L 3 AS 280/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 5944/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 280/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. September 2009 wird aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2006, in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05. Januar 2007, sowie vom 05. und vom 17. April 2007 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 05. September 2006 bis 31. März 2007 Kosten für Unterkunft und Heizung von 529,- EUR monatlich unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger beider Rechtszüge.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 05.09.2006 bis 31.03.2007.

Die Kläger zu 1 und 2 bezogen gemeinsam mit ihrer 2005 geborenen Tochter, der Klägerin zu 3, am 01.09.2006 eine 60 qm große, voll möblierte Zwei-Zimmer Ferienwohnung im A. 3 a in B. (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald), die dem Bruder der Klägerin zu 2 gehörte.

Zuvor lebten sie in C., D.straße 29 und bezogen von dem dortigen Grundsicherungsträger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Wegen Mietrückständen wurden am 08.03.2006 die erste Kündigung, am 20.03.2006 die zweite Kündigung ausgesprochen und schließlich am 05.04.2006 die Räumungsklage beim Amtsgericht C. eingereicht. Trotz des am 23.05.2006 verkündeten Räumungsurteils konnten die Kläger zunächst in der Wohnung verbleiben, nach dem sie mit der Vermieterin die Vereinbarung getroffen hatten, dass diese die Miete zukünftig direkt vom Grundsicherungsträger erhalten werde. Zahlungen an die Vermieter erfolgten letztendlich nicht, da die Kläger hierfür erforderliche Unterlagen nicht vorlegten, weshalb die Wohnung geräumt werden musste.

Am 05.09.2006 beantragten die Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Sie legten einen befristeten Mietvertrag vom 01.09.2006 vor. Der Mietbescheinigung vom 06.12.2006 ist eine Grundmiete von 480 EUR und eine Gesamtmiete von 580 EUR zu entnehmen. Davon entfallen 50,00 EUR auf Heizkosten, 15,00 EUR auf Kosten für Warmwasser, 20,00 EUR auf Wasser/Abwasser, 10,00 EUR auf Kosten Garage/Stellplatz und 5,00 EUR auf sonstige Kosten (Versicherung, Grundsteuer, Schornsteinfeger, Strom allgemein).

Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 06.10.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 05.09.2006 bis 31.03.2007. Als Kosten für Unterkunft und Heizung wurden monatlich 471,68 EUR (vom 05.09. bis 30.09.2006 anteilig 408,79 EUR) bewilligt, wobei der Beklagte eine Kaltmiete von 383,25 EUR monatlich (5,11 EUR mal 75 qm) zugrunde legte.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machten die Kläger geltend, es sei ihnen nicht zumutbar gewesen, in eine kostengünstigere Wohnung zu ziehen, da ihnen lediglich ein sehr kurzer Zeitraum verblieben sei, um nicht wohnungslos zu werden. Trotz ausgiebiger Bemühungen seien die Kosten nicht senkbar gewesen; so hätten sie sich im Internet um Wohnungen bemüht und Wohnungsanzeigen aufgegeben. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II erlaube Leistungen für Unterkunft für einen befristeten Zeitraum auch in unangemessener Höhe zu gewähren, solange keine Möglichkeit oder keine zumutbare Möglichkeit bestehe, die Aufwendungen auf ein angemessenes Maß zu senken. Dies habe der Beklagte nicht berücksichtigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Sechs-Monatsfrist in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II schütze nur Personen, deren wirtschaftlichen Verhältnisse sich verändert hätten. Es könne sich deshalb nicht jeder darauf berufen. Miete jemand eine Wohnung an, die absehbar zu teuer sei und beziehe er Leistungen, könne er nicht den gleichen Schutz beanspruchen. Die Kläger hätten jedenfalls von der Beklagten die Information erhalten können, dass die Wohnung nicht angemessen sei. Sie hätten zudem bereits seit März 2006 von den Mietrückständen gewusst. Es treffe somit nicht zu, dass sie unvorhersehbar in Zeitnot bei der Wohnungssuche geraten seien.

Der Beklagte verfügte in der Folgezeit Änderungsbescheide und zwar am 05.01.2007 (Leistungszeitraum 01.02.2007 bis 31.03.2007), 05.04.2007 (Leistungszeitraum 01.02.2007 bis 31.03.2007) 17.04.2007 (Leistungszeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2007). Hierbei berücksichtigte er weiterhin Kosten für Unterkunft und Heizung von 471,68 EUR. Zum 01.04.2007 sind die Kläger aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten nach Bremen verzogen.

Die Kläger haben am 29.11.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei es den Klägern nicht möglich und auch nicht zumutbar gewesen, eine angemessene Wohnung zu beziehen. Hierfür sei der zur Verfügung stehende Zeitraum zu kurz gewesen und es müsse berücksichtigt werden, dass sich in der Bedarfsgemeinschaft ein Kleinkind befinde. Auch gegenwärtig seien die Kosten trotz ausgiebiger Bemühungen nicht senkbar. Der vom Beklagten zugrunde gelegte Wert von 5,11 EUR je qm sei deutlich zu gering angesetzt.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten, hat eine Auswertung von Wohnungsanzeigen in den einschlägigen regional verbreiteten Zeitungen und Anzeigenblättern im Zeitraum März 2006 bis Dezember 2007 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass im fraglichen Gebiet ausreichend Wohnraum im Bereich bis 383,25 EUR monatlich und einer Wohnungsgröße zwischen 62 qm und 75 qm angeboten werde. Ferner hat der Beklagte vier in den Jahren 2005 bis 2007 abgeschlossene Mietverträge von Leistungsbeziehern aus seinem Zuständigkeitsbereich vorgelegt, die für Drei-Zimmer-Wohnungen zwischen 62 qm und 70 qm eine Kaltmiete zwischen 310,00 EUR und 360,00 EUR ausweisen. Soweit das neue Konzept zur Festsetzung von angemessenen Kaltmieten für Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen nach SGB II, SGB XII und AsylbLG im Landkreis Breisgau/Hochschwarzwald ab 01.05.2009 für die Leistungssachbearbeitung höhere Kaltmieten vorsähen, seien diese im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden, da lediglich der Leistungszeitraum vom 05.09.2006 bis 31.03.2007 streitig sei.

Mit Urteil vom 17.09.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kaltmiete im örtlichen Wohnungsmarkt liege für den hier streitigen Zeitraum von September 2006 bis März 2007 nicht über 5,11 EUR pro Quadratmeter. Dies belegten die Auswertungen von Wohnungsanzeigen in den einschlägigen regional verbreiteten Zeitungen und Anzeigeblättern sowie die vom Beklagten ebenfalls vorgelegten Mietverträge von weiteren Leistungsbeziehern nach dem SGB II im hier streiterheblichen Zeitraum. Dass der Quadratmeterpreis von 5,11 EUR bei einer Größe von bis zu 75 qm marktgängig sei, werde auch durch einen Abgleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg aus dem Jahr 2007 deutlich. Wohnungen einfacher und bescheidener Ausstattung und Lage in der Stadt Freiburg wiesen einen Kaltmietpreis pro Quadratmeter aus, der nur geringfügig höher sei oder sogar gleichauf liege mit dem vom Beklagten für den Wohnort der Kläger für angemessen erachteten Wert. So ergebe sich aus dem Mietspiegel 2007 ein Basismietpreis von 6,52 EUR bei 75 qm. Nach Abzug von 20 % wegen der Wohnungsausstattung und 13 % für den Bereich der Vororte von Freiburg ergebe sich ein Wert von 4,37 EUR pro Quadratmeter. Hierbei sei ferner zu beachten, dass das Mietniveau im Umland mit zunehmender räumlicher Distanz von der Stadt Freiburg eher sinke als steige. Auch ausgehend hiervon sei der Ansatz von 5,11 EUR als angemessener Kaltmietpreis pro Quadratmeter am Wohnort der Kläger nicht zu beanstanden.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 17.12.2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am Montag, den 18.01.2010 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt, ihr bisheriges Vorbringen vertieft und Nachweise über die Suchbemühungen vorgelegt. Soweit sich der Beklagte im Berufungsverfahren mit Blick auf die Rechtsprechung des BSG zum schlüssigen Konzept bereit erklärt hat, die Kaltmiete bis zum Tabellenwert nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) bzw. § 8 WoGG a.F. zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % zu übernehmen, ist der Prozessbevollmächtigte der Kläger diesem Angebot nicht beigetreten. Es sei nicht geklärt, ob es sich bei dem Wohngeldwert nach § 8 WoGG a.F. um eine Netto- oder Bruttokaltmiete handele. Es seien auch die besonderen Umstände zu berücksichtigen, denn die Kläger hätten nirgendwo anders wohnen können.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. September 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05. Januar 2007, sowie vom 05. und vom 17. April 2007 zu verurteilen, ihnen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Form der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft (Kaltmiete von 480 EUR und Nebenkosten von 100 EUR) für den Zeitraum vom 05. September 2006 bis 31. März 2007 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat (zuletzt) die Auffassung vertreten, dass Leistungen unter Zugrundelegung von Kosten für Unterkunft und Heizung von 529,50 EUR monatlich - wie von ihm im Vergleichsangebot vom 01.04.2014 errechnet - zu gewähren seinen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz )SGG)) eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 06.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05.01, 05.04. und 17.04.2007, gegen den sich die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) richtet. Streitgegenstand sind allein Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 05.09.2006 bis 31.03.2007, die dieser Bescheid u.a. regelt. Die Kläger haben den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die Kosten der Unterkunft beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, juris Rn. 16). Soweit das SG im angefochtenen Urteil lediglich über die Kaltmiete entschieden hat, ist dies nicht zulässig. Eine Trennung der Leistungen nach § 22 SGB II in Unterkunftskosten einerseits und Heizungskosten andererseits sieht das Gesetz nicht vor (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 8/06 R, juris Rn. 18).

2. Die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, erfüllen die Kläger zu 1 und 2 im hier streitigen Zeitraum, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Sie bilden zusammen mit der in ihrem Haushalt lebenden 2005 geborenen Tochter eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 1, 4 SGB II). Neben der Regelleistung haben sie damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

3. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 3/13 R, juris Rn. 13). Um ausgehend davon den angemessenen Quadratmeterpreis zu ermitteln, ist es nicht erforderlich, auf einfache oder qualifizierte Mietspiegel im Sinne der §§ 558 c und 558 d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzustellen bzw. solche Mietspiegel erstellen zu lassen, soweit sie insbesondere im ländlichen Raum fehlen. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss allerdings auf einem schlüssigen Konzept beruhen, da es eine hinreichende Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7 B AS 44/06 R, juris Rn. 16; zu den Anforderungen im einzelnen BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R und vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R, jeweils in juris).

Der Beklagte ist zutreffend von einer Wohnfläche von 75 qm für einen Drei-Personenhaushalt ausgegangen (vgl. hierzu Verwaltungsvorschrift des Baden-Württembergischen Wirtschaftsministeriums zur Sicherung der Bindung in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.02.2002 (GABl. S. 240/245) i.d.F. der Verwaltungsvorschrift vom 22.01.2004 (GABl. S. 248)).

Der Quadratmeterpreis von 5,11 EUR, wie er vom Beklagten bzw. vom kommunalen Träger, dessen Aufgaben von ihm wahrgenommen wurden, beruhte allerdings nicht auf einem schlüssigen Konzept. Folgende Voraussetzungen sind an die Schlüssigkeitsprüfung des Konzepts zu stellen (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 19):

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Der Beklagte selbst hat in diesem Verfahren ausgeführt, dass seit in Kraft treten des SGB II zum 01.01.2005 von einer leistungsrechtlich angemessenen Kaltmiete von 5,11 EUR pro Quadratmeter ausgegangen worden sei. Der Wert von 5,11 EUR sei ein Erfahrungswert, der sich aus Entscheidungen zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entwickelt hätte. Schon diese Einlassung belegt, dass dem Wert von 5,11 EUR kein schlüssiges Konzept zugrunde lag. Insoweit erübrigen sich weitere Ausführungen.

Das für die Zeit ab Mai 2009 entwickelte Konzept kann der Bestimmung der angemessenen Miete ebenfalls nicht zugrunde gelegt werden, da die dem Konzept zugrunde gelegte Datenbasis nicht den hier streitigen Zeitraum (September 2006 bis März 2007) abbildet. So wurden zur Datensammlung die Bestandsfälle zum Zeitpunkt Oktober 2008 aus den Bereichen SGB II, SGB XII und AsylblG ausgewertet. Insoweit kann offen bleiben, ob das Konzept die vom BSG aufgestellten Schlüssigkeitskriterien erfüllt. Im Übrigen hält der Beklagte selbst in einem beim erkennenden Senat anhängigen und ebenfalls am 02.04.2014 entschiedenen Berufungsverfahren (L 3 AS 3096/11) das Konzept nicht mehr aufrecht.

Es lässt sich für den hier streitigen Zeitraum auch kein schlüssiges Konzept nach der Rechtsprechung des BSG mehr ermitteln. Denn der Quadratmeterpreis von 5,11 EUR war lediglich ein Erfahrungswert, der sich nicht auf eine Datengrundlage stützte.

Sind Feststellungen zu den abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht mehr möglich, kann ein Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle erfolgen. Wegen der dann nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten nach der Rechtsprechung des BSG bei § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) a.F. auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 v.H. einzubeziehen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 5/13 R, juris Rn. 15). Ausgehend von einem Haushalt mit drei Haushaltsmitgliedern und der Mietstufe III weist die Tabelle zu § 8 WoGG a.F. einen Betrag von 435,00 EUR aus. In diesem Betrag sind weder die Kosten für die Heizung noch für die Warmwasserzubereitung enthalten (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 1 WoGG). Die Kosten der Unterkunft und Heizung errechnen sich damit wie folgt:

§ 8 WoGG a.F. 435,00 EUR + Zuschlag von 10 % 43,50 EUR + Heizung 50,00 EUR - insgesamt 528,50 EUR

Grundsätzlich muss im hier streiterheblichen Zeitraum von den Heizkosten der Abzug einer Warmwasserpauschale erfolgen. Denn die Kosten der Warmwasseraufbereitung waren bis zum 31.12.2010 in der Regelleistung enthalten. Gleichwohl ist hier die Warmwasserpauschale nicht abzuziehen. Ausweislich der Mietbescheinigung war von den Klägern neben den Heizkosten von 50,00 EUR zusätzlich ein Betrag von 15,00 EUR für die Erzeugung von Warmwasser zu entrichten, sodass die Heizkosten in voller Höhe zu berücksichtigen sind.

Unter Berücksichtigung der Rundungsregelung des § 41 Abs. 2 SGB II a.F. ergibt sich ein Anspruch der Kläger für die Kosten von Unterkunft und Heizung von 529,00 EUR monatlich.

Für die Kläger war eine bedarfsgerechte Wohnung zu einer Bruttokaltmiete von 478,50 EUR bzw. Bruttowarmmiete von 529,00 EUR auch verfügbar. Dies ergibt sich aus der Aufstellung des Beklagten vom 25.04.2008 (Bl. 47 f SG-Akte). Danach waren mehrere Wohnungen zwischen 62 qm und 75 qm erhältlich, die deutlich unterhalb der vorgenannten Miete lagen. Auch ist nicht erkennbar, dass sich die Kläger in einer Notlage befunden hatten. Zwar war die Wohnung in C. fristlos gekündigt worden. Die Kläger hatten jedoch den zum 01.09.2006 erfolgten Umzug bereits 3 Monate vorher geplant, wie sich aus der protokollierten Erklärung der Sitzungsvertreterin des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG anhand eines Verbis-Vermerks ergibt. Dass sie in diesem Zeitraum keinen angemessenen Wohnraum haben finden können, ist nicht belegt, auch nicht durch die im Berufungsverfahren vorgelegten Suchbemühungen. Diese stammen sämtlich aus der Zeit nach dem 01.09.2006 und sind damit nicht geeignet, fehlenden Wohnraum zum 01.09.2006 nachzuweisen, zumal die Aufstellung des Beklagten vom 25.04.2008 verfügbaren, angemessenen Wohnraum im Zeitraum zwischen März 2006 (Kündigung des Vermieters) und August 2006 belegt.

4. Zu Recht hat das SG entschieden, dass sich ein Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ergibt. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für Unterkunft, soweit sie nach den Besonderheiten des Einzelfalls den angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Bevor der zuständige Träger nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass nach seiner Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist es dem Hilfebedürftigen subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Zweck der Regelung ist es zu verhindern, dass der Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine Übergangszeit verbleiben, in der er sich um Kostensenkungsmaßnahmen bemühen kann. Da die Kläger jedoch schon vor dem Umzug Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen hatten, kann ihnen der Schutz des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zugutekommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R, juris Rn. 14 ff). Im Übrigen haben es die Kläger auch versäumt, die nach § 22 Abs. 2 Satz 1 vorgesehene Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft beim zuständigen Leistungsträger einzuholen. Hierzu waren die Kläger verpflichtet, da sie aus dem Hilfebezug heraus den Umzug vollzogen haben (BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 10/10 R, juris). Die Zustimmung wäre in jedem Fall verweigert worden. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist ein Vertrauensschutz der Klägerin nicht zu begründen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

6. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved