L 5 R 2239/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 687/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2239/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Säumniszuschläge sind auf verspätet entrichtete Nachversicherungs-
beiträge zu zahlen, wenn den Nachversicherungspflichtigen ein
Organisationsverschulden trifft. Dies ist der Fall, wenn die Nachversi-
cherungspflicht geprüft wird und die Akte während des Verwaltungs-
verfahrens auf nicht nachvollziehbare Weise über Jahre unbearbeitet bleibt.
Dieses Organisationsverschulden steht der kurzen Verjährung nach
§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entgegen.

Rechtskräftig
Die dagegen erhobene NZB wurde vom BSG mit Beschluss v. 15.07.2014 - B 13 R 181/14 B als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Im Streit stehen Säumniszuschläge in Höhe von 10.491,44 EUR.

Der 1967 geborene Versicherte K. Sch. (im Folgenden: S.) stand seit dem 01.10.1994 als Rechtsreferendar im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Dienst des Klägers und schied nach erfolgreicher Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung mit Ablauf des 04.11.1996 aus dem Beamtenverhältnis ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus.

Der Kläger forderte S. mit Schreiben vom 22.11.1996 auf, sich zur Durchführung der Nachversicherung zu erklären. S. antwortete auf das Schreiben nicht. In der Folge wurden noch ein Schreiben des S. vom 06.12.1996 zu den Akten genommen, in dem er um eine Bescheinigung für das Arbeitsamt bat sowie eine Annahmeverfügung vom 09.12.1996 für 201,07 DM überzahlte Bezüge, ferner Übersichten von Gehaltskonten für die Jahre 1996, 1997 und 1998. Obwohl auf dem Schreiben vom 22.11.1996 die Wiedervorlage auf den 22.01.1997 verfügt war, wurde der Vorgang bei dem Kläger in der Folgezeit nicht weiter verfolgt, vielmehr wurde die Akte im Archiv verwahrt, wo sie wieder aufgefunden wurde, nachdem S. mit Schreiben vom 21.03.2010 bei dem Kläger um Nachversicherung für den Zeitraum vom 01.10.1994 bis zum 04.11.1996 bat. Im Rahmen der darauf erfolgten Überprüfung stellte sich heraus, dass eine Nachversicherung nicht erfolgt war. Der Kläger führte daraufhin die Nachversicherung am 12.04.2010 durch. Mit Wertstellung vom 14.04.2010 sind die Nachversicherungsbeiträge i.H.v. 7.497,57 EUR bei der Beklagten eingegangen.

Mit Anhörungsschreiben vom 28.09.2010 teilte die Beklagte dem Landesamt mit, dass sie wegen verspäteter Zahlung der Nachversicherungsbeiträge beabsichtige, einen Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 EUR zu erheben. Gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V. m. § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergebe sich unter Zugrundelegung eines Eintritts der Fälligkeit der Nachversiche¬rungsbeiträge am 05.11.1996, des Beginns der Säumnis am 05.02.1997 und der Wertstellung vom 14.04.2010 eine Säumnis von 159 Monaten. Der Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 EUR errechne sich durch Vervielfältigung der auf 50,00 EUR abgerundeten Nachversicherungsschuld i.H.v. 12.915,60 DM zu Beginn der Säumnis am 05.02.1997 mit der Anzahl der Säumnismonate und 1 %. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht. Mit Bescheid vom 18.01.2011 forderte die Beklagte sodann einen Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 EUR.

Am 03.02.2011 hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Forderung sei verjährt. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, verjähren, sei nicht einschlägig. Die Nachversicherungsbeiträge seien nicht vorsätzlich vorenthalten worden. Zum Vorsatz gehöre das "Wissen und Wollen" der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) würden Beiträge vorsätzlich vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführe. Erforderlich sei insoweit zwar nicht die Absicht zur Hinterziehung von Beiträgen, allerdings müsse ein gewisses voluntatives Element vorhanden sein. Ausgehend hiervon liege kein Vorsatz vor. Aus dem Umstand, dass die Nachversicherung bei S. zunächst unterblieben sei, könne nicht gefolgert werden, dass der Kläger die Nachversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht abgeführt habe. Es liege auch kein Organisationsverschulden ihrerseits vor. Insoweit werde auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 16.11.2007 (L 4 R 2218/05) verwiesen, worin die genannten Vorkehrungen ausführlich erläutert und für ausreichend erachtet worden seien. Dass hingegen trotz dieser zahlreichen orga-nisatorischen Maßnahmen Fehler passieren könnten, könne - da letztlich hinter einer Bearbeitung immer auch Menschen stünden - niemals vollständig ausgeschlossen werden. Allerdings rechtfertigten diese Einzelfälle keinesfalls eine Annahme eines wie auch immer gearteten Vorsatzes, sondern ließen allenfalls auf Fahrlässigkeit schließen. Somit liege kein vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge hinsichtlich des damaligen Unterbleibens der Nachversicherung vor, sondern vielmehr ein individueller Bearbeitungsfehler, der als unbewusst fahrlässig einzustufen sei. Unbewusst fahrlässig handele derjenige, der die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande sei, außer Acht lasse und infolgedessen die Tatbestandsverwirklichung nicht voraussehe. Der zuständige Mitarbeiter habe zwar die Sorgfalt beachten müssen, den vorliegenden Fall einer Entscheidung über die Nachversicherung zuzuführen, diese Sorgfalt habe er allerdings nur versehentlich verletzt. Schließlich spreche auch der Umstand, dass der Kläger im Jahr 2010 die Nachversicherungs¬beiträge entrichtet habe, gegen eine vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge.

Mit Urteil vom 25.04.2013 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2011 aufgehoben. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die festgesetzten Säumniszuschläge zu erheben. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB IV lägen zwar vor. Gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV sei ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt werde, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft mache, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Ein solcher Fall liege hier vor. Da der Kläger selbst als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Kenntnisse von bestimmten Umständen haben könne, könne es von vornherein nur darum gehen, inwieweit ihm das Wissen ihrer Organwalter bzw. Bediensteten entsprechend § 166 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zuzurechnen sei (unter Verweis auf BSG Urt. v. 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R). Eine positive Kenntnis vom Nachversicherungsfall des Versicherten des seinerzeit bei dem Kläger zuständigen Amtswalters sei vorliegend nicht ersichtlich, nachdem die Erklärung des S. zur Durchführung der Nachversicherung unwidersprochen damals nicht abgegeben und der Vorgang aus nicht mehr aufklärbaren Umständen bei dem Kläger nicht abgeschlossen worden sei. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließe indes auch das Außerachtlassen ausreichen¬der organisatorischer Vorkehrungen (sog. Organisationsverschulden) eine unverschuldete Un¬kenntnis im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV aus (unter Verweis auf BSG Urt. v. 01.07.2010 - B 13 R 67/09 R). Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation habe sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie müsse es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folge die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Dazu könne ein Informationsfluss von unten nach oben, aber auch ein horizontaler Austausch erforderlich sein. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedinge entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehle, müsse sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind, zurechnen lassen (unter Verweis auf BSG Urt. v. 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R; BGH Urt. v. 02.02.1996 - V ZR 239/94). Die Organisation müsse folglich darlegen, welche Organisationsstrukturen sie geschaffen habe, um entsprechende Informationen aufzunehmen und intern weiterzugeben (unter Verweis auf BGH Urt. v. 15.12.2005 - IX ZR 227/04).

Unter Anlegung dieses Prüfmaßstabs sei vorliegend nicht von einem Organisationsverschulden des Klägers auszugehen. Im Zuge einer Organisationsänderung im Jahr 1996 seien die Mitarbeiter beim Landesamt zunächst umfangreich geschult und mit einer "Arbeitshilfe Nachversicherung" ausgestattet worden. Darin enthalten seien u.a. auch Verfahrensbeschreibungen, die darlegten, wann wer welche Arbeitsschritte durchzuführen habe. Geregelt sei insbesondere, dass der kontoführende Mitarbeiter die Nachversicherungs- bzw. Aufschubdaten ermittele und in das EDV-System eingebe. Eine maschinelle Überweisung der Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger könne dabei nur nach Überprüfung und Freigabe durch den zuständigen Nachversicherungssachbearbeiter nach dem Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Außerdem seien seit 1996 Stichproben- und Schwerpunktkontrollen des Arbeitsbereiches "Vorgangsprüfung zur Qualitätssicherung und internes Kontrollsystem" bzw. des Staatlichen Rechnungsprüfungsamtes vorgesehen. Eine zusätzliche Überwachung finde seitens der Nachversicherungsarbeitsgebiete dergestalt statt, dass die EDV-Abteilung des Landesamtes Überwachungslisten über die Fälle erstelle, in denen nach dem unversorgten Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums noch keine Eingabe in das Nachversicherungsprogramm (Aufschub oder Nachversicherung) getätigt worden sei. Diese Listen gingen dann an die Nachversicherungsarbeitsgebiete, die den Sachverhalt überprüften und gegebenenfalls die betroffenen Arbeitsgebiete dazu anhielten, die Nachversicherung bzw. den Aufschub fristgerecht durchzuführen. Den Nachversicherungsarbeitsgebieten sei es dabei jederzeit möglich, bei der EDV-Abteilung selektiv Fallgestaltungen abzufragen, bei denen nach der Beendigung des Dienstverhältnisses keine Nachversicherung erfolgt sei. Aufgrund des EDV-Systems bedürfe es auch keiner Aktenanforderung seitens der jeweils involvierten Stellen mehr.

Dies alles entnehme das SG den von dem Kläger eingereichten Unterlagen – insbesondere der Stellungnahme der Abteilung 3 des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 13.08.2007 sowie der Arbeitsanwei¬sung vom 05.02.1996 – und den Feststellungen des 4. Senats des LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 16.11.2007 (L 4 R 2218/05), welches ebenfalls den Kläger des vor¬liegenden Verfahrens betraf. Ebenso wie das LSG sei die erkennende Kammer der Überzeugung, dass der Kläger jedenfalls mit den ab dem Jahr 1996 ergriffenen Maßnahmen den erforder¬lichen Anforderungen an eine wirksame (Ablauf-)Organisation in gebotenem Maße nachgekom¬men sei und ausreichende Sicherungsvorkehrungen zum Schutz vor Nachversicherungsversäum¬nissen getroffen habe. Alleine der Umstand, dass die getroffenen Maßnahmen im vorliegenden Fall aus nicht mehr aufklärbaren Umständen nicht gegriffen hätten, begründe kein Organisati¬onsverschulden, denn ein solches liege nur dann vor, wenn die ergriffenen Maßnahmen struk¬turell und im Allgemeinen versagten. Ansonsten wäre es einer Körperschaft wie dem Kläger, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben verschiedener (Unter-)Organisationen und natürlicher Perso¬nen bediene - was naturgemäß zu einer entsprechenden Fehlerquote führen könne -, faktisch nie möglich, sich auf unverschuldete Unkenntnis zu berufen. Damit liefe aber die Vorschrift des § 24 Abs. 2 SGB IV bei juristischen Personen praktisch leer und stelle diese ohne Not schlechter, als eine (einzelne) natürliche Person. Nach alledem sei das SG davon überzeugt, dass der Kläger hier in Ansehung ausreichender organisatorischer Maßnahmen für die Durchführung der Nachversicherung unverschuldete Un¬kenntnis vom Nachversicherungsfall und von der Beitragszahlungspflicht gehabt habe. Zu seinen Guns¬ten greife somit der Schuldnerschutz des § 24 Abs. 2 SGB IV ein, sodass Säumniszuschläge nicht zu erheben seien.

Am 27.05.2013 hat die Beklagte gegen das ihr am 06.05.2013 zugestellte Urteil beim LSG Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG übersehe, dass sich in dem zitierten Fall des BSG (Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R) der Dienstherr für die Betreuung der aktiven Beamten und der Durchführung der Nachversicherung ausgeschiedener Beamter unterschiedlicher Behörden bedient habe und die für die Nachversicherung zuständige Dienststelle von der bis dahin zuständigen Behörde nicht über das unversorgte Ausscheiden des Beamten informiert worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Frage des Organisationsverschuldens relevant sein könne, wenn wie vorliegend nicht verschiedene Behörden, sondern nur verschiedene Sachgebiete derselben Behörde zuständig seien. Jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – der für die Nachversicherung zuständige Sachbearbeiter Kenntnis von dem unversorgten Ausscheiden des Beamten gehabt habe, könne die Organisation des Dienstherrn keine Rolle spielen. Hier sei S. von dem Kläger mit Schreiben vom 22.11.1996 um Abgabe einer Erklärung zur Nachversicherung gebeten worden. Der zuständige Amtsleiter habe also von dem unversorgten Ausscheiden gewusst. Das Verfahren sei "in Gang gesetzt" worden. Dass die Nachversicherung dann trotz fehlender Rückäußerung unterlassen worden sei, sei zumindest fahrlässig, so dass von einer Kenntnis bzw. einer schuldhaften Unkenntnis der Zahlungspflicht auszugehen sei. Dabei genüge leichte Fahrlässigkeit. Ein versehentliches Übersehen eines Nachversicherungsfalles dürfte den Tatbestand der (leichten) Fahrlässigkeit erfüllen, weil die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden sei (unter Verweis auf LSG Schleswig-Holstein Urt. v. 30.11.2009 – L 8 R 212/08). Da der Kläger die verspätete Zahlung verschuldet habe, sei auch die lange Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV anzuwenden (unter Verweis auf BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, der Fall des BSG (Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R) sei übertragbar. Dort habe sich der Dienstherr entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht unterschiedlicher Behörden bedient. Auch sei die für die Nachversicherung zuständige Dienststelle von der bis dahin zuständigen Behörde über das unversorgte Ausscheiden des Beamten informiert worden. Desweiteren sei keine positive Kenntnis des klagenden Landes vom Nachversicherungsfall gegeben. Die Erklärung zur Durchführung der Nachversicherung sei durch S. nicht abgegeben worden. Das in Gang gesetzte Verfahren sei aufgrund einer Überzahlung und Rückforderung versehentlich nicht weiter betrieben worden. Dies sei auch in dem vom LSG entschiedenen Fall so gewesen (Urt. v. 16.11.2007 – L 4 R 2218/05). Das SG sei außerdem zu Recht davon ausgegangen, dass ein Organisationsverschulden seitens des Klägers nicht vorliege. Auch dies habe das LSG in der genannten Entscheidung bestätigt. Das versehentliche Übersehen eines Nachversicherungsfalls erfülle entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht den Tatbestand der leichten Fahrlässigkeit (unter Verweis auf LSG Baden-Württemberg Urt. v. 16.11.2007 – L 4 R 2218/05).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die den S. betreffenden Verwaltungsakten der Klägerin, die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig und begründet. Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Der angefochtene Bescheid vom 18.01.2011 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte war berechtigt, die festgesetzten Säumniszuschläge zu erheben.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Auch auf verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge sind Säumniszuschläge zu zahlen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.12.2007, BGBl. I S 3024; für die Zeit vor 01.01.2008: BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150). Dies gilt auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215). Die Nachversicherungsbeiträge sind gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu zahlen ("fällig"), wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Beiträge sind regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu zahlen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI).

Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist der Kläger als ehemaliger Dienstherr des S. Die Nachversicherungsschuld des Klägers ist am 05.11.1996 entstanden, da S. am 04.11.1996 aus dem Beamtenverhältnis unversorgt ausschied. Damit wurden die Beiträge zur Nachversicherung fällig; Gründe für einen Aufschub lagen nicht vor.

Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist bei einer durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellten Beitragsforderung ein Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Auch diese Vorschrift ist auf Nachversicherungsbeiträge entsprechend anzuwenden (BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150; BSG Urt. v. 29.11.2007 – B 13 R 48/06 R, BSGE 99, 227).

Zur Prüfung der Frage, ob "unverschuldet keine Kenntnis" von einer Zahlungspflicht vorgelegen hat, werden von der Rechtsprechung unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Während der 13. Senat des BSG § 276 BGB für anwendbar hält, so dass auch fahrlässiges Verhalten zur Erhebung von Säumniszuschlägen führen kann (BSG Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, juris-Rn. 23), greift der 12. Senat "in Ermangelung anderer Maßstäbe" auf diejenigen zurückzugreifen, die für die Beurteilung des Vorsatzes i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt wurden, so dass (mindestens) bedingter Vorsatz erforderlich wäre (BSG Urt. v. 26.01.2005 – B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; BSG Urt. v. 09.11.2011 – B 12 R 18/09 R, juris-Rn. 28). Welcher Auffassung zu folgen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Die Exkulpationsmöglichkeit über den § 24 Abs. 2 SGB IV scheitert vorliegend schon daran, dass dem Kläger die Kenntnis ihres zuständigen Amtswalters von der Nachversicherungspflicht zuzurechnen ist. Der Kenntnis steht nicht entgegen, dass der Amtswalter in Ermittlungen über das Vorliegen eines Aufschubgrundes i.S.v. § 184 Abs. 2 SGB VI eingetreten war. Die bloße Möglichkeit von Gründen für einen Aufschub änderte an der Fälligkeit der Beiträge nichts. Der Aufschub tritt nicht bereits dann ein, wenn Ermittlungen über das Vorliegen eines solchen Grundes aufgenommen werden oder einer der gesetzlichen Tatbestände tatsächlich erfüllt ist. Vielmehr muss der Arbeitgeber (hier der Kläger) eine rechtlich relevante Aufschubentscheidung getroffen haben (BSG Urt. v. 29.07.1997 – 4 RA 107/95, juris-Rn. 26). Hieran fehlt es vorliegend. Damit blieb es bei der sofortigen Fälligkeit der Beiträge mit dem unversorgten Ausscheiden des S. Beide für die Zahlungspflicht relevanten Tatsachen, das unversorgte Ausscheiden des S. und das Fehlen einer Aufschubentscheidung, waren dem zuständigen Amtswalter bekannt. Er hatte damit Kenntnis von der Zahlungspflicht.

Die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV sind somit erfüllt. Die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge ist ebenfalls zutreffend. Der Senat verweist auf die Berechnung im angefochtenen Bescheid. Einwände hat der Kläger insoweit nicht erhoben.

Der Erhebung von Säumniszuschlägen steht auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen.

Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. In 30 Jahren tritt Verjährung ein, wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptforderung, so dass die Regelungen auch auf die Säumniszuschläge Anwendung finden; der Beitragsschuldner kann auf die Hauptleistung zahlen, etwa weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist, sich aber gleichwohl wegen einer Nebenforderung auf die Verjährung berufen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 24). Für die 30jährige Verjährungsfrist genügt bedingter Vorsatz (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Für den bedingten Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat; ferner reicht es aus, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Jedenfalls wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 31). Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 32). Daher muss es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch bei einer juristischen Person oder Körperschaft öffentlichen Rechts ausreichen, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird. Denn ebenso wie bei der Frage, ob § 24 SGB IV auf Körperschaften öffentlichen Rechts als Nachversicherungsschuldner anzuwenden ist, besteht auch im Rahmen des § 25 SGB IV kein Grund zu ihrer Bevorzugung (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 33). Im Gegenteil obliegt dem früheren Dienstherrn des nachzuversichernden Beamten diesem gegenüber eine nachwirkende Fürsorgepflicht, die Nachversicherung nicht nur überhaupt, sondern auch unverzüglich durchzuführen; denn der Betroffene bedarf bereits unmittelbar nach dem Ausscheiden einer tragfähigen Absicherung gegen die Risiken einer Erwerbsminderung oder des Todes (insoweit für die Hinterbliebenen). Auch der Realisierung dieser Verpflichtung dient ihre möglichst effektive Bewehrung mit Säumniszuschlägen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 34).

Der Kläger hatte innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis davon, dass im Falle des S. eine Nachversicherung durchzuführen ist (s.o.). Er hat es zudem infolge eines Organisationsverschuldens unterlassen, die Sicherstellung der Zahlung zu gewährleisten. Damit kommt die genannte Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris) zur Anwendung mit der Folge, dass die 30-jährige Verjährungsfrist greift und die Beklagte damit zu Recht Säumniszuschläge festgesetzt hat.

Der bekannte Sachverhalt schließt sogar ein bedingt vorsätzliches Handeln des zuständigen Amtswalters nicht aus, so dass dem Kläger nicht nur seine Kenntnis von der Nachversicherungspflicht, sondern auch das voluntative Element des Vorsatzes zuzurechnen wäre. Zwar steht einer vollständigen konkret-individuellen Prüfung hier rein tatsächlich entgegen, dass die Gründe für die unterbliebene Fortführung der Bearbeitung des Nachversicherungsfalls von S. nicht mehr aufklärbar sind, insbesondere die handelnden Personen und deren Motive unbekannt bleiben. Ansätze für weitere Ermittlungen sind nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht aufgezeigt worden. Nach allem, was sich aus den Akten erschließen lässt, steht allerdings fest, dass der Sachbearbeiter jedenfalls Kenntnis davon hatte, dass im Falle des S. eine Nachversicherung durchzuführen ist. Zur Prüfung eines Aufschubgrundes wurde das Schreiben vom 22.11.1996 verfasst und ein Wiedervorlagetermin vorgemerkt. Dass es hier um die Prüfung einer Nachversicherung geht und diese Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, musste jedem klar sein, der danach die Akte in die Hand genommen hat. Viel spricht dafür, dass derjenige, der die Akte ohne Abschluss der angefangenen Ermittlungen weggelegt und für eine (ordnungsgemäße) Verwahrung im Archiv gesorgt hat, mit bedingtem Vorsatz billigend in Kauf genommen hat, dass hier die Frage des Aufschubgrundes ungeprüft bleibt und dass deswegen die erforderliche Nachversicherung unterbleibt.

Der Kläger hat es aber jedenfalls infolge eines Organisationsverschuldens unterlassen, die Sicherstellung der Zahlung zu gewährleisten.

Eine Körperschaft hat sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind, zurechnen lassen (im Ganzen zu § 24 Abs. 2 SGB IV: BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 19, m.w.N.).

Der Kläger beruft sich vorliegend darauf, er habe umfangreiche organisatorische Maßnahmen unternommen, um die ordnungsgemäße Sicherstellung der Nachversicherung in seinem Haus zu gewährleisten, was er im Verfahren L 4 R 2218/05 eingehend dargelegt habe. Im Tatbestand des Urteils in dieser Sache vom 16.11.2007 ist dazu ausgeführt: "Der Kläger hat auf Anforderung des Berichterstatters eine Stellungnahme zum Umfang der angewandten Kontrollmaßnahmen der Abteilung 3 vom 13. August 2007, eine Arbeitsanweisung im Hinblick auf die Durchführung der Nachversicherung bzw. die Erteilung einer Aufschubbescheinigung vom 26. November 1993 und eine weitere Arbeitsanweisung betreffend die Nachversicherung von Beamten auf Widerruf vom 05. Februar 1996 vorgelegt. In der Stellungnahme hat die Fachabteilung ausgeführt, generell sei die Verfahrenskontrolle so geregelt gewesen, dass für die Durchführung der Nachversicherung bzw. die Erteilung einer Aufschubbescheinigung bis zum Jahr 1995 die Zuständigkeit eines zentralen Arbeitsbereichs gegeben gewesen sei. Die Besoldungsakten der in Frage kommenden Fälle seien an diese Stelle abgegeben worden. Das Verfahren sei maschinell unterstützt und abgesichert gewesen, indem anhand der Wegfallschlüssel für die Nachversicherungsarbeitsgebiete Wegfallmitteilungen und Erhebungsunterlagen erstellt worden seien. Ab dem Jahr 1996 sei die Nachversicherung von Beamten auf Widerruf in die Zuständigkeit der Besoldungsarbeitsgebiete übertragen worden. Deshalb seien in den Monaten Juni und Juli 1995 umfangreiche Schulungsmaßnahmen durchgeführt und jedem Bearbeiter eine umfangreiche "Arbeitshilfe Nachversicherung" an die Hand gegeben worden. Diese Arbeitshilfe habe u.a. auch Verfahrensbeschreibungen darüber, wann und wer welche Arbeitsschritte durchzuführen habe, enthalten. So sei dort geregelt, dass der Kontenführer (Bearbeiter) die Nachsicherungs- bzw. Aufschubdaten ermittle und in das EDV-Verfahren eingebe sowie dass die maschinelle Überweisung der Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger nur nach Überprüfung und Freigabe durch die Sachbearbeiter erfolgen könne. Außerdem sei es sowohl dem Arbeitsbereich "Vorgangsprüfung zur Qualitätssicherung und internes Kontrollsystem" beim Landesamt für Besoldung und Versorgung als auch dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt St. anhand von Stichproben- und Schwerpunktkontrollen jederzeit möglich, die ordnungsgemäße Durchführung der Nachversicherung zu überprüfen. Im Übrigen werde gerade im Hinblick auf die Erhebung von Säumniszuschlägen die fristgerechte Abarbeitung der Nachversicherungsfälle durch den Fachbereich zusätzlich durch die Nachversicherungsarbeitsgebiete überwacht. Hierzu würden durch die EDV-Abteilung Überwachungslisten über die Fälle erstellt, in denen nach dem unversorgten Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums noch keine Eingabe in das Nachversicherungsprogramm (Aufschub oder Nachversicherung) getätigt worden sei. Die Listen gingen an die Nachversicherungsarbeitsgebiete, die den Sachverhalt überprüften und gegebenenfalls die betroffenen Arbeitsgebiete dazu anhielten, die Nachversicherung bzw. den Aufschub fristgerecht durchzuführen. Den Nachversicherungsarbeitsgebieten sei es jetzt möglich, bei der EDV-Abteilung selektiv Fallgestaltungen abzufragen, bei denen nach der Beendigung des Dienstverhältnisses keine Nachversicherung erfolgt sei. Ein seit Herbst 2006 im Einsatz befindliches EDV-System enthalte auch eine Anwendung zur Terminüberwachung, die für die Überwachung des fristgerechten Rücklaufs der versandten Erklärungsvordrucke zur Nachversicherung genutzt werde, und biete wegen der Erfassung der eingehenden und ausgehenden Post hinsichtlich der Nachversicherung auch den Vorteil, dass die Nachversicherungsarbeitsgebiete jederzeit Einblick in den Bearbeitungsstand des Fachbereichs nehmen könnten, ohne hierzu dort Akten anfordern zu müssen. Wegen der weiteren beruflichen Verwendung der Studienreferendare und Lehreranwärter nach Ende der Ausbildung würden vom Landesamt für Besoldung und Versorgung jährlich im April bei den Regierungspräsidien so genannte Einstellungslisten angefordert. Durch die Einführung eines Personalverwaltungssystems auch im Lehrerbereich habe sich hinsichtlich der nachversicherungsrechtlichen Behandlung des vorgenannten Personenkreises eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung ergeben."

Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger umfangreiche organisatorische Maßnahmen getroffen hat, um die Nachversicherung ordnungsgemäß abzuwickeln. Diese organisatorischen Maßnahmen haben – wie der vorliegende Fall zeigt – jedoch teilweise nicht gegriffen und sind unvollständig geblieben, weil offensichtlich eine abschließende Ergebniskontrolle nicht stattgefunden hat. Nur so ist erklärbar, dass eine Akte unbearbeitet ins Archiv gelangen konnte. Zunächst ist festzuhalten, dass offensichtlich die Schulungen der Mitarbeiter erfolgreich waren, was der vorliegende Fall zeigt, da der Sachbearbeiter entsprechend seiner Zuständigkeit den Vorgang bis zum Schreiben vom 22.11.1996 sachgerecht bearbeitet hat. Indes haben die anderen organisatorischen Vorkehrungen wie EDV-Überwachungslisten, sonstige interne Kontrolllisten oder stichprobenweise Prüfungen eben so wenig funktioniert wie die allgemeinen Grundsätze über die Ablage von Vorgängen im Archiv.

Fest steht, dass das Verwaltungsverfahren nach der Wiedervorlageverfügung auf dem Entwurf des Schreibens vom 22.11.1996 nicht mehr weiter bearbeitet wurde. Ebenso ist gesichert, dass die Akte im Archiv so verwahrt wurde, dass sie nach 14 Jahren wieder gefunden werden konnte. Wenn eine Akte unbemerkt im Archiv verschwindet, dann war der Vorgang auch sonst im Hause nicht registriert, weswegen niemand nach überschaubarer Zeit Veranlassung hatte, nach dem Sachstand nachzufragen. Aber auch bei der Archivverwaltung darf es nicht passieren, dass eine laufende Akte einfach weggelegt wird. Jedenfalls sind die sonst üblichen Verfahren einer abschließenden Prüfung des Vorgangs vor der Archivierung nicht beachtet worden. Ohne eine dokumentierte abschließende Prüfung und ohne eine ausdrückliche Verfügung durch den zuständigen oder einen besonders beauftragten Sachbearbeiter darf üblicherweise - wie dem Senat aus der Praxis der Gerichte und der Praxis der Sozialverwaltungen bekannt ist - ein Vorgang im Archiv auf Dauer nicht in Verwahrung genommen werden.

Dass im Zusammenhang mit Nachversicherungsfällen es den Behörden verwehrt ist, sich darauf zu berufen, die Nachversicherung sei aus nicht weiter nachvollziehbaren Gründen unterblieben, zeigt die Rechtsprechung des BSG, wenn dort zu § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ausgeführt wird: "Jedenfalls wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 31). Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 32)."

Gleiches muss nach Auffassung des Senats gelten, wenn – wie hier – der Schuldner wusste, dass eine Zahlungspflicht besteht, die Zahlung aber nicht erfolgt ist, weil die Akte abhanden gekommen ist.

Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung gegen die hier vorgenommene Auslegung des § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV wandte, verkennt er, dass die strengen Maßstäbe hier von der Rechtsprechung des BSG entwickelt wurden und das BSG Abweichungen nur im Fall der Nichtzahlung trotz Kenntnis bei Zahlungsunfähigkeit bzw. die Störung der Zahlung durch eine Bank (vgl. BSG Urt. v. 17.04.2008 - B 23 R 123/07 R, Juris-Rn. 30) akzeptiert. Soweit der 4. Senat des LSG in der Entscheidung vom 16.11.2007 – L 4 R 2218/05 die Auffassung vertreten hat, allein aus der nicht mehr möglichen Nachvollziehbarkeit des Vorgangs sei es nicht möglich, auf eine innere Willensrichtung zu schließen, kann ihm angesichts der klaren Aussage des BSG in der Entscheidung vom 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R zur Bewertung angeblich verlegter Unterlagen nicht mehr gefolgt werden. Die Rechtsprechung des 4. Senats des LSG ist durch die zeitlich spätere Rechtsprechung des BSG in der genannten Entscheidung vom 17.04.2008 überholt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1, Abs. 2 Nr. 3, 2, Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Hs. 1 Gerichtskostengesetz).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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