L 3 AS 4021/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 1137/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4021/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Antrag des Klägers, das Verfahren auszusetzen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelbedarfs dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, wird abgelehnt.

2. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. August 2013 wird zurückgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Ergebnis höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er hält den gesetzlichen Regelbedarf für verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt.

Mit den angefochtenen Bescheiden gewährte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) II von EUR 442,00 monatlich für Januar bis Dezember 2012 (Bescheid vom 25.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 11.06.2012) und von monatlich EUR 450,00 für Januar bis Dezember 2013 (Bescheid vom 12.12.2012, Rücknahme einer Absenkung für Januar bis März 2013 mit Änderungsbescheid vom 29.01.2013, Widerspruchsbescheid vom 26.03.013). Seinen Berechnungen legte der Beklagte den jeweils gesetzlich vorgesehenen Regelbedarf für Alleinstehende von EUR 374,00 im Jahre 2012 und von EUR 382,00 im Jahre 2013 zu Grunde.

In beiden Komplexen hatte der Kläger zunächst Untätigkeitsklagen zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, weil die Widerspruchsbescheide nach jeweils drei Monaten nicht ergangen waren. Nach Erlass der Widerspruchsbescheide hat er seine Klagen umgestellt und höhere Leistungen begehrt. Das SG hat die beiden Klagen durch Beschluss vom 07.05.2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Gerichtsbescheid vom 19.08.2013 abgewiesen. Die Leitungen seien zutreffend berechnet. Die gesetzliche Regelung über den Regelbedarf sei auch nicht verfassungswidrig. Diese Ansicht hat das SG unter Hinweis auf obergerichtliche Urteile, unter anderem des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 21.10.2012 (L 12 AS 3445/11, Juris), und auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.07.2012 (B 14 AS 189/11 R, Juris) umfangreich begründet.

Mit der am 13.09.2013 zum LSG erhobenen Berufung rügt der Kläger die Verfassungsmäßigkeit des festgesetzten Regelbedarfs. Dieser sei um wenigstens EUR 120,00 monatlich höher festzusetzen.

Der Kläger beantragt, ohne einen Antrag in der Sache zu stellen, lediglich,

den Rechtsstreit auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG-SGB2-SGB12-ÄndG) vom 24.3.2011 in Verbindung mit §§ 28 und 28a Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der Fassung von Art. 3 RBEG-SGB2-SGB12-ÄndG vom 24.03.2011 insoweit mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind, als die für die Höhe des Arbeitslosengeldes II maßgeblichen Regelbedarfe für alleinstehende erwachsene erwerbsfähige Leistungsberechtigte durch die Verordnungen zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen für 2012 vom 17. Oktober 2011 und für 2013 vom 18. Oktober 2012 für das Kalenderjahr 2012 auf EUR 374,00 und für das Kalenderjahr 2013 auf EUR 382,00 monatlich festgesetzt worden sind.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, nachdem der Kläger eine Verurteilung zur Zahlung von mindestens weiteren EUR 120,00 monatlich für 24 Monate, mithin EUR 2.880,00, begehrt hatte und außerdem insgesamt laufende Sozialleistungen für mehr als ein Jahr in Streit standen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Eine unmittelbare Verurteilung zur Zahlung höherer Leistungen wegen eines höheren Regelbedarfs kann der Kläger schon deshalb nicht erreichen, weil die Höhe dieses Regelbedarfs gesetzlich in eindeutiger Weise festgelegt bzw. bekannt gemacht ist, eine erweiternde Auslegung dieser Vorschriften, etwa im Wege verfassungskonformer Auslegung, daher ausscheidet, und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach Art. 20 Abs. 3 Halbsatz 2 GG an das Gesetz gebunden sind. Dies ist dem Kläger auch bewusst, der deshalb keinen Antrag zur Sache auf Verurteilung des Beklagten gestellt hat.

Eine Vorlage des Rechtsstreits an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) scheidet aus. Daher war der entsprechende Antrag des Klägers abzulehnen, was der Senat zur Verdeutlichung im Tenor vorgenommen hat. Auch eine Vorlage von Amts wegen nach § 80 Abs. 3 BVerfGG ist nicht angezeigt. Der erkennende Senat hält die gerügten Vorschriften des SGB II und des Gesetzes über die Ermittlung der Regelbedarfe nicht für verfassungswidrig.

Dies hat der Senat bereits in dem vorangegangenen Verfahren des Klägers (L 3 AS 2009/19) in seinem Urteil vom 17.04.2013 - bezogen auf den Regelbedarf Alleinstehender im Jahre 2011 von EUR 364,00 monatlich ausgeführt: "Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab betreffend das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG) ist, ob die Leistungen evident unzureichend sind und ob die Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu rechtfertigen sind (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 -, - 1 BvL 3/09 - und -1 BvL 4/09 - veröffentlicht in juris). Der Gesetzgeber hat jedoch mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453) den ihm zugewiesenen Auftrag, das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, erfüllt. Er hat den Umfang des konkreten gesetzlichen Anspruchs in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt, das den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 entspricht. Der ab 01.01.2011 geltende Regelbedarf von 364,- EUR für Alleinstehende ist auch nicht evident unzureichend, er bildet vielmehr die Aufwendungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums in verfassungsrechtlich hinreichender Weise ab (BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 153/11 R - [eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20.11.2012 - 1 BvR 2203/12 -)]), Urteil vom 28.03.2013 - B 4 AS 12/12 R - [Terminsbericht 3/13]; so auch Urteil des erkennenden Senats vom 12.12.2012, - L 3 AS 4252/11 - veröffentlicht in juris). Das Vorbringen des Klägers bedingt insofern keine abweichende Beurteilung.

Diesen Ausführungen ist für die hier streitigen Jahre 2012 und 2013 nichts hinzuzufügen. Der Anpassungsmechanismus des § 20 Abs. 5 SGB II für die Jahre zwischen den Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichproben folgt den Vorgaben, die das BVerfG in dem genannten Urteil vom 09.02.2010 aufgestellt hat. Es ist in beiden Jahren zu signifikanten Erhöhungen auf zunächst EUR 374,00 und sodann EUR 382,00 gekommen.

Im Übrigen verweist der Senat zur Begründung gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden umfangreichen Ausführungen des SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid und die dort zitierte Rechtsprechung des LSG und des BSG. Zu ergänzen ist lediglich, dass das BVerfG eine weitere Verfassungsbeschwerde (1 BvR 2471/12) gegen das genannte Urteil des BSG vom 12.07.2012 nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschl. v. 27.12.2012, nicht veröffentlicht).

Anhaltspunkte für einen Anspruch auf höhere Leistungen aus einem anderen Grunde sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen. Mehrbedarfe sind nicht geltend gemacht. Die Unterkunftskosten hat der Beklagte richtig berechnet, zur Begründung hierfür verweist der Senat auf das Schreiben seines Berichterstatters vom 05.11.2013.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht keine Grundsatzbedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) mehr, nachdem das BSG die auch vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen in dem Urteil vom 12.07.2012 beantwortet hat.
Rechtskraft
Aus
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