L 9 R 3596/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 716/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3596/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit, insbesondere ob ein Leistungsfall vor dem 01.06.2009 eingetreten war.

Die 1959 geborene Klägerin ist im Dezember 1982 aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. Nach eigenen Angaben hat sie in Jugoslawien bis November 1982 den Beruf der Bankkauffrau erlernt. Von 1983 bis 30.04.2007 war sie als ungelernte Näherin in der Textilindustrie beschäftigt (vgl. Auskunft der T. GmbH & Co. KG vom 27.10.2010, Bl. 39 der Akten). Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung der Klägerin beendet. Das Landratsamt Z. stellte mit Bescheid vom 07.06.2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 seit dem 17.12.2004 wegen einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und muskulären Verspannungen fest. Mit Bescheid vom 18.09.2009 erhöhte es diesen GdB mit Wirkung ab dem 02.06.2009 auf 60 (Funktionsbeeinträchtigungen: Harninkontinenz, klimakterisches Syndrom, Unterleibsbeschwerden nach Operationen, Verlust der Gebärmutter, Migräne, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, operierter Bandscheibenschaden). Am 26.02.2009 erfolgte im Rahmen einer bis 04.03.2009 andauernden stationären Behandlung wegen einer Claudicatio-spinalis-Symptomatik mit Reduzierung der Gehstrecke und aufgrund von multiplen vegetativen Veränderungen, vor allem einer Spinalkanalstenose mit Foramenstenose in Höhe von LWK 4/5 rechts betont, eine osteoligamentäre Dekompression in Höhe LWK 4/5 durch den Facharzt für Neurochirurgie und spezielle Schmerztherapie Dr. L. Die Klägerin befand sich hierauf vom 17.03.2009 bis 14.04.2009 zur Anschlussheilbehandlung in den Fachkliniken H., Bad U ... Die Ärzte gingen bei Entlassung (Entlassungsbericht vom 20.04.2009) davon aus, dass die Klägerin leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne. Ein regelmäßiger Wechsel der Körperpositionen Sitzen, Gehen, Stehen sei ratsam. Das schwere Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 15 kg sollte vermieden werden. Außerdem sollten Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken und ruckartige Bewegungen vermieden werden.

Die Klägerin sei in der Lage, sich selbst zu versorgen, es bestünden auf diesem Gebiet keine Defizite.

Am 16.11.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.12.2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass im Versicherungskonto der Klägerin - ausgehend von einem Leistungsfall am 16.11.2009 - die Mindestzahl von 36 Monaten an Pflichtbeiträgen im Zeitraum vom 16.11.2004 bis 15.11.2009 nicht enthalten seien. In diesem Zeitraum seien nur 30 Monate mit Pflichtbeiträgen nachgewiesen. Darüber hinaus seien auch nicht die Voraussetzungen des § 43 Abs. 5 i. V. m. § 53 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und des § 241 SGB VI erfüllt. Die Klägerin erfülle daher die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Krankheit viel früher in Erscheinung getreten sei. Spätestens mit der Operation im K.-Krankenhaus in S. am 26.02.2009 habe die Erwerbsminderung vorgelegen. Sie führte aus, dass die Leiden schon früher vorhanden gewesen seien, allerdings in noch nicht so schwerem Ausmaß. Seit Dezember 2004 hätten sich die Krankheitsmerkmale stetig verschlechtert. Die Beklagte zog daraufhin einen ärztlichen Befundbericht zum Rentenantrag beim Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G., G., bei, der weitere Befundunterlagen vorgelegt hat. Darüber hinaus beauftragte die Beklagte Dr. N. mit der Erstellung eines chirurgisch-orthopädischen Gutachtens. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 04.08.2010 Verschleißveränderungen der LWS, einen Zustand nach Erweiterung des Spinalkanals 2009, zuletzt eine nicht näher bekannte LWS-OP im März 2010, eine Überlagerung durch somatoforme Schmerzstörung, ein erhebliches Übergewicht und eine Wirbelsäulenbewegungs- und Belastungsminderung fest. Darüber hinaus bestehe ein Zustand nach Schultereckgelenksresektion rechts 2004, endgradige Auslenkungsbeschwerden der Schultergelenke beidseits sowie ein Zustand nach Entfernung der Gebärmutter und Eierstöcke, des Blinddarms, mehrfache Blasenhalsplastiken mit weiterhin geklagter Inkontinenz und der Notwendigkeit des Tragens von Binden. Er führte aus, dass die rein sitzende und anteilig nach vorne gebeugte eintönige Körperhaltung als Näherin nicht leidensgerecht sei. Diesbezüglich sei von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen auszugehen, dies auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Akkordarbeit. Während der Untersuchung sei auch nicht festzustellen gewesen, dass die Klägerin "minutenweise" zur Toilette gehen müsse. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sehe er auch im Hinblick auf die anzunehmenden Entlastungen durch den geplanten Urlaub (dreiwöchige Reise nach K. am folgenden Tag mit dem Ehemann per Flugzeug) und den Einsatz, Gebrauch und Gewöhnung ein weiterhin vollschichtig abverlangbares Leistungsvermögen. Leichte körperliche Wechseltätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien vollschichtig möglich.

