L 2 R 2005/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 855/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2005/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung des am 31.10.2010 verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Versicherter) zu gewähren.

Die 1962 geborene Klägerin ist die Witwe des 1941 geborenen und am 31.10.2010 verstorbenen Versicherten. Der Versicherte selbst war seit 1983 verwitwet. Aus seiner ersten Ehe entstammen zwei Kinder, darunter die zwischenzeitlich mit Ehemann und (im Jahr 2006 geborenem) Sohn in den USA (Florida, B. R.) lebende Tochter T. M ... Seit Ende 1984 lebte der Versicherte mit der Klägerin zusammen. Bis Ende 1989 waren beide im Hotel S. in O. im Allgäu beschäftigt. Danach führten sie von 1989 bis 2002 selbständig das Hotel/Restaurant T. H. in O. (vgl. Niederschrift SG Karlsruhe vom 13.6.2012, Bl. 44/45 SG-Akte). Ab dem 1.11.2002 bezog der Versicherte von der Beklagten vorgezogene Altersrente für Schwerbehinderte. Die Klägerin arbeitet seit 2002 als selbständige Tauchlehrerin auf den Malediven.

Seit April 2010 hielt sich der Versicherte besuchsweise bei seiner Tochter und deren Familie in Florida auf. Die Klägerin ging auf den Malediven ihrer Tätigkeit als Tauchlehrerin nach. Ende September 2010 stellte sich der Versicherte wegen Rückenschmerzen im W. B. Medical Center vor. Durch die dortigen Ärzte wurde eine metastasierende Krebserkrankung diagnostiziert.

Am 22.10.2010 heirateten die Klägerin und der Versicherte in B. R./Florida. Die hierfür erforderliche "License to marry" war am 21.10.2010 vom Bezirksgericht des Palm Beach County ausgestellt worden (Bl. 19 VA). Am 31.10.2010 verstarb der Versicherte im Haus seiner Tochter in B. R., Florida. In der Sterbeurkunde vom 17.11.2010 ist als Sterbeursache "Colon cancer", also Darmkrebs, angegeben (Bl. 21 VA). Diese Angabe wurde nachträglich durch die Diagnose "Metastatic Carcinoma unknown primary" ersetzt (Bl. 66 SG-Akte).

Am 29.11.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. In einem Formular "Anlage zum Antrag auf Witwenrente/Witwerrente, wenn die Ehe nach dem 31.12.2001 geschlossen wurde und nicht mindestens ein Jahr gedauert hat" kreuzte die Klägerin unter mehreren Antwortmöglichkeiten an, dass die tödlichen Folgen der Krankheit bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien (Bl. 15 VA). Ergänzend legte die Klägerin Befundberichte aus dem W. B. Medical Center vom 30.9.2010 (Bl. 63 VA), vom 2.10.2010 (Bl. 67 VA) und 5.10.2010 (Bl. 69 VA, Übersetzungen Bl. 109, 117 und 123 VA) vor. Laut Bericht vom 30.9.2010 wurde der Versicherte an diesem Tag wegen seit 2 Tagen andauernder Schmerzen am oberen Rücken aufgenommen. In der Vorgeschichte sei ein primäres gastrisches Karzinom mit Resektion im Jahr 1966 aufgetreten. CT-Scan der Brust und ein Angiogram seien negativ ausgefallen, ein CT-Scan des Abdomens ebenfalls negativ, ein CT-Scan der Wirbelsäule habe jedoch eine ausgedehnte metastasische Erkrankung im Bereich der Wirbelsäule gezeigt. Diagnostiziert wurde eine mehrstufige metastasische Knochenerkrankung, ausgeschlossen Lymphom, ausgeschlossen multiples Mylelom. MRT der Cervical-, Thorax- und Lumbalwirbelsäule sei angeordnet worden. Es werde ferner eine Gewebediagnose benötigt. Laut Bericht vom 2.10.2010 wurde nach gründlicher Durchführung von zahlreichen MRTs eine bedeutende metastasische Erkrankung über die ganze Wirbelsäule festgestellt. Es sei eine Biopsie der Lymphknoten geplant, als Hilfe für die Beurteilung des primären Tumors. Bei der erneuten Prüfung der MRTs habe sich bei T5 eine Kompressionsfraktur gezeigt. Laut Bericht vom 5./18.10.2010 ergab die Nadelbiopsie des Lymphknotens maligne Zellen mit atypischem Kern, vereinbar mit metastastischen Adenokarzinom. Empfohlen wurde eine Kyhoplastie bei T5 und sofern benötigt Bestrahlung. Zunächst solle noch ein CAT-Scan der Hüfte abgewartet werden. Laut ärztlicher Bescheinigung des Hausarztes Dr. S. vom 20.12.2010 war der Versicherte dort seit über 30 Jahren in Betreuung. Er sei abgesehen von einer Blasen-Rektumfistel, die operativ beseitigt worden sei, nie ernsthaft krank gewesen. Auch bei der zuletzt im Sommer 2008 durchgeführten Untersuchung habe sich kein pathologischer Befund gefunden.

Laut Telefonvermerk vom 4.1.2011 (Bl. 127 R VA) teilte die Klägerin dem zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten mit, dass die Heirat in Florida von vornherein beabsichtigt gewesen sei und sie mit ihrem Mann schon viele Jahre zusammen gewesen sei. Dass die Krankheit so schnell zum Tod führe, sei nicht vorhersehbar gewesen.

Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 12.1.2011 wies Dr. M. darauf hin, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen lasse, wie es medizinisch weitergegangen sei. Es sei jedoch anzunehmen, dass der Tod mit der diagnostizierten und rasch progredierten Krebserkrankung im Zusammenhang stehe. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe hervor, dass zum Zeitpunkt der Heirat am 22.10.2010 Knochen- und Halsmetastasen eines Adenokarzinoms vorgelegen hätten. Diese Veränderungen begründeten eine schlechte Prognose quo ad vitam. Dass der Tod jedoch innerhalb eines Monats eingetreten sei, sei überraschend. Hilfreich wäre es ärztliche Berichte über die näheren Todesumstände beizuziehen. Dies gelang in der Folgezeit jedoch nicht.

Mit Bescheid vom 18.1.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Eheschließung sei erst am 22.10.2010 erfolgt. Die tödlichen Folgen der Krankheit des Versicherten seien zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar gewesen. Es sei davon auszugehen, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, für die Klägerin einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente zu begründen. Diese gesetzliche Vermutung habe die Klägerin bisher nicht wiederlegt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 2.2.2011 Widerspruch. Es sei absolut falsch, dass der alleinige oder überwiegende Zweck ihrer Heirat ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente sei. Nach einer 26jährigen Partnerschaft finde sie diese Anschuldigung äußerst ungerechtfertigt. Die Heirat sei lange geplant gewesen. Geplanter Hochzeitstermin sei zunächst ihr Geburtstag, der 6.8.2010, gewesen. Leider sei ihr geschäftlich einiges dazwischengekommen, daher habe sie mit ihrem Mann beschlossen, den Verlobungstag (22.10.), zum Anlass zu nehmen, ihre Liebe und Partnerschaft endgültig vor dem Gesetz zu besiegeln. Ergänzend legte die Klägerin eine von der Notarin B. H. A. unterschriebene Bescheinigung vom 26.1.2011 vor (Bl. 161/163 VA). Danach sei der Versicherte im Mai 2010 in ihr Büro gekommen, um seine Hochzeitspläne mit ihr zu besprechen. Geplant gewesen sei August 2010. Leider habe Frau K. aus wichtigen geschäftlichen Gründen ihre Reisepläne verschieben müssen. Da im Oktober sowieso ihr Verlobungstag sei, hätten sie einen Termin für den 22. Oktober mit ihr vereinbart. Die beiden lebten seit 26 Jahren zusammen, somit schien es eine gute Gelegenheit, endlich zu heiraten im Beisein der Familie. Herr H. sei ihr humorvoll und glücklich wie sonst auch immer erschienen. Er habe sich schon sehr auf die Hochzeitsfeier gefreut und auch darauf, anschließend mit seinen Freunden in Deutschland nochmals die Hochzeit und seinen 70. Geburtstag feiern zu können.

Auf weitere Nachfragen der Beklagten im Widerspruchsverfahren teilte die Klägerin mit, dass nach dem 2.10.2010 keine weitere stationäre Behandlung mehr erfolgt sei. Es sei geplant gewesen, die Behandlung im November fortzuführen. Ihr Mann habe Medizin in Tablettenform zuhause gehabt und sollte, wenn nötig, vom Hausarzt versorgt werden. Weitere ärztliche Unterlagen gebe es nicht, da ja die erste Behandlung abgeschlossen gewesen sei und es zu einem späterem Zeitpunkt weitergehen sollte (Bl. 173, 175 VA). Diese weiteren Behandlungen ab November sollten erst weitere Untersuchungen sein, wenn der ansprechbare Arzt vom Urlaub zurück sei. Es habe eventuell mit Bestrahlungen begonnen werden sollen. Die Medizin, die ihr Mann bekommen habe, seien ihres Wissens aufbauende Medikamente, Beruhigungsmittel, Mistelpräparate und Naturheilmittel gewesen (Bl. 181 VA). Die eigentliche Todesursache sei plötzlicher Herzstillstand gewesen. Er habe sich nochmals aufgesetzt, gesagt, dass es ihm nicht gut sei und sei in sich zusammengesackt.

Die Beklagte holte weitere Informationen beim Generalkonsulat der Bundessrepublik Deutschland in Miami zu den Formalitäten einer Heirat in Florida ein und befragte die in B. R. lebende Tochter des Versicherten, T. M., schriftlich. Diese gab per Email am 20.6.2011 an, die Klägerin und der Versicherte, ihr Vater, hätten sich nach 27 Jahren wilder Ehe, beruflicher Partnerschaft und Zusammenlebens im Juni 2010 entschlossen, endlich zu heiraten. Ein auslösender Faktor sei auch, dass das gemeinsame Enkelkind O. L. M. in Florida lebe und die beiden somit beschlossen hätten, dass Florida der geeignete Platz für die Eheschließung sein werde. Aus geschäftlichen Gründen habe der Termin im Juli 2010 auf Oktober 2010 verschoben werden müssen (Bl. 233 VA). Die Frage, ob ihres Wissens nach der Gedanke der finanziellen Versorgung gespielt habe, beantwortete die Tochter mit nein. Die Frage, ob bei der Eheschließung ab 22.10.2010 schon absehbar gewesen sei, dass der Versicherte in Kürze versterben würde, beantwortete sie ebenfalls mit nein. Der Tod sei überraschend gekommen. Ab dem 5. Oktober 2010 habe ihr Vater aufbauende Medikamente bekommen, um die Behandlung im November 2010 weiter zu führen. Als unmittelbare Todesursache sei ihr ärztlicherseits Herzstillstand genannt worden. Sie wolle an diesem Punkt erwähnen, dass die Klägerin seit über 27 Jahren ein Teil ihrer Familie und ihres Lebens sei. Sie seien auch nach dem Ableben ihres Vaters ständig in Kontakt, sie sei de facto die Großmutter ihres Sohnes O ...

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.1.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Entsprechend der vorliegenden Sterbeurkunde sei der Versicherte an einem Darmkarzinom und nicht - wie von der Klägerin angegeben - an einem plötzlichen Herzstillstand verstorben. Ärztliche Unterlagen, die die Todesumstände oder die Todesursache belegten, lägen nicht vor. Seit wann ggf. ein Darmkarzinom vorgelegen habe, sei nicht nachvollziehbar. Weiterhin sei der Gesundheitszustand des Verstorbenen im Zeitraum von Sommer 2008 (s. Bescheinigung Dr. S. vom 20.1.2.2010) bis zum 30.9.2010 (Untersuchung im Medizinzentrum W. B.) nicht belegt. Seit Dezember 2002 sei die Klägerin auf den Malediven tätig, während der Versicherte offensichtlich in Deutschland geblieben sei. Demnach habe sie ab Dezember 2002 nicht (mehr) mit dem Versicherten zusammengelebt. Aber auch wenn sie in einer langjährigen Beziehung mit dem Verstorbenen gelebt habe, würde dies der Motivation, durch die Heirat eine Versorgung sicherzustellen, nicht entgegenstehen. Vielmehr liege dieser Tatsache in der Regel die langjährige bewusste Entscheidung zugrunde, eben nicht zu heiraten. Die Eheschließung selbst sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem mit einem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen gewesen sei. Unter Berücksichtigung der vorgetragenen Argumente und der vorliegenden Unterlagen sei der Widerspruchsausschuss zu der Überzeugung gekommen, der Vollbeweis, dass keine Versorgungsehe geschlossen worden sei, sei nicht erbracht (Bl. 249 VA).

Hiergegen hat die Klägerin am 1.3.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Sie hat vorgetragen, sich bereits am 22.10.2007 mit ihrem verstorbenen Ehemann verlobt zu haben. Hierzu hat sie entsprechende schriftliche Erklärungen ihrer Schwestern vom 31.5.2012, die Rechnung eines Juweliergeschäfts über den Kauf eines Paar Ringe vom 11.9.2007 sowie zwei Glückwunschkarten vorgelegt. Die in der Sterbeurkunde genannte Todesursache sei offensichtlich falsch, insbesondere mit den vorliegenden ärztlichen Befundberichten nicht vereinbar und durch eine nur äußerliche Leichenschau nicht festzustellen gewesen. Durch die Bestätigung der Notarin sei nachgewiesen, dass die Hochzeit bereits lange vor der Bekanntgabe der Diagnose Knochenkrebs/Metastasen am 2.10.2011 geplant gewesen sei. Nachdem die Klägerin mit dem verstorbenen Ehemann mehr als 26 Jahre zusammengelebt habe, stehe fest, dass die Versorgung der Klägerin bei der Entscheidung zu heiraten keine Rolle gespielt haben könne. Dass die Versorgung der Klägerin gerade nicht im Vordergrund gestanden habe, lasse sich auch aus der Tatsache herleiten, dass die bereits ohne Kenntnis jedweder Krankheitssymptome für August 2010 ins Auge gefasste Hochzeit wegen geschäftlicher Termine der Klägerin verschoben worden sei. Dass dann die Eheschließung, die bereits seit Jahren geplant gewesen und aus terminlichen Gründen immer wieder verschoben worden sei, zufälligerweise mit dem Ausbruch einer ernsten Krankheit zusammengetroffen sei, könne nicht dafür herhalten, von einer reinen oder überwiegenden Versorgungsehe zu sprechen; wenn das gewollt gewesen sei, hätte ja die Hochzeit ja bereits vor 25 Jahren stattfinden können. Die Eheleute hätten jedoch keinen Trauschein benötigt, um sich ihre Zuneigung zu beweisen. Was genau der Auslöser für den Heiratswunsch des Versicherten gewesen sei, lasse sich im Nachhinein nicht mehr mit letzter Sicherheit feststellen. Der Hauptgrund sei sicher die Legitimation der Lebensgemeinschaft vor dem Gesetz gewesen. Eine Rolle habe ferner auch die immer wiederkehrende zwangsläufige Trennung der Eheleute gespielt. Keinesfalls habe dafür der Versorgungsgedanke eine Rolle gespielt, weil die Klägerin lange Zeit ihres Lebens in der Lage gewesen sei, sich selbst zu versorgen und es keinen Anhaltspunkt dafür gegeben habe, dass der Versicherte nicht mehr lange zu leben hätte.

Im Rahmen eines vom SG am 13.6.2012 durchgeführten Erörterungstermins hat die Klägerin auf ergänzende Nachfrage durch das Gericht erklärt, der Versicherte sei 2002 in Rente gegangen und sie selbst habe in der Zwischenzeit einen Lehrgang zur Tauchlehrerin absolviert, so dass sie in der Folge öfters auf den Malediven gewesen seien. Besser gesagt, sie seien vielleicht ein bis zwei Monate im Jahr in S. gewesen. Das sei dann eher wie ein Urlaub gewesen und habe meistens in der Sommerzeit stattgefunden. Da sei auf den Malediven keine Tauchsaison. Im Jahr 2006 sei der Versicherte dann Großvater geworden und habe von da an öfter seine in Florida lebende Tochter und den Enkelsohn O. besucht. Es sei dann so gewesen, dass er öfter 3 bis 4 Monate in den USA gewesen sei und sie sich dann in Deutschland wiedergetroffen hätten oder er auf die Malediven zurückgekommen sei. Im Jahr 2007 hätten sie sich offiziell verlobt, damit der Enkelsohn O. eine "richtige Oma" habe. Sie hätten dann das Aufgebot zunächst für den 6.8.2010, ihren Geburtstag, bestellt. Der Termin habe aber auf den Verlobungstag am 22. Oktober verschoben werden müssen. Grund hierfür sei gewesen, dass sie im August 2010 nicht von den Malediven weggekonnt habe, da sie dort eine Safari organisiert habe. Schlimm hätten sie das aber nicht gefunden, da die Familie einfach gepasst habe. Sie hätten dann für den 8.5.2011, das wäre der 70. Geburtstag ihres Mannes gewesen, die kirchliche Hochzeit in Deutschland geplant. Seit der Verlobung im Jahr 2007 bis zur Hochzeit sei so viel Zeit verstrichen, weil sie die standesamtliche Trauung in den USA hätten machen wollen, damit die Familie der Tochter nicht extra deswegen nach Deutschland hätte fliegen müssen. Zur kirchlichen Hochzeit im Mai 2011 wären sie dann nach Deutschland gekommen. Als sie Anfang Oktober, ihrer Erinnerung nach am 11.10.2010, nach Florida gekommen sei, habe man ihr die Krankheit zunächst verschwiegen. Ihr Mann sei wie immer gewesen und eine Erkrankung eigentlich nicht ersichtlich. Sie nehme an, das man das Thema der Erkrankung von ihr ferngehalten habe. Hätte sie gewusst, dass ihr Mann schwer krank gewesen sei, dann hätte sie zu der Zeit natürlich keine Hochzeitsvorbereitungen getroffen. Es sei nur die Rede davon gewesen, dass ihr Mann in ärztlicher Behandlung gewesen sei und ein weiterer Termin im November hätte folgen sollen. Sie hätten noch überlegt, ob man den Checkup nicht in Deutschland mache. Ihr Mann habe ihr selbst damals nur von hohem Blutdruck und Unwohlsein erzählt. Nach ihrer Einreise bis zur Hochzeit hätten sie wie gesagt kein Krebsgespräch oder ähnliches geführt. Sie habe nur gewusst, dass sich ihr Mann offenbar mit der Heckenschere an der Schulter verletzt habe und deswegen behandelt worden sei. Geschwollene Lymphknoten habe sie nicht bemerkt (für die weiteren Angaben der Klägerin vgl. Niederschrift vom 13.6.2012, Bl. 44 SG-Akte). Sie wisse nicht, warum ihr Mann sie nicht über die Erkrankung informiert habe. Sie nehme an, er habe sie vielleicht schonen wollen. Vielleicht habe er auch selbst nicht gewusst, wie es um ihn stehe, nachdem ja auch der behandelnde Arzt gesagt habe, die Behandlung werde nach seinem Urlaub im November 2010 fortgesetzt und es damit offensichtlich nicht so eilig gewesen sei.

Nach dem Erörterungstermin hat der Klägerbevollmächtigte noch schriftlich vorgetragen, dass es dabei bleibe, dass zwischen 2008 und September 2010 keine ärztliche Behandlung stattgefunden habe, weil es keine gesundheitlichen Beschwerden gegeben habe. Nach dem Unfall mit der Heckenschere im Garten der Tochter habe der Versicherte Rückenschmerzen gehabt, die auch noch nach einer Woche angehalten hätten und habe deshalb das B. R. Medical Center aufgesucht. Hierbei sei ein CTI gemacht und dabei ein Bruch des Wirbels festgestellt worden. Der Rücken sei stabilisiert worden. Die weiteren Untersuchungen hätten Metastasen in der Wirbelsäule und Krebszellen ergeben. Da der Versicherte wegen des Ablaufs seines Visums Anfang November 2010 nach Deutschland hätte zurückfliegen müssen, hätten abschließende Untersuchungen und anschließende Behandlungen in Deutschland stattfinden sollen, um den Primärtumor herauszufinden und gezielt zu bekämpfen. Prognosen für Überlebenschancen seien nicht gestellt worden. Es habe zunächst die Hochzeit wie geplant stattfinden und danach alles weitere organisiert werden sollen. Am Todestag, Halloween, habe der Versicherte plötzlich ohne Vorankündigung an Atemnot gelitten und sei quasi in den Armen der Klägerin verstorben.

Der Beklagte hat auch unter Berücksichtigung des weiteren und sich häufig widersprechenden klägerischen Vortrags eine konkrete Heiratsabsicht vor Feststellung der schweren Erkrankung für nicht erkennbar gehalten.

Mit Urteil vom 27.2.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe - bezogen auf den Zeitpunkt der Eheschließung - keine gleichwertigen Motive vorbringen können, welche die gesetzliche Vermutung (einer Versorgungsehe) hätten widerlegen können. Die für die Heirat in Florida erforderliche License to marry sei erst einen Tag vor der Hochzeit am 21.10.2010 erteilt worden. Es sei daher davon auszugehen, dass sich die Eheleute erst im Oktober konkret zur Heirat entschlossen hätten. Insbesondere sei auch nicht etwa wie vorgetragen bereits im Mai 2010 das Aufgebot bestellt worden. Vielmehr habe der Ehemann der Klägerin nach der im Vorfeld vorgelegten Auskunft der Notarin A. damals lediglich Kontakt zu ihr aufgenommen, um die Hochzeitspläne - damals wohl noch für den August 2010 - zu besprechen. Die konkrete Festlegung auf einen bestimmten Heiratstermin sei damit im Mai 2010 jedenfalls noch nicht erfolgt. Zur Zeit der tatsächlichen Hochzeitsvorbereitungen im Oktober 2010 habe sich der Ehemann der Klägerin jedoch bereits mit der Diagnose einer lebensbedrohenden Krebserkrankung konfrontiert gesehen. Von ihrem eigenen Kenntnisstand zum Gesundheitszustand ihres Ehemanns zur Zeit der Eheschließung habe die Klägerin widersprüchliche Angaben gemacht. Unabhängig davon könne eine etwaige Unkenntnis der Klägerin von der Krebserkrankung für sich allein zu keinem anderen Ergebnis führen würde, da es auf die Motive beider Ehegatten ankomme. Die festgestellten Ungereimtheiten wirkten sich im Rahmen der gerichtlichen Überzeugungsbildung zu Lasten der Klägerin aus. Abschließend ergebe sich für die Kammer folgendes Bild: Die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich im Oktober 2007 verlobt, ohne konkrete Vorstellungen im Hinblick auf einen Hochzeitstermin zu haben. Spätestens Ende September/Anfang Oktober 2010 - medizinische Unterlagen aus der Zeit zwischen Sommer 2008 bis dahin lägen nicht vor - sei eine schwere Krebserkrankung des Ehemannes der Klägerin diagnostiziert worden. Die Hochzeit sei nach dieser Diagnose am 22.10.2010 erfolgt. Am 31.10.2010 sei der Ehemann verstorben, wobei medizinischerseits - auch nach zwischenzeitlicher Korrektur - die Krebserkrankung als Todesursache angegeben werde. Unter diesen Umständen sei die begehrte Witwenrente gem. § 46 Abs. 2 a SGB VI ausgeschlossen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten gegen Postzustellungsurkunde am 28.3.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.4.2013 (Montag) beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ihren Vortrag aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Das SG sei bei seiner Entscheidung, der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat sei gewesen, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Die Eheleute hätten seit Jahrzehnten bereits in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammen gelebt, gemeinsam ein Hotel geleitet und hätten auch nach den Übergang des Versicherten in das Rentnerdasein weiterhin zusammengelebt, wenn auch teilweise für Zeiträume von mehreren Wochen getrennt. Für die Verwandtschaft seien die Eheleute seit unvordenklichen Zeiten, wenn auch ohne Trauschein, zusammen gewesen. Im Mai 2010 habe die License to marry für die am 6.8.2010 geplante Hochzeit noch nicht beantragt werden können. Hierfür sei neben der persönlichen Anwesenheit der Klägerin auch ihr Pass erforderlich gewesen, die diesen jedoch zur Einreise in die USA benötigt habe. Die License to marry habe somit aus formellen Gründen erst nach der Einreise in die USA beantragt werden können. Dies rechtfertige jedoch nicht den Schluss, dass die konkrete Hochzeit nicht bereits am Tag der Verlobung am 22.10.2007 geplant und die Verheiratung nicht bereits im Mai 2010 ernsthaft gewollt gewesen sei. All dies sei unstreitig lange vor der Stellung der Krebsdiagnose geschehen. Im übrigen sei die Eheschließung bereits seit 1985 geplant gewesen. Die konkrete Eheschließung sei aber immer wieder an plötzlichen Todesfällen in der Familie der Klägerin bzw. des Versicherten gescheitert (1986 ein Onkel der Klägerin, 1989 dessen Frau, 1991 der Vater der Klägerin, 1991 ihr Schwager mit 43 Jahren, 1993 ein anderer Schwager mit 38 Jahren, 2000 eine Tante der Klägerin sowie die Mutter des Versicherten). 2001 habe die Tochter des Versicherten in den USA geheiratet. Er habe es sich nicht nehmen lassen, trotz Hochsaison in seinem Hotel an deren Hochzeitsfeier teilzunehmen. Ab Dezember 2002 habe der Versicherte Rente erhalten, die Klägerin ihre Tätigkeit als selbständige Tauchlehrerin auf den Malediven aufgenommen. In den Sommermonaten hätten die Klägerin und der Versicherte den Rest des Jahres auf den Malediven zusammengelebt. 2006 sei der Enkel O. geboren worden, der Versicherte habe von da an mindestens 3 Monate am Stück in Florida verbracht. Das übrige Jahr hätten die Klägerin wie bereits dargelegt gemeinsam in Deutschland oder auf den Malediven verbracht. Die Hochzeit sei nun konkret ins Auge gefasst und am 22.10.2007 die Verlobung gefeiert worden. Allerdings hätte der Enkel O. bis zur Hochzeit die soweit gediehen sein sollen, dass er die Hochzeit dauerhaft in Erinnerung behalten würde. Soweit das SG der Klägerin vorgeworfen habe, sie habe im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht, sei zu berücksichtigen, dass sie unter Schock aufgrund des plötzlichen Todes des Versicherten gestanden habe. Dass sie im Nachhinein manches anders dargestellt habe als unmittelbar oder kurz nach dem Tod des Versicherten, könne ihr nicht vorgeworfen werden. Weil der Versorgungsgedanke nicht ursächlich für die Eheschließung gewesen sei, könnten es nur andere Gründe gewesen sein, nämlich die Gefühle der Eheleute füreinander, die sie über annähern 3 Jahrzehnte gepflegt hätten.

In einem Erörterungstermin am 7.8.2013 hat die Klägerin die Frage, warum sie nicht früher geheiratet habe, mit dem nicht durchführbaren Kinderwunsch begründet. Es habe dann auch sonst nicht den dringenden Wunsch zu heiraten gegeben. Logischerweise hätten sie aber schon irgendwann heiraten wollen, auch O. zuliebe. Ganz weitläufig sei die Hochzeit schon lange geplant gewesen, konkret ab Januar 2010. Den Entschluss, am 22. Oktober zu heiraten habe es gegeben, seit der Termin im August geplatzt sei. Das müsse Ende Juni/Anfang Juli gewesen sein. Die License to marry sei erst am 21. Oktober beantragt worden, weil das so kurzfristig möglich sei. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 7.8.2013 Bezug genommen. Ergänzend hat der Senat die Tochter des Versicherten, T. M. sowie deren Ehemann schriftlich als Zeugen befragt. Während der Schwiegersohn im wesentlichen auf die Angaben seiner Frau verwiesen hat, hat T. M. angegeben, ihr sei die Diagnose Knochenmetastasen Stadium 4 im Herbst 2010 bekannt gewesen. Die Lebenserwartung sei kein Thema gewesen. Es sei die Rückreise nach Deutschland geplant gewesen zur dortigen Weiterbehandlung. Der Klägerin habe sie im Zusammenhang mit der Erkrankung des Versicherten nur erzählt, dass ihr Vater, wenn sie zurückflögen, zum Arzt müsse, um eine Weiterbehandlung zu bekommen. Von anderen Personen habe die Klägerin keine Informationen über die Erkrankung bekommen, insbesondere nicht durch den Versicherten selbst.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. November 2010 Witwenrente aus der Versicherung des am 31. Oktober 2010 verstorbenen Versicherten B. H., ihres Ehemannes, in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich weiterhin auf die zahlreichen widersprüchlichen Angaben der Klägerin unter anderem hinsichtlich der Krankheit des Verstorbenen, der Schilderung des Todestages und der Begründung der langen Verlobungszeit, die der Glaubwürdigkeit ihrer Schilderungen entgegen stünden. Auch die jahrelange bewusste Entscheidung gegen eine Ehe mit seit 2002 verschiedenen Lebensmittelpunkten der Eheleute und die lange Zeit zwischen der angegebenen Verlobung im Jahr 2007 und der Heirat im Jahr 2010 nach der Diagnose der Krebserkrankung seien nicht als Vollbeweis gegen die gesetzliche Vermutung geeignet, sondern sprächen vielmehr für die gesetzliche Vermutung. Schließlich ergebe sich auch aus den Angaben der Klägerin und der Zeugin mehrfach, dass kein dringender Wunsch zu heiraten bestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 2, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung aus der Versicherung des B. H., da die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht widerlegt ist.

Nach § 46 Abs. 2 S. 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, u.a. dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 31.10.2010 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gem. § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 22.10.2010 bis zum 31.10.2010.

Der Begriff der "besonderen Umstände" in § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSGE 60, 204, 207). Als besondere Umstände sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die "Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind (BSG, Urt. v. 5.5.2009, B 13 R 55/08 R, Rz. 18, 20, 21). Eine Beschränkung nur auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würden. Allerdings sind die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen (BSG a.a.O., Rz. 23f., LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.10.2012, L 11 R 392/11, Rz. 22). Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordert gem. § 202 SGG i.V.m. § 292 ZPO den vollen Beweis des Gegenteils. Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist erst bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (LSG Baden-Württemberg a.a.O. Rz. 23; BSG a.a.O., Rz. 28). Wenn eine solche erforderliche Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will (Keller in Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, 10. Aufl., § 118 Rz. 6), im vorliegenden Fall die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft.

Besonderer Bedeutung (als äußerer Umstand) kommt dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung" einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG a.a.O., Rz. 27).

An äußeren Umständen ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit dem Versicherten seit 1984 zusammengelebt und bis 2002 mit diesem gemeinsam ein Hotel geführt hat. Seit 2002 bezog der Versicherte Altersrente, die Klägerin ging bzw. geht auch heute noch einer Tätigkeit als Tauchlehrerin auf den Malediven nach. Im Oktober 2007 haben sich die Klägerin und der Versicherte verlobt, was von den Schwestern der Klägerin bestätigt wurde. Seit April 2010 hat sich der Versicherte besuchsweise bei seiner Tochter in Florida aufgehalten. Im Mai 2010 hat der Versicherte bei der Notarin A. in B. R. vorgesprochen, was diese mit Bescheinigung vom 26.1.2011 bestätigt hat. Gegenstand des Gesprächs waren Hochzeitspläne. Ende September 2010 wurde im W. B. Medical Center eine ausgeprägte Knochenmetastasierung in der Wirbelsäule festgestellt, vereinbar mit einem Adenokarzinom. Das folgt aus den von der Klägerin vorgelegten Arztberichten über die Konsultationen am 30.9., 2.10. und 5.10.2010. Bei einer metastasierten Krebserkrankung handelt es sich um eine offenkundig lebensbedrohliche Erkrankung. Am 21.10.2010 erfolgte die Application to marry, am selben Tag wurde die erforderliche License to marry ausgestellt. Laut Certificate of marriage wurde die Ehe am 22.10.2010 geschlossen (vgl. Heiratsurkunde Bl. 19 VA). Am 31.10.2010 ist der Versicherte verstorben. Todesursache war die Krebserkrankung. Das folgt zur Überzeugung des Senats aus dem vorgelegten und im Laufe des Klageverfahrens berichtigten Certificate of death (Bl. 21 VA, Bl. 66 SG-Akte: Metastatic Carcinoma unknown primary).

Die Behauptung der Klägerin, über die Diagnose nicht informiert gewesen zu sein, ist für den Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutreffend. Es erscheint bereits nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin diese Angabe erstmalig im Erörterungstermin vor dem SG am 13.6.2012 gemacht hat. Weder im Verwaltungsverfahren noch in der zunächst vom Bevollmächtigten vorgelegten Klagebegründung hat die Klägerin hierauf hingewiesen, vielmehr wiederholt betont, dass mit dem so baldigen Ableben nicht zu rechnen gewesen sei. Sie hat auch auf Nachfragen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren angegeben, dass eine weitere Behandlung nach Urlaubsrückkehr des behandelnden Arztes in den USA geplant gewesen sei (bzw. später - in gewissem Widerspruch hierzu - mitgeteilt, dass mit Blick auf das auslaufende Visum eine Weiterbehandlung in Deutschland erfolgten sollte). Wieso nicht bereits hier der Hinweis erfolgt ist, dass sie selbst vor der Hochzeit noch keine Kenntnis von "der Erkrankung" gehabt habe, ist nicht verständlich. Darüber hinaus hat die Klägerin mit Blick auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung widersprüchliche Angaben gemacht. Die von der Tochter des Versicherten auf schriftliche Befragung durch den Senat im Berufungsverfahren gemachten Angaben sind so knapp, dass sie den klägerischen Vortrag nicht zu stützen vermögen: Der Tochter selbst war die Diagnose Knochenmetastasen bekannt, sie hat auch an einem entsprechenden Gespräch im Krankenhaus teilgenommen. Wenn sie nunmehr gegenüber dem LSG angibt, sie habe der Klägerin gesagt, dass der Versicherte nach der Rückkehr nach Deutschland zum Arzt müsse, erscheint in keiner Weise nachvollziehbar, warum hier durch die Klägerin keine weiteren Nachfragen erfolgt sind.

Die von der Klägerin angeführten langjährigen Heiratsabsichten sind nicht geeignet zu einem anderen Ergebnis zu führen. Es ist durchaus davon auszugehen, dass der Verlobung im Jahr 2007 auch eine Eheschließung nachfolgen sollte. Ein konkreter Hochzeitstermin und -ort war zum Zeitpunkt der Verlobung allerdings noch nicht ins Auge gefasst, vielmehr haben die Schwestern in ihrem Schreiben vom 31.5.2012 von immer ausgefalleneren Hochzeitsplänen (Familiensafari auf den Malediven, gemeinsamer Besuch in Florida) berichtet. Langjährige Heiratsabsichten können nach der Überzeugung des Senats nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als die konsequenter Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (so auch Bayerisches LSG Urt. v. 20.2.2013, L 1 R 304/11, Rz 41; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 5.9.2013, L 27 R 765/12, Rz. 41). Hinsichtlich der Hochzeitpläne hat die Klägerin im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht: Einerseits hat sie vorgetragen, Hochzeitspläne hätten seit 1985 bestanden, es seien jedoch immer wieder Todesfälle in der Familie dazwischengekommen. Sie hätten auch jahrelang keinen Trauschein nötig gehabt. Die lange Verlobungszeit sei mit der oftmaligen räumlichen Trennung zu erklären. Die offizielle Verlobung sei im Wesentlichen erfolgt, damit der (2006 geborene) Enkelsohn eine "richtige" Oma habe; das Abwarten seit 2007 sei wiederum damit zu erklären, dass nach 20 gemeinsamen Jahren keine Eile bestanden habe und der Enkel die Hochzeit habe bewusst mit erleben sollen. Aufgrund ihrer eigenen beruflichen Belastung hätten seit 2009 ins Auge gefasste Termine immer wieder verschoben werden müssen. So habe zuletzt auch der für August 2010 geplante Termin wegen beruflicher Verhinderung ihrerseits nicht stattfinden können, seit Ende Juni/Anfang Juli 2010 sei dann der 22. Oktober geplant gewesen. Nach den Angaben der Tochter T. M. im Verwaltungsverfahren hätten sich ihr Vater und die Klägerin im Juni 2010 entschlossen, endlich zu heiraten. Mit Erklärung vom 19.9.2012 haben sie und ihr Ehemann im SG-Verfahren angegeben, der Versicherte habe sich im Mai 2010 eine Wedding Permission für die für Anfang August geplante Hochzeit besorgt. Dies ist allerdings von der Notarin A. so nicht bestätigt worden: Zwar ergibt sich aus der vorgelegten Bescheinigung, dass der Versicherte im Mai 2010 mit ihr Hochzeitspläne besprochen habe, der zunächst für August ins Auge gefasste Termin sei allerdings wieder verschoben worden. Unterlagen, die etwa die Beantragung einer Application to marry bzw. License to marry bereits im Mai 2010 belegen könnten, wurden nicht vorgelegt. Angesichts dieser differierenden Angaben und mit Blick darauf, dass berufliche Gründe wiederholt zur Verschiebung der Hochzeit führen konnten, kann von einer hinreichend konkretisierten Heiratsabsicht und konsequenten Verwirklichung langjähriger Heiratspläne nicht die Rede sein. Nach außen manifestiert wurde die Heiratsabsicht erst mit der Application to marry am 21.10.2012. Zu diesem Zeitpunkt war die Krebserkrankung des Klägers allerdings bereits offenkundig.

Die Angaben zum (gemeinsamen) Lebensmittelpunkt waren im Verlauf des Verfahrens unterschiedlich: Einerseits wurde vorgetragen, nahezu die gesamte Zeit sei gemeinsam verbracht worden: entweder der Versicherte bei der Klägerin auf den Malediven oder (außerhalb der Tauchsaison) in den Sommermonaten beide zusammen im Allgäu. Andererseits hat die Klägerseite (als inneren Umstand) mehrfach betont, mit ein Motiv für die Heirat seien die langen Trennungszeiten gewesen. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin und der Versicherte etwa 26 Jahre in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt haben, liegt darin kein gegen eine Versorgungsehe sprechender besonderer Umstand. Dies spricht jedenfalls nicht gegen den Versorgungszweck. Denn einem langjährigen Zusammenleben ohne Trauschein liegt die langjährige bewusste Entscheidung zugrunde, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen zu unterliegen, die für Eheleute gelten (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 5.9.2013, L 27 R 765/12, Rz. 40; Bayerisches LSG, Urt. v. 20.2.2013, L 1 R 304/11, Rz. 40). Dass die Legalisierung der Gemeinschaft (so das von der Klägerin vermutete Motiv bei ihrem Ehemann, der vor allem für Alter und Krankheit eine "legale" Ehefrau und für den Enkel eine "legale" Oma angestrebt habe) ein besonders gewichtiges Motiv war, vermag der Senat nicht zu seiner Überzeugung festzustellen. Denn nach einem bald 30-jährigen Zusammenleben ist nicht nachvollziehbar, wieso diese Motive gerade zum Zeitpunkt der Erkrankung ein derartiges Gewicht bekommen haben sollten.

Bei einer Gesamtschau der äußeren und inneren Umstände konnte der Senat die gesetzliche Ausnahmeregelung des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht als nachgewiesen im Sinne des Vollbeweises ansehen. Insoweit bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved