L 9 R 2434/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3298/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2434/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Mai 2013 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Neufeststellung ihrer Rente ohne Berücksichtigung der Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung.

Die 1963 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben in der ehemaligen DDR eine Lehre als Holzbildhauerin absolviert und war danach im erlernten Beruf sowie als Kindergartenhelferin, Vorrichterin in einer Schuhfabrik und zuletzt von Februar 1987 bis November 1990 als Lohnbuchhalterin beschäftigt. Danach bezog sie Leistungen der Agentur für Arbeit (Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld) bzw. war ohne Leistungsbezug arbeitslos.

Auf ihren Rentenantrag vom 10.07.1996 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 07.04.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 01.02.1997 bis 31.01.1999. Grundlage hierfür war ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 17.01.1997, der bei der Klägerin eine schizoaffektive Psychose mit leichtem Residualsyndrom diagnostiziert und das Leistungsvermögen für Tätigkeiten als Bürogehilfin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter halbschichtig eingeschätzt hatte. In dem Rentenbescheid vom 07.04.1997 ist die Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 als Pflichtbeitragszeit für Berufsausbildung, Arbeitslosigkeit ausgewiesen und wurde als Anrechnungszeit wegen nachgewiesener beruflicher Ausbildung berücksichtigt.

Nach Einholung eines weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. M. vom 27.10.1998, der u.a. ein Residualsyndrom einer paranoid-halluzinatorischen Psychose diagnostiziert hatte, gewährte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom 11.11.1998 weiter bis 31.01.2001. Auf den Widerspruch der Klägerin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19.03.1999 die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Dauer.

Mit Bescheid vom 18.07.2002 nahm die Beklagte – wegen Erzielens von Einkünften – ab 01.04.1998 eine Neuberechnung der Rente vor und verlangte von der Klägerin die Erstattung einer Überzahlung von 3.568,57 EUR für die Zeit vom 01.04.1998 bis 31.08.2002. Ab 01.09.2002 gewährte sie der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit i.H.v. 698,18 EUR (monatlicher Zahlbetrag 642,68 EUR). Diesen Bescheid hob die Beklagte im Rahmen eines Klageverfahrens (S 8 R 2583/03) vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) auf (Schreiben der Beklagten vom 17.05.2005).

Am 06.09.2002 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihrer Rente unter Berücksichtigung weiterer Ausbildungszeiten.

Mit Bescheid vom 05.02.2003 nahm die Beklagte eine Neufeststellung der Rente der Klägerin ab 01.04.2003 vor, wobei sie die Zeit vom 02.04.1991 bis 31.12.1991 zusätzlich (neben der Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992, die schon zuvor berücksichtigt war) berücksichtigte. Für die Zeit ab 01.04.2003 belief sich die monatliche Rente der Klägerin nunmehr auf 697,59 EUR (monatlicher Zahlbetrag 642,13 EUR).

Mit Bescheid vom 27.11.2006 berücksichtigte die Beklagte zusätzlich die Zeit vom 25.02.1991 bis 01.04.1991 als Anrechnungszeit. Die Rente der Klägerin belief sich nunmehr ab 01.04.2003 auf 697,76 EUR (monatlicher Zahlbetrag 642,29 EUR) und ab 01.01.2007 auf 706,05 EUR (monatlicher Zahlbetrag 638,63 EUR). Für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.12.2006 ergab sich eine Nachzahlung von 7,49 EUR.

Mit Bescheid vom 19.07.2012 nahm die Beklagte eine Neufeststellung der Rente vor. Sie führte aus, im Rahmen der Bearbeitung eines Auskunftsersuchens des Amtsgerichts Tuttlingen sei festgestellt worden, dass im Versicherungskonto der Klägerin die Zeit vom 25.02.1991 bis 27.03.1992 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung vorgemerkt worden sei, obwohl zugleich Versicherungspflicht wegen Sozialleistungsbezugs bestanden habe. Insofern sei die Vormerkung als Fachschulausbildung zu Unrecht erfolgt. Eine Korrektur des Versicherungsverlaufs hätte eine monatliche Rentenminderung in Höhe von 0,94 Cent zur Folge. Da eine Bescheidrücknahme aus Fristgründen nicht möglich sei, werde die fehlerhaft berechnete Rente weiter gezahlt. Die Beklagte sei jedoch verpflichtet, diese Rente solange von künftigen Rentenerhöhungen gemäß § 48 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auszunehmen, bis die richtig berechnete Rente den derzeitigen Zahlbetrag überschreite.

Auf den Widerspruch der Klägerin erließ die Beklagte den Bescheid vom 23.08.2012, mit dem sie eine Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 25.02.1991 bis 31.12.1991 als Anrechnungszeit (Fachschulausbildung, Bezug von Unterhaltsgeld) vornahm. Sie führte aus, die Neuberechnung der Rente führe zu keiner Veränderung des Zahlbetrages. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 23.08.2012 abgeholfen worden sei. Dabei führte die Beklagte u.a. aus, nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.04.2011 (B 13 R 79/09 R) gelte die Ausschlussregelung des § 58 Abs. 1 S. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auch für Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI. Da in der Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 während des Bezuges von Sozialleistungen Versicherungspflicht bestanden habe, könne diese Zeit nicht mehr als Anrechnungszeit "Fachschulausbildung" berücksichtigt werden. Dies führe jedoch nicht zu einer Minderung des monatlichen Rentenzahlbetrages, so dass der Klägerin kein finanzieller Nachteil entstanden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.11.2012 Klage zum SG (S 8 R 3298/12) erhoben, mit der sie sich gegen die Nichtberücksichtigung der Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 als Anrechnungszeit (Fachschulausbildung) gewandt hat.

Die Beklagte hat erwidert, wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt, führe die Außerachtlassung der Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 als Anrechnungszeit nicht zu einer Minderung des monatlichen Rentenbetrages, so dass die Klägerin nicht beschwert sei. Zur Verdeutlichung hat sie eine fiktive Berechnung der Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 als Anrechnungszeit "Fachschulausbildung" vorgelegt, aus der zu entnehmen ist, dass die Zahlbeträge mit denen im Teilabhilfebescheid vom 13.08.2012 identisch sind.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 als Anrechnungszeit aufgrund von Fachschulausbildung. Es hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten Bezug genommen. Weiter hat es darauf hingewiesen, dass sich aus der geänderten Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeit kein Nachteil für die Klägerin ergebe. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 17.05.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11.06.2013 Berufung eingelegt und vorgetragen, man dürfe ihr keine Versicherungszeiten aus dem Rentenbescheid nehmen und müsse diesen wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2014 hat die Beklagte den Bescheid vom 19.07.2012, geändert durch den Teilabhilfebescheid vom 23.08.2012, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2012 insoweit aufgehoben, als darin die Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 nicht mehr als Anrechnungszeit "Fachschulausbildung" berücksichtigt ist. Weiter hat sie sich verpflichtet, im Rahmen künftiger Bescheide diesen Zeitraum auch als Anrechnungszeit Fachschulausbildung zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgemäß eingelegt worden. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden.

Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war, nachdem die Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens den Teilabhilfebescheid vom 23.08.2012 erlassen hat, lediglich noch, ob die Beklagte berechtigt war, eine Neufeststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente ohne die Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 (neben der Berücksichtigung als Pflichtbeitragszeit) als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung vorzunehmen.

Diesem Begehren hat die Beklagte entsprochen, indem sie in der mündlichen Verhandlung die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben hat, als darin die Zeit vom 01.01.1992 bis 27.03.1992 nicht mehr als Anrechnungszeit "Fachschulausbildung" berücksichtigt ist. Ferner hat sie sich verpflichtet, im Rahmen künftiger Bescheide diesen Zeitraum auch als Anrechnungszeit "Fachschulausbildung" zu berücksichtigen. Damit ist die Klägerin klaglos gestellt worden.

Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) voraus. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Klagerhebung deshalb nicht erforderlich ist, weil der Kläger bzw. die Klägerin seine/ihre Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage aus anderen Gründen unnütz ist. Das Rechtsschutzinteresse fehlt insbesondere dann, wenn das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers bzw. der Klägerin nicht verbessern würde. Es fehlt auch dann, wenn das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreicht werden kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Aufl., Rn. 16a vor § 51).

Ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Fortführung des Berufungsverfahrens besteht nicht mehr, da die Beklagte die Klägerin durch ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung klaglos gestellt hat. Insofern ist eine Fortführung des Rechtsstreits unnütz.

Da die Beklagte Veranlassung zu dem Rechtsstreit gegeben hat und die Klägerin mit ihrem Begehren Erfolg hatte, hat die Beklagte gemäß § 193 SGG die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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