Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1332/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4286/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.07.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Mycosis fungoides als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der am 1963 geborene Kläger arbeitet seit 1985 bei der Firma D. AG in der Gießerei. In Folge eines im Jahre 2007 dort erlittenen Arbeitsunfalls erhält er eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. (Bescheid der Beklagten vom 27.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2009). Ab dem Frühjahr 2009 litt der Kläger an Juckreiz im Bereich der Hände und Füße, der dann schleichend stärker wurde und sich innerhalb weniger Wochen auf die Ellenbogen, die Knie und den Genitalbereich ausbreitete. Nach Erstdiagnose einer Mycosis fungoides im Tumorstadium im Herbst 2009 mittels Hautbiopsien erfolgten Chemotherapien im Klinikum S. (stationäre Aufenthalte im November 2009 sowie im Dezember 2009).
Am 20.05.2010 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, der Kläger sei an einem starken Hautekzem und einer schweren Mycosis fungoides erkrankt. Beide Erkrankungen seien offensichtlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers in der Gießerei, bei der er regelmäßig und dauerhaft mit verschiedenen, teils giftigen und ätzenden Chemikalien in Kontakt komme, zurückzuführen. Er forderte die Beklagte auf, die vorliegenden Hauterkrankungen als BK anzuerkennen und eine höhere MdE als bisher zuzuerkennen. Beigefügt war ein Arztbericht der Dermatologin und Allergologin Dr. Rieker-Schwienbacher vom Mai 2010 mit den Diagnosen Handekzem, DD: kontaktallergisch, kumulativ-subtoxisch, berufsbedingt, sowie Mycosis fungoides Stadium 1a. Die Beklagte veranlasste in der Folgezeit eine hautfachärztliche Therapie durch Dr. T. sowie die Zurverfügungstellung einer persönlichen Schutzausrüstung für den Kläger.
Mit Bescheid vom 27.07.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Hauterkrankung des Klägers durch seine berufliche Tätigkeit in der Gießerei mitverursacht worden sei. Durch die Anwendung von persönlichem Hautschutz habe der Kläger aber eine Besserung der Hauterkrankung erzielt mit dem Ergebnis, dass er seine berufliche Tätigkeit unter regelmäßiger Anwendung von Hautschutzmitteln auch weiterhin ausüben könne. Nachdem damit ein objektiver Zwang zur Unterlassung dieser Tätigkeit nicht bestehe, stelle die beruflich verursachte Hauterkrankung noch keine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der BKV dar; es bestünden demgemäß auch keine Ansprüche auf Leistungen. Daneben bestehe berufsunabhängig eine Mycosis fungoides. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.07.2011 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 06.03.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass nicht nur das Handekzem, sondern auch die Mycosis fungoides als unmittelbare Folge der beruflichen Tätigkeit aufgetreten sei. Überdurchschnittlich viele Kollegen des Klägers in der Gießerei seien gleichfalls an Hauterkrankungen und verschiedenen Krebsarten erkrankt, weshalb sich dem Kläger der Verdacht geradezu aufdränge, dass die Erkrankung durch den jahrelangen Kontakt mit giftigen Chemikalien in der Gießerei hervorgerufen worden sei. Das Sozialgericht hat von Amts wegen eine Begutachtung auf dermatologischem Fachgebiet veranlasst. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom Februar 2013 beim Kläger die Diagnose einer Mycosis fungoides bestätigt. Nach seiner Auffassung handle es sich hierbei um keine berufsbedingte Erkrankung, sondern um eine endogen schicksalshaft auftretende Tumorerkrankung der Haut unklarer Genese, deren Auftreten weder mit Infektionserregern noch mit Umwelteinflüssen in Verbindung gebracht werden könne. Das Sozialgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 17.07.2013 die auf Feststellung der Mycosis fungoides als Hauterkrankung im Sinne der BK 5101 bzw. als Wie-BK gerichtete Klage abgewiesen. Gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. hat es die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Mycosis fungoides verneint.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.08.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 27.09.2013 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen den Ausführungen des Sachverständigen stehe die Mycosis fungoides auch mit Umwelteinflüssen in Zusammenhang. Der Kläger sei über seine jahrelange Tätigkeit regelmäßig hochgiftigen Chemikalien ausgesetzt gewesen. Ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und der Erkrankung liege auf der Hand. So sei bei vielen Patienten gerade eine vermehrte Exposition gegenüber Chemikalien festgestellt worden. Personen, die in der Metallverarbeitung tätig seien, hätten ein erhöhtes Risiko zu erkranken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.07.2013 und den Bescheid vom 27.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Mycosis fungoides des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV, hilfsweise eine Wie-Berufskrankheit gem. § 9 Abs. 2 SGB VII ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf den Inhalt der vorgelegten Akten, den Vortrag in erster Instanz sowie die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist, soweit sie auf die Feststellung der Mycosis fungoides als Hauterkrankung im Sinne der BK 5101 gerichtet ist, zulässig. Der Kläger wehrt sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2012 insoweit, als darin die Anerkennung der Mycosis fungoides als BK 5101 und Ansprüche auf Leistungen diesbezüglich pauschal verneint worden sind. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK und die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, hier zwischen dem Kläger und der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger in Bezug auf die streitige BK (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Dies ermöglicht es dem Versicherten, das Vorliegen einer bestimmten BK als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab klären zu lassen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R). Weil die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil die behauptete BK nicht vorliege, liegt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung vor.
Allerdings hat das Sozialgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für den hier vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung der Mycosis fungoides als BK 5101 dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für diese Leistung nicht erfüllt, weil es an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung fehlt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Auch nach Auffassung des Senats ist ein Zusammenhang zwischen den Stoffen, denen der Kläger im Rahmen der versicherten beruflichen Tätigkeit in der Vergangenheit ausgesetzt war und weiterhin ausgesetzt ist und der Erkrankung an Mycosis fungoides nicht wahrscheinlich. Zwar genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der hier in Frage stehenden schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann sich der Senat wie bereits das Sozialgericht vom Vorliegen einer BK 5101 bezogen auf die Mycosis fungoides nicht überzeugen. Bei der Mycosis fungoides handelt es sich um eine endogen schicksalhaft auftretende Tumorerkrankung der Haut unklarer Genese; insbesondere kann deren Auftreten nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht mit Infektionserregern oder mit Umwelteinflüssen und folglich auch nicht mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Verbindung gebracht werden. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. Haußmann. Der Sachverständige hat dabei seine Einschätzung auf aktuelle wissenschaftliche Literatur gestützt. Bedenken daran, dass die Darstellung des Sachverständigen nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht, bestehen nicht. So wird auch in der aktuellen Ausgabe des Standardwerks Pschyrembel die Mycosis fungoides als Erkrankung unbekannter Ätiologie bezeichnet (Pschyrembel, 265. Aufl. 2014, S. 1420). Letztlich räumt auch der Kläger die unklare Ätiologie in seiner Berufungsbegründung ein, wenn er vorträgt, die Wissenschaft gehe von einer multikausalen Pathogenese aus, bei der auch Umwelteinflüsse das Auftreten der Erkrankung fördern können. Ungeachtet dessen, dass der Kläger keinerlei Nachweise für seine Behauptung einer (Mit-)Kausalität von Umwelteinflüssen liefert - auch in der vorgelegten populärwissenschaftlichen Darstellung in Wikipedia (die der Senat bereits deshalb seiner Entscheidung nicht zugrunde legen kann, da weder der Urheber noch dessen wissenschaftliche Qualifikation bekannt ist) wird lediglich darauf hingewiesen, dass bei vielen Patienten sich eine vermehrte Exposition gegenüber Chemikalien gefunden habe - genügt dieser Vortrag auch in Ansehung des § 9 Abs. 3 SGB VII nicht den vorstehend dargestellten Anforderungen an eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer haftungsausfüllenden Kausalität, sondern lässt eine Kausalität von Umwelteinflüssen allenfalls möglich erscheinen.
Soweit der Kläger hilfsweise die Feststellung einer Wie-BK begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Denn nachdem die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden ausdrücklich allein die Anerkennung einer BK 5101 ablehnte, fehlt es hinsichtlich der begehrten Feststellung einer Wie-BK an der auch im Rahmen der Feststellungsklage zwingenden Prozessvoraussetzung eines gerade die jetzt geltend gemachte BK ablehnenden Verwaltungsakts (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R; Beschluss vom 27.06.2006, B 2 U 77/06 B in SozR 4-1500 § 55 Nr. 4).
Im Übrigen würden auch die Voraussetzungen für die Feststellung der Mycosis fungoides als Wie-BK fehlen. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer Generalklausel erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist (BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R m.w.N.). Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten. Voraussetzung für die Anerkennung als Wie-BK ist damit unter anderem der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit. Der Beleg eines somit erforderlichen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der Erkrankung kann aber hier gerade nicht erbracht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Mycosis fungoides als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der am 1963 geborene Kläger arbeitet seit 1985 bei der Firma D. AG in der Gießerei. In Folge eines im Jahre 2007 dort erlittenen Arbeitsunfalls erhält er eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. (Bescheid der Beklagten vom 27.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2009). Ab dem Frühjahr 2009 litt der Kläger an Juckreiz im Bereich der Hände und Füße, der dann schleichend stärker wurde und sich innerhalb weniger Wochen auf die Ellenbogen, die Knie und den Genitalbereich ausbreitete. Nach Erstdiagnose einer Mycosis fungoides im Tumorstadium im Herbst 2009 mittels Hautbiopsien erfolgten Chemotherapien im Klinikum S. (stationäre Aufenthalte im November 2009 sowie im Dezember 2009).
Am 20.05.2010 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, der Kläger sei an einem starken Hautekzem und einer schweren Mycosis fungoides erkrankt. Beide Erkrankungen seien offensichtlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers in der Gießerei, bei der er regelmäßig und dauerhaft mit verschiedenen, teils giftigen und ätzenden Chemikalien in Kontakt komme, zurückzuführen. Er forderte die Beklagte auf, die vorliegenden Hauterkrankungen als BK anzuerkennen und eine höhere MdE als bisher zuzuerkennen. Beigefügt war ein Arztbericht der Dermatologin und Allergologin Dr. Rieker-Schwienbacher vom Mai 2010 mit den Diagnosen Handekzem, DD: kontaktallergisch, kumulativ-subtoxisch, berufsbedingt, sowie Mycosis fungoides Stadium 1a. Die Beklagte veranlasste in der Folgezeit eine hautfachärztliche Therapie durch Dr. T. sowie die Zurverfügungstellung einer persönlichen Schutzausrüstung für den Kläger.
Mit Bescheid vom 27.07.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Hauterkrankung des Klägers durch seine berufliche Tätigkeit in der Gießerei mitverursacht worden sei. Durch die Anwendung von persönlichem Hautschutz habe der Kläger aber eine Besserung der Hauterkrankung erzielt mit dem Ergebnis, dass er seine berufliche Tätigkeit unter regelmäßiger Anwendung von Hautschutzmitteln auch weiterhin ausüben könne. Nachdem damit ein objektiver Zwang zur Unterlassung dieser Tätigkeit nicht bestehe, stelle die beruflich verursachte Hauterkrankung noch keine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der BKV dar; es bestünden demgemäß auch keine Ansprüche auf Leistungen. Daneben bestehe berufsunabhängig eine Mycosis fungoides. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.07.2011 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 06.03.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass nicht nur das Handekzem, sondern auch die Mycosis fungoides als unmittelbare Folge der beruflichen Tätigkeit aufgetreten sei. Überdurchschnittlich viele Kollegen des Klägers in der Gießerei seien gleichfalls an Hauterkrankungen und verschiedenen Krebsarten erkrankt, weshalb sich dem Kläger der Verdacht geradezu aufdränge, dass die Erkrankung durch den jahrelangen Kontakt mit giftigen Chemikalien in der Gießerei hervorgerufen worden sei. Das Sozialgericht hat von Amts wegen eine Begutachtung auf dermatologischem Fachgebiet veranlasst. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom Februar 2013 beim Kläger die Diagnose einer Mycosis fungoides bestätigt. Nach seiner Auffassung handle es sich hierbei um keine berufsbedingte Erkrankung, sondern um eine endogen schicksalshaft auftretende Tumorerkrankung der Haut unklarer Genese, deren Auftreten weder mit Infektionserregern noch mit Umwelteinflüssen in Verbindung gebracht werden könne. Das Sozialgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 17.07.2013 die auf Feststellung der Mycosis fungoides als Hauterkrankung im Sinne der BK 5101 bzw. als Wie-BK gerichtete Klage abgewiesen. Gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. hat es die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Mycosis fungoides verneint.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.08.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 27.09.2013 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen den Ausführungen des Sachverständigen stehe die Mycosis fungoides auch mit Umwelteinflüssen in Zusammenhang. Der Kläger sei über seine jahrelange Tätigkeit regelmäßig hochgiftigen Chemikalien ausgesetzt gewesen. Ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und der Erkrankung liege auf der Hand. So sei bei vielen Patienten gerade eine vermehrte Exposition gegenüber Chemikalien festgestellt worden. Personen, die in der Metallverarbeitung tätig seien, hätten ein erhöhtes Risiko zu erkranken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.07.2013 und den Bescheid vom 27.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Mycosis fungoides des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV, hilfsweise eine Wie-Berufskrankheit gem. § 9 Abs. 2 SGB VII ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf den Inhalt der vorgelegten Akten, den Vortrag in erster Instanz sowie die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist, soweit sie auf die Feststellung der Mycosis fungoides als Hauterkrankung im Sinne der BK 5101 gerichtet ist, zulässig. Der Kläger wehrt sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2012 insoweit, als darin die Anerkennung der Mycosis fungoides als BK 5101 und Ansprüche auf Leistungen diesbezüglich pauschal verneint worden sind. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK und die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, hier zwischen dem Kläger und der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger in Bezug auf die streitige BK (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Dies ermöglicht es dem Versicherten, das Vorliegen einer bestimmten BK als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab klären zu lassen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R). Weil die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil die behauptete BK nicht vorliege, liegt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung vor.
Allerdings hat das Sozialgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für den hier vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung der Mycosis fungoides als BK 5101 dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für diese Leistung nicht erfüllt, weil es an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung fehlt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Auch nach Auffassung des Senats ist ein Zusammenhang zwischen den Stoffen, denen der Kläger im Rahmen der versicherten beruflichen Tätigkeit in der Vergangenheit ausgesetzt war und weiterhin ausgesetzt ist und der Erkrankung an Mycosis fungoides nicht wahrscheinlich. Zwar genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der hier in Frage stehenden schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann sich der Senat wie bereits das Sozialgericht vom Vorliegen einer BK 5101 bezogen auf die Mycosis fungoides nicht überzeugen. Bei der Mycosis fungoides handelt es sich um eine endogen schicksalhaft auftretende Tumorerkrankung der Haut unklarer Genese; insbesondere kann deren Auftreten nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht mit Infektionserregern oder mit Umwelteinflüssen und folglich auch nicht mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Verbindung gebracht werden. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. Haußmann. Der Sachverständige hat dabei seine Einschätzung auf aktuelle wissenschaftliche Literatur gestützt. Bedenken daran, dass die Darstellung des Sachverständigen nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht, bestehen nicht. So wird auch in der aktuellen Ausgabe des Standardwerks Pschyrembel die Mycosis fungoides als Erkrankung unbekannter Ätiologie bezeichnet (Pschyrembel, 265. Aufl. 2014, S. 1420). Letztlich räumt auch der Kläger die unklare Ätiologie in seiner Berufungsbegründung ein, wenn er vorträgt, die Wissenschaft gehe von einer multikausalen Pathogenese aus, bei der auch Umwelteinflüsse das Auftreten der Erkrankung fördern können. Ungeachtet dessen, dass der Kläger keinerlei Nachweise für seine Behauptung einer (Mit-)Kausalität von Umwelteinflüssen liefert - auch in der vorgelegten populärwissenschaftlichen Darstellung in Wikipedia (die der Senat bereits deshalb seiner Entscheidung nicht zugrunde legen kann, da weder der Urheber noch dessen wissenschaftliche Qualifikation bekannt ist) wird lediglich darauf hingewiesen, dass bei vielen Patienten sich eine vermehrte Exposition gegenüber Chemikalien gefunden habe - genügt dieser Vortrag auch in Ansehung des § 9 Abs. 3 SGB VII nicht den vorstehend dargestellten Anforderungen an eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer haftungsausfüllenden Kausalität, sondern lässt eine Kausalität von Umwelteinflüssen allenfalls möglich erscheinen.
Soweit der Kläger hilfsweise die Feststellung einer Wie-BK begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Denn nachdem die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden ausdrücklich allein die Anerkennung einer BK 5101 ablehnte, fehlt es hinsichtlich der begehrten Feststellung einer Wie-BK an der auch im Rahmen der Feststellungsklage zwingenden Prozessvoraussetzung eines gerade die jetzt geltend gemachte BK ablehnenden Verwaltungsakts (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R; Beschluss vom 27.06.2006, B 2 U 77/06 B in SozR 4-1500 § 55 Nr. 4).
Im Übrigen würden auch die Voraussetzungen für die Feststellung der Mycosis fungoides als Wie-BK fehlen. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer Generalklausel erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist (BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R m.w.N.). Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten. Voraussetzung für die Anerkennung als Wie-BK ist damit unter anderem der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit. Der Beleg eines somit erforderlichen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der Erkrankung kann aber hier gerade nicht erbracht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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