Mit Bescheid vom 05.11.2010 lehnte die Beklagte den Antrag vom 16.11.2009 auf Rente wegen Erwerbsminderung (erneut) ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

In einem zur Akte gelangten Bericht (vom 22.12.2009) führten Dr. P. und Dr. C. aus, die Klägerin habe sich erstmalig am 18.12.2009 in deren Schmerzsprechstunde vorgestellt. Als Diagnosen wurden ein chronisches Schmerzsyndrom Stad. III nach Gerbershagen, ein rechtsseitiger Dauerkopfschmerz (Verdacht auf Analgetika induzierten Kopfschmerz), ein Zustand nach Spinalkanalstenose und Zustand nach osteoligamentärer Dekompression LWK 4/5 rechts 02/09, ein Fibromyalgiesyndrom, schmerzbedingte Ein- und Durchschlafstörungen, Schulterschmerzen beidseits bei Zustand nach ASK rechte Schulter 2004 und Verdacht auf Impingementsyndrom linke Schulter, eine Stressinkontinenz, ein Zustand nach Hysterektomie und Adnexektomie beidseits sowie eine Adipositas angegeben.

Am 05.11.2010 erfolgte eine weitere osteoligamentäre Dekompression in Höhe LWK 4/5 links. Im Entlassungsbericht vom 09.11.2010 war vermerkt, dass sich die präoperativ vorhandenen Lumboischialgien vollständig zurückgebildet hätten. Vom 23.11.2010 bis 14.12.2010 befand sich die Klägerin erneut zur Anschlussheilbehandlung in den Fachkliniken H. Unter den Diagnosen osteoligamentäre Entlastung L4/5 links, 05.11.2010, bei Spinalkanalstenose und Zustand nach osteoligamentärer Entlastung L4/5 rechts im Februar 2009 sowie Fibromyalgie gingen die dortigen Ärzte auch weiterhin davon aus, dass die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne. Ein regelmäßiger Wechsel der Körperpositionen Sitzen, Gehen, Stehen sei ratsam.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen der hinzugezogene ärztliche Sachverständige festgestellt habe, dass die Klägerin für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes über ein zeitliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich verfüge. Dabei seien näher ausgeführte qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.03.2011 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen einer sachverständigen Zeugenaussage bei Dr. G. In dessen schriftlicher Aussage vom 08.06.2011, der weitere Befund- und Behandlungsberichte ab 2007 beigefügt waren, hat Dr. G. angegeben, dass die Klägerin, die er seit Februar 2008 behandele, unter Schmerzen in vielen Muskeln/Muskelansätzen/Sehnen, Groß- und Kleingelenken, unter Kopfschmerzen, Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, starken Schmerzen in beiden Beinen, Schwindelgefühlen und einer depressiven Verstimmung leide. Er halte die Klägerin für unter zwei Stunden leistungsfähig.

Das SG hat daraufhin den Neurologen und Psychiater Dr. W. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser gab an, dass sich die Klägerin erstmals am 24.11.2009 bei ihm vorgestellt habe und er daher für die Zeit bis zum 31.05.2009 keine adäquaten Auskünfte erteilen könne.

Das SG hat sodann Dr. N., R., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 02.11.2011 ausgeführt, dass Wirbelsäulenschmerzen einschließlich einer linksseitigen Wurzelreizung bestünden, die auf computertomographisch nachweisbaren Veränderungen im Segment LWK 4/5 beruhten. Zu diagnostizieren sei ein Postdiskotomiesyndrom Grad I (nach Krämer). Es bestünden ausgeprägte, auch computertomographisch nachweisbare, Vernarbungen nach zwei operativen Eingriffen. Hinzu komme ein Bandscheibenvorfall auf der linken Seite, der die Schmerzausstrahlung ins Bein gut erkläre. Darüber hinaus sei ein psychosomatisches Schmerzgeschehen im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung anzunehmen, die die dokumentierten Ganzkörperschmerzen erkläre. Ein Ganzkörperschmerzsyndrom habe die Klägerin allerdings nicht angegeben. Dennoch gehe er aufgrund der Vorgeschichte davon aus, dass eine psychogene Beschwerdekomponente anzunehmen sei. Als Reaktion auf das Schmerzgeschehen habe sich eine ängstlich depressive Anpassungsstörung entwickelt. Die Klägerin könne noch leichte wirbelsäulengerechte Tätigkeiten verrichten. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, das Heben und Tragen sowie Bewegen von Lasten über fünf kg und gleichförmige Körperhaltungen. Zu empfehlen sei ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, Tätigkeiten unter Zeitdruck sollten aufgrund der psychischen Beeinträchtigung vermieden werden, insbesondere Akkord- und Fließbandarbeit. Nachtschichtarbeiten seien ebenso zu vermeiden wie eine Hitze-, Kälte-, Zugluft-, Nässe- und Lärmexposition. Die Klägerin sei auch nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten mit einer besonderen Verantwortung bzw. einer besonderen geistigen Beanspruchung auszuüben. Die Gehstrecke von 500 m könne die Klägerin viermal arbeitstäglich in zumutbarem Zeitaufwand zurücklegen. Empfohlen werde eine Tätigkeit, bei der sie die Möglichkeit habe, auch neben den üblichen Arbeitspausen kurze Pausen einzulegen, dies wegen der Schmerzen. Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne die Klägerin nicht mehr vollschichtig arbeiten, sondern lediglich noch drei bis unter sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche. Grund für die zeitliche Einschränkung sei das chronifizierte Schmerzsyndrom in Verbindung mit dem psychischen Leiden, welches zu einer gewissen Antriebsstörung geführt habe. Bei dieser Leistungsbeurteilung sei die angegebene Urininkontinenz noch nicht berücksichtigt. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe zumindest seit Anfang 2009. Durch die erfolgten Wirbelsäulenoperationen habe keine Besserung erreicht werden können. Die Leistungsbeurteilung gelte also über den 31.05.2009 hinaus.

Die Beklagte hat hierauf die ärztliche Stellungnahme des Dr. L., Nervenarzt/Sozialmedizin, vorgelegt. Dieser hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin im aktuellen Gutachten einen durchaus strukturierten Tagesablauf geschildert habe, über Hobbys, Spaziergänge, Besuche bei der Mutter und weitere soziale Kontakte berichtet habe. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei unter Berücksichtigung der im vorliegenden Gutachten beschriebenen Befunde nicht nachvollziehbar. Eine relevante Antriebsstörung beschreibe der Gutachter nicht, die Schmerzproblematik alleine führe nicht zu einer wesentlichen Teilhabestörung bei der Klägerin, sodass aus nervenärztlicher Sicht eine Minderung des täglichen zeitlichen Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden nicht zu begründen sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 09.01.2012 hat Dr. N. daran festgehalten, dass die Klägerin aufgrund der im Gutachten beschriebenen Wirbelsäulenveränderungen ausgeprägte Wirbelsäulenschmerzen habe und darüber hinaus psychisch beeinträchtigt sei. Depression und Schmerzsyndrom verstärkten sich gegenseitig. Vor diesem Hintergrund sei an eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auch unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen nicht zu denken. Hierzu hat die Beklagte erneut eine Stellungnahme von Dr. L. vorgelegt. Er wies daraufhin, dass die von Dr. N. angeführte "vorzeitige Erschöpfbarkeit" nicht mit einer Antriebsstörung gleichzusetzen sei. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass die davon betroffenen Personen größte Schwierigkeiten hätten, überhaupt eine Tätigkeit zu beginnen. Eine vorzeitige Erschöpfbarkeit könne dazu führen, dass Tätigkeiten früher als vom Betroffenen geplant beendet werden müssten. Soweit er die Leistungsminderung auch mit dem schweren chronifizierten Schmerzsyndrom begründe, ließen sich Leistungseinschränkungen, seien sie quantitativ oder qualitativer Art, nie allein mit einer Diagnose begründen. Immer müssten Befunde erhoben und auch dokumentiert sein, aus denen eine Leistungseinschränkung abgeleitet werden könne. Das Gutachten von Dr. N. erbringe daher keine weiteren Argumente.

Mit Urteil vom 19.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe nicht den Nachweis führen können, bis zum 31.05.2009, dem Zeitpunkt, als letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, erwerbsgemindert gewesen zu sein. Unabhängig von der Frage, ob der Leistungseinschätzung von Dr. N. gefolgt werden könne, erscheine der Kammer dessen Einschätzung bezüglich des Eintritts des Leistungsfalls nicht überzeugend. Er gebe zwar in seinem Gutachten an, dass die von ihm festgestellte Leistungseinschränkung zumindest seit Anfang 2009 bestehe und damit vor dem 31.05.2009 eingetreten sei. Jedoch stelle er in seinem Gutachten den Verlauf bzw. die Entwicklung der Einschränkungen durch die vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht im ausreichenden Maß dar. Er schreibe von starken Schmerzen seit fast drei Jahren, ohne jedoch im Einzelnen anzugeben, inwiefern sich diese entwickelt hätten. Dies wäre angesichts von zwei Operationen im Februar 2009 und November 2010, nach denen von Veränderungen im Zustand zum Beispiel in Form einer zumindest kurzzeitigen Besserung und auch Verschlechterung ausgegangen werden kann, in ausführlicher Weise erforderlich gewesen. Nachdem Dr. N. in seinem Gutachten berichtet habe, dass es anfänglich genügt habe, wenn die Klägerin Ibuprofen und damit ein eher schwächeres Schmerzmittel eingenommen habe und erst im weiteren Verlauf weitere Medikamente hinzugekommen seien, scheine im Lauf der Zeit eine Verschlechterung eingetreten zu sein. Dies decke sich auch mit den vorliegenden Befunden, wonach die Medikation immer mehr ausgeweitet worden sei, bis hin zur Verordnung von Opioiden. Vor dem Hintergrund dieser anzunehmenden deutlichen Verschlechterung erscheine der Kammer der von Dr. N. angegebene Zeitpunkt des Leistungsfalls nicht überzeugend zu sein. Gegen das ihren Bevollmächtigten am 02.08.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.08.2012 Berufung eingelegt.

Sie beruft sich auf zur Akte gereichte Arztberichte, welche ihren Gesundheitszustand vor allem für den Zeitraum vor Mai 2009 dokumentieren sollen. Die Unterlagen ergäben, dass sie vor Mai 2009 unter verschiedenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule gelitten und aufgrund der damit verbundenen Schmerzen ebenfalls vor Mai 2009 ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelt habe und damit insgesamt bereits vor Mai 2009 voll erwerbsunfähig gewesen sei. Die von Dr. N. gestellten Diagnosen gelten auch für den Zeitraum vor Mai 2009.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juni 2012 und der Bescheide der Beklagten vom 01. Dezember 2009 und 05. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2011 die Beklagte zu verurteilen, ihr eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab dem 1.November 2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vertritt sie die Auffassung, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen kein neuer sozialmedizinischer Sachverhalt ergebe. Zu dem vorgelegten Attest des Dr. G. vom 03.12.2012 hat Dr. L. ausgeführt, dass in diesem keine Befunde geschildert würden, sondern die Beschwerden der Klägerin wiedergegeben worden seien.

Mit den Beteiligten wurde der Sach- und Streitstand am 19. Juli 2013 erörtert. Im Vorfeld dieses Termins hat die Klägerin unter anderem eine Stellungnahme zu ihrem Gesundheitszustand der Fachärztin für Anästhesie, spezielle Schmerztherapie Dr. C. vom 22.05.2013 vorgelegt. Sie hat berichtet, dass der erste schmerztherapeutische Kontakt am 18.12.2009 in der Schmerzsprechstunde in B. stattgefunden habe. Sie könne keine Angaben über den zuvor bestehenden Gesundheitszustand machen, insbesondere bezüglich des Gesundheitszustandes im Anschluss an die osteoligamentäre Dekompression an der Lendenwirbelsäule im Februar 2009. Sicher sei jedoch, dass es sich bei dem Krankheitsbild bereits im Dezember 2009 um ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen mit somatischen und psychischen Schmerzkomponenten gehandelt habe. Solche chronische Schmerzsyndrome entwickelten sich über Monate und Jahre. Hinzu komme, dass die Klägerin ein begleitendes Fibromyalgiesyndrom entwickelt habe, das mit einer Einschränkung der Schmerzverarbeitung mit peripherer und zentraler Sensibilisierung verbunden sei. Durch die Fibromyalgie werde jede Schmerzexposition in ihrem Leben potenziert. Typischerweise sei die Schmerzschwelle deutlich erniedrigt. Auch wenn sie die Klägerin nicht im Zeitraum vor dem 18.12.2009 kennengelernt habe, sei für sie ganz klar, dass sich das chronische Schmerzbild mit den daraus resultierenden körperlichen und seelischen Funktionseinschränkungen über viele Jahre allmählich mit zunehmender Intensität entwickelt habe.

Mit Schriftsatz vom 30.08.2013 und 30.12.2013 hat die Klägerin weitere Befundunterlagen vorgelegt. Die Beteiligten sind zuletzt mit Verfügung vom 02.01.2014 daraufhin gewiesen worden, dass beabsichtigt ist, gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster in zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat. Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 02.12.2013 und 02.01.2014 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr. 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren ist für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

Anrechnungszeiten sind u. a. Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) oder arbeitslos (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) gewesen sind, wenn dadurch u. a. eine versicherte Tätigkeit unterbrochen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung sind gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit 1. Beitragszeiten 2. beitragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nr. 4, 5 oder 6 liegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 01. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung vor dem 01. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Versicherte, deren Leistungsvermögen sich am allgemeinen Arbeitsmarkt orientiert, sind grundsätzlich auf jede erwerbswirtschaftliche Tätigkeitsart verweisbar, die keine formale Ausbildung erfordert. In diesen Fällen besteht daher nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch grundsätzlich kein Anlass zur Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 18.04.1978, Az.: 4 RJ 55/77; vom 28.08.1991, Az.: 13/5 RJ 47/90).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, also neben den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (insbes. Versicherungszeiten) der Umstand, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft derart herabgesunken ist, dass er mit seinem Restleistungsvermögen nicht mehr in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein, d.h. die Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. Bayrisches Landessozialgericht [LSG], Urteil v. 26.07.2006, Az.: L 16 R 100/02, in Juris).

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Oder in anderen Worten gesagt - das Gericht muss von der zu beweisenden Tatsache mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können (vgl. BSGE 45, 285, 287). Es darf kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen (vgl. z.B. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 118 RdNr. 5 ff m.w.N.).

Kann das Gericht die genannten Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen, gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. BSGE 27, 40). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht im Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des Klägers (vgl. BSGE 6, 70, 72). Denn für das Vorliegen der rechtsbegründenden Tatbestandsvoraussetzung der Erwerbsminderung trägt der Versicherte die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nr.14).

Unter Berücksichtigung dieser Grundlagen stellt der Senat fest, dass eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß für die Zeit vor dem 01.06.2009 nicht nachgewiesen ist. Nach dem in den Akten vorliegenden Versicherungsverlauf vom 01.12.2009 (Anlage zum Bescheid vom 01.12.2009) und 03.09.2012 (Bl. 7 d. Senatsakte) sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der sog. 3/5-Belegung letztmals am 31.05.2009 erfüllt. Denn nur im Zeitraum vom 31.05.2004 bis 30.05.2009 liegen aufgrund der bescheinigten Pflichtbeitragszeiten von Mai 2004 bis April 2007 noch 36 Monate mit Pflichtbeitragszeiten vor. Weitere rentenrechtliche bedeutsame Zeiten sind in dem Versicherungsverlauf für die Zeit über den April 2007 hinaus nicht vermerkt und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden. Damit liegen Verlängerungstatbestände im Sinne des § 43 Abs. 4 SGB VI nicht vor. Gleiches gilt für ein Absehen von der Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nach § 43 Abs. 4 und 5 SGB VI, weil deren Voraussetzungen ebenfalls nicht vorliegen. Schließlich ist nicht jeder Kalendermonat seit dem 01.01.1984 mit bereits benannten Zeiten belegt (z.B. Lücke von Oktober 1996 bis März 1997, keine rentenrechtlichen Zeiten seit Mai 2007), weshalb auch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt sind. Eine Zahlung freiwilliger Beiträge für diesen Zeitraum ist wegen § 197 Abs. 2 SGB VI ausgeschlossen. Ausgehend vom Gutachten von Dr. N. vom 02.11.2011 stellt der Senat fest, dass dessen Leistungsbeurteilung zum einen auf Wirbelsäulenschmerzen nach computertomographisch nachweisbaren Veränderungen im Segment LWK 4/5 einschließlich einer linksseitigen Wurzelreizung und auf ebenfalls computertomographisch nachweisbaren Vernarbungen nach zwei operativen Eingriffen sowie einem Bandscheibenvorfall auf der linken Seite mit Schmerzausstrahlung in das Bein beruht. Darüber hinaus legt Dr. N. in seinem Gutachten seiner Leistungsbeurteilung einen psychogenen Beschwerdekomplex zugrunde, nämlich eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, welche dokumentierte Ganzkörperschmerzen erkläre, über die die Klägerin ihm gegenüber aber nicht geklagt habe. Schließlich habe sich als Reaktion auf das Schmerzgeschehen eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung entwickelt. Der Sachverständige folgert hieraus, dass die Klägerin noch leichte wirbelsäulengerechte Tätigkeiten verrichten kann. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, das Heben und Tragen sowie Bewegen von Lasten über fünf kg und gleichförmige Körperhaltungen. Aufgrund der psychischen Beeinträchtigung sollten Tätigkeiten unter Zeitdruck (insbesondere Akkord- und Fließbandarbeiten), Nachtschichtarbeiten und Tätigkeiten unter Hitze-, Kälte-, Zugluft-, Nässe- und Lärmexposition vermieden werden. Der Sachverständige hält die Klägerin zudem für nicht mehr in der Lage, Arbeiten mit besonderer Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung auszuüben. Die von ihm angenommene Leistungsminderung auf weniger als sechs Stunden begründet er mit dem chronischen Schmerzsyndrom in Verbindung mit dem psychischen Leiden, welches zu einer gewissen Antriebsstörung führe. Dabei stellt er fest, dass die Leistungsminderung zumindest seit Anfang 2009 bestehe.

Der Senat kann offenlassen, ob die Begründung für eine zeitliche Leistungseinschränkung schlüssig ist, wenn Dr. N. ausführt, dass hierfür zumindest auch eine gewisse Antriebsstörung der Klägerin verantwortlich sei. Denn Dr. L. weist insoweit zutreffend darauf hin, dass der vom Sachverständigen erhobene Befund eine Antriebsstörung nicht belegt. Der durchaus strukturierte Tagesablauf mit Hobbys, Spaziergängen, Besuchen bei der Mutter und weiteren sozialen Kontakten spricht insoweit gegen eine rentenrechtlich relevante Antriebsminderung. Die von Dr. N. beschriebenen "anamnestischen Hinweise für eine vorzeitige Erschöpfbarkeit" sind zudem nicht mit einer Antriebsstörung gleichzusetzen. Zu Recht weist Dr. L. darauf hin, dass eine Antriebsstörung dadurch gekennzeichnet ist, dass die davon Betroffenen größte Schwierigkeiten haben, eine Tätigkeit überhaupt zu beginnen, während eine vorzeitige Erschöpfbarkeit dazu führen kann, dass eine Tätigkeit früher als geplant beendet werden muss.

Deswegen hat auch der Senat erhebliche Zweifel, ob mit dem Gutachten von Dr. N. auf den Zeitpunkt seiner Untersuchung bezogen eine quantitative Leistungsminderung auf weniger als sechs Stunden begründet werden kann. Aber selbst wenn man von einer entsprechenden Leistungsminderung zu diesem Zeitpunkt ausgehen wollte, führte dies jedoch nicht zur Annahme, dass eine vergleichbare Leistungsminderung spätestens am 31.05.2009 vorgelegen hat.

Vergleichbare Befunde liegen für den insoweit relevanten Zeitraum nicht vor, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die einmal eingetretene Erwerbsminderung, um den Rentenanspruch zu begründen, ohne Unterbrechung vorliegen müsste.

Insoweit vermag sich der Senat mit Blick auf den Entlassungsbericht aus der Anschlussheilbehandlung im April 2009, das Gutachten von Dr. N. vom 04.08.2010 und den Entlassungsbericht der Fachkliniken H. vom 16.12.2010 nicht davon zu überzeugen, dass Gesundheitsstörungen vorgelegen haben, die in dem hier relevanten Zeitraum eine quantitative Leistungsminderung auf weniger als sechs Stunden am Tag belegen. Denn übereinstimmend sind diese Berichte von einem erhaltenen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass keine der drei genannten Expertisen über die von Dr. N. bezeichnete Antriebsminderung oder eine Erschöpfung berichtet haben; und dies insbesondere nach mehrwöchigen stationären Aufenthalten. So ergibt sich gerade aus dem zeitnahen Entlassungsbericht vom 20.04.2009 kein aussagekräftiger Beleg für eine bereits eingetretene quantitative Leistungsminderung. Vielmehr wurde zum Ende des stationären Aufenthaltes eine Beschwerde- und Schmerzlinderung erreicht, die muskulären Verspannungen waren gelockert, die funktionelle Anpassung der Muskulatur konnte mäßig verbessert werden, die Wirbelsäulenbeweglichkeit ebenfalls, das Gangbild wurde als flüssig beschrieben. Soweit die Klägerin geltend macht, die Maßnahme ohne Abschlussuntersuchung wegen des Todes ihres Vaters abgebrochen zu haben, steht dieser Einlassung der Abschlussbericht entgegen, in dem eine Abschlussuntersuchung ausdrücklich enthalten ist. Darüber hinaus ist dort auch kein Abbruch der Maßnahme vermerkt, sondern vielmehr angegeben worden, dass die Maßnahme sogar verlängert worden war, weil weitere intensive Krankengymnastik und balneo-physikalische Maßnahmen notwendig gewesen sind. Daher dürfte davon auszugehen sein, dass eine solche Untersuchung zumindest für die Verlängerung der Maßnahme durchgeführt worden ist. Selbst wenn dem nicht so gewesen sein sollte, ergibt sich hieraus keine Änderung der Beweislast. Zudem dürfte davon auszugehen sein, dass die dort behandelnden Ärzte allein aufgrund der Dauer der erfolgten Behandlung (drei Wochen) und ihrer Sachkunde in Bezug auf die Einschätzung eines beruflichen Leistungsvermögens durchaus in der Lage gewesen sind, die gesundheitliche Situation der Klägerin und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zu beurteilen. Dies gilt umso mehr, als weitere Behandlungen bis November 2011 offensichtlich nicht erforderlich gewesen und auch nicht in Anspruch genommen worden sind und die nachfolgende Untersuchung durch Dr. N. und die weitere stationäre Heilbehandlungsmaßnahme nicht zu einer abweichenden Leistungsbeurteilung gekommen sind. Nach den Angaben des behandelnden Hausarztes Dr. G. sprach die Klägerin am 30.04.2009 - nach der Anschlussheilbehandlung - bei ihm vor. Er vermerkte insoweit eine leichte Besserung (vgl. Bl. 97 LSG-Akten). Eine weitere Vorstellung erfolgte sodann erst wieder am 04.11.2009. Im Dezember suchte die Klägerin dann auch wieder den Neurochirurgen Dr. L. auf (nach dessen Angaben am 07.12.2009 (Bl. 131)) und begab sich dann in eine Schmerzbehandlung bei Dr. C. Für die Zeit von April 2009 bis November 2009 fehlt es daher an konkreten Befunden, die eine Leistungsminderung auf weniger als sechs Stunden hätten rechtfertigen können. Dass die Klägerin zunächst zuwarten wollte, überzeugt den Senat im Hinblick auf einen Zeitraum von sieben Monaten nicht. Vielmehr wäre bei den von ihr geltend gemachten Schmerzen zu erwarten gewesen, dass sie frühzeitig wieder ärztlichen Rat und Behandlung in Anspruch genommen hätte. Schließlich ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen im Jahr 2009 weder Diagnosen noch Behandlungen noch Hinweise auf psychiatrische Krankheitsbilder. Auch in der vorgelegten handschriftlichen Aufstellung der Klägerin über Behandlungsmaßnahmen seit 1985 finden sich trotz einer Behandlung wegen einer schweren depressiven Episode im Jahr 2005 für die folgenden Jahre keine Angaben über entsprechende Behandlungen mehr. Eine somatoforme Überlagerung oder eine Depression, welche Dr. N. in seinem Gutachten zumindest in ihrem Zusammenwirken mit der Schmerzerkrankung für leistungslimitierend hielt, lässt sich diesen Unterlagen gerade nicht entnehmen. Das Vorhandensein einer sich auch quantitativ auswirkenden Erkrankung vermag der Senat daher nicht zu erkennen. Insoweit vermag auch die Einlassung von Dr. C. nicht zu überzeugen. Diese führte in ihrer Stellungnahme vom 22.05.2013 aus, dass die Klägerin sie erstmals am 18.12.2009 aufgesucht habe und dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen bestand. Unabhängig davon, dass schon nicht ersichtlich ist, welche konkreten Befunde Dr. C. zur Verfügung standen, diese Diagnose zu stellen (nach ihren Angaben setzt eine solche einen anhaltenden Schmerzprozess von mehr als sechs Monaten voraus), ergibt sich hieraus noch keine Aussage über die Schmerzintensität in dem hier relevanten Zeitraum. Hinzu kommt, dass auch das von ihr beschriebene Fibromyalgiesyndrom (im Bericht vom 22.12.2009 als "dringender Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom" angegeben) oder Ganzkörperschmerzsyndrom bei der späteren Untersuchung bei Dr. N. und Dr. N. nicht (mehr) festzustellen gewesen ist. Für die Zeit vor dem 01.06.2009 lässt sich ein solches nicht belegen. Eine konkrete Aussage zur Intensität der von Dr. C. beschriebenen Gesundheitsstörungen war ihr in der vorgelegten Stellungnahme vom 22.05.2013 auch nicht möglich, wenn sie darauf hinweist, dass es sich um ein Erkrankungsbild handelt, das sich über viele Jahre hinweg mit allmählich zunehmender Intensität entwickelt hat. Schon aufgrund dieser Relativierung im Hinblick auf die Auswirkungen der Erkrankung liegt ein Vollbeweis körperlicher, geistiger oder seelischer Einschränkungen, welche eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI rechtfertigen könnten, nicht vor. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die bei Dr. C. begonnene Schmerztherapie nicht kontinuierlich fortgesetzt worden ist, was der Senat den Einlassungen von Dr. C. in deren Bericht vom 22.10.2012 entnimmt. Dort führte sie nämlich aus, die Klägerin habe sich am 16.10.2012 "nach längerer Pause" erstmals wieder vorgestellt. Auch dies lässt Zweifel an der Intensität der bestehenden Schmerzerkrankung und damit deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit aufkommen.

Mit den von der Klägerin u. a. mit den Schriftsätzen vom 19.11.2012, 20.06.2013 und 30.08.2013 vorgelegten Befund- und Behandlungsberichten, die teilweise bis 20 Jahre zurückreichen, lässt sich für die hier zu klärende Beweisfrage nichts anderes belegen. Entscheidend für die Beurteilung der Erwerbsminderung sind die Erkrankungen, die bis zum 31.05.2009 einen Leistungsfall der Erwerbsminderung begründen und die über diesen Zeitraum hinaus fortdauern. Die Notwendigkeit der Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden etwa im Jahr 2007 oder 2008, die in vorliegendem Verfahren nicht in Abrede gestellt werden, belegt daher noch nicht, dass ein Leistungsfall eingetreten war und fortdauert. Entscheidend ist aber, dass die Behandlungsbedürftigkeit allein nicht ausreichend ist, eine Erwerbsminderung zu begründen.

Schließlich vermag der Senat für den hier streitigen Zeitraum auch nicht festzustellen, dass eine schwere spezifische Leistungsbehinderung bzw. eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorgelegen hat und noch vorliegt. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist nur in Betracht zu ziehen, wenn die Fähigkeit des Versicherten, zumindest körperlich leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, zusätzlich in erheblichem Umfang eingeschränkt ist. Solche zusätzliche - über das Erfordernis einer körperlich leichten Arbeit hinausgehende - Leistungseinschränkungen bestehen für die Klägerin nicht.

Auch ein sogenannter Katalogfall (vgl. hierzu BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139) liegt nicht vor:

Die Wegefähigkeit wurde von keinem der gehörten Sachverständigen als so eingeschränkt beschrieben, als dass übliche Wegstrecken (mindestens 500 Metern in bis zu 20 Minuten) nicht mehr bewältigt werden konnten oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeschlossen gewesen sein könnte. Nach den Einlassungen von Dr. C. im Dezember 2012 war die Klägerin noch in der Lage "weiterhin" einen Kilometer zu gehen. Auch die Urininkontinenz vermag im streitgegenständlichen Zeitraum weder eine zeitliche Limitierung noch eine spezifische Leistungseinschränkung zu begründen, was der Senat den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten entnimmt. Befunde, die belegen könnten, dass deswegen betriebsunübliche Pausen erforderlich waren oder sein könnten, liegen nicht vor. Darüber hinaus hat auch die Klägerin in der Berufungsbegründung vortragen lassen, es handele sich insoweit nicht um ihr Hauptproblem. Eine ärztliche Behandlung fand und findet deswegen offensichtlich auch nicht statt. Von Dr. G. wird sie als Erkrankung nicht aufgeführt (auch in dessen Bericht vom 03.12.2012 nicht) und ist auch im Entlassungsbericht vom 20.04.2009 nicht als limitierend erwähnt worden.

Ein Anspruch nach § 240 SGB VI liegt schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Säumerin in einem Nähereibetrieb unter Berücksichtigung der Auskunft der Firma T. GmbH & Co. KG vom 27.10.2010 (Anlernzeit weniger als drei Monate) als untere angelernte Arbeiterin einzustufen und daher auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar ist. Eine konkrete Benennung der Verweisungstätigkeit ist daher nicht erforderlich. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochten Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Berufung war daher zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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