L 4 KR 1282/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 2857/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1282/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2011 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung während in der Elternzeit ausgeübten Teilzeitbeschäftigungen bei den Beigeladenen vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 sowie ab 1. November 2008 und ab 1. Februar 2009.

Die 1969 geborene Klägerin ist promovierte Ärztin und war in der Zeit vom 1. Juni 1997 bis 31. Dezember 1998 bei der Beklagten aufgrund einer Beschäftigung gesetzlich krankenversichert. Vom 1. Januar 1999 bis 30. April 2003 bezog sie ein Entgelt, das über der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) lag und war in der privaten Krankenversicherung (PKV) gegen die Risiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit versichert. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder befand sich die Klägerin im Zeitraum vom 1. Mai 2003 bis einschließlich 31. Oktober 2007 in Elternzeit. Währenddessen übte sie vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 eine Teilzeittätigkeit bei den (in Berufsausübungsgemeinschaft tätigen) Beigeladenen zu 1) und 2) mit einem Entgelt unterhalb der JAEG aus (der AOK Baden-Württemberg - Bezirksdirektion Mittlerer Oberrhein [im Folgenden AOK] gemeldetes Bruttoarbeitseinkommen 2006: EUR 21.655,00, 2007: EUR 23.000,00). In der Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2008 war die Klägerin bei der Beigeladenen zu 3) beschäftigt. Sie wurde während dieser Beschäftigung als versicherungspflichtiges Mitglied bei der Beklagten geführt. Die Beigeladene zu 3) meldete als Entgelte für den Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2007 EUR 8.205,00 und für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 2008 EUR 42.348,00. Den zunächst zum 1. November 2008 gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld nahm die Klägerin zurück. Am 1. November 2008 nahm die Klägerin eine Teilzeittätigkeit erneut bei den Beigeladenen zu 1) und 2) im Umfang von 10 vom Hundert (v.H.) auf. Nach dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren seien im Rahmen einer Arbeitsgeberprüfung auf dem Lohnkonto Entgelte für November 2008 bis Februar 2009 von jeweils EUR 600,00, von März bis Juni 2009 von jeweils EUR 2.700,00 sowie ab Juli 2009 von jeweils EUR 3.680,00 festgestellt worden, für das Jahr 2009 liege ihr eine Entgeltmeldung über EUR 44.160,00 vor.

Die Klägerin beantragte zunächst unter dem 30. Oktober 2008 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1. November 2008 wegen des beabsichtigten Bezugs von Arbeitslosengeld. Diesem Begehren kam die Beklagte mit Bescheid vom 10. November 2008 unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Dauer des Leistungsbezugs nach.

Mit Schreiben vom selben Tag beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht ab 1. Februar 2009 wegen Aufnahme einer Beschäftigung bei den Beigeladenen zu 1) und 2) mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (20 Stunden wöchentlich). Mit Bescheid vom 14. November 2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab. Die Klägerin habe die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nicht erfüllt, denn sie sei nicht seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der JAEG versicherungsfrei. In der Zeit vom 1. November 2008 bis 31. Januar 2009 habe sie Leistungen der Agentur für Arbeit bezogen. Dieser Tatbestand unterbreche den genannten Fünfjahreszeitraum.

Unter dem 4. Dezember 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist für die Stellung dieses Antrags.

Mit weiterem Schreiben vom selben Tag erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten vom 10. November 2008 und 14. November 2008. Den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld habe sie auf Grund des Hinweises der Beklagten im Bescheid vom 14. November 2008 zurückgenommen und gleichzeitig einen Anstellungsvertrag mit einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 10 v.H. für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis 31. Januar 2009 bei den Beigeladenen zu 1) und 2) geschlossen. Der Bescheid vom 10. November 2008 solle daher zurückgenommen und für die Zeit ab 1. November 2008 positiv geändert werden.

Mit Bescheid vom 12. Januar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag vom 4. Dezember 2008 auf Befreiung von der Krankenversicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V für den Zeitraum der Beschäftigung vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 ab. Die Klägerin habe die dreimonatige Antragsfrist nach Beginn der Versicherungspflicht am 1. Februar 2006 versäumt. Hierbei handele es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, sodass auch eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht gewährt werden könne.

Mit Bescheid vom selben Tag nahm die Beklagte den Bescheid vom 10. November 2008 zurück, mit dem die Beklagte die Klägerin von der Krankenversicherungspflicht ab 1. November 2008 ursprünglich wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld befreit hatte, und lehnte es ab, die Klägerin aufgrund der Beschäftigung ab 1. November 2008 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu befreien. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht - in den letzten fünf Jahren nicht gesetzlich krankenversichert - nicht erfüllt, da wegen der vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2008 bei den Beigeladenen zu 1) bis 3) ausgeübten Beschäftigung Versicherungspflicht bestanden habe. Auch bei Aufnahme einer neuen Teilzeittätigkeit ab 1. November 2008 sei die Klägerin weiterhin versicherungspflichtig, da sie seit 1. Februar 2006 der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht unterlegen habe. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ab 1. November 2008 scheide daher aus.

Die AOK teilte der Beklagten auf Nachfrage mit, ihr lägen keine Befreiungsbescheide vor.

Gegen beide Bescheide vom 12. Januar 2009 erhob die Klägerin unter dem 25. und 26. Januar 2009 Widerspruch. Der Widerspruch richtete sich neben der Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 sowie ab 1. November 2008 auch gegen die Feststellung der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007. Unter dem 25. Januar 2009 gab der Ehemann der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung ab, nach der er sich bereits im Sommer 2005 in der Annahme, dass diese für die Beratung und ggf. Befreiung seiner Ehefrau zuständig sei, mit der AOK in Verbindung gesetzt habe. Ein namentlich benannter Mitarbeiter der AOK habe ihn nach Schilderung der Sachlage versichert, dass seine Frau (die Klägerin) bei Aufnahme einer Beschäftigung nicht der Versicherungspflicht unterliege. Damit sei er von einer Befreiung von der Versicherungspflicht ausgegangen; von einer schriftlichen Beantragung sei nicht die Rede gewesen.

Nach Durchführung einer Anhörung (Schreiben vom 29. Januar 2009) wies der bei der Beklagten - auch für die bei ihr errichtete Pflegekasse - gebildete Widerspruchsausschuss die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 14. November 2008 und 12. Januar 2009 zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2009). Zur Begründung führte er aus, die Feststellung der Versicherungspflicht ab 1. Februar 2006 sei zu Recht erfolgt. Insbesondere habe im Rahmen der Ausübung der Teilzeitbeschäftigung vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 während der Elternzeit weder Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 SGB V noch nach § 6 Abs. 4 SGB V bestanden. Für die in § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V (in der seit 2. Februar 2007 geltenden Fassung) genannten Personengruppen werde ein nicht erzieltes Arbeitsentgelt durch ein fiktives Arbeitsentgelt oberhalb der JAEG ersetzt. Ein solcher Fall liege nicht vor, da die Klägerin tatsächliches Einkommen erzielt habe. Für die Klägerin habe lediglich die Möglichkeit der Befreiung nach der Maßgabe des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestanden. Der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei zu Recht abgelehnt worden. Er sei nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Mit ihrer Antragstellung am 4. Dezember 2008 habe die Klägerin diese, vom 1. Februar bis 30. April 2006 laufende Frist versäumt. Ein entsprechender Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand sei zu Recht abgelehnt worden. Hieran ändere auch nichts die eidesstattliche Versicherung des Ehemanns der Klägerin. Auch sei die Rücknahme des Bescheides vom 10. November 2008 (Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1. November 2008 für die Zeit des Arbeitslosengeldbezugs) mit Bescheid vom 12. Januar 2009 zu Recht erfolgt, denn durch die Rücknahme des Antrags auf Gewährung von Arbeitslosengeld seien die Anspruchsvoraussetzungen für die Befreiung ab 1. November 2008 entfallen. Letztlich sei auch die Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1. Februar 2009 zu Recht erfolgt. Insoweit seien die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nicht erfüllt, denn die Klägerin sei infolge ihrer Versicherungspflicht seit dem 1. Februar 2006 nicht seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der JAEG versicherungsfrei.

Einen unter dem 14. Mai 2009 gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide vom 12. Januar 2009 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2009 ab.

Die Klägerin erhob am 1. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) und begehrte in der mündlichen Verhandlung des SG, sie ab dem 1. November 2008 von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien, hilfsweise für die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31. Oktober 2007 ein Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze anzunehmen und damit Versicherungsfreiheit für die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2008 und ab 1. Januar 2009 festzustellen und sie für die Zeit vom 1. November 2008 bis 31. Dezember 2008 zu befreien (Antrag 1) sowie sie für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien, hilfsweise als versicherungsfrei zu erklären (Antrag 2). Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, der Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2009, mit dem diese den Bescheid vom 10. November 2008 zurückgenommen habe, sei bereits formell rechtswidrig, da die Beklagte eine ordnungsgemäße Anhörung nicht durchgeführt habe. Nach der Vermutungsregelung in § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V (in der ab 2. Februar 2007 geltenden Fassung) sei auch die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31. Oktober 2007 als eine Zeit zu bewerten, in der sie die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten habe und mithin versicherungsfrei gewesen sei. Daran ändere auch ihre während der Elternzeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Oktober 2007 ausgeübte Teilzeitbeschäftigung nichts. Da für den gesamten Zeitraum der Elternzeit das Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze und damit Versicherungsfreiheit anzunehmen sei, habe sie auch im Anschluss an die Elternzeit die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten und müsse als versicherungsfreie Person behandelt werden. Deshalb erfülle sie auch die Voraussetzungen von fünf Jahren Versicherungsfreiheit für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V für die Monate November und Dezember 2008. Obwohl sie in der Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 versicherungsfrei gewesen sei, habe sie fürsorglich bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, was die Beklagte allein wegen der nicht eingehaltenen Antragsfrist abgelehnt habe. Sie (die Klägerin) habe keine Kenntnis von der angeblich eingetretenen Versicherungspflicht gehabt, weshalb die Antragsfrist erst ab Kenntnis zu berechnen sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne auch wegen fehlender Rechtskenntnis gewährt werden. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme wegen der unzutreffenden Beratung der AOK in Betracht. Im Zusammenhang mit ihrer Namensänderung im Jahr 1989 seien bei der AOK mehrere Versicherungskonten geführt worden, von denen nur eines bei ihrem Wechsel 1997 zur Beklagten übertragen worden sei. Unter Verweis auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18. August 2009 (S 4 KR 50/08, in juris) sei ihr Anspruch gegeben. Danach solle die Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 4 SGB V verhindern, dass Eltern durch die Erziehung von Kindern Nachteile zur Erfüllung der Erfordernisse einer Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entstünden. Insbesondere solle verhindert werden, dass durch die Elternzeit das Erfordernis des Überschreitens der JAEG in drei aufeinanderfolgenden Jahren erschwert werde und die Frist von Neuem zu laufen beginne. Auch sei in einem weiteren ähnlich gelagerten Fall beim Bundessozialgericht (BSG) ein Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen B 12 KR 6/09 R anhängig.

Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die angefochtenen Entscheidungen entgegen.

Einen am 31. August 2009 im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf vorläufige Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung lehnte das SG mit Beschluss vom 22. September 2009 ab (S 7 KR 3817/09 ER). Ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben, da die Klägerin grundsätzlich krankenversicherungsrechtlich abgesichert sei. Auch könne die Klägerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache ihr privates Krankenversicherungsverhältnis ruhend stellen und damit die zusätzlichen Kosten ausweislich der von der ihr vorgelegten Aufstellung auf einen Anwartschaftsbetrag von EUR 64,51 für die Krankenversicherung und EUR 5,61 für die Pflegeversicherung senken. Auch sei der Hilfsantrag, der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtet sei, mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Mit den angegriffenen Bescheiden habe die Beklagte Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht abgelehnt. Auch bei Suspendierung der Ablehnung sei das Ziel des Eintritts der Befreiung nicht zu erreichen.

Die mit Beschluss des SG vom 1. Februar 2011 beigeladenen ehemaligen und derzeitigen Arbeitgeber der Klägerin äußerten sich nicht.

Mit Urteil vom 10. Februar 2011 verpflichtete das SG die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 14. November 2008 und 12. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2009, die Klägerin ab dem 1. November 2008 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1. November 2008 sei § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Die Klägerin habe ihre Arbeitszeit auf weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit reduziert. Sie habe die JAEG während der Vollzeitbeschäftigung vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2008 überschritten, nicht jedoch im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit. Zwar sei die Klägerin während ihrer Teilzeittätigkeit während der Elternzeit nicht befreit gewesen. Ein entsprechend auf Antrag ergehender Bescheid liege nicht vor. Allerdings führe die gesetzliche Fiktion des § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V dazu, dass eine überschrittene JAEG anzunehmen sei. Die ab 1. Februar 2007 geltende Vorschrift sei anzuwenden, da streitgegenständlich ein Anspruch auf Befreiung ab dem 1. November 2008 sei. Die von der Beklagten vertretene einschränkende Auslegung der Gestalt, dass als Elternzeit nur Zeiten ohne Beschäftigung, nicht aber solche mit Teilzeitbeschäftigung gelten sollten, fände im Wortlaut keine Stütze. Vielmehr bezwecke die Gesetzesnovellierung, Beeinträchtigungen der Erwerbsbiographie, die aus gesellschaftlich erwünschten Tätigkeiten folgten, insoweit zu privilegieren, dass hinsichtlich der Versicherungsfreiheit die Zeiten des Überschreitens der JAEG nicht neu angesammelt werden müssten. Unter Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf (S 4 KR 50/08, in juris) sei nicht ersichtlich, warum durch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift, die eine Lücke schließen solle, eine neue Lücke geschaffen werden solle. Die wortgetreue Auslegung führe auch nicht zu einer sachwidrigen Überschneidung mit der Befreiung nach § 8 SGB V. Diese betreffe den Versicherungsstatus während der Elternzeit, der auf Antrag eingeräumt werde. § 6 SGB V regle hingegen den Versicherungsstatus im Anschluss an die Elternzeit. Demgegenüber habe die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007. Insoweit seien die angegriffenen Bescheide rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe die Antragsfrist versäumt. Auch sei ihr eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren, weil die Jahresfrist verstrichen sei. Die hierfür erforderliche höhere Gewalt könne auch nicht darin gesehen werden, dass der Ehemann der Klägerin vor Aufnahme der Teilzeittätigkeit bei der AOK telefonisch angefragt und die Auskunft erhalten habe, ein Antrag auf Befreiung sei nicht erforderlich. Zum Einen habe die Beklagte selbst keine unzutreffende Auskunft erteilt; zum Anderen habe sich die Klägerin mit ihrer Anfrage an die falsche Krankenkasse gewendet und trage insoweit Mitverschulden an der unrichtigen Auskunft. Auch könne aus dem Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 hergeleitet werden. Insoweit mangele es an einer, der Beklagten zurechenbaren Pflichtverletzung. Diese sei mit der Sache nicht befasst gewesen. Die unrichtige Auskunft seitens der AOK sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Auch bestehe kein Anspruch auf Versicherungsfreiheit im Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 aus § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Die Vorschrift treffe keine Aussage über den Versicherungsstatus während der Elternzeit.

Das der Beklagten nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats am 4. März 2011 zugegangene und dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, 28. März 2011 und die Klägerin am 25. Mai 2011 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, fälschlicherweise habe das SG eine Versicherungsfreiheit der Klägerin ab 1. November 2008 angenommen. Die Klägerin sei ab 1. November 2007 nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei. Dieser setze in der Fassung des GKV-Wettbewerbstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26. März 2007 für den Eintritt der Versicherungsfreiheit voraus, dass in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren die JAEG überstiegen worden sei. Vor dem 1. November 2007 sei die Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Während ihrer Elternzeit habe sie bis 31. Oktober 2007 eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt, deren Vergütung die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe, jedoch unterhalb der JAEG gelegen habe. Für diesen Zeitraum sei daher Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingetreten. Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V habe die Klägerin nicht fristgerecht gestellt. Der Zeitraum der Pflichtversicherung vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 stehe daher der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entgegen. Das Tatbestandsmerkmal der dreijährigen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze werde hier auch nicht durch die Elternzeit fingiert. § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V sei in einem Kontext mit § 6 Abs. 4 Satz 5 SGB V zu sehen, wonach ein fiktives Arbeitsentgelt nicht erzieltes Arbeitsentgelt bestimmter Personengruppen ersetze. Die Voraussetzungen für die Befreiung der Klägerin nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ab 1. November 2008 lägen nicht vor, denn die Klägerin sei nicht seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der JAEG versicherungsfrei. Versicherungspflicht habe im Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 sowie vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2008 bestanden. Eine falsche Auskunft der AOK sei aus den Schilderungen im Antrag vom 4. Dezember 2008 nicht erkennbar. Da das Entgelt der Klägerin sich erst im Laufe des Jahres 2009 erhöht habe, habe das regelmäßige JAEG der Klägerin bei einer retrospektiven Betrachtung der vor Beginn 2009 bekannten Umstände selbst die (nach ihrer Auffassung anzuwendende) besondere JAEG nach § 6 Abs. 7 SGB V nicht überschritten. Im Übrigen sei das erstinstanzlich von der Klägerin zitierte Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf durch die Berufungsentscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10. Februar 2011 - L 5 KR 155/09 -; in juris) aufgehoben worden. Auch dieses habe bestätigt, dass § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V gerade nicht gelte, wenn während der Elternzeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde, für die keine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erteilt worden sei. Sofern die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Elternzeit stets ohne Bedeutung für die nachfolgende Beurteilung der Versicherungsfreiheit wäre, verbliebe für § 6 Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 SGB V kein Anwendungsbereich. Eine entsprechende Fiktion komme daher nicht in Betracht. Ihre Rechtsauffassung werde durch dieses Urteil bestätigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2011 insoweit aufzuheben, als sie verurteilt wurde, unter Abänderung der Bescheide vom 14. November 2008 und 12. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 die Klägerin ab dem 1. November 2008 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2011 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2009 zu verpflichten, sie auch für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis zum 31. Oktober 2007 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, zum Beweis der Tatsache dass sie bzw. deren Ehemann von Herrn S. (Mitarbeiter der AOK) im Rahmen einer Beratung vor dem 1. Februar 2006 zugesichert worden war, dass bei Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung, wie sie später von ihr ausgeübt worden ist, keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entsteht und deshalb ein Befreiungsantrag nicht erforderlich ist, die Vernehmung des Dr. A. P.-M., A.-str., E ...

Das SG habe zu Unrecht ihren Befreiungsanspruch vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 verneint. Durch die eidesstattliche Versicherung ihres Ehemanns sei eine Falschberatung der AOK belegt, die der Beklagten zugerechnet werden müsse. Insoweit sei die AOK mit der Beklagten im Sinne einer Funktionseinheit mit einer Aufgabenerfüllung arbeitsteilig betraut gewesen. Weder für sie noch für ihren Ehemann sei ersichtlich gewesen, dass schon damals eine Zuständigkeit der AOK nicht habe angenommen werden können, gleichwohl aber eine Beratung so erfolgt sei, als ob der angegangene Leistungsträger zuständig gewesen sei. Ein Indiz für das Bestehen einer Funktionseinheit sei ferner, dass auf Grund ihrer Namensänderung bei der AOK mehrere Versicherungsnummern für sie vergeben worden seien. Der Beratungsfehler sei ursächlich dafür gewesen, dass sie zum damaligen Zeitpunkt keinen Befreiungsantrag nach § 8 SGB V gestellt habe und entsprechend die Frist des § 8 Abs. 2 SGB V nicht habe einhalten können. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des SG in seinem Urteil sei damit das Fristversäumnis unschädlich und der Befreiungsantrag vom 4. Dezember 2008 als rechtzeitig anzusehen. Zu Recht habe das SG Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. November 2008 angenommen. Die von der Beklagten aufgeführten Argumente seien nicht schlüssig. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei sie (die Klägerin) ab dem 1. November 2007 versicherungsfrei. Mit dem SG werde davon ausgegangen, dass die Fiktion des § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V auch bei Ausübung einer Teilzeittätigkeit in Elternzeit Anwendung finde. Auch liege unter Berücksichtigung des Vortrags zur Anschlussberufung für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 ein wirksamer Befreiungsantrag im Sinne des § 8 SGB V vor. Eine einschränkende Auslegung des Wortlauts des § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V sei durch Sinn und Zweck der Regelung nicht gedeckt. Insoweit könne auch der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (L 5 KR 155/09, in juris) nicht gefolgt werden. Folge man dieser, würden ausgerechnet nur diejenigen, die schon die Vorteile der Befreiung in Anspruch genommen hätten, auch noch durch die Vergünstigung des § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V "belohnt", während diejenigen Personen, die auf die Befreiung verzichtet hätten oder gar nicht hätten befreit werden können, benachteiligt würden. Dies sei nicht im Sinne des Gesetzgebers. Auch aus den Ausführungen des BSG im die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen verwerfenden Beschluss vom 7. November 2011 (B 12 KR 49/11 B; BeckRS 2011, 78106) komme nicht deutlich zum Ausdruck, dass die Aufnahme einer Beschäftigung mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt oberhalb der JAEG anknüpfe. Ab 1. Januar 2009 habe sie die JAEG überschritten.

Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Akten des SG im Verfahren S 7 KR 3817/09 ER sowie die von der Beklagten vorlegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung formgerecht und auch fristgerecht eingelegt. Die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Beklagte eingehalten. Nach ihrer nicht zu widerlegenden Angabe in der mündlichen Verhandlung des Senats ist ihr das angefochtene Urteil des SG am 4. März 2011 zugegangen. Berufung eingelegt hat sie am 28. März 2011. Ihre Berufung ist auch statthaft. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 SGG. Denn soweit das SG die Beklagte verurteilt hat, handelt es sich nicht um eine Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft.

Die nach § 202 SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung (ZPO) unselbstständige Anschlussberufung der Klägerin ist ebenfalls zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, die Anschlussberufung der Klägerin hingegen unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, die Klägerin ab 1. November 2008 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für die geltend gemachten Zeiträume vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 sowie für die Zeit ab 1. November 2008. Da die Klägerin in diesen Zeiträumen versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung war, waren sie auch versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.

1. Es ist allein darüber zu entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der seit 1. Februar 2006 ausgeübten Beschäftigungen hat, nicht aber über eine Feststellung der Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit in einer der ausgeübten Beschäftigungen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sind die Bescheide der Beklagten vom 14. November 2008 und 12. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2009. Diese Bescheide focht die Klägerin mit der Klage an. Mit diesen Bescheiden verfügte die Beklagte Folgendes: • Mit Bescheid vom 14. November 2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin, sie von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Februar 2009 zu befreien, ab. • Mit dem ersten Bescheid vom 12. Januar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin, sie für die bei den Beigeladenen zu 1) und 2) ausgeübte Beschäftigung vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 vor von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für diesen Zeitraum zu befreien, ab. • Mit dem weiteren Bescheid vom 12. Januar 2009 nahm die Beklagte den Bescheid vom 10. November 2008 zurück, mit welchem sie die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. November 2008 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld für die Dauer dieses Bezugs befreit hatte, und lehnte es ab, die Klägerin aufgrund der Beschäftigung ab 1. November 2008 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu befreien. Angefochten ist dieser Bescheid - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats bestätigte - nur hinsichtlich der Ablehnung der Befreiung. Die Aufhebung des Bescheids vom 10. November 2008 nahm die Klägerin als für sie günstig hin, zumal sie dies mit ihrem Widerspruch begehrt hatte.

Die Beklagte verfügte zu keinem Zeitpunkt die Feststellung, die Klägerin sei in einer oder mehrerer ihrer Beschäftigungen seit dem 1. Februar 2006 versicherungspflichtig beschäftigt. Soweit der zweite Bescheid vom 12. Januar 2009 und der Widerspruchsbescheid Ausführungen zur Versicherungspflicht der Klägerin enthalten, sind dies lediglich Teile der Begründung der abgelehnten Anträge auf Befreiung. Demgemäß ist das Begehren der Klägerin, soweit sie die Feststellung der Versicherungsfreiheit begehrte und sich mit ihrem Widerspruch auch gegen die Feststellung der Versicherungspflicht wendete, wegen fehlenden Bescheids/fehlender Bescheide der Beklagten unzulässig.

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gibt es nach § 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nur für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind (§ 22 SGB XI) - was vorliegend nicht einschlägig ist -, nicht aber für die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Überschreitens der JAEG. Eine solche ist auch nicht erforderlich. Denn wenn die Klägerin nicht wegen Ausübens eine Beschäftigung versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, ist sie auch nicht versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung. Sie hat dann einen Versicherungsvertrag im Rahmen der privaten Pflegeversicherung abzuschließen (§ 23 Abs. 1 SGB XI).

2. Für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, da der Befreiungsantrag insoweit nicht fristgerecht gestellt worden ist und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2009 erweist sich im Hinblick auf diesen Verfügungssatz als rechtmäßig und die Klägerin nicht in subjektiven Rechten verletzend. Das SG hat die Klage diesbezüglich im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

a) Die Klägerin hat die Frist zur Stellung eines Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht versäumt.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer durch Aufnahme einer nicht vollen Erwerbstätigkeit nach § 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) oder nach § 1 Abs. 6 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) während der Elternzeit versicherungspflichtig wird; die Befreiung erstreckt sich nur auf die Elternzeit. Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt (§ 2 BErzGG, § 1 Abs. 6 BEEG). Der Antrag nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V lagen zwar vor. Die Klägerin befand sich im Zeitraum vom 1. Mai 2003 bis 31. Oktober 2007 in Elternzeit. Sie übte in der Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 eine Beschäftigung bei den Beigeladenen zu 1) und 2) im Umfang von unter 30 Wochenstunden aus. Wegen dieses Beschäftigungsverhältnisses bestand grundsätzlich Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (dazu im Einzelnen sogleich unter 3.).

Allerdings hat die Klägerin die sich aus § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V ergebende Frist zur Stellung eines Antrags auf Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versäumt. Die Frist begann mit Aufnahme der Beschäftigung am 1. Februar 2006 und endete am 30. April 2006. Tatsächlich erfolgte die Antragstellung mit Schreiben der Klägerin vom 4. Dezember 2008 und damit nach Fristablauf.

b) Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 27 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 27 Abs. 3 SGB X).

Unabhängig von der Frage, ob eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V überhaupt möglich ist (vgl. § 27 Abs. 5 SGB X, dazu: BSG, Urteile vom 9. Februar 1993 - 12 RK 28/92 -; 25. Oktober 1988 - 12 RK 22/87 - und 10. Juni 1980 - 11 RK 11/79 -; alle in juris), scheidet die Wiedereinsetzung bereits deshalb aus, weil die Klägerin am 4. Dezember 2008 wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 27 Abs. 3 SGB X Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist nicht mehr beantragen und auch die versäumte Handlung nicht mehr nachholen konnte. Da die Antragsfrist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V am 30. April 2006 endete, endete die Jahresfrist des § 27 Abs. 3 SGB X am 30. April 2007.

Der Klägerin war ein Wiedereinsetzungsantrag bzw. eine Nachholung des Befreiungsantrags innerhalb der Jahresfrist auch nicht infolge höherer Gewalt unmöglich. Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches Ereignis, dessen Eintritt nicht vorauszusehen und auch bei äußerster Sorgfalt nicht mit üblichen Mitteln abzuwenden ist; schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 1996 - 12 RK 76/94 -; in juris). Anhaltspunkte für eine höhere Gewalt bestehen nicht. Vielmehr wäre es der Klägerin bei äußerster Sorgfalt sehr wohl möglich gewesen, die Befreiung von der Versicherungspflicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V zu beantragen. Daran ändert auch nichts das zwischen der AOK und dem Ehemann der Klägerin geführte Telefonat vor Aufnahme der Teilzeittätigkeit am 1. Februar 2006. Zwar ist bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der höheren Gewalt - wie das SG (m.w.N.) zutreffend ausgeführt hat - ein subjektiver Maßstab anzulegen, mithin die Lage des Betreffenden, seine Erfahrung und Bildung zu berücksichtigen. Als unabwendbar ist die Fristversäumnis auch dann anzusehen, wenn sie durch eine falsche oder irreführende Auskunft der Verwaltungsbehörde verursacht wird. Allerdings ist die dem Ehemann der Klägerin von der AOK erteilte Auskunft, ein Antrag auf Befreiung sei nicht erforderlich, nicht als höhere Gewalt in diesem Sinn anzusehen. Einerseits hat nicht die Beklagte, sondern die AOK - die Behauptung der Klägerin zu den ihrem Ehemann gegenüber gemachten Angaben als wahr unterstellt - eine unzutreffende Auskunft erteilt; andererseits war die AOK nicht der für die Beantwortung der Klägerin zuständige Leistungsträger. Insoweit wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, zunächst - insbesondere im Hinblick auf die behauptete Verwirrungen bezüglich der vorhandenen Versicherungsnummern - die für den Einzug ihrer Sozialversicherungsbeiträge zuständige Krankenkasse zu ermitteln und die begehrte Auskunft von dieser zu erhalten. Insoweit trifft die Klägerin zumindest ein Mitverschulden an der - den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt - unrichtigen Auskunft. Zudem erhielt die Klägerin ausweislich ihres Schreibens vom 6. Mai 2009 vom Mitarbeiter der AOK im Rahmen des mit ihrem Ehemann am 2. August 2005 geführten Telefonats auch ein Telefax mit dem Wortlaut der für die Befreiung von der Versicherungspflicht für eine während der Elternzeit ausgeübte Teilzeitbeschäftigung des § 8 SGB V übermittelt. Hieraus ergibt sich die Antragspflicht nach § 8 Abs. 2 SGB V. Das Telefonat des Ehemanns der Klägerin mit der AOK war schließlich auch nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Aufnahme der Beschäftigung am 1. Februar 2006, sondern vor dem 2. August 2005, wobei der Ehemann der Klägerin den genauen Tag nicht mehr benennen konnte. Dass zum Zeitpunkt des Telefonats bereits feststand, die Klägerin werde das Beschäftigungsverhältnis bei den Beigeladenen zu 1) und 2) am 1. Februar 2006 aufnehmen, ist nicht erkennbar, so dass auch fraglich ist, ob der Ehemann der Klägerin konkrete Auskünfte wegen eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses erfragte oder nur allgemein sich über die Rechtslage erkundigte. Deswegen bestand kein Vertrauen der Klägerin, sie sei von der Versicherungspflicht in der am 1. Februar 2006 aufgenommenen Beschäftigung befreit, ohne dass es weiterer Schritte ihrerseits bedurfte.

Darüber hinaus scheitert eine Wiedereinsetzung auch daran, dass die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V einzuhalten. Das folgt aus dem Grundsatz der formellen Publizität bei Verkündung von Gesetzen, der besagt, dass diese mit ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt gelten, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie tatsächlich Kenntnis erlangt haben (BSG, Urteil vom 25. Juli 2002 - B 10 LW 7/02 R -; BSG, Urteil vom 21. Mai 1996 - 12 RK 43/95 -; in juris).

c) Schließlich kann die Klägerin auch nicht nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verlangen, so gestellt zu werden, als habe sie den Befreiungsantrag fristgerecht gestellt. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§14 und 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]) verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zugefügt hat sowie ferner, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 16/03 R -; in juris). Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 47/77 -; in juris). Voraussetzung ist damit neben der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Handlung, ausgeglichen werden kann (z.B. BSG, Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 16/03 R -; in juris).

Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt nicht vor. Eine Hinweis- oder Beratungspflicht der Beklagten entfällt schon deshalb, da die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nicht mit einem konkreten Auskunftsbegehren hinsichtlich der Befreiung von der Versicherungspflicht an die Beklagte herangetreten ist. Die - den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt - unrichtige Auskunft seitens der AOK ist der Beklagten nicht zuzurechnen, weil die Beklagte und die AOK nicht im Sinne einer Funktionseinheit mit einer Aufgabenerfüllung (hier Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung) arbeitsteilig betraut sind.

Darüber hinaus scheitert eine Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auch daran, dass dieses Rechtsinstitut ausschließlich auf die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands gerichtet ist und dieses hier aus den nachfolgend ausgeführten Gründen nicht der Fall wäre; denn auch bei rechtzeitiger Antragstellung hätte für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erteilt werden können, da das von der Klägerin in dieser Zeit erzielte sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt (2006: EUR 21.655,00; 2007: EUR 23.000,00) die allgemeine JAEG nach § 6 Abs. 6 SGB V der Jahre 2006 (EUR 47.250,00) und 2007 (EUR 47.700,00) und besondere JAEG nach § 6 Abs. 7 SGB V der Jahre 2006 (EUR 42.750,00) und 2007 (EUR 42.750,00) nicht überschritten hat und die Fiktion des § 6 Abs. 4 Satz 4 SGB V a.F. keine Anwendung findet (dazu im Einzelnen nachfolgend unter 3.).

3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Zeit vom 1. November 2008 bis 31. Januar 2009, da die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nicht vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2009 erweist sich auch im Hinblick auf diesen Verfügungssatz als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Das SG hat der Klage diesbezüglich zu Unrecht stattgegeben. Insoweit ist die Berufung der Beklagten erfolgreich.

Auf Antrag wird gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V (in der hier anzuwendenden vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen [GRG] vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, S. 1988) von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird, weil seine Arbeitszeit auf die Hälfte oder weniger als die Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter des Betriebes herabgesetzt wird; dies gilt auch für Beschäftigte, die im Anschluss an ihr bisheriges Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis aufnehmen, das die Voraussetzungen des vorstehenden Halbsatzes erfüllt; Voraussetzung ist ferner, dass der Beschäftigte seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der JAEG versicherungsfrei ist. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Die Klägerin war vom 1. November 2008 bis 31. Januar 2009 in ihrer Tätigkeit bei den Beigeladenen zu 1) und 2) in einem Umfang von 10 v.H. teilzeitbeschäftigt. Wegen dieser Beschäftigung bestand grundsätzlich Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Klägerin hat auch den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V fristgerecht innerhalb der 3-Monats-Frist gestellt, denn die Beschäftigung begann am 1. November 2008, die Antragstellung erfolgte mit Schreiben der Klägerin vom 4. Dezember 2008. Allerdings war sie nicht im Zeitraum von fünf Jahren vor Aufnahme der Beschäftigung versicherungsfrei.

Maßgeblicher 5-Jahres-Zeitraum i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ist die Zeit 1. November 2003 vom bis 31. Oktober 2008. Das Brutto-Arbeitsentgelt der Klägerin hat zumindest weder die gültige allgemeine JAEG nach § 6 Abs. 6 SGB V der Jahre 2006 (EUR 47.250,00) und 2007 (EUR 47.700,00) noch die jeweils gültige besondere JAEG nach § 6 Abs. 7 SGB V der Jahre 2006 (EUR 42.750,00) und 2007 (EUR 42.750,00) während ihrer Teilzeittätigkeit im Rahmen der Elternzeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 überschritten, was von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt wird. Denn die Klägerin erzielte 2006 ein Brutto-Arbeitsentgelt von EUR 21.655,00 und 2007 von EUR 23.000,00. Die Klägerin war damit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 in ihrer Tätigkeit bei den Beigeladenen zu 1) und 2) in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig. Sie war auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V versicherungsfrei.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (in der hier anzuwendenden zum 2. Februar 2007 in Kraft getretenen Fassung des Art. 1 Nr. 3 Buchst. a) GKV-WSG) sind Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die JAEG nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat. Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Denn ihr Arbeitsentgelt überstieg in den Jahren 2006 und 2007 die JAEG nach § 6 Abs. 6 und 7 SGB V nicht.

Die Versicherungsfreiheit der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V (in der hier anzuwendenden zum 2. Februar 2007 in Kraft getretenen Fassung des Art. 1 Nr. 3 Buchst. b) GKV-WSG; aufgehoben mit Wirkung vom 31. Dezember 2010 durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) Doppelbuchstabe bb) Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-FinG] vom 22. Dezember 2010, BGBl. I, S. 2309). Danach ist für Zeiten des Bezuges von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder der Inanspruchnahme von Elternzeit, für Zeiten, in denen als Entwicklungshelfer Entwicklungsdienst nach dem Entwicklungshelfergesetz geleistet worden ist sowie im Falle des Wehr- oder Zivildienstes ein Überschreiten der JAEG anzunehmen, wenn spätestens innerhalb eines Jahres nach diesen Zeiträumen eine Beschäftigung mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt oberhalb der JAEG aufgenommen wird; dies gilt auch für Zeiten einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 a, 2 oder 3 SGB V. Diese Regelung bewirkt, dass sich die genannten Tatbestände nicht nachteilig auf die Versicherungsfreiheit auswirken, weil während dieser Tatbestände ein Überschreiten der JAEG fingiert wird, wenn spätestens innerhalb eines Jahres nach diesen Zeiträumen eine Beschäftigung mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt oberhalb der JAEG aufgenommen wird.

Im Fall der Klägerin ist diese Regelung aufgrund der während der Elternzeit bei den Beigeladenen zu 1) und 2) ausgeübten Teilzeittätigkeit in der Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 jedoch nicht einschlägig. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 10. Februar 2011 - L 5 KR 155/09 - nach erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG, Beschluss vom 7. November 2011 - B 12 KR 49/11 B - nunmehr rechtskräftig, BeckRS 2011, 78106; - und vom 14. Januar 2010 - L 5 KR 33/09 -; jeweils in juris) aus § 6 Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedeutet die darin erfolgte ausdrückliche Benennung der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1a, 2, 2a oder 3 SGB V, dass die Annahme gemäß § 6 Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 1 SGB V gerade nicht gilt, wenn während der Elternzeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde, für die keine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erteilt worden ist. Sofern die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Elternzeit stets ohne Bedeutung für die nachfolgende Beurteilung der Versicherungsfreiheit wäre, verbliebe nämlich für § 6 Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 SGB V kein Anwendungsbereich. Die Klägerin hat fristgerecht - wie bereits oben unter 1) ausgeführt - keinen Antrag für die während der Elternzeit ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung auf Befreiung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gestellt, obwohl dies auch damals schon möglich gewesen wäre. Wegen eines tatsächlich erzielten Entgelts bleibt daher kein Raum für diese Zeit eine Überschreitung der JAEG im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 1 SGB V zu fingieren (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Da sich Eltern, mit einem Beschäftigungsverhältnis während der Elternzeit, das Versicherungspflicht auslöst, nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien lassen können, sind betroffene Eltern bereits dadurch gegen einen Nachteil geschützt. Ginge man mit der Klägerin davon aus, dass allein die Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem BEEG ausreiche, um eine Fiktion des § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V auszulösen, bliebe für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Fällen der vorliegenden Art kein Raum mehr. Es ist auch sachgerecht und Ausdruck des in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidaritätsprinzips, nur diejenigen in die Regelung der Annahme des Überschreitens der JAEG einzubeziehen, die sich auch während der Elternzeit bewusst weiterhin gegen die gesetzlichen Krankenversicherung und für die private Absicherung entschieden haben, indem sie sich von der Versicherungspflicht haben befreien lassen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 14. Oktober 2010 - L 5 KR 33/09 -; in juris). Überdies wird hierdurch eine Kontinuität der Versicherungsverhältnisse gewährleistet, indem (nur) bei einer Befreiung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1a, 2 oder 3 SGB V die Möglichkeit eingeräumt wird, eine private Krankenversicherung fortzusetzen (vgl. Ausschussbericht, Bundestags-Drucksache 16/4247 S. 30). Warum sich die Klägerin nicht für das Stellen eines Befreiungsantrags entschieden hat, obwohl ihr auch die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz SGB V im Wortlaut im August 2005 übermittelt wurde, ist insoweit nicht nachzuvollziehen.

4. Letztlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Zeit ab 1. Februar 2009, da die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V auch ab diesem Zeitpunkt nicht vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2009 erweist sich auch im Hinblick auf diesen Verfügungssatz als rechtmäßig und die Klägerin nicht in subjektiven Rechten verletzend. Das SG hat der Klage auch diesbezüglich zu Unrecht stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist auch insoweit erfolgreich.

Auch im hier maßgeblichen 5-Jahres-Zeitraum (1. Februar 2004 bis 31. Januar 2009) überschritt das Brutto-Arbeitsentgelt der Klägerin zumindest weder die gültige allgemeine JAEG nach § 6 Abs. 6 SGB V der Jahre 2006 (EUR 47.250,00) und 2007 (EUR 47.700,00) noch die jeweils gültige besondere JAEG nach § 6 Abs. 7 SