L 3 AS 3096/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 4150/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3096/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2010 und die Bescheide des Beklagten vom 06. Februar 2009 in Form der Änderungsbescheide vom 31. März 2009 und 21. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 und des Bescheids vom 02. Juni 2009 in Form des Änderungsbescheids vom 10. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2009 werden abgeändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 31. August 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 387,00 EUR monatlich unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Zehntel (1/10) der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03. - 31.08.2009 streitig.

Die 1958 geborene Klägerin bezog seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Am 23.07.2007 schloss sie einen Mietvertrag über eine von ihr ab dem 01.08.2007 genutzte 2-Zimmer-Wohnung in A. mit einer Wohnfläche von 57 qm. Hierfür waren eine Kaltmiete von monatlich 390,00 EUR und Nebenkosten- sowie Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 85,00 EUR zu leisten, wobei in den Vorauszahlungen auch die Kosten der Warmwasserbereitung enthalten waren, eine Aufschlüsselung nach einzelnen Kostenpunkten jedoch nicht erfolgte. Die - gesondert von der Klägerin zu entrichtenden - Müllgebühren betrugen im streitigen Zeitraum monatlich 7,27 EUR.

Die tatsächlichen Heizkosten der Klägerin im Abrechungszeitraum 01.08.2008 bis 31.07.2009 betrugen ausweislich der Abrechnung für Heizung und Warmwasser 2008/2009 (Bl. 475 Verwaltungsakten) 286,85 EUR.

Am 13.08.2007 beantragte die Klägerin erstmals bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Dieser bewilligte Leistungen, wobei sie die von ihr als angemessen erachtete Nettokaltmiete von 229,95 EUR pro Monat zugrunde legte, weil die Klägerin schon bei Anmietung der Wohnung gewusst habe, dass sie kein Einkommen habe.

Mit Bescheid vom 06.02.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2009 - 31.08.2009. Als Kosten für Unterkunft und Heizung wurden hierbei monatlich 322,59 EUR bewilligt. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, sie nehme zum 01.03.2009 eine selbständige Tätigkeit auf (künstl. Kurse zur Förderung der Gesundheit), die sie jedoch bereits am 03.03.2009 rückwirkend zum 01.03.2009 wieder abgemeldet hatte, änderte der Beklagte mit Bescheid vom 31.03.2009 die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.03.2009 - 31.08.2009 ab und bewilligte für diese Zeit Leistungen in bisheriger Höhe, jedoch nur vorläufig.

Nachdem der Beklagte ein neues Konzept zur Festsetzung von angemessenen Kaltmieten für Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen nach SGB II, SGB XII und AsylbLG im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald entwickelt hatte, bewilligte er der Klägerin mit weiterem Änderungsbescheid vom 02.06.2009 unter Berücksichtigung der neuen Mietobergrenzen für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.08.2009 Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 366,64 EUR. Hierbei legte er eine Kaltmiete von 273,60 EUR und Nebenkosten von 93,03 EUR zugrunde. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Änderungsbescheid vom 10.07.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.08.2009 in Höhe von monatlich 374,24 EUR mit der Begründung, es seien auch die Kosten für den Kabelanschluss i.H.v. monatlich 8,00 EUR zu übernehmen, da sich die Klägerin diesen nicht entziehen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2009 wies er im Übrigen den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, ab dem 01.05.2009 bestehe Anspruch auf Unterkunftsleistungen i.H.v. monatlich 374,24 EUR, nämlich eine - ihrem neuen Konzept entsprechende - angemessene Kaltmiete i.H.v. 273,60 EUR, Mietnebenkosten i.H.v. 100,00 EUR abzgl. der darin enthaltenen Aufwendungen für die Warmwasserbereitung i.H.v. pauschal 6,63 EUR zzgl. der Müllgebühren i.H.v. 7,27 EUR.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.08.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 18 AS 4150/09).

Mit Änderungsbescheid vom 21.07.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin auch für die Zeit vom 01.03.2009 bis 30.04.2009 u.a. Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 374,24 EUR. Mit Widerspruchsbescheid gleichfalls vom 21.07.2009 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.02.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.07.2009 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin gleichfalls Klage zum SG erhoben (S 18 AS 4247/09).

Mit Beschluss vom 11.02.2010 hat das SG die Verfahren S 18 AS 4150/09 und S 18 AS 4247/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Im Erörterungstermin vom 16.08.2010 vor dem SG hat die Klägerin ausgeführt, sie benötige für ihre mittlerweile von der Beklagten genehmigte selbständige Tätigkeit ein zusätzliches Zimmer in ihrer Wohnung.

Seinem Konzept zur Festsetzung von angemessenen Kaltmieten hat der Beklagte für Ein-Personen-Haushalte eine Wohnungsgröße bis zu 45 qm zugrundegelegt. Er hat weiter den Landkreis in sieben Raumschaften nach raumordnenden, städtebaulichen und sozialräumlichen Aspekten aufgeteilt. Bezüglich der empirischen Datenerhebung wurden die Bestandsfälle aus den Bereichen SGB II, SGB XII und AsylbLG (Stand Oktober 2008) nach tatsächlicher Kaltmiete und Wohnungsgröße ausgewertet. Soweit hierbei Warmmieten ausgewiesen waren, wurden diese um 1,50 EUR/qm reduziert, um eine ungefähre Kaltmiete zu ermitteln. Nicht plausible Datensätze wurden überprüft und ggf. manuell korrigiert. Darüber hinaus wurden Kaltmieten von 8,00 EUR/qm und darüber aus der Betrachtung genommen (insgesamt 174 Datensätze). Die verbliebene Datenmenge von 3.226 Wohnungen wurde als Datengrundlage zur Ermittlung durchschnittlicher Quadratmeter-Preise im unteren Segment des Wohnungsmarktes zugrundegelegt. Zur Überprüfung der konkreten Angemessenheit und zum Nachweis der Verfügbarkeit entsprechender Wohnungen wurden die Wohnungsangebote in den unentgeltlichen Anzeigenblättern Zypresse und Schnapp der Monate Oktober bis Dezember 2008 erfasst und nach ihrer Angemessenheit bezüglich Wohnungsgröße und Kaltmiete je Raumschaft für Ein- bis Vier-Personen-Haushalte ausgewertet und mit der Anzahl der nach den neuen Angemessenheitskriterien erforderlichen Mietsenkungsverfahren ins Verhältnis gesetzt. Danach waren 14 % der angebotenen Wohnungen angemessen.

Mit Urteil vom 29.11.2010 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 06.02.2009 in Form der Änderungsbescheide vom 31.03.2009 und 21.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2009 und des Bescheids vom 02.06.2009 in Form des Änderungsbescheids vom 10.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2009 verpflichtet, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Kaltmiete von 330,00 EUR zu gewähren für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.08.2009. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das SG ausgeführt, den Vorgaben des BSG an die Ermittlung angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung halte das Vorgehen des Beklagten nur teilweise stand.

Nicht zu beanstanden sei die zugrunde gelegte Wohnfläche für 1 Person von 45 qm (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung der Bindung in der Sozialen Wohnraumförderung vom 12. Februar 2002 (GABl. S. 240/245) in der Fassung der Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2004 [GABl. S. 248]) sowie der räumliche Vergleichsmaßstab "Umland Freiburg". Es liege jedoch kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der abstrakt angemessenen Kaltmieten zugrunde. Nach der Rechtsprechung des BSG ergäben sich folgende Voraussetzungen an die Schlüssigkeitsanforderungen des Konzepts:

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Kenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Das Konzept des Beklagten weise danach mehrere methodische Fehler auf. Unzulässig sei es, aus den erhobenen Daten einen Durchschnittsmietpreis zu ermitteln und diesen als Angemessenheitsgrenze heranzuziehen. Vielmehr hätte eine Mietenspanne ermittelt und ein Spannenoberwert angegeben werden müssen. Lege der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zugrunde, müsse er nachvollziehbar offenlegen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen habe. In diesem Fall sei als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, d.h. der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne, zu Grunde zu legen. Zudem bilde das vorliegende Datenmaterial nicht den Gesamtwohnungsbestand ab, sondern beschränke sich auf das untere Segment des Wohnungsmarktes, da lediglich das Mietniveau von Hilfeempfängern im Bereich des SGB II, SGB XII und AsylbLG berücksichtigt sei. Dann sei es jedoch unzulässig, eine Kappungsgrenze bei 8,00 EUR/qm anzusetzen, von der vorliegend im konkreten Vergleichsgebiet "Umland Freiburg" von den einbezogenen Mietverhältnissen jedes vierte erfasst werde. Auch könne ein sich aus diesen Daten eventuell ergebender Spannenoberwert nicht zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze herangezogen werden.

Mangels eines schlüssigen Konzepts sei der Tabellenwert nach § 12 WoGG in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung als Obergrenze der Nettokaltmiete heranzuziehen. Für die Klägerin ergebe sich danach sowie nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung (BGBl. I 2008, 2487 - 2519), wonach der Wohnort der Klägerin der Mietenstufe III zuzuordnen sei, eine Mietobergrenze von 330,00 EUR. Ein "maßvoller Sicherheitszuschlag" scheide angesichts des Umstands aus, dass in der angrenzenden Stadt Freiburg, für die die Mietenstufe V nach der Wohngeldtabelle gelte, die Mietobergrenze für eine Einzelperson 305,10 EUR betrage.

Die gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 11.02.2011 und dem Beklagten am 14.02.2011 zugestellte Urteil haben beide Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 2 AS 962/11) eingelegt und diese am 13.04.2011 nach Hinweis des Gerichts, dass die Berufung mangels Erreichens der Berufungssumme unzulässig sei, zurückgenommen.

Auf die vom Beklagten am 15.04.2011 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 26.07.2011 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) zugelassen. Am 26.09.2011 hat die Klägerin Anschlussberufung eingelegt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen sowie die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2010 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 06. Februar 2009 in Form der Änderungsbescheide vom 31. März 2009 und 21. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2009 sowie des Bescheids vom 02. Juni 2009 in Form des Änderungsbescheids vom 10. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2009 zu verurteilen, ihr Leistungen der Grundsicherung in Form der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung (Kaltmiete 390,00 EUR, Nebenkosten 85,00 EUR, Müllgebühren 7,36 EUR) zu gewähren.

Sie trägt vor, unabhängig von den Tabellenwerten nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) seien die Kosten der Unterkunft vom Beklagten vollständig in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Kostensenkungsmaßnahmen seien ihr nur zumutbar gewesen, wenn sie auch Kenntnis von einer entsprechenden Pflicht gehabt hätte. Da ihr ein unzutreffender Quadratmeterpreis in Höhe von höchstens 5,11 EUR genannt worden sei, sei es ihr unmöglich gewesen, eine angemessene Wohnung zu finden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Nach Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 26.07.2011 ist das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten als Berufungsverfahren fortgesetzt worden; der Einlegung einer Berufung durch den Beklagten bedurfte es nicht (§ 145 Abs. 5 Satz 1 SGG). Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig. Insoweit steht insbesondere nicht die Rücknahme des - im damaligen Verfahrensstadium unzulässigen - Rechtsmittels im Verfahren L 2 AS 962/11 vor dem LSG Baden-Württemberg entgegen, da § 145 Abs. 5 SGG der Rechtsfolge des 156 Abs. 3 SGG vorgeht (vgl. BSG, Urt. v. 15.02.2000 - B 11 AL 79/99 R - juris).

2. Die Berufung des Beklagten ist auch teilweise begründet. Die Anschlussberufung der Klägerin ist nicht begründet.

a) Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche der Klägerin auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Monate März bis August 2009 (vgl. BSG, Urteil v. 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R - juris Rn.15). Denn nur insoweit hat die Klägerin die Bescheide angefochten und der Beklagte in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden entschieden. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (BSG, Urt. v. 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - juris Rn.10 m.w.N.).

b) Das SG hat im angefochtenen Urteil nur über die "Kaltmiete" entschieden und hierzu lediglich in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es sei die Nettokaltmiete gemeint. Eine isolierte Entscheidung allein über die (Netto- oder Brutto-)Kaltmiete ist jedoch nicht zulässig. Vielmehr sind auch alle weiteren Leistungsbestandteile der Leistungen für Unterkunft und Heizung streitgegenständlich und zu überprüfen. Hier ist insbesondere von Bedeutung, dass der Beklagte seinen Berechnungen für die (warmen und kalten) Nebenkosten einen Betrag von 100,64 EUR (Mietnebenkosten 100,00 EUR abzgl. Warmwasserbereitung pauschal 6,63 EUR zzgl. Müllgebühren 7,27 EUR) monatlich zugrunde gelegt hatte, obwohl die Klägerin ausweislich des Mietvertrags hierfür lediglich 85,00 EUR monatlich als Vorauszahlung zu entrichten hatte. Unter Zugrundelegung des erstinstanzlichen Urteils hätte der Klägerin im streitigen Zeitraum danach ein Anspruch auf Leistungen für Heizung und Unterkunft i.H.v. monatlich 430,64 EUR (Nettokaltmiete 330,00 EUR, Nebenkosten 100,64 EUR) zugestanden.

3. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II haben vorgelegen, d.h. die Klägerin war im streitigen Zeitraum über 15 Jahre und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere erzielte sie aus einer selbständigen Tätigkeit (künstlerische Kurse zur Förderung der Gesundheit) keine dem Beklagten, dem Finanzamt oder dem Gericht bekannten Einkünfte und verfügte über kein zu berücksichtigendes Vermögen. Die Klägerin hatte somit auch Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung gem. §§ 19, 22 Abs. 1 SGB II.

4. Entgegen dem klägerischen Antrag waren die Unterkunftskosten nicht mangels einer Kostensenkungsaufforderung durch den Beklagten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gem. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch für längstens sechs Monate. Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben. Denn vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits vor ihrem Umzug nach Freiburg bzw. A. von der ARGE Krefeld bis zum 31.05.2006 Leistungen nach dem SGB II bezogen hatte, wie dem Bescheid v. 29.12.2006 entnommen werden kann (vgl. Bl. 11 Verwaltungsakten), und sie bereits bei ihrem Einzug in die streitgegenständliche Wohnung im Jahr 2007 nicht in der Lage war, ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten, und der Beklagte auch keine Zusicherung gem. § 22 Abs. 3 SGB II für die Anmietung der Wohnung erteilt hat; ihr waren deshalb von Anfang an nur die angemessenen Unterkunftskosten zu bewilligen. Der Beklagte hat die Klägerin auch über die aus seiner Sicht angemessene Mietobergrenze informiert und ihr bereits im ersten Bewilligungsbescheid vom 21.09.2007 mitgeteilt, die Wohnung sei aus leistungsrechtlicher Sicht unangemessen, bereits bei Anmietung der Wohnung habe ihr aufgrund ihrer damaligen Einkommensverhältnisse klar gewesen sein müssen, dass sie den Lebensunterhalt einschließlich des Bedarfs für die Unterkunft nicht aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Auch der hiergegen gerichtete Antrag auf Bewilligung der tatsächlichen Unterkunftskosten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes war erfolglos (Beschluss des SG v. 31.10.2007 - S 7 AS 5551/07 ER). Dies ist - auch nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 3/13 R - juris Rn.17) - ausreichend, damit der Leistungsbezieher über die aus Sicht der Behörde angemessene Mietobergrenze und die bestehende Rechtslage hinreichend informiert ist. Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II abstrakt angemessen sind (BSG, a.a.O., m.w.N.).

5. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urt. vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris mit Hinweis auf BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, Rn. 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 27 (Essen) Rn. 15; vgl. zuletzt BSG, Urt. vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - (München II) Rn. 19 ff).

a) Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für 1-Personenhaushalte 45 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 [GABl S. 248]).

b) Als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hält es der Senat vorliegend für sachgerecht, die Raumschaft "Umland Freiburg" mit der Gemeinde A. und den weiteren Gemeinden Glottertal, Gottenheim, Gundelfingen, Heuweiler, March und Merzhausen zu wählen. Das BSG hat entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum müsse insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urt. vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; juris Rn. 21; Urt. vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, juris). Von daher begegnet es keinen Bedenken, wenn der Beklagte in seinem Flächenlandkreis mit 1.378,33 km² und vielen Klein- und Kleinstgemeinden, in dem Mietspiegel nicht vorliegen, Gemeinden im Umkreis von 10 bis 20 km im ländlichen Raum in sog. Raumschaften zusammengefasst hat.

c) Das vom Beklagten zur Ermittlung angemessener Kosten der Unterkunft zugrunde gelegte Konzept ist jedoch nicht schlüssig. Hierzu wird gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, dass dieses Konzept im Wesentlichen darauf beruht, dass zur Datensammlung die Bestandsfälle aus den Bereichen SGB II, SGB XII und AsylbLG nach tatsächlicher Kaltmiete und Wohnungsgröße ausgewertet wurden. Soweit Warmmieten ausgewiesen waren, wurden diese um 1,50 EUR/qm reduziert, um eine ungefähre Kaltmiete zu erhalten. Nicht plausible Datensätze wurden überprüft und ggf. manuell korrigiert. Kaltmieten von 8,- EUR/qm und mehr wurden aus der Betrachtung genommen (174 Datensätze). Für die verbleibenden 3.226 Wohnungen wurden Durchschnittswerte je Wohnungsgröße und Raumschaft gebildet und diese als Mietobergrenze zugrunde gelegt.

Die Bildung eines Durchschnittswertes bei Wohnungen des unteren Preissegments ist rechtlich nicht zulässig, wenn - wie hier - nur die Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen werden. So errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird (Spirale nach unten). Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger entweder auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards, und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln. Oder der Leistungsträger kann - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, (Cuxhaven), juris Rn. 24). Das vom Beklagten mit Wirkung zum 01.05.2009 eingeführte Konzept erweist sich damit als nicht schlüssig (zum Konzept des Beklagten vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11).

Der Senat kann auch nicht mehr durch eigene Ermittlungen ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Mieten entwickeln, da es hierfür an einer zureichenden Datengrundlage fehlt. Denn auch unter Einbeziehung der Daten von Wohngeldbeziehern ergeben sich lediglich 4.269 Datensätze, die nur einen Bruchteil des Bestandes von 119.358 Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald darstellen (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Bestand an Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, Stand 31.12.2012) und deshalb nicht ausreichen, um mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes abzubilden (vgl. BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn. 16).

Ebenso verbietet sich, als angemessene Miete pro qm das obere Segment der vom Beklagten zugrunde gelegten Wohnungen (z.B. oberstes Quintil) zugrunde zu legen. Zwar kann der Leistungsträger auch bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, er muss dann als Angemessenheitsgrenze aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urt. v. 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R - juris Rn.24). Eine solche Festlegung der angemessenen Miete kann aufgrund der vom Beklagten erhobenen Daten gerade nicht erfolgen, da diese keine Angaben über die Wohnungsqualität enthalten, so dass nicht ermittelbar ist, welchem Wohnungsstandard die einbezogenen Wohnungen entsprechen, und entsprechende Daten aufgrund Zeitablaufs für den streitigen Zeitraum auch nicht mehr ermittelbar sind.

6. Deshalb sind im Falle eines Erkenntnisausfalls - wie hier - die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt durch die Tabellenwerte der Wohngeldtabelle. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 - juris) ist hierzu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) unter Einbeziehung eines Sicherheitszuschlages heranzuziehen. Denn trotz Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG hat sich dadurch nichts daran geändert, dass es sich lediglich um eine abstrakte Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Es gilt deshalb auch weiterhin, dass die abstrakte Angemessenheitsgrenze so zu gestalten ist, dass zu dem fraglichen Wert möglichst Wohnraum verfügbar ist. Der Höhe nach ist danach auch weiterhin ein Zuschlag von 10 % angemessen. Dementsprechend ist zu dem in § 12 WoGG für Haushalte mit einem Haushaltsmitglied in Mietenstufe III ausgewiesenen Betrag von 330,- EUR noch ein Zuschlag von 33,- EUR hinzuzufügen, so dass die Bruttokaltmiete mit 363,- EUR monatlich anzusetzen ist.

Hiervon erfasst sind jedoch, entgegen der Auffassung des SG, auch die kalten Nebenkosten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R - juris Rn. 15), wonach zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle nach dem WoGG zurückzugreifen und ein Sicherheitszuschlag von 10 % einzubeziehen ist.

Darin enthalten sind auch die von der Klägerin gesondert zu entrichtenden Müllgebühren. Diese sind zwar in dem von ihr zu zahlenden Abschlag für Nebenkosten nicht enthalten. Bei der Bemessung der Unterkunftskosten nach der Tabelle zum WoGG handelt es sich jedoch um eine abstrakte Bemessung, bei der nicht zusätzlich einzelne Nebenkostenbestandteile addiert werden dürfen.

7. Weiter zu berücksichtigen sind die warmen Nebenkosten, also die Heizkosten. Die mietvertraglichen Regelungen bezüglich der Nebenkosten enthalten vorliegend keinen spezifisch auf die Heizkosten bezogenen Betrag, vielmehr sind in der Nebenkostenpauschale keine gesonderten Einzelwerte ausgewiesen. Der Senat hält es deshalb für sachgerecht, die tatsächlich angefallenen Heizkosten zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass dabei nur die Kosten für Heizung, nicht jedoch für Warmwasserbereitung gesondert berücksichtigungsfähig sind, da letztere bereits in den Kosten der allgemeinen Lebensführung enthalten sind.

In der Abrechnung für Heizung und Warmwasser 2008/2009 vom 01.09.2009 waren für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.07.2009 Kosten für Heizung in Höhe von 286,85 EUR ausgewiesen. Dies entspricht monatlichen Heizkosten i.H.v. 23,90 EUR. Danach ergibt sich unter Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs. 2 SGB II ein monatlicher Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 387,00 EUR.

8. Soweit die Klägerin die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe geltend gemacht hat, war die Anschlussberufung zurückzuweisen.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Klägerin statt der bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung von monatlich 374,24 EUR die tatsächlichen Kosten i.H.v. monatlich 482,36 EUR, somit monatlich weitere 108,12 EUR geltend gemacht hat, jedoch nur in Höhe von 12,76 EUR monatlich obsiegt hat.

10. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved