L 10 R 285/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4187/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 285/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.01.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.

Der am1971 geborene Kläger, italienischer Staatsangehöriger, siedelte im Jahr 1989 ins Bundesgebiet über. Er erlernte keinen Beruf. Seit 1990 war er u.a. als Fabrikarbeiter und Speditionsfahrer sowie zuletzt als Lagerarbeiter beschäftigt.

Anfang 2007 trat beim Kläger Arbeitsunfähigkeit wegen einer Sigmadivertikulose ein, die mehrere komplikationsbehaftete Bauchoperationen erforderlich machte. Im Rahmen der Prüfung von Teilhabeleistungen holte die Beklagte das Gutachten des Internisten Dr. Gregor ein, der den Kläger im Oktober 2010 untersuchte. Er diagnostizierte eine Adipositas 3. Grades, einen Bauchdeckenbruch nach Sigmaresektion und Peritonitis mit Z.n. Anus praeter sowie ein allergisches Asthma bronchiale, wodurch er das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über zehn kg ohne technische Hilfsmittel, häufiges Bücken und überwiegend stehende Tätigkeiten nicht mehr für zumutbar erachtete. Zu vermeiden seien im Übrigen inhalative Expositionen von Allergenen, Dämpfen, industriellen Gasen, Zigarettenrauch, Staub und anderen Noxen. Leichte überwiegend im Sitzen auszuübende Tätigkeiten erachtete er vollschichtig für möglich. Die zuvor ausgeübte Tätigkeit als Lagerarbeiter hielt er nicht mehr für leidensgerecht. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 04.02.2011 mit Bescheid vom 21.02.2011 und Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 ab.

Am 22.11.2011 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, selbst leichte berufliche Tätigkeiten nicht wenigstens drei Stunden täglich verrichten zu können. Er leide unter einem Bauchdeckenbruch, an einer Adipositas mit Folgeschäden, einem allergischen Asthma, rezidivierenden Lumboischialgien, chronischer Hepatitis, Bluthochdruck, Bauchwassersucht, erheblichen Missempfindungen der Beine und an den Folgen eines Lungenkollapses. Aufgrund der täglich vorhandenen stärksten Schmerzen sei noch eine mittel- bis schwergradige depressive Episode hinzugekommen.

Das SG hat den behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört, der angesichts der chronischen Bauchbeschwerden und der Schmerzen von Seiten des Bewegungsapparates in Kombination mit der Adipositas keine beruflichen Wiedereingliederungsmöglichkeiten gesehen hat. Das SG hat sodann das internistische Gutachten des Dr. Sc. (Untersuchung des Klägers im Mai 2012) und das orthopädische Gutachten des Dr. Kr. (Untersuchung im März 2012) eingeholt, die beide zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen gelangt sind. Dr. Kr. hat Belastungsschmerzen mit Funktionseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule (ohne neurologische Ausstrahlung in den Bereich der unteren Extremitäten), eine Einschränkung der Beweglichkeit hinsichtlich Abspreizen und Vorhalten im Bereich der linken Schulter nach erlittener Prellung bei alter knöcherner Schädigung am vorderen/unteren Glenoidrand mit nicht dislozierter Fraktur, einen lokalen Muskelhartspann im Bereich der Rückenstreckerkette (bezogen auf die Brustwirbelsäule), eine Reizung in Höhe des äußeren Gelenkspaltes am Knie linksseitig (ohne Einklemmungen), einen erheblichen Senkspreizfuß sowie ein massives Übergewicht diagnostiziert und hierdurch lediglich noch leichte Tätigkeiten ohne langes Gehen und Stehen und ohne Arbeiten in Augenhöhe oder über Kopf für zumutbar erachtet. Dr. Sc. hat von internistischer Seite ein chronisches Schmerzsyndrom bei multiplen Narbenhernien nach Sigmaresektion 2007 mit mehreren Nachoperationen wegen massiver Komplikationen, einen Diabetes mellitus, eine kombinierte Hyperlipidämie, Hyperurikämie und Hypertonie bei Adipositas 3. Grades sowie ein allergisches Asthma diagnostiziert und im Hinblick auf die Narbenbrüche und das massive Übergewicht das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über zehn kg sowie häufiges Bücken nicht mehr für zumutbar und einen regelmäßigen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen für notwendig erachtet. Im Hinblick auf das allergische Asthma bronchiale sei die Vermeidung von inhalativen Expositionen gegenüber Allergenen, Dämpfen, Stäuben, Gasen, Zigarettenrauch und anderen Schadstoffen notwendig. Aus der Stoffwechselsituation resultierten keine Einschränkungen des Leistungsvermögens. Aufgrund des Schmerzmittelkonsums kämen Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und das Verantwortungsbewusstsein bzw. Tätigkeiten mit überdurchschnittlicher Selbst- und Fremdgefährdung nicht mehr in Betracht. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Prof. Dr. Br., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, eingeholt, der von nervenärztlicher Seite eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert und die Leistungsfähigkeit des Klägers mit weniger als zwei Stunden täglich eingeschätzt hat. Nach ergänzender schriftlicher Anhörung des Dr. W. als sachverständiger Zeuge, der über keine Änderung im Gesundheitszustand des Klägers während der letzten zwei Jahre berichtet hat, hat das SG das Gutachten des Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, eingeholt, der den Kläger im November 2012 untersucht hat. Der Sachverständige hat keine Hinweise auf ein relevantes depressives Syndrom gefunden und auf nervenärztlichem Fachgebiet eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert. Hierdurch hat er Einschränkungen im Hinblick auf Akkord- und Fließbandarbeiten, ungünstige Witterungseinflüsse sowie Tätigkeiten mit besonders hoher Anforderung an die psychische Belastbarkeit gesehen, jedoch keine zeitliche Leistungsminderung im Hinblick auf vollschichtige berufliche Tätigkeiten.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.01.2013 hat das SG die Klage gestützt auf die Gutachten des Dr. Sc., des Dr. Kr. und des Dr. H. im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger könne leichte berufliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zumindest noch sechs Stunden täglich verrichten und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Am 08.01.2013 hat der Kläger dagegen Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt und gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. Br. geltend gemacht, seine Leistungsfähigkeit sei auf weniger als drei Stunden täglich herabgesunken. Zudem könne er nicht mehr verantwortungsbewusst ein Kraftfahrzeug lenken, Fahrrad fahren und fußläufig einen Arbeitsplatz aufsuchen, so dass er auch nicht mehr über eine Wegefähigkeit verfüge.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.01.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2011 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 21.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Zutreffend hat es unter Darlegung der Regelung des § 240 SGB VI im Übrigen ausgeführt, dass eine Rente wegen teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit schon deshalb ausscheidet, weil der Kläger angesichts seines Geburtsjahres 1971 nicht mehr zu dem insoweit begünstigten Personenkreis der vor dem 02.01.1961 geborenen Versicherten gehört. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Nach Auswertung der umfangreich vorliegenden medizinischen Unterlagen geht der Senat - ebenso wie zuvor schon das SG - davon aus, dass der Kläger in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen deutlich eingeschränkt ist. Hingegen vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die funktionellen Auswirkungen seiner Erkrankungen ein Ausmaß erreichen, das auch leichte Tätigkeiten in einem Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich nicht mehr zulässt. Der Senat schließt sich vielmehr, wie das SG, den Leistungsbeurteilungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc., Dr. Kr. und Dr. H. an. Im Vordergrund der Beeinträchtigungen des Klägers stehen die Folgen einer Sigmadivertikulose, derentwegen mehrmals und komplikationsbehaftet Bauchoperationen erforderlich waren, wodurch es beim Kläger zu einem chronischen Schmerzsyndrom gekommen ist, das zur regelmäßigen Einnahme von Schmerzmedikamenten führt. Durch die aufgetretenen Narbenbrüche kommen für den Kläger im Zusammenwirken mit dem bestehenden massiven Übergewicht - so Dr. Sc. - Tätigkeiten nicht mehr in Betracht, die das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg sowie häufiges Bücken erfordern. Dem Kläger können mithin lediglich noch leichte berufliche Tätigkeiten zugemutet werden. Von internistischer Seite ist bedingt durch das allergische Asthma bronchiale darüber hinaus zu berücksichtigen, dass inhalative Expositionen gegenüber Allergenen, Dämpfen, Stäuben, Gasen, Zigarettenrauch und anderen Schadstoffen vermieden werden. Darüber hinausgehende Einschränkungen sind durch die Lungenfunktionseinschränkung nicht bedingt, wie der Sachverständige Dr. Sc. überzeugend dargelegt hat. Denn die anlässlich seiner Untersuchung bei der Fahrrad-Ergometrie gemessenen Werte der Sauerstoffsättigung sind normal gewesen und haben keinen Hinweis auf eine Beeinträchtigung der Atemfunktion bis hin zu mittelschwerer Belastung gegeben. Im Rahmen leichter beruflicher Tätigkeiten gehen, wie Dr. Sc. dargelegt hat, auch von den bestehenden und durch das massive Übergewicht negativ beeinflussten Stoffwechselerkrankungen des Klägers keine weitergehenden Einschränkungen aus.

Soweit der Kläger über Beschwerden von Seiten des Bewegungsapparates klagt, haben auch diese keine die Leistungsfähigkeit des Klägers rentenrelevant einschränkenden Auswirkungen. Hinsichtlich der insoweit vom Kläger in erster Linie geklagten Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlungen in die Beine und immer wieder auftretendem Taubheitsgefühl, was zu einer Reduzierung der Gehstrecke führe, hat der Sachverständige Dr. Kr. kein organisches Korrelat finden können. Insoweit hat er radiologisch einen im Wesentlichen altersentsprechenden Befund erhoben. Dabei sind im Bereich der Wirbelsäule weder Veränderungen im Sinne einer Wirbelkanalenge nachzuweisen, noch haben von neurologischer Seite pathologische Befunde vorgelegen, die auf eine Schädigung der Nervenstruktur im Bereich der Lendenwirbelsäule hinweisen würden. Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dr. Kr. lässt sich die vom Kläger behauptete starke Einschränkung der Gehstrecke auch nicht mit einer Durchblutungsstörung erklären, nachdem sich bei tastbaren Pulsen insoweit keine Auffälligkeiten gezeigt haben. Demgegenüber hat der Sachverständige auf eine deutliche Diskrepanz zwischen den vorgebrachten Klagen und den greifbaren Befunden und Bewegungsausmaßen, einschließlich der Apparateuntersuchungen hingewiesen, und diesbezüglich beispielhaft auf die Messung des Finger-Boden-Abstandes im Stehen Bezug genommen, bei der sich eine verminderte Entfaltung der Lendenwirbelsäule gezeigt hat, die dann bei der Messung des Finger-Zehen-Abstandes im Langsitz nicht festzustellen gewesen ist, und sich da vielmehr eine deutlich bessere Beweglichkeit gezeigt hat. Die von Dr. Kr. insoweit gefertigten Funktionsaufnahmen machen dabei deutlich, dass noch alle Etagen der Lendenwirbelsäule an der Beweglichkeit teilnehmen. Vor dem Hintergrund dessen überzeugen die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Kr., wonach sich von orthopädischer Seite im Rahmen leichter beruflicher Tätigkeiten weitergehende Einschränkungen lediglich insoweit ergeben, als für den Kläger, bedingt durch die Folgen eines Sturzes im Bereich der linken Schulter angesichts der insoweit nachvollziehbar vorhandenen Bewegungseinschränkung, Tätigkeiten in Augenhöhe und über Kopf nicht mehr in Betracht kommen. Darüber hinausgehende Einschränkungen, liegen nicht vor.

Schließlich führen auch die von nervenärztlicher Seite bestehenden Gesundheitsstörungen des Klägers, wie Dr. H. überzeugend dargelegt hat, nicht zu einer rentenrelevanten Einschränkung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit. Insoweit folgt der Senat insbesondere nicht dem Gutachten des Prof. Dr. Br., durch das der Kläger sich in seiner Auffassung gestützt sieht, lediglich noch weniger als drei Stunden täglich einer beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können. Dieses Gutachten überzeugt schon deshalb nicht, weil sich der Sachverständige - worauf Dr. E.-D. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - bei seiner Leistungsbeurteilung maßgeblich auf die subjektiven Beschwerdeschilderungen des Klägers gestützt hat, ohne diese einer kritischen Prüfung zu unterziehen, und im Übrigen die "große Anzahl gesundheitlicher Störungen" bewertet hat, ohne jedoch die aus den jeweiligen Gesundheitsstörungen resultierenden Funktionseinschränkungen hinreichend konkret zu beschreiben und hieraus nachvollziehbar ein Leistungsbild abzuleiten. So führt der Sachverständige als Funktionsdefizite chronische Schmerzzustände, fortgeschrittene Bewegungseinschränkungen, Stuhlunregelmäßigkeiten, Atemstörungen, Blutdruckstörungen, diabetische Stoffwechselentgleisungen, Störungen des Fettstoffwechsels und des Harnsäurestoffwechsels und Hautveränderungen im Sinne einer Psoriasis und einer Stauungsdermatitis auf und folgert dann, dass sich die Funktionsstörungen ungemein nachteilig auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers im Allgemeinen auswirkten. Damit bleibt jedoch unbeantwortet, welche konkreten Körperfunktionen in welcher Form und in welchem Ausmaß durch die jeweils beschriebenen Gesundheitsstörungen beeinträchtigt werden und inwieweit die jeweilige Einschränkung sich im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit nachteilig auswirkt. Damit ist auch unklar, in welcher Form sich die von Prof. Dr. Br. fachfremd aufgeführten (insgesamt zwölf) Diagnosen, die insbesondere das orthopädische und internistische Fachgebiet betreffen, in seiner Leistungsbeurteilung niedergeschlagen haben.

Da Prof. Dr. Br. seine im Vergleich zu den Vorgutachten abweichende Leistungsbeurteilung damit begründet hat, dass die Vorgutachter die desolate psychische Verfassung des Klägers im Sinne einer depressiven Erkrankung und einer somatoformen Schmerzstörung nicht korrekt erfasst hätten, geht der Senat davon aus, dass der Sachverständige den Schwerpunkt der die Leistungsfähigkeit des Klägers einschränkenden Erkrankungen letztlich doch auf psychiatrischem Fachgebiet angesiedelt hat. Dies erklärt auch, dass Prof. Dr. Br. zu einer Leistungsbeurteilung (weniger als zwei Stunden täglich) gelangt, die ganz erheblich von den übereinstimmenden Einschätzungen der Sachverständigen Dr. Sc. und Dr. Kr. (zumindest sechs Stunden täglich) abweicht. Allerdings ist bei Annahme einer derart weitreichenden Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit zu erwarten, dass von nervenärztlicher Seite auch schwerwiegende Erkrankungen vorliegen. Hiervon ist nach Überzeugung des Senats jedoch nicht auszugehen. Hierauf weist schon der Umstand hin, dass der Kläger nicht in nervenärztlicher Behandlung steht und daher gerade auch im Hinblick auf die von Prof. Dr. Br. diagnostizierten nervenärztlichen Erkrankungen keine fachärztlichen Therapien erfolgen. Auf eine schwerwiegende Erkrankung von psychiatrischer Seite deutet dies nicht hin. In diesem Sinne hat sich auch der Sachverständige Dr. H. im Rahmen seines Gutachtens geäußert.

Unabhängig davon hat der Sachverständige Dr. H. anlässlich seiner Untersuchung aber auch die von Prof. Dr. Br. gestellte Diagnose einer depressiven Störung nicht bestätigen können. Denn Dr. H. hat den Kläger gerade nicht als tiefergehend depressiv herabgestimmt beschrieben, sondern als ausgesprochen lebhaft in Gestik und Mimik und ohne Hinweise auf Interesseverlust oder Freudlosigkeit. Er hat keine Antriebsminderung festgestellt, kein beeinträchtigtes Selbstwertgefühl, keine negativen Zukunftsperspektiven, keine Suizidgedanken und kein Appetitstörungen. Angesichts dessen und des weiteren Umstandes, dass die vom Kläger geklagten Schmerzzustände, für die kein adäquates organisches Korrelat vorliegt, nicht in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auftreten, geht der Senat in Übereinstimmung mit Dr. H. auch davon aus, dass der Kläger von nervenärztlicher Seite an einem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren leidet, nicht aber, wie von Prof. Dr. Br. diagnostiziert, an einer depressiven Erkrankung und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.

Zu einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung führt dieses Schmerzsyndrom allerdings nicht. Der Senat vermag insbesondere nicht die Schilderungen des Klägers über Art und Ausmaß seiner Schmerzen seiner Beurteilung zu Grunde zu legen. Denn nachdem schon Dr. Kr. auf die deutliche Diskrepanz zwischen den Beschwerdeschilderungen des Klägers und den anlässlich seiner Untersuchung erhobenen Befunden hingewiesen hat, haben auch die von Dr. H. durchgeführten Testuntersuchungen ein nicht authentisches Verhalten des Klägers bestätigt. So haben sich einerseits bei dem "Strukturierten Fragebogen Simulierter Symptome" erhebliche Hinweise auf eine Antwortverzerrung ergeben und auch das Ergebnis der "Schmerz-Simulations-Skala" hat eine Aggravation aufgezeigt. Damit ist für den Senat das tatsächliche Ausmaß der den Kläger einschränkenden Schmerzsymptomatik nicht feststellbar, mithin auch nicht, ob das Leistungsvermögen des Klägers hierdurch in einem rentenberechtigenden Ausmaß eingeschränkt wird. Der Nachteil dieser Nichterweislichkeit einer anspruchsbegründenden Tatsache geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Denn nach diesem Grundsatz hat jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen zu tragen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen.

Schließlich lässt sich auch am alltäglichen Verhalten des Klägers - hierauf hat bereits das SG hingewiesen - keine rentenrelevante Leistungseinschränkung erkennen. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber Dr. H. macht er Spaziergänge und geht Einkaufen. Er hat guten, intensiven Kontakt zur Familie. Seine Eltern und seine Schwester wohnen in der Nähe. Insbesondere seine Schwester besucht ihn mit ihren beiden kleinen Kindern fast täglich, worüber er sich freut. Dadurch - so der Kläger gegenüber Dr. H. - sei sein Tag ausgefüllt. Darüber hinaus sitzt er häufig vor dem Computer (Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. Br.). Angesichts dieser sozialen Aktivitäten ist nicht erkennbar, warum der Kläger nicht leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ausüben könnte.

Im Ergebnis schließt sich der Senat somit - wie das SG - der Beurteilung von Dr. H. an. Danach lässt sich auch aus nervenärztlicher Sicht eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründen. Zu vermeiden sind lediglich Akkord- und Fließbandarbeiten, ungünstige Witterungseinflüsse sowie besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit.

Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren zur Stützung seiner Auffassung auf das vorgelegte Attest des Hautarztes W. vom 12.07.2013, den Behandlungsbericht der Klinik für Dermatologie und Phlebologie des Klinikums S. vom 26.07.2013 über die stationäre Behandlung im Juli 2013 sowie den Befund der Computertomographie (CT) des Radiologen Dr. Ma. vom 12.09.2013 bezieht, lässt sich hieraus keine für den Kläger günstigere Entscheidung ableiten. So bedingt die beschriebene Psoriasis vulgaris keine rentenrelevante Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Ungeachtet dessen hat durch die erfolgte intensive Lokaltherapie unter stationären Bedingungen aber auch eine deutliche Besserung des Hautbefundes erreicht werden können, so dass insoweit nicht von einem schwerwiegenden Dauerzustand auszugehen ist, da die Erkrankung einer Behandlung zugänglich ist. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die mittels CT-Untersuchung objektivierte Rektusdiastase mit Bauchwandhernie, soweit diese - wie vom Kläger angegeben - eine sofortige Operationsindikation bedingt. Eine dauerhafte Leistungsminderung lässt sich hieraus nicht ableiten. Die beim Kläger zuvor schon bekannten Narbenhernien hat im Übrigen schon Dr. Sc. im Rahmen seiner Leistungsbeurteilung berücksichtigt und hierdurch Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg sowie häufiges Bücken ausgeschlossen.

Der Kläger kann somit zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. Sc., Dr. Kr. und Dr. H. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Entgegen der Argumentation des Klägers ist auch die Wegefähigkeit zu bejahen.

Zwar kann nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung.

Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach dem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen.

Hier hat keiner der Sachverständigen eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit angenommen. Aus orthopädischer Sicht hat Dr. Kr. - wie oben bereits dargelegt - keinen Befund erheben können, der auf eine Limitierung der Wegstrecke auf unter 500 m in weniger als 20 Minuten hindeuten würde. Insbesondere hat er eine Schädigung der Nervenstrukturen im Bereich der Wirbelsäule sowie eine Durchblutungsstörung der Beine ausgeschlossen. Dr. Sc. und Dr. H. haben aus internistischer bzw. nervenärztlicher Sicht die Gehfähigkeit insoweit (500 m in weniger als 20 Minuten) ebenfalls bejaht. Gegenüber Prof. Dr. Br. hat der Kläger sogar selbst eingeräumt 500 m zu Fuß innerhalb von 20 Minuten zurücklegen zu können. Dass dies - so seine weiteren Angaben gegenüber Prof. Dr. Br. - beschwerlich geschehe, ist insoweit unerheblich. Damit trifft die Behauptung des Klägers in der Berufung, er könne "fußläufig" keinen Arbeitsplatz aufsuchen, nicht zu und steht im Übrigen auch im Widerspruch zu seinen sonstigen Angaben (u.a. gegenüber Dr. H.), wonach er Spaziergänge unternimmt. Eine Einschränkung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht erkennbar.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Darlegung, dass der Kläger, dem ein Fahrzeug zur Verfügung steht und der eine Fahrerlaubnis besitzt, auch mit dem Pkw zu einer Arbeitsstätte gelangen könnte. Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass der Beurteilung von Prof. Dr. Br., wonach der Kläger wegen der Schmerzen und der depressiven Zustände nicht in der Lage sein soll, verantwortungsbewusst ein Fahrzeug zu lenken, nicht zu folgen ist. Im psychischen Befund hat Prof. Dr. Br. - ebenso wenig wie Dr. H. - nämlich gerade keine Einschränkungen in Bezug auf Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit beschrieben. Prof. Dr. Br. hat somit gerade keine, die Fahrtauglichkeit in Zweifel ziehenden funktionellen Einschränkungen beim Kläger erhoben, sondern lediglich wiederum aus Beschwerdeangaben pauschal auf Einschränkungen geschlossen. Wenn somit Dr. H. die Fahrtauglichkeit des Klägers bejaht, ist dies für den Senat schlüssig. Im Übrigen fährt der Kläger tatsächlich auch noch selbst Auto (Angaben gegenüber Dr. Sc., Dr. Kr., Prof. Dr. Br. und Dr. H.), auch wenn er meist von seiner Ehefrau gefahren wird.

Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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