L 13 R 1008/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 5213/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1008/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Februar 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit streitig.

Die 1965 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben in ihrem Heimatland B. eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Im Jahre 1987 ist sie in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt und war hier als Montiererin (ohne Anlernzeit) versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezog sie bis zum 23. Oktober 2009 Krankengeld und im Anschluss daran Arbeitslosengeld bis 22. Oktober 2010.

Am 18. Mai 2010 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog daraufhin ärztliche Unterlagen über ambulante und stationäre Behandlungen bei, u.a. über eine am 31. Juli 2008 erfolgte Thermodenervation der Rami dorsalis der lumbalen Facettengelenke L4 bis S1 sowie den Entlassungsbericht der F.-Klinik B. B. über die dort durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 10. Dezember 2008 bis 31. Dezember 2008 (Diagnosen: Chronisches pseudoradikuläres LWS-Syndrom links, chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen vom Typ der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, latente Hyperthyreose, Adipositas und Nikotinabusus). Von den behandelnden Ärzten der Rehabilitationsmaßnahme wurde die Klägerin für fähig angesehen, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Einschränkungen würden sich für Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen ergeben.

Die Beklagte hat weiter die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch die Ärztin für Orthopädie Dr. H. veranlasst sowie den Entlassbericht über die teilstationäre Behandlung vom 29. März 2010 bis 28. April 2010 im Universitätsklinikum H. beigezogen. Die Ärztin für Orthopädie Dr. H. hat in ihrem Gutachten vom 3. März 2010, das aufgrund des Antrags auf medizinische Rehabilitationsmaßnahmen erstellt wurde, ausgeführt, die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten (Diagnosen: leichtgradig eingeschränkte Beweglichkeit der LWS, chronisch rezidivierende Lumboischialgie links ohne sensomotorische Ausfälle, im bildgebenden Verfahren nachgewiesener Bandscheibenvorfall L5/S1 medial, degenerative Veränderungen mit Foramen- und Spinalkanalstenosen mäßiger Ausprägung, rezidivierende Dorsalgien zwischen den Schulterblättern bei kernspintomographisch nachgewiesenem NPP TH12 L1, TH8/9). In dem Entlassbericht über die ambulante Behandlung in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums H. hat der dortige Leiter Prof. Dr. Sch. ausgeführt, durch regelmäßiges Gehtraining und tägliches Belastungstraining im Gelände sei eine physische Rekonditionierung erreicht worden. Das vermeidende Verhalten habe verändert werden können, die depressive Stimmung habe sich verbessert. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 14. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2010 ab.

Wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten hat die Klägerin am 9. Dezember 2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin befragt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. hat in seiner Auskunft vom 24. Mai 2011 mitgeteilt, die Klägerin sei für eine Arbeitszeit unter drei Stunden und das nicht täglich arbeitsfähig. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ihren täglichen häuslichen Pflichten nachzukommen, sodass auch die Ausübung einer Arbeit nicht möglich sei. Ursächlich für die Schmerzen sei die im August 2008 durchgeführte Thermodenervation im Lumbalbereich. Die Stimmungslage habe sich ebenfalls deutlich verschlechtert. Der Internist W. R. hat unter dem 7. Juli 2011 mitgeteilt, soweit für ihn aus den vorliegenden Arztbriefen zu ersehen sei sowie von der Patientin zu erfahren, sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden. Das SG hat weiter Beweis erhoben und von der Fachärztin für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie Dr. Sch. ein Sachverständigengutachten angefordert. In ihrem Gutachten vom 9. Januar 2012 gab diese an, die Klägerin leide an einer schweren Depression, aktuell ohne Suizidialität, sowie an einer somatoformen Schmerzstörung und an einer Adipositas Grad II. Simulationszeichen hätten während der Beobachtung und im Untersuchungsverlauf nicht festgestellt werden können. Es könne festgestellt werden, dass die Behinderungen tatsächlich bestehen und nicht vorgetäuscht würden. Aggravationstendenzen im Verhalten würden der Gutachtenssituation zugeschrieben. Die Ausprägung der Depression werde zum Zeitpunkt der Begutachtung als schwer bewertet.

Mit Urteil vom 8. Februar 2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Mai 2010 bis 30. April 2013 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das SG ausgeführt, dem Sachverständigengutachten der Dr. Sch. sei zu folgen. Die Klägerin sei wegen ihrer Schmerzerkrankung seit mindestens Juli 2008 (Zeitpunkt der Thermodenervaration in der LWS) nicht mehr in der Lage, in einem Umfang von mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Unabhängig davon, ob die Schmerzen auf eine organische Ursache zurückzuführen seien oder eine Erkrankung auf nervenärztlichem Gebiet vorliege, sei das Gericht von der Existenz und den Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin überzeugt. Die Sachverständige habe eine gründliche Anamnese erhoben, die Klägerin körperlich untersucht und die übrigen ärztlichen Unterlagen ausgewertet sowie sich mit der Frage einer Simulation und Aggravation auseinandergesetzt. Bereits wegen der Schmerzerkrankung werde die Klägerin daher für erwerbsunfähig gehalten.

Gegen das am 15. Februar 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. März 2012 eingelegte Berufung der Beklagten. Hierzu hat sie die Stellungnahme des Facharztes für Neurologie, Sozialmedizin Dr. W. vorgelegt, der insbesondere einwendet, dass die Sachverständige Dr. Sch. ausgeführt habe, dass die jetzige Leistungseinschränkung bei der Klägerin aufgrund der psychischen Erkrankung bestehe. Weiter habe sie ausgeführt, dass aus Sicht der Gutachterin zunächst eine fachärztliche psychiatrische Beurteilung erfolgen müsse. Bei der Beantwortung der Beweisfragen habe sie sich über diese eigenen Aussagen ohne Erklärung hinweggesetzt. Ebenso hat Dr. W. auf die bestehenden Aggravationstendenzen hingewiesen. Die Sachverständige habe dies auf die Gutachtenssituation bezogen, ohne weiter darauf einzugehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten auf nervenärztlichem und orthopädischem Fachgebiet. Der Neurologe und Psychiater M. hat in seinem Sachverständigengutachten vom 19. August 2012 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie einen Verdacht auf eine anhaltend leichtere depressive Störung im Sinne einer Dysthymia diagnostiziert. Rein auf neurologischem Gebiet habe sich keine Nervenwurzelirritation oder Nervenwurzelkompression dokumentieren lassen. Er gehe nicht davon aus, dass bei der Klägerin eine ausschließliche Simulation oder Aggravation vorliege. Eine Beurteilung sei allerdings ganz erheblich erschwert durch das gleichzeitige Vorliegen mindestens einer erheblichen Aggravation. Die kognitiven Defizite, die festgestellt worden seien, seien auf Simulation zurückzuführen. Die Klägerin sei in der Lage, nur noch körperlich leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, nicht in vorn übergebeugter Körperhaltung, ohne Heben und Tragen von mehr als fünf kg, nicht auf Leitern oder Gerüsten und nicht in Kälte und Nässe auszuführen. Ebenso seien Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wie beispielsweise Akkordarbeit und eine Tätigkeit mit sehr hoher Verantwortung nicht mehr möglich. Die Klägerin sei jedoch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit auszuüben.

Daraufhin erklärte die Klägerin, nach Begutachtung durch den Neurologen und Psychiater M. habe sie sich einer Operation im Bereich der Lendenwirbelsäule durch Implantation einer Bandscheibenprothese im Segment L5/S1 unterzogen. Hierzu hat sie das Attest des Dr. D. vom 14. Oktober 2012 vorgelegt. Der Senat hat daraufhin den Entlassungsbericht des Städtischen Klinikums K., Klinik für Unfall-, Hand- und Orthopädische Chirurgie über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 22. März bis 2. April 2012 beigezogen. Danach ist das Segment L4/5 versteift worden. Die Operation sei komplikationslos verlaufen, nach zunächst starken Schmerzangaben sei die Klägerin durch Umstellung der Medikation zuletzt relativ beschwerdefrei und habe gut mobilisiert werden können. Ferner ist der der Entlassbericht über den stationären Aufenthalt vom 21. August bis 3. September 2012 beigezogen worden. Danach ist wegen einer Bandscheibenprotrusion ohne neurologische Ausfälle im Segment L5/S1 eine Bandscheibenprothese am 22. August 2012 implantiert worden. Die Klägerin sei bereits einen Tag nach der Operation mobilisiert worden. Bis zur Entlassung sei die Klägerin wieder mit Unterarmgehstützen eigenständig mobil gewesen. Längerses Sitzen sollte für die nächsten sechs Wochen vermieden werden. Nach dem Bericht einer ambulanten Kontrolle in derselben Klinik am 23. Juli 2013 sei die Schmerzsymptomatik an der LWS deutlich besser als präoperativ, sie könne wieder laufen; sie könne jedoch nicht sechs Stunden arbeiten.

Daraufhin hat Dr. H. das Sachverständigengutachten vom 4. Oktober 2013 auf Veranlassung des Senats erstattet. Der Sachverständige hat dargelegt, dass bei der Klägerin schmerzhafte Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule mit ausstrahlenden Beschwerden im linken Bein und Zeichen einer vegetativen Nervenschädigung im linken Fuß bei fortgeschrittener degenerativer Bandscheibenerkrankung L4/L5 und L5/S1 sowie Versteifungsoperation L4/L5 und Bandscheibenersatz L5/S1 vorlägen. Ferner bestünden funktionelle Schmerzen in den Schultern, in den Handgelenken, im Brustbein links und in den Fingergelenken ohne Nachweis bedeutsamer struktureller Schäden. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, die Klägerin sei nach Abschluss der postoperativen Heilphase nach dem zweiten operativen Eingriff, also seit Anfang Dezember 2012, wieder in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Bis Ostern 2008 habe die Klägerin eine körperlich deutlich belastende Montagearbeit am Band erbracht. In der Zeit zwischen April 2008 und Dezember 2012 ließen sich Einschränkungen der zeitlichen Dauer der Erwerbstätigkeit allenfalls unter dem Aspekt einer einhergehenden unzumutbaren Schmerzsymptomatik begründen. Diese Schmerzsymptomatik sei in dem genannten Zwischenzeitraum tatsächlich deutlich ausgeprägter gewesen als jetzt. Andererseits falle es schwer zu glauben, dass die Klägerin noch während der Osterferien 2008, ihren Angaben entsprechend, eine 800 km lange Autofahrt toleriert habe und unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Deutschland plötzlich vollständig arbeits- und erwerbsunfähig gewesen sein solle. Plausibel erscheine ihm allenfalls, dass die Klägerin ab April 2008 ihre bis dahin ausgeübte Montagetätigkeit am Fließband nicht mehr habe verrichten können.

Daraufhin hat die Klägerin ein Attest der Fachärztin für Anästhesie, Spezielle Schmerztherapie, B. Sch. vom 3. Dezember 2013 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, dass die Klägerin regelmäßig Schmerzkalender bezüglich der Intensität der Schmerzen geführt habe. Danach habe sie Schmerzangaben von neun bis zehn eingetragen. Eine leichte Besserung sei nach dem letzten operativen Eingriff zu verzeichnen, trotzdem sei die Klägerin aktuell nicht erwerbsfähig.

Der Sachverständige Dr. H. hat unter dem 17. Februar 2014 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass die subjektiven Schmerzangaben der Klägerin nicht geeignet seien, einen Nachweis bezüglich der tatsächlich vorliegenden Schmerzen zu führen. Er halte weiterhin an der im Gutachten beschriebenen Leistungsbeurteilung fest.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin ablehnende Bescheid vom 14. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2010. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in deren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats gesundheitlich in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und ist damit nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens jedenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf ein unter sechsstündiges Maß ist nicht gegeben.

Der Sachverständige Dr. H. hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar in seinem Gutachten vom 4. Oktober 2013 dargelegt, dass bei der Klägerin insbesondere schmerzhafte Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule mit ausstrahlenden Beschwerden im linken Bein und Zeichen einer vegetativen Nervenschädigung im linken Fuß bei fortgeschrittener degenerativer Bandscheibenerkrankung L4/L5 und L5/S1 nach einer Versteifungsoperation L4/5 und Bandscheibenersatz L4/S1 gegeben sind. Daneben liegen funktionelle Schmerzen in den Schultern, in den Handgelenken, im Brustbein links und in den Fingergelenken ohne Nachweis bedeutsamer struktureller Schäden vor. Der Sachverständige legt weiter schlüssig dar, dass aufgrund der Rückenschmerzen bei nachweisbaren Strukturschäden in der unteren Lendenregion und der Bein- und Fußbeschwerden links bei nachweisbarer vegetativer Störung im linken Fuß nachvollziehbar die Steh- und Gehfähigkeit der Klägerin beeinträchtigt ist. Arbeiten auf unebenem oder rutschigem Gelände sind ihr deshalb nicht mehr zumutbar. Dauerndes Treppensteigen ist ebenso wie das Besteigen von Leitern und Gerüsten sind nicht mehr möglich. Arbeitsübliche Pausen sind nach Auffassung des Sachverständigen ausreichend. Die Klägerin ist auch in der Lage, viermal arbeitstäglich Wegstrecken von 500 m in unter 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Damit ist die Klägerin in der Lage, unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche leichte Tätigkeiten auszuüben, ohne dass sich daraus eine unmittelbare Gefährdung des Gesundheitszustandes ableiten ließe. Dieses aktuelle Leistungsvermögen besteht, so der Sachverständige, nach der Ausheilung der zweiten Wirbelsäulenoperation, also spätestens Anfang Dezember 2012. Problematisch wird von dem Sachverständigen die Bewertung des Leistungsvermögens der Klägerin zwischen dem Beginn der langfristigen Arbeitsunfähigkeit im April 2008 und Anfang Dezember 2012 beschrieben. Hierzu führt der Sachverständige aus, dass er zwar davon ausgehe, dass die Schmerzsymptomatik der Klägerin tatsächlich deutlicher ausgeprägt gewesen sei als jetzt. Andererseits sei es schwer zu glauben, dass die Klägerin, wie sie in der Anamnese angegeben hat, noch während der Osterferien 2008 eine 800 km lange Autofahrt toleriert und unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Deutschland plötzlich vollständig arbeits- und erwerbsunfähig gewesen sein soll. Plausibel erscheine jedenfalls, dass die Klägerin ab April 2008 ihre bis dahin ausgeübte Montagetätigkeit am Fließband nicht habe mehr verrichten können. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass die vor den operativen Eingriffen nachgewiesenen Strukturschäden in der unteren Lendenwirbelsäule unter Berücksichtigung der vorliegenden radiologischen Befunde nicht so massiv gewesen sind, dass eine vollschichtige Tätigkeit an einem leichten Arbeitsplatz eindeutig zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des bestehenden Körperschadens geführt hätte. Die Einschränkungen zwischen April 2008 und Dezember 2012 hinsichtlich der zeitlichen Dauer einer Erwerbstätigkeit würden sich also allenfalls unter dem Aspekt der damit einhergehenden unzumutbaren Schmerzsymptomatik begründen. Nach Auffassung des Senats kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht davon ausgegangen werden, vielmehr bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Schmerzsymptomatik in dem genannten Zeitraum derart ausgeprägt gewesen ist, dass sich daraus zeitliche Leistungseinschränkungen für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der von Dr. H. bezeichneten qualitativen Einschränkungen ergeben haben. Der Senat folgt hier den dargestellten Ausführungen des Dr. H ... Insbesondere ist das Sachverständigengutachten der Ärztin für Anästhesiologie und Spezielle Schmerztherapie Dr. Sch., worauf das SG das von ihm angenommene reduzierte Leistungsvermögen bezogen hat, nicht geeignet diese Zweifel zu beseitigen. Bei der Bewertung der Sachverständigengutachten und der beigezogenen Arztbriefe und Berichte muss berücksichtigt werden, dass in sämtlichen Untersuchungen für Begutachtungen erhebliche Aggravationstendenzen beschrieben worden sind. Dr. Sch. hat fachfremd eine schwere Depression festgestellt, durch die eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung verstärkt und unterhalten werde. Dies ist für den Senat nicht überzeugen begründet. Einerseits hat Dr. Sch. ausgeführt, dass Aggravationstendenzen bei der Klägerin vorhanden waren. Diese jedoch lediglich auf die Untersuchungssituation bezogen und im Wesentlichen nicht mehr bei der Abwägung oder Beurteilung der Plausibilität der Schmerzangaben der Klägerin berücksichtigt. Andererseits hat die Gutachterin ausgeführt, dass zur Beurteilung des Krankheitsbildes und zur Sicherung der Diagnose (der schweren Depression) eine Beurteilung durch einen Psychiater notwendig sei. Weshalb sie dann ohne Konsultation eines Psychiaters das Leistungsvermögen abschließend festgelegt hat, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die daraufhin im Berufungsverfahren erfolgte Begutachtung durch den Neurologen und Psychiater M. hat zwar ergeben, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung gegeben ist, aber eine Depression nicht gegeben ist. Lediglich ein Verdacht auf eine anhaltende leichtere depressive Störung im Sinne einer Dysthymia konnte festgestellt werden. Der Sachverständige weist zu Recht darauf hin, dass auch während der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme keine schwere depressive Symptomatik festgestellt worden sei. In dem Heilverfahrensentlassungsbericht über die stationäre Heilmaßnahme im Dezember 2008 in der F.-Klinik B. B. ist eine depressive Symptomatik nicht diagnostiziert worden. Es ist dort u.a. ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen vom Typ der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung diagnostiziert worden. Die Klägerin wurde jedoch für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Der Sachverständige M. beschreibt ebenfalls erhebliche Aggravationstendenzen; die von der Klägerin gezeigten kognitiven Defizite sind nach der Darstellung des Sachverständigen sogar vorgetäuscht (simuliert) worden. Die somatoforme Schmerzstörung führe nicht zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung für leichte Arbeiten. Auch der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. hat in seinem Arztbrief vom 12. August 2010 Aggravationstendenzen beschrieben. So hat er u.a. beschrieben, dass die Klägerin bei der neurologischen Untersuchung schmerzgeplagt wirke, er jedoch den Eindruck einer gewissen Aggravation habe, und von einer psychogenen Überlagerung ausgehe. Schließlich wird in dem Entlassbericht über die teilstationäre Behandlung der Klägerin vom 29. März bis 28. April 2010 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Insbesondere wird hier eine deutliche Verbesserung der Stimmungslage des körperlichen Allgemeinempfindens sowie der körperlichen Leistungsfähigkeit beschrieben. Eine schwere depressive Problematik ist auch dort nicht festgestellt worden. Die durchgeführte Testung mit der Hamilton-Depressionsskala hat einen unauffälligen Befund ergeben. Soweit die behandelnde Schmerztherapeutin Sch. aufgrund der subjektiven Angaben der Klägerin eine zeitliche Leistungseinschränkung ableitet, ist dies in keinster Weise nachvollziehbar, worauf Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme hingewiesen hat. Ob die bestehenden, sicherlich vorhandenen körperlichen Beschwerden und Schmerzen derart ausgeprägt gewesen sind, dass eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten von weniger als sechs Stunden arbeitstäglich daraus resultiert, kann abschließend nicht zweifelsfrei angenommen werden. Weder objektive körperliche Befunde, noch nervenärztliche Befunde belegen eine so schwerwiegende Beeinträchtigung der Klägerin, die zweifelsfrei eine zeitliche Einschränkung auch für leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen rechtfertigen könnten. Das geschilderte Aggravationsverhalten der Klägerin führt im Übrigen dazu, dass die sicherlich vorhandenen körperlichen Einschränkungen und Schmerzen nicht objektiviert werden können. Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer zeitlichen Leistungseinschränkung trägt die Klägerin, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Es ist somit weiter davon auszugehen, dass die Klägerin seit Rentenantragstellung - von vorübergehenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit unter sechs Monaten abgesehen - in der Lage gewesen ist und auch in Zukunft in der Lage ist, zumindest leichte körperliche Arbeiten in dem oben beschriebenen Umfang sechs Stunden täglich und mehr an einer Fünftagewoche zu verrichten.

Aus den genannten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergeben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R = SozR 3-2600 § 43 Nr. 21 - Juris Rdnr. 18 f.) dar. Bestehenden Einschränkungen kann im Wesentlichen durch Begrenzung auf leichte Tätigkeiten Rechnung getragen werden.

Ferner besteht keine Einschränkung der Wegefähigkeit. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung setzt hinsichtlich des Arbeitsweges voraus, dass der Versicherte nicht viermal am Tag Wegstrecken von über 500 m in einem zumutbaren Zeitraufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner nicht zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität eines Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - Juris). Der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel stehen keine Hinderungsgründe entgegen. Auch in der Zeit zwischen April 2008 und Anfang Dezember 2012 ist aus den beschrieben Gründen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Einschränkung der Wegefähigkeit festzustellen. Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 43 SGB VI scheidet bereits deshalb aus, weil diese Rente nur für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, in Betracht kommt. Die Klägerin ist im Jahre 1965 geboren.

Da die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung - auch auf Zeit - nicht erfüllt, war das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung. Im Rahmen des hier zustehenden Ermessens hat der Senat berücksichtigt, dass das Begehren der Klägerin erfolglos geblieben ist.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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