Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 5241/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1286/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2013 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erhöhung und den früheren Beginn einer bereits zuerkannten Verletztenrente wegen eines anerkannten Arbeitsunfalls.
1. Der am 17.05.1944 geborene Kläger war - wohl als mitarbeitender Familienangehöriger - im Weinbaubetrieb seines Vaters in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung gesetzlich unfallversichert. Am 17.06.1964 stürzte er auf der Heimfahrt aus dem Weinberg mit seinem Kleinschlepper um. Sein linkes Bein wurde unter dem Fahrzeug eingeklemmt. Dabei zog er sich Frakturen an Tibiakopf (Schienbeinkopf) und Fibula (Wadenbein) links handbreit unterhalb des Kniegelenks mit großer Risswunde zu. Wegen dieses Unfalls und seiner Folgen gewährte die Badische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte), dem Kläger ab dem 26.04.1965 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um anfangs 40 v.H. (Bescheid vom 01.06.1965) und ab einem späteren Zeitpunkt um 20 v.H. Die Beklagte erhob das Zweite Rentengutachten von Dr. Schumacher vom 14.12.1965. Dieser Gutachter ermittelte als Bewegungsmaße des Kniegelenks links "180-55°" und rechts "180-50°", beschrieb reibende und knarrende Geräusche bei der Beugung und stellte eine Verringerung der Muskelverschmäch-tigung am linken Bein fest. Eine verbliebene MdE verneinte er. Mit Bescheid vom 23.02.1966 entzog die Beklagte daraufhin die vorläufige Rente zum 31.03.1966 und versagte eine Dauerrente.
2. Am 17.05.2004 beantragte der Kläger über seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten bei der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. Er machte geltend, sein unfallverletzter Fußknochen sei seit ca. einem Jahr entzündet.
Die Beklagte führte medizinische Ermittlungen durch. Unter anderem berichtete Orthopäde Dr. A. in einem Befundbericht vom 11.10.2004, der Kläger klage bereits seit 1989 über rezidivierende Schmerzen im linken Kniegelenk. Die Beklagte erhob das Nachprüfungsgutachten des Orthopäden Dr. B. vom 26.07.2005. Dieser diagnostizierte am linken Knie eine starke medial betonte, zeitweise aktivierte Gonarthrose mit deutlicher O-Bein-Deformität, deutlicher Bewegungseinschränkung (Beugung/Streckung rechts 140/0/0°, links 110/10/0°) und geringer medialer Instabilität, am oberen Sprunggelenk eine leichte Arthrose mit mäßigen Bewegungseinschränkungen, am Ober- und Unterschenkel teilweise Muskelminderungen links (1 bis 2 cm) sowie am linken Unterschenkel eine leichte Beinverkürzung (1 cm). Er sah deswegen eine MdE von 20 v.H. Nach den Daten von Antrag und Untersuchungsbefunden datierte er den Eintritt der Verschlimmerung auf den 14.05.2004.
Mit Bescheid vom 04.01.2006 gewährte die Beklagte Verletztenrente um eine MdE um 20 v.H. ab 14.05.2004. Als Unfallfolgen am linken Bein erkannte sie "Verbildende Veränderungen im Kniegelenk (‚Gonarthrose‘) nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch und Wadenbeinbruch, O-Bein-Bildung, deutliche Bewegungseinschränkung im Kniegelenk mit Instabilität, leichte Beinverkürzung (1 cm) am Unterschenkel, Muskelminderung an Ober- und Unterschenkel" an. Dagegen lehnte sie - zunächst - die Anerkennung unter anderem der Beeinträchtigungen am linken oberen Sprunggelenk ab.
Bereits mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Rente sei nach einer MdE von wenigstens 40 v.H. festzusetzen und habe ab einem früheren Zeitpunkt zu beginnen, nachdem z. B. Dr. A. die mediale Gonarthrose seit 1989 bekundet habe. Nachdem Dr. B. auch das rechte Bein geröntgt und hierbei Normalbefunde festgestellt hatte, führte er aus, entsprechend seiner früheren Einschätzung sei auch die Arthrose im linken Sprunggelenk Unfallfolge. Mit Teil-Abhilfe-Bescheid vom 31.01.2006 änderte die Beklagte den Bescheid vom 04.01.2006 ab und erkannte auch die "Arthrose am linken Sprunggelenk" als Unfallfolge an; gleichzeitig lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. für die Zeit vor dem 14.05.2004 ab. Nachdem der Kläger an seinem Widerspruch festhielt, erließ die Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30.03.2006. Höhe und Beginn der Rente entsprächen den Feststellungen Dr. B.s. Die Sprunggelenksarthrose erhöhe die MdE nicht.
In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG, S 7 U 2036/06) nahm der Kläger ein Teil-Anerkenntnis der Beklagten - nach einer Aussage von Dr. A. vom 13.06.2006 - an, woraufhin die Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 22.08.2006 die Verletztenrente um die MdE von 20 v.H. bereits ab dem 25.02.2003 bewilligte. Die weitergehende Klage wies das SG durch den damaligen Vorsitzenden der 7. Kammer, RiSG B., mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2006 ab.
In dem anschließenden Berufungsverfahren (L 10 U 5403/06) erhob das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das Gutachten des Chirurgen Dr. C. vom 31.08.2007. Dieser ermittelte - unter anderem - Restbeweglichkeiten in den Kniegelenken rechts 0/0/140° und links 0/5/120°. Die Umfangmaße der Muskeln differierten um höchstens 1 cm zu Lasten des linken Beins. Er bestätigte auch den angenommenen Zeitpunkt der Verschlimmerung.
Mit Bescheid vom 28.07.2008 fand die Beklagte auf Antrag des Klägers die gesamte Verletztenrente auf Lebenszeit für EUR 22.221,00 ab.
Die Berufung wies das LSG mit Urteil vom 15.10.2009 zurück. Es stützte seine Entscheidung auf die Feststellungen und Folgerungen der Gutachter einschließlich des Sachverständigen Dr. C ...
Die gegen dieses Urteil klägerseits erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 28.01.2010 als unzulässig (B 2 U 302/09 B).
3. Der Kläger beantragte am 27.03.2012 "vor dem Hintergrund der Art und Weise, wie in den Instanzen mit den Dingen hier umgegangen worden ist" die "Überprüfung der Rentenbescheide nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)". Er begehrte nach wie vor einen früheren Rentenbeginn und eine höhere Rente. Er berief sich auf "die Knieproblematik und die Lendenwirbelsäulenproblematik".
Ohne weitere Ermittlungen lehnte die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 29.03.2012 ab, gleichermaßen wurde unter dem 26.09.2012 der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 25.10.2012 Klage zum SG erhoben, die dort wiederum der 7. Kammer zugeteilt worden ist, deren Vorsitzender nach wie vor RiSG B. war.
Zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und RiSG B. entspann sich ein Schriftwechsel unter anderem zu der Frage, ob der Vorsitzende der 7. Kammer kraft Gesetzes - etwa analog § 41 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) von einer Mitwirkung ausgeschlossen sei, weil er bereits in dem ersten Klageverfahren der zuständige Richter gewesen sei. Nachdem RiSG B. Rechtshinweise gegeben und mitgeteilt hatte, er sehe keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit ihm gegenüber, hat der Kläger zuletzt - unter dem 27.02.2013 - ausgeführt, einen "formellen Befangenheitsantrag" wolle er derzeit nicht stellen. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze des Klägers verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nichts vorgetragen, woraus sich ergebe, dass bei Erlass der Bescheide über die Verletztenrente das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Insbesondere habe er seine Klage inhaltlich nicht begründet.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.03.2013 Berufung zum LSG erhoben. Er hat zunächst hilfsweise auch die Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG beantragt und hierzu auf seine Ausführungen in erster Instanz zur zumindest analogen Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO hingewiesen. An dem Hilfsantrag hat er zuletzt jedoch nicht mehr festgehalten.
Der Kläger beantragt nunmehr (Schriftsatz vom 29.01.2014) noch, teilweise sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2012 zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 04.01.2006 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 31. Januar 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 sowie des Ausführungsbescheids vom 22. August 2006 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Juni 1964 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat das fachorthopädisch-chirurgische Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. D. vom 27.09.2013 erhoben. Dieser hat folgende Beeinträchtigungen diagnostiziert: "Unter 12° Varusknick knöchern fest verheilte proximale Tibiafraktur links, ausgeprägte medial und retropatellar betonte Gonarthrose links mit Bewegungseinschränkung, Bewegungs- und Belastungsschmerz im Knie, varusbedingte Beinlängenverkürzung von 1 cm; geringgradiges Lumbalsyndrom bei geringer Linkskonvexseitverbiegung und mäßigen degenerativen Veränderungen im Sinne einer distalen Spondylose und Spondylarthrose; endgradige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei beginnenden degenerativen Veränderungen im Sinne einer leichten Coxarthrose bds.". Als Bewegungsmaße hat Prof. Dr. D. ermittelt für die Kniegelenke (Streckung/Beugung) rechts 0/0/150° und links 0/10/100°, für die Hüftgelenke (dto.) rechts 5/0/130° und links 5/0/130°, für die Sprunggelenke (Heben/Senken) rechts 20/0/40° und links 15/0/30° und für den Rumpf (rechts-links) eine Seitwärtsdrehung von 30/0/30° und eine Seitwärtsneigung von 30/0/20°, einen FBA von 2 cm und ein Schober’sches Zeichen von 10/18 cm. Er hat ausgeführt, in Folge der verbliebenen Fehlstellung nach dem Bruch sei es zu einer Fehlbelastung am medialen linken Knie gekommen, die zu den genannten degenerativen Veränderungen geführt habe. Die weiteren Beschwerden am linken Hüftgelenk, der Lendenwirbelsäule und am rechten Bein, die der Kläger ebenfalls als Unfallfolge einstufe, könnten nach medizinischer Lehrmeinung nicht als Unfallfolge eingestuft werden, da nicht einmal Beinamputationen nicht zu fortgleitenden Schäden in diesen Körperabschnitten führten. Die MdE für die anzuerkennenden Unfallfolgen sei - allerdings erst ab Antragstellung am 27.03.2012 - auf 30 v.H. zu schätzen. Nach den Erfahrungswerten bedinge ein "mit Verunstaltung des Beins abgeheilter Kniegelenksbruch mit stärkerer O-Stellung" eine MdE von 30 bis 40 v.H. nach Schönberger/Mehrtens/Valentin bzw. von 20 bis 40 v.H. nach Mehrhoff. In diesem Rahmen sei eine Bewertung mit 30 v.H. durchaus befundgerecht. Zu dem vorgeschlagenen Zeitpunkt der Verschlimmerung hat Prof. Dr. D. ausgeführt, gegenüber der Voruntersuchung bei Dr. C. 2007 hätten sich vor allem die Bewegungsmaße des linken Knies verschlechtert.
Die Beklagte ist den Vorschlägen Prof. Dr. D.s zur Höhe der MdE unter Vorlage der beratungsfachärztlichen Stellungnahme von Dr. Spier vom 28.11.2013 entgegengetreten. Dr. Spier hat im Wesentlichen eine Verschlechterung der Beweglichkeit seit den Vorgutachten in Abrede gestellt.
Im weiteren Verfahren hat dann auf Ergänzungsantrag des Klägers Prof. Dr. D. unter dem 22.12.2013 auf diese Einwände der Beklagten repliziert, woraufhin die Beklagte die weitere beratungsfachärztliche Stellungnahme von Dr. Spier vom 28.01.2014 vorgelegt hat.
Die Beklagte hat sich unter dem 14.02.2014, der Kläger zuletzt ohne Bedingungen mit Schriftsatz vom 13.03.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), da Ausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG nicht vorliegen, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der einmonatigen Frist des § 151 Abs. 1 SGG, nämlich drei Tage nach Zustellung des vollständig abgefassten Gerichtsbescheids, erhoben. Jedoch ist die Berufung nicht begründet.
2. Eine schlichte Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und eine Zurückverweisung des Verfahrens an das SG, etwa wegen eines Verfahrensfehlers (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG), hat der Kläger zuletzt nicht mehr beantragt. Ein solcher Antrag ist auch nicht als minus in einem Sachantrag in der Berufungsinstanz enthalten, sondern muss gesondert, ggfs. hilfsweise, gestellt werden. Hat aber ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lediglich einen Sachantrag gestellt, nicht aber die Zurückverweisung an die erste Instanz beantragt, so kann das Berufungsgericht in der Sache entscheiden, ohne von sich aus der Frage einer Zurückverweisung näher zu treten (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Beschl. v. 14.02.2006, B 9a SB 22/05 B, Juris Rn. 6; Beschl. v. 21.12.1987, 7 BAr 61/84, Juris Rn. 4). Deshalb weist der Senat nur darauf hin, dass das SG bei seiner Sachentscheidung nicht gegen die Vorschriften über seine ordnungsgemäße Besetzung und die Behandlung von Ablehnungsgesuchen (§ 60 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 41 ff. ZPO) verstoßen hat. Eine gesonderte Entscheidung nach § 45 Abs. 1 ZPO über einen Ablehnungsgrund nach § 41 ZPO oder die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO) vor der Endentscheidung des Gerichts ergeht nicht von Amts wegen, sondern ist nur zu treffen, wenn eine Partei (§ 42 Abs. 3 ZPO) ein entsprechendes Gesuch im Sinne von § 42 Abs. 1 ZPO angebracht hat oder - ausnahmsweise - der betroffene Richter selbst um eine solche Entscheidung nachsucht (§ 48 ZPO). Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger hatte in seinem letzten Schriftsatz vom 27.02.2013 ausdrücklich ausgeführt, einen "formellen Befangenheitsantrag" wolle er derzeit nicht stellen. Der Senat lässt es daher offen, ob § 41 Nr. 6 ZPO - wohl allenfalls analog - auch auf die erneute Befassung eines Richters mit derselben Sache im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X angewendet werden könnte.
3. Auch in der Sache ist die Berufung nicht begründet. Zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen, mit welcher der Kläger die Abänderung der bindenden Bewilligungsbescheide und die Gewährung einer höheren Verletztenrente (in Form eines Grundurteils nach § 130 Abs. 1 SGG) erreichen möchte.
a) Nach Ansicht des Senats ist in diesem Verfahren nicht nur die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses der damaligen Bescheide (zuletzt der Ausführungsbescheid vom 22.08.2006) zu überprüfen, sondern auch die Frage einer Verschlimmerung der Unfallfolgen in dem Zeitraum danach bis heute.
Grundsätzlich zwar spielt eine - spätere - Verschlimmerung nach Erlass der zu überprüfenden Bescheide in einem Verfahren nach § 44 Abs. 1 SGB X keine Rolle. In einem Überprüfungsverfahren ist diejenige Sach- und Rechtslage zu Grunde zu legen, die bei Erlass der angegriffenen Bescheide bestand, wenn auch aus heutiger Sicht (Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 44 Rn. 10 m.w.N.). Spätere Veränderungen sind - nur - im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens (auf Antrag oder von Amts wegen) nach § 48 Abs. 1 SGB X relevant.
In diesem Verfahren sind aber beide Komplexe - ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide und spätere Verschlimmerung - streitgegenständlich. Mit seinem schriftlichen Antrag vom 27.03.2013 hat der Kläger zwar - nur - ein Verfahren nach § 44 Abs. 1 SGB X eingeleitet. Er hatte dort ausdrücklich nur "Überprüfung" beantragt. Auch seine damalige Begründung - die bereits bewilligte Rente habe höher sein und früher beginnen müssen - zeigt deutlich, dass er eine Verschlimmerung der Unfallfolgen seit Erlass der Bescheide nicht geltend gemacht hat. Jedoch gilt für Versichertenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung weder bei der erstmaligen Bewilligung noch bei einer späteren Veränderung ein Antragserfordernis (vgl. § 72 Abs. 1, § 73 Abs. 1 SGB VII). Ein Unfallversicherungsträger muss daher grundsätzlich von Amts wegen überprüfen, ob eine relevante (§ 73 Abs. 3 SGB VII) Verschlimmerung vorliegt und die Verletztenrente zu erhöhen ist. Dies gilt - erst recht - innerhalb eines bloßen Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X. Eine solche Prüfung hat die Beklagte auch vorgenommen. Der konkret angefochtene Bescheid vom 29.03.2012 hat sich zwar - ebenso wie der Antrag - nur zur anfänglichen Rechtmäßigkeit der Bewilligungsbescheide verhalten. Aber im weiteren Verlauf des Verfahrens haben beide Seiten - auch die Beklagte - in der Sache überwiegend über eine Verschlimmerung in den letzten Jahren diskutiert.
b) Soweit der Kläger für die Zeit vor dem 01.01.2008 eine Verurteilung zu einer höheren Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begehrt, scheitert sein Leistungsantrag - unabhängig von der materiellrechtlichen Lage - bereits an § 44 Abs. 4 SGB X. Nach dieser Vorschrift werden Sozialleistungen, wenn bindende Bescheide auf Grund eines Überprüfungsantrags nach § 44 Abs. 1 SGB X (auch) für die Vergangenheit zurückgenommen werden, längstens für die vier Jahre vor dem Jahr der Antragstellung gewährt. Da der Kläger den hier streitigen Überprüfungsantrag am 27.03.2012 gestellt hat, kämen insoweit nur die Jahre 2008 bis 2011 in Betracht. Für die Jahre bis 2007 kann dagegen kein Anspruch bestehen. Es kann daher offen bleiben, ob der Kläger in der Zeit vor dem 25.02.2003 überhaupt Anspruch auf eine Rente hatte und ob die ab diesem Tag gewährte Rente bis Ende 2007 ggfs. höher hätte festgesetzt werden müssen.
c) In der Folge kann der Kläger auch mit seinem Verpflichtungsantrag auf Abänderung der Bewilligungsbescheide aus § 44 Abs. 1 SGB X für die Zeit vor 2008 nicht durchdringen. Zwar gilt die vierjährige Rückschlagsperre aus § 44 Abs. 4 SGB X an sich nicht für den Rücknahme¬an-spruch selbst, sondern nur für daraus folgende Leistungsansprüche. Aber für den Fall, dass im Überprüfungsverfahren eine Abänderung im Sinne der Bewilligung höherer Leistungen begehrt wird (und nicht die Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts) ist der Anspruch aus Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn - wie hier - offensichtlich ist, dass dem Betroffenen aus einer solchen Teil-Rücknahme keine Vorteile mehr erwachsen können.
d) Für die demnach noch überprüfbare Zeit ab dem 01.01.2008 sind die hier zu überprüfenden Bescheide rechtmäßig. Sie waren dies anfangs und müssen daher nicht nach § 44 Abs. 1 SGB X teilweise zurückgenommen werden. Die Bewilligung einer Verletztenrente um eine MdE von 20 v.H. ist auch nicht später rechtswidrig geworden und daher nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ab diesem Zeitpunkt teilweise aufzuheben.
Zwar besteht bei dem Kläger nach den Vorschlägen des Wahlgutachters Prof. Dr. D. eine MdE von 30 v.H., dies allerdings auch nach seiner Ansicht nur im Rahmen einer Verschlimmerung ab dem 27.03.2012. Für die Zeit davor, für die der Kläger den Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X gestellt hat, hat auch dieser Sachverständige (S. 14 Gutachten) die bisher angenommene MdE von 20 v.H. bestätigt.
Dieser Einschätzung einer höheren MdE ab März 2012 kann der Senat jedoch nicht folgen. Insoweit hat sich keine Verschlimmerung gegenüber den hier relevanten Beeinträchtigungen der Jahre 2004 und 2005 ergeben.
aa) Zusätzliche Unfallfolgen über die anerkannten hinaus sind bei der Bestimmung der MdE nicht zu berücksichtigen. Der Kläger hatte im Überprüfungsverfahren insoweit - anscheinend erstmals - auf eine "Lendenwirbelsäulenproblematik" hingewiesen. Prof. Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 27.09.2013 in diesem Bereich ein "geringgradiges Lumbalsyndrom bei geringer Linkskonvexseitverbiegung und mäßigen degenerativen Veränderungen im Sinne einer distalen Spondylose und Spondylarthrose" festgestellt. Er hat jedoch auch überzeugend dargelegt, dass diese Schäden nicht durch eine Fehlbelastung des linken Beins auf Grund des Unfalls 1964 verursacht sein können. Nachdem vor allem die Verkürzung des linken Beins mit 1 cm gering ist und ohne große Probleme durch ein "Brettchen" (und damit auch durch Einlagen) auszugleichen ist, kann auch nicht erkannt werden, dass z. B. beim Gehen die Lendenwirbelsäule dauerhaft fehlbelastet worden wäre. Hinzu kommt, dass eine MdE für diese Bereiche schon deshalb nicht angenommen werden könnte, weil der Kläger nicht über Beschwerden bzw. Funktionsbeeinträchtigungen an Hüften und Wirbelsäule klagt.
bb) Im Vordergrund stehen die Beeinträchtigungen durch die Gonarthrose, die nach einhelliger Meinung der Ärzte durch die Fehlstellung des Schienbeins um 12° in O-Bein-Stellung (Varusknick, Biegung nach auswärts) verursacht worden sind.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Diese Bemessung der MdE ist vom Gericht als Tatsachenfeststellung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urt. v. 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).
Vor diesem Hintergrund sind die Beeinträchtigungen des Klägers auf Grund der Achsfehlstellung nach dem damaligen Bruch - entgegen der Ansicht von Prof. Dr. D. - nicht mit den Erfahrungswerten für einen "mit Verunstaltung des Beins abgeheilten Kniegelenksbruch" zu entnehmen, für den MdE-Werte von 35 v.H. (so Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 655) oder 30 bis 40 v.H. (so Mehrhoff/Ekkern¬kamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl. 2012, S. 198 f.; ebenso schon Izbicki/Neu¬mann/Spohr, Unfallbegutachtung, 1991, S. 135) vorgeschlagen werden. Eine Verunstaltung des linken Beins ist bei dem Kläger nicht dargetan.
Anwendbar wäre allenfalls der Erfahrungswert für einen "abgeheilten Gelenkbruch mit stärkerer O-Stellung und entsprechenden Gelenkstörungen", der in allen drei genannten Quellen durchgängig mit 20 bis 40 v.H. angegeben wird. Allerdings lag bei dem Kläger 1964 kein Kniegelenksbruch vor. Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. Spier, hat in seiner Stellungnahme vom 28.11.2013 zutreffend darauf hingewiesen, dass bei dem Kläger damals der proximale Unterschenkel gebrochen war, etwa 2 cm unterhalb der Ebene des Kniegelenks. Für einen Bruch des Unterschenkels gelten dagegen folgende Erfahrungswerte: Bei einer "Verheilung in stärkerer O-Stellung" genau 20 v.H. Bei einer achsengerechten Verheilung mit Beinverkürzungen bis zu 4 cm 10 v.H., bis zu 6 cm 20 v.H. und über 6 cm 30 v.H. (Mehrhoff/Ekkern¬kamp/Wich, a.a.O., S. 199; Izbicki/Neu¬mann/Spohr, a.a.O., S. 135; vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 662). Dr. D. hat in seiner Erwiderung vom 22.12.2013 darauf hingewiesen, dass der Bruch des Unterschenkelknochens "kniegelenksnah" lag und daher "analog" einem Kniegelenksbruch zu beurteilen sei.
Der Senat geht vor diesem Hintergrund von einer MdE von 20 v.H. für die Knieproblematik links aus. Geht man von den Werten für einen Unterschenkelbruch aus, ist dies zwingend, nachdem dieser beim Kläger unter einem Varusknick von 12° verheilt ist. Aber auch wenn man die Werte für einen Kniegelenksbruch zu Grunde legt, wie Prof. Dr. D. vorschlägt, liegt eine MdE von 20 v.H. noch in der zulässigen Spanne. Bereits hierfür sind aber zusätzlich zu der stärkeren O-Stellung "entsprechende Gelenkstörungen" nötig. Ob solche vorliegen, kann nach den Erfahrungswerten für Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk bestimmt werden. Diese betragen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 654) bei restlicher Streck-/Beugefähigkeit von 0/0/120° 10 v.H., von 0/0/90° 15 v.H., bei 0/0/80° oder 0/10/90 20 v.H. und bei 0/30/90° 30 v.H. Bei dem Kläger nun hat Prof. Dr. D. am linken Kniegelenk 0/10/100° gemessen. Die Einschränkung der Beugefähigkeit auf 100° allein würde demnach eine MdE von 10 v.H. bedingen. Hinzu kommt aber die Einschränkung der Streckfähigkeit um 10°. Auch mit dieser liegt keine Einschränkung auf 0/10/90° vor, die zu einer MdE von 20 v.H. führen würde, sondern eine Einschränkung, die eher bei 15 v.H. läge. Nur zusammen mit den vom Kläger angegebenen Bewegungsschmerzen ließe sich insoweit eine MdE von 20 v.H. rechtfertigen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Bandapparat am Knie fest ist und Meniskuszeichen nicht vorliegen. Ferner hat Prof. Dr. D. Muskelminderungen am linken Bein nur noch bis zu 1 cm gemessen, wobei am Oberschenkel nur 0,5 cm vorlagen (51,0 cm rechts, 50,5 cm links), während nach den Erfahrungssätzen erst Muskelminderungen von 2,5 cm oder mehr am Oberschenkel auf dauerhafte Funktionsschwächen hindeuten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 654). Da auch die Fehlstellung des linken Beins von 12° nicht übermäßig ausgeprägt ist, käme daher auch aus der für Kniegelenksbrüche vorgesehenen Spanne nur der untere Wert in Frage.
Diese MdE wird nicht erhöht auf Grund der Beeinträchtigungen am oberen Sprunggelenk des Klägers. Auch dort ist zwar eine posttraumatische Arthrose als Unfallfolge anerkannt. Für eine schlichte Beweglichkeitseinschränkung des oberen Sprunggelenks ohne Versteifung ist eine MdE von 10 v.H. anzuerkennen, wenn die restliche Hebung/Senkung nur noch bis 0/0/30° möglich ist, also die Hebung [Normalwert 20-30°] aufgehoben und die Senkung [Normalwert 40-50°] merklich eingeschränkt sind. Bei dem Kläger hat Prof. Dr. D. insoweit eine Restbeweglichkeit von 15-0-30° gemessen. Das liegt zwar in beiden Dimensionen unter den Normwerten, allerdings nur knapp, und ist auch gegenüber dem rechten Fuß des Klägers (20/0/40°) eingeschränkt. Aber eine MdE von mindestens 10 v.H. wird nicht erreicht. Dies gilt umso mehr, als Prof. Dr. D. weder Druck- noch Bewegungsschmerzen hat feststellen können.
Die weiteren Unfallfolgen bedingen ebenfalls keine MdE.
Diese jetzt festgestellten Werte zeigen auch, dass keine wesentliche und rechtlich relevante Verschlimmerung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Als Vergleichsgutachten maßgeblich sind insoweit die Bewegungsmaße, die Dr. B. in seinem Gutachten vom 26.07.2005 erhoben hatte, das zeitnah zu den damaligen, jetzt bindenden Bescheiden der Beklagten ergangen war. Er hatte damals am linken Knie eine starke medial betonte, zeitweise aktivierte Gonarthrose mit deutlicher O-Bein-Deformität und deutlicher Bewegungseinschränkung (Beugung/Streckung rechts 140/0/0°, links 110/10/0°) diagnostiziert. Die Muskelminderungen betrugen höchstens 1 cm. Es zeigt sich, dass links die Beugefähigkeit etwas zurück gegangen ist, nämlich von 110° auf 100°. Eine wesentliche, MdE-relevante Verschlimmerung wäre aber erst bei einer Verringerung auf 90° und weniger eingetreten.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erhöhung und den früheren Beginn einer bereits zuerkannten Verletztenrente wegen eines anerkannten Arbeitsunfalls.
1. Der am 17.05.1944 geborene Kläger war - wohl als mitarbeitender Familienangehöriger - im Weinbaubetrieb seines Vaters in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung gesetzlich unfallversichert. Am 17.06.1964 stürzte er auf der Heimfahrt aus dem Weinberg mit seinem Kleinschlepper um. Sein linkes Bein wurde unter dem Fahrzeug eingeklemmt. Dabei zog er sich Frakturen an Tibiakopf (Schienbeinkopf) und Fibula (Wadenbein) links handbreit unterhalb des Kniegelenks mit großer Risswunde zu. Wegen dieses Unfalls und seiner Folgen gewährte die Badische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte), dem Kläger ab dem 26.04.1965 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um anfangs 40 v.H. (Bescheid vom 01.06.1965) und ab einem späteren Zeitpunkt um 20 v.H. Die Beklagte erhob das Zweite Rentengutachten von Dr. Schumacher vom 14.12.1965. Dieser Gutachter ermittelte als Bewegungsmaße des Kniegelenks links "180-55°" und rechts "180-50°", beschrieb reibende und knarrende Geräusche bei der Beugung und stellte eine Verringerung der Muskelverschmäch-tigung am linken Bein fest. Eine verbliebene MdE verneinte er. Mit Bescheid vom 23.02.1966 entzog die Beklagte daraufhin die vorläufige Rente zum 31.03.1966 und versagte eine Dauerrente.
2. Am 17.05.2004 beantragte der Kläger über seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten bei der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. Er machte geltend, sein unfallverletzter Fußknochen sei seit ca. einem Jahr entzündet.
Die Beklagte führte medizinische Ermittlungen durch. Unter anderem berichtete Orthopäde Dr. A. in einem Befundbericht vom 11.10.2004, der Kläger klage bereits seit 1989 über rezidivierende Schmerzen im linken Kniegelenk. Die Beklagte erhob das Nachprüfungsgutachten des Orthopäden Dr. B. vom 26.07.2005. Dieser diagnostizierte am linken Knie eine starke medial betonte, zeitweise aktivierte Gonarthrose mit deutlicher O-Bein-Deformität, deutlicher Bewegungseinschränkung (Beugung/Streckung rechts 140/0/0°, links 110/10/0°) und geringer medialer Instabilität, am oberen Sprunggelenk eine leichte Arthrose mit mäßigen Bewegungseinschränkungen, am Ober- und Unterschenkel teilweise Muskelminderungen links (1 bis 2 cm) sowie am linken Unterschenkel eine leichte Beinverkürzung (1 cm). Er sah deswegen eine MdE von 20 v.H. Nach den Daten von Antrag und Untersuchungsbefunden datierte er den Eintritt der Verschlimmerung auf den 14.05.2004.
Mit Bescheid vom 04.01.2006 gewährte die Beklagte Verletztenrente um eine MdE um 20 v.H. ab 14.05.2004. Als Unfallfolgen am linken Bein erkannte sie "Verbildende Veränderungen im Kniegelenk (‚Gonarthrose‘) nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch und Wadenbeinbruch, O-Bein-Bildung, deutliche Bewegungseinschränkung im Kniegelenk mit Instabilität, leichte Beinverkürzung (1 cm) am Unterschenkel, Muskelminderung an Ober- und Unterschenkel" an. Dagegen lehnte sie - zunächst - die Anerkennung unter anderem der Beeinträchtigungen am linken oberen Sprunggelenk ab.
Bereits mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Rente sei nach einer MdE von wenigstens 40 v.H. festzusetzen und habe ab einem früheren Zeitpunkt zu beginnen, nachdem z. B. Dr. A. die mediale Gonarthrose seit 1989 bekundet habe. Nachdem Dr. B. auch das rechte Bein geröntgt und hierbei Normalbefunde festgestellt hatte, führte er aus, entsprechend seiner früheren Einschätzung sei auch die Arthrose im linken Sprunggelenk Unfallfolge. Mit Teil-Abhilfe-Bescheid vom 31.01.2006 änderte die Beklagte den Bescheid vom 04.01.2006 ab und erkannte auch die "Arthrose am linken Sprunggelenk" als Unfallfolge an; gleichzeitig lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. für die Zeit vor dem 14.05.2004 ab. Nachdem der Kläger an seinem Widerspruch festhielt, erließ die Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30.03.2006. Höhe und Beginn der Rente entsprächen den Feststellungen Dr. B.s. Die Sprunggelenksarthrose erhöhe die MdE nicht.
In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG, S 7 U 2036/06) nahm der Kläger ein Teil-Anerkenntnis der Beklagten - nach einer Aussage von Dr. A. vom 13.06.2006 - an, woraufhin die Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 22.08.2006 die Verletztenrente um die MdE von 20 v.H. bereits ab dem 25.02.2003 bewilligte. Die weitergehende Klage wies das SG durch den damaligen Vorsitzenden der 7. Kammer, RiSG B., mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2006 ab.
In dem anschließenden Berufungsverfahren (L 10 U 5403/06) erhob das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das Gutachten des Chirurgen Dr. C. vom 31.08.2007. Dieser ermittelte - unter anderem - Restbeweglichkeiten in den Kniegelenken rechts 0/0/140° und links 0/5/120°. Die Umfangmaße der Muskeln differierten um höchstens 1 cm zu Lasten des linken Beins. Er bestätigte auch den angenommenen Zeitpunkt der Verschlimmerung.
Mit Bescheid vom 28.07.2008 fand die Beklagte auf Antrag des Klägers die gesamte Verletztenrente auf Lebenszeit für EUR 22.221,00 ab.
Die Berufung wies das LSG mit Urteil vom 15.10.2009 zurück. Es stützte seine Entscheidung auf die Feststellungen und Folgerungen der Gutachter einschließlich des Sachverständigen Dr. C ...
Die gegen dieses Urteil klägerseits erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 28.01.2010 als unzulässig (B 2 U 302/09 B).
3. Der Kläger beantragte am 27.03.2012 "vor dem Hintergrund der Art und Weise, wie in den Instanzen mit den Dingen hier umgegangen worden ist" die "Überprüfung der Rentenbescheide nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)". Er begehrte nach wie vor einen früheren Rentenbeginn und eine höhere Rente. Er berief sich auf "die Knieproblematik und die Lendenwirbelsäulenproblematik".
Ohne weitere Ermittlungen lehnte die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 29.03.2012 ab, gleichermaßen wurde unter dem 26.09.2012 der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 25.10.2012 Klage zum SG erhoben, die dort wiederum der 7. Kammer zugeteilt worden ist, deren Vorsitzender nach wie vor RiSG B. war.
Zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und RiSG B. entspann sich ein Schriftwechsel unter anderem zu der Frage, ob der Vorsitzende der 7. Kammer kraft Gesetzes - etwa analog § 41 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) von einer Mitwirkung ausgeschlossen sei, weil er bereits in dem ersten Klageverfahren der zuständige Richter gewesen sei. Nachdem RiSG B. Rechtshinweise gegeben und mitgeteilt hatte, er sehe keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit ihm gegenüber, hat der Kläger zuletzt - unter dem 27.02.2013 - ausgeführt, einen "formellen Befangenheitsantrag" wolle er derzeit nicht stellen. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze des Klägers verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nichts vorgetragen, woraus sich ergebe, dass bei Erlass der Bescheide über die Verletztenrente das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Insbesondere habe er seine Klage inhaltlich nicht begründet.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.03.2013 Berufung zum LSG erhoben. Er hat zunächst hilfsweise auch die Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG beantragt und hierzu auf seine Ausführungen in erster Instanz zur zumindest analogen Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO hingewiesen. An dem Hilfsantrag hat er zuletzt jedoch nicht mehr festgehalten.
Der Kläger beantragt nunmehr (Schriftsatz vom 29.01.2014) noch, teilweise sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2012 zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 04.01.2006 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 31. Januar 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 sowie des Ausführungsbescheids vom 22. August 2006 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Juni 1964 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat das fachorthopädisch-chirurgische Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. D. vom 27.09.2013 erhoben. Dieser hat folgende Beeinträchtigungen diagnostiziert: "Unter 12° Varusknick knöchern fest verheilte proximale Tibiafraktur links, ausgeprägte medial und retropatellar betonte Gonarthrose links mit Bewegungseinschränkung, Bewegungs- und Belastungsschmerz im Knie, varusbedingte Beinlängenverkürzung von 1 cm; geringgradiges Lumbalsyndrom bei geringer Linkskonvexseitverbiegung und mäßigen degenerativen Veränderungen im Sinne einer distalen Spondylose und Spondylarthrose; endgradige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei beginnenden degenerativen Veränderungen im Sinne einer leichten Coxarthrose bds.". Als Bewegungsmaße hat Prof. Dr. D. ermittelt für die Kniegelenke (Streckung/Beugung) rechts 0/0/150° und links 0/10/100°, für die Hüftgelenke (dto.) rechts 5/0/130° und links 5/0/130°, für die Sprunggelenke (Heben/Senken) rechts 20/0/40° und links 15/0/30° und für den Rumpf (rechts-links) eine Seitwärtsdrehung von 30/0/30° und eine Seitwärtsneigung von 30/0/20°, einen FBA von 2 cm und ein Schober’sches Zeichen von 10/18 cm. Er hat ausgeführt, in Folge der verbliebenen Fehlstellung nach dem Bruch sei es zu einer Fehlbelastung am medialen linken Knie gekommen, die zu den genannten degenerativen Veränderungen geführt habe. Die weiteren Beschwerden am linken Hüftgelenk, der Lendenwirbelsäule und am rechten Bein, die der Kläger ebenfalls als Unfallfolge einstufe, könnten nach medizinischer Lehrmeinung nicht als Unfallfolge eingestuft werden, da nicht einmal Beinamputationen nicht zu fortgleitenden Schäden in diesen Körperabschnitten führten. Die MdE für die anzuerkennenden Unfallfolgen sei - allerdings erst ab Antragstellung am 27.03.2012 - auf 30 v.H. zu schätzen. Nach den Erfahrungswerten bedinge ein "mit Verunstaltung des Beins abgeheilter Kniegelenksbruch mit stärkerer O-Stellung" eine MdE von 30 bis 40 v.H. nach Schönberger/Mehrtens/Valentin bzw. von 20 bis 40 v.H. nach Mehrhoff. In diesem Rahmen sei eine Bewertung mit 30 v.H. durchaus befundgerecht. Zu dem vorgeschlagenen Zeitpunkt der Verschlimmerung hat Prof. Dr. D. ausgeführt, gegenüber der Voruntersuchung bei Dr. C. 2007 hätten sich vor allem die Bewegungsmaße des linken Knies verschlechtert.
Die Beklagte ist den Vorschlägen Prof. Dr. D.s zur Höhe der MdE unter Vorlage der beratungsfachärztlichen Stellungnahme von Dr. Spier vom 28.11.2013 entgegengetreten. Dr. Spier hat im Wesentlichen eine Verschlechterung der Beweglichkeit seit den Vorgutachten in Abrede gestellt.
Im weiteren Verfahren hat dann auf Ergänzungsantrag des Klägers Prof. Dr. D. unter dem 22.12.2013 auf diese Einwände der Beklagten repliziert, woraufhin die Beklagte die weitere beratungsfachärztliche Stellungnahme von Dr. Spier vom 28.01.2014 vorgelegt hat.
Die Beklagte hat sich unter dem 14.02.2014, der Kläger zuletzt ohne Bedingungen mit Schriftsatz vom 13.03.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), da Ausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG nicht vorliegen, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der einmonatigen Frist des § 151 Abs. 1 SGG, nämlich drei Tage nach Zustellung des vollständig abgefassten Gerichtsbescheids, erhoben. Jedoch ist die Berufung nicht begründet.
2. Eine schlichte Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids und eine Zurückverweisung des Verfahrens an das SG, etwa wegen eines Verfahrensfehlers (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG), hat der Kläger zuletzt nicht mehr beantragt. Ein solcher Antrag ist auch nicht als minus in einem Sachantrag in der Berufungsinstanz enthalten, sondern muss gesondert, ggfs. hilfsweise, gestellt werden. Hat aber ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lediglich einen Sachantrag gestellt, nicht aber die Zurückverweisung an die erste Instanz beantragt, so kann das Berufungsgericht in der Sache entscheiden, ohne von sich aus der Frage einer Zurückverweisung näher zu treten (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Beschl. v. 14.02.2006, B 9a SB 22/05 B, Juris Rn. 6; Beschl. v. 21.12.1987, 7 BAr 61/84, Juris Rn. 4). Deshalb weist der Senat nur darauf hin, dass das SG bei seiner Sachentscheidung nicht gegen die Vorschriften über seine ordnungsgemäße Besetzung und die Behandlung von Ablehnungsgesuchen (§ 60 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 41 ff. ZPO) verstoßen hat. Eine gesonderte Entscheidung nach § 45 Abs. 1 ZPO über einen Ablehnungsgrund nach § 41 ZPO oder die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO) vor der Endentscheidung des Gerichts ergeht nicht von Amts wegen, sondern ist nur zu treffen, wenn eine Partei (§ 42 Abs. 3 ZPO) ein entsprechendes Gesuch im Sinne von § 42 Abs. 1 ZPO angebracht hat oder - ausnahmsweise - der betroffene Richter selbst um eine solche Entscheidung nachsucht (§ 48 ZPO). Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger hatte in seinem letzten Schriftsatz vom 27.02.2013 ausdrücklich ausgeführt, einen "formellen Befangenheitsantrag" wolle er derzeit nicht stellen. Der Senat lässt es daher offen, ob § 41 Nr. 6 ZPO - wohl allenfalls analog - auch auf die erneute Befassung eines Richters mit derselben Sache im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X angewendet werden könnte.
3. Auch in der Sache ist die Berufung nicht begründet. Zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen, mit welcher der Kläger die Abänderung der bindenden Bewilligungsbescheide und die Gewährung einer höheren Verletztenrente (in Form eines Grundurteils nach § 130 Abs. 1 SGG) erreichen möchte.
a) Nach Ansicht des Senats ist in diesem Verfahren nicht nur die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses der damaligen Bescheide (zuletzt der Ausführungsbescheid vom 22.08.2006) zu überprüfen, sondern auch die Frage einer Verschlimmerung der Unfallfolgen in dem Zeitraum danach bis heute.
Grundsätzlich zwar spielt eine - spätere - Verschlimmerung nach Erlass der zu überprüfenden Bescheide in einem Verfahren nach § 44 Abs. 1 SGB X keine Rolle. In einem Überprüfungsverfahren ist diejenige Sach- und Rechtslage zu Grunde zu legen, die bei Erlass der angegriffenen Bescheide bestand, wenn auch aus heutiger Sicht (Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 44 Rn. 10 m.w.N.). Spätere Veränderungen sind - nur - im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens (auf Antrag oder von Amts wegen) nach § 48 Abs. 1 SGB X relevant.
In diesem Verfahren sind aber beide Komplexe - ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide und spätere Verschlimmerung - streitgegenständlich. Mit seinem schriftlichen Antrag vom 27.03.2013 hat der Kläger zwar - nur - ein Verfahren nach § 44 Abs. 1 SGB X eingeleitet. Er hatte dort ausdrücklich nur "Überprüfung" beantragt. Auch seine damalige Begründung - die bereits bewilligte Rente habe höher sein und früher beginnen müssen - zeigt deutlich, dass er eine Verschlimmerung der Unfallfolgen seit Erlass der Bescheide nicht geltend gemacht hat. Jedoch gilt für Versichertenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung weder bei der erstmaligen Bewilligung noch bei einer späteren Veränderung ein Antragserfordernis (vgl. § 72 Abs. 1, § 73 Abs. 1 SGB VII). Ein Unfallversicherungsträger muss daher grundsätzlich von Amts wegen überprüfen, ob eine relevante (§ 73 Abs. 3 SGB VII) Verschlimmerung vorliegt und die Verletztenrente zu erhöhen ist. Dies gilt - erst recht - innerhalb eines bloßen Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X. Eine solche Prüfung hat die Beklagte auch vorgenommen. Der konkret angefochtene Bescheid vom 29.03.2012 hat sich zwar - ebenso wie der Antrag - nur zur anfänglichen Rechtmäßigkeit der Bewilligungsbescheide verhalten. Aber im weiteren Verlauf des Verfahrens haben beide Seiten - auch die Beklagte - in der Sache überwiegend über eine Verschlimmerung in den letzten Jahren diskutiert.
b) Soweit der Kläger für die Zeit vor dem 01.01.2008 eine Verurteilung zu einer höheren Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begehrt, scheitert sein Leistungsantrag - unabhängig von der materiellrechtlichen Lage - bereits an § 44 Abs. 4 SGB X. Nach dieser Vorschrift werden Sozialleistungen, wenn bindende Bescheide auf Grund eines Überprüfungsantrags nach § 44 Abs. 1 SGB X (auch) für die Vergangenheit zurückgenommen werden, längstens für die vier Jahre vor dem Jahr der Antragstellung gewährt. Da der Kläger den hier streitigen Überprüfungsantrag am 27.03.2012 gestellt hat, kämen insoweit nur die Jahre 2008 bis 2011 in Betracht. Für die Jahre bis 2007 kann dagegen kein Anspruch bestehen. Es kann daher offen bleiben, ob der Kläger in der Zeit vor dem 25.02.2003 überhaupt Anspruch auf eine Rente hatte und ob die ab diesem Tag gewährte Rente bis Ende 2007 ggfs. höher hätte festgesetzt werden müssen.
c) In der Folge kann der Kläger auch mit seinem Verpflichtungsantrag auf Abänderung der Bewilligungsbescheide aus § 44 Abs. 1 SGB X für die Zeit vor 2008 nicht durchdringen. Zwar gilt die vierjährige Rückschlagsperre aus § 44 Abs. 4 SGB X an sich nicht für den Rücknahme¬an-spruch selbst, sondern nur für daraus folgende Leistungsansprüche. Aber für den Fall, dass im Überprüfungsverfahren eine Abänderung im Sinne der Bewilligung höherer Leistungen begehrt wird (und nicht die Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts) ist der Anspruch aus Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn - wie hier - offensichtlich ist, dass dem Betroffenen aus einer solchen Teil-Rücknahme keine Vorteile mehr erwachsen können.
d) Für die demnach noch überprüfbare Zeit ab dem 01.01.2008 sind die hier zu überprüfenden Bescheide rechtmäßig. Sie waren dies anfangs und müssen daher nicht nach § 44 Abs. 1 SGB X teilweise zurückgenommen werden. Die Bewilligung einer Verletztenrente um eine MdE von 20 v.H. ist auch nicht später rechtswidrig geworden und daher nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ab diesem Zeitpunkt teilweise aufzuheben.
Zwar besteht bei dem Kläger nach den Vorschlägen des Wahlgutachters Prof. Dr. D. eine MdE von 30 v.H., dies allerdings auch nach seiner Ansicht nur im Rahmen einer Verschlimmerung ab dem 27.03.2012. Für die Zeit davor, für die der Kläger den Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X gestellt hat, hat auch dieser Sachverständige (S. 14 Gutachten) die bisher angenommene MdE von 20 v.H. bestätigt.
Dieser Einschätzung einer höheren MdE ab März 2012 kann der Senat jedoch nicht folgen. Insoweit hat sich keine Verschlimmerung gegenüber den hier relevanten Beeinträchtigungen der Jahre 2004 und 2005 ergeben.
aa) Zusätzliche Unfallfolgen über die anerkannten hinaus sind bei der Bestimmung der MdE nicht zu berücksichtigen. Der Kläger hatte im Überprüfungsverfahren insoweit - anscheinend erstmals - auf eine "Lendenwirbelsäulenproblematik" hingewiesen. Prof. Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 27.09.2013 in diesem Bereich ein "geringgradiges Lumbalsyndrom bei geringer Linkskonvexseitverbiegung und mäßigen degenerativen Veränderungen im Sinne einer distalen Spondylose und Spondylarthrose" festgestellt. Er hat jedoch auch überzeugend dargelegt, dass diese Schäden nicht durch eine Fehlbelastung des linken Beins auf Grund des Unfalls 1964 verursacht sein können. Nachdem vor allem die Verkürzung des linken Beins mit 1 cm gering ist und ohne große Probleme durch ein "Brettchen" (und damit auch durch Einlagen) auszugleichen ist, kann auch nicht erkannt werden, dass z. B. beim Gehen die Lendenwirbelsäule dauerhaft fehlbelastet worden wäre. Hinzu kommt, dass eine MdE für diese Bereiche schon deshalb nicht angenommen werden könnte, weil der Kläger nicht über Beschwerden bzw. Funktionsbeeinträchtigungen an Hüften und Wirbelsäule klagt.
bb) Im Vordergrund stehen die Beeinträchtigungen durch die Gonarthrose, die nach einhelliger Meinung der Ärzte durch die Fehlstellung des Schienbeins um 12° in O-Bein-Stellung (Varusknick, Biegung nach auswärts) verursacht worden sind.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Diese Bemessung der MdE ist vom Gericht als Tatsachenfeststellung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urt. v. 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).
Vor diesem Hintergrund sind die Beeinträchtigungen des Klägers auf Grund der Achsfehlstellung nach dem damaligen Bruch - entgegen der Ansicht von Prof. Dr. D. - nicht mit den Erfahrungswerten für einen "mit Verunstaltung des Beins abgeheilten Kniegelenksbruch" zu entnehmen, für den MdE-Werte von 35 v.H. (so Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 655) oder 30 bis 40 v.H. (so Mehrhoff/Ekkern¬kamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl. 2012, S. 198 f.; ebenso schon Izbicki/Neu¬mann/Spohr, Unfallbegutachtung, 1991, S. 135) vorgeschlagen werden. Eine Verunstaltung des linken Beins ist bei dem Kläger nicht dargetan.
Anwendbar wäre allenfalls der Erfahrungswert für einen "abgeheilten Gelenkbruch mit stärkerer O-Stellung und entsprechenden Gelenkstörungen", der in allen drei genannten Quellen durchgängig mit 20 bis 40 v.H. angegeben wird. Allerdings lag bei dem Kläger 1964 kein Kniegelenksbruch vor. Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. Spier, hat in seiner Stellungnahme vom 28.11.2013 zutreffend darauf hingewiesen, dass bei dem Kläger damals der proximale Unterschenkel gebrochen war, etwa 2 cm unterhalb der Ebene des Kniegelenks. Für einen Bruch des Unterschenkels gelten dagegen folgende Erfahrungswerte: Bei einer "Verheilung in stärkerer O-Stellung" genau 20 v.H. Bei einer achsengerechten Verheilung mit Beinverkürzungen bis zu 4 cm 10 v.H., bis zu 6 cm 20 v.H. und über 6 cm 30 v.H. (Mehrhoff/Ekkern¬kamp/Wich, a.a.O., S. 199; Izbicki/Neu¬mann/Spohr, a.a.O., S. 135; vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 662). Dr. D. hat in seiner Erwiderung vom 22.12.2013 darauf hingewiesen, dass der Bruch des Unterschenkelknochens "kniegelenksnah" lag und daher "analog" einem Kniegelenksbruch zu beurteilen sei.
Der Senat geht vor diesem Hintergrund von einer MdE von 20 v.H. für die Knieproblematik links aus. Geht man von den Werten für einen Unterschenkelbruch aus, ist dies zwingend, nachdem dieser beim Kläger unter einem Varusknick von 12° verheilt ist. Aber auch wenn man die Werte für einen Kniegelenksbruch zu Grunde legt, wie Prof. Dr. D. vorschlägt, liegt eine MdE von 20 v.H. noch in der zulässigen Spanne. Bereits hierfür sind aber zusätzlich zu der stärkeren O-Stellung "entsprechende Gelenkstörungen" nötig. Ob solche vorliegen, kann nach den Erfahrungswerten für Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk bestimmt werden. Diese betragen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 654) bei restlicher Streck-/Beugefähigkeit von 0/0/120° 10 v.H., von 0/0/90° 15 v.H., bei 0/0/80° oder 0/10/90 20 v.H. und bei 0/30/90° 30 v.H. Bei dem Kläger nun hat Prof. Dr. D. am linken Kniegelenk 0/10/100° gemessen. Die Einschränkung der Beugefähigkeit auf 100° allein würde demnach eine MdE von 10 v.H. bedingen. Hinzu kommt aber die Einschränkung der Streckfähigkeit um 10°. Auch mit dieser liegt keine Einschränkung auf 0/10/90° vor, die zu einer MdE von 20 v.H. führen würde, sondern eine Einschränkung, die eher bei 15 v.H. läge. Nur zusammen mit den vom Kläger angegebenen Bewegungsschmerzen ließe sich insoweit eine MdE von 20 v.H. rechtfertigen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Bandapparat am Knie fest ist und Meniskuszeichen nicht vorliegen. Ferner hat Prof. Dr. D. Muskelminderungen am linken Bein nur noch bis zu 1 cm gemessen, wobei am Oberschenkel nur 0,5 cm vorlagen (51,0 cm rechts, 50,5 cm links), während nach den Erfahrungssätzen erst Muskelminderungen von 2,5 cm oder mehr am Oberschenkel auf dauerhafte Funktionsschwächen hindeuten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 654). Da auch die Fehlstellung des linken Beins von 12° nicht übermäßig ausgeprägt ist, käme daher auch aus der für Kniegelenksbrüche vorgesehenen Spanne nur der untere Wert in Frage.
Diese MdE wird nicht erhöht auf Grund der Beeinträchtigungen am oberen Sprunggelenk des Klägers. Auch dort ist zwar eine posttraumatische Arthrose als Unfallfolge anerkannt. Für eine schlichte Beweglichkeitseinschränkung des oberen Sprunggelenks ohne Versteifung ist eine MdE von 10 v.H. anzuerkennen, wenn die restliche Hebung/Senkung nur noch bis 0/0/30° möglich ist, also die Hebung [Normalwert 20-30°] aufgehoben und die Senkung [Normalwert 40-50°] merklich eingeschränkt sind. Bei dem Kläger hat Prof. Dr. D. insoweit eine Restbeweglichkeit von 15-0-30° gemessen. Das liegt zwar in beiden Dimensionen unter den Normwerten, allerdings nur knapp, und ist auch gegenüber dem rechten Fuß des Klägers (20/0/40°) eingeschränkt. Aber eine MdE von mindestens 10 v.H. wird nicht erreicht. Dies gilt umso mehr, als Prof. Dr. D. weder Druck- noch Bewegungsschmerzen hat feststellen können.
Die weiteren Unfallfolgen bedingen ebenfalls keine MdE.
Diese jetzt festgestellten Werte zeigen auch, dass keine wesentliche und rechtlich relevante Verschlimmerung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Als Vergleichsgutachten maßgeblich sind insoweit die Bewegungsmaße, die Dr. B. in seinem Gutachten vom 26.07.2005 erhoben hatte, das zeitnah zu den damaligen, jetzt bindenden Bescheiden der Beklagten ergangen war. Er hatte damals am linken Knie eine starke medial betonte, zeitweise aktivierte Gonarthrose mit deutlicher O-Bein-Deformität und deutlicher Bewegungseinschränkung (Beugung/Streckung rechts 140/0/0°, links 110/10/0°) diagnostiziert. Die Muskelminderungen betrugen höchstens 1 cm. Es zeigt sich, dass links die Beugefähigkeit etwas zurück gegangen ist, nämlich von 110° auf 100°. Eine wesentliche, MdE-relevante Verschlimmerung wäre aber erst bei einer Verringerung auf 90° und weniger eingetreten.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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