheren Angaben entnehmen. Dr. S. hat in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage - mit Ausnahme einer Gonarthrose links - der Ansicht des ärztlichen Dienstes des Beklagten in der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 16.06.2011 zugestimmt, und damit - im Ergebnis - das Vorliegen einer zusätzlich zu berücksichtigenden außergewöhnliche Schmerzhaftigkeit verneint. Auch der behandelnde Facharzt für Neurochirurgie und spezielle Schmerztherapie Dr. L. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 13.12.2011 an das SG das Vorliegen einer außergewöhnlichen Schmerzhaftigkeit nicht genannt. Entsprechendes gilt für die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Arztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Schmerztherapie Dr. S. vom 16.01.2012 an das SG.

Damit ist bei der Klägerin (weiterhin) von einem Gesamt-GdB von 30 seit dem 23.03.2011 auszugehen. Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Hiervon ausgehend sind die mit einem Teil-GdB von jeweils 20 zu bewertenden Wirbelsäulenschäden sowie die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke als Gesamteinschränkung der unteren Gliedmaße bei der Bildung des Gesamt-GdB mit 30 zu berücksichtigen. Die mit einem Teil-GdB von 10 bestehenden Gesundheitsstörungen der Klägerin erhöhen den Gesamt-GdB nicht. Damit ist im Vergleich zu dem im Bescheid vom 07.03.2003 mit einem GdB von 30 berücksichtigten Gesundheitszustand der Klägerin keine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) eingetreten, die die Neufeststellung eines höheren GdB rechtfertigt.

Ein Anspruch auf Feststellung des GdB mit 40 kann die Klägerin aus dem Vergleichsangebot des Beklagten vom 22.03.2012 nicht herleiten. Dieses Vergleichsangebot hat die Klägerin zurückgewiesen, weshalb der Beklagte an sein Vergleichsangebot nicht mehr gebunden ist (§ 61 Satz 2 SGB X, § 146 BGB), das zudem auch widerrufen worden ist.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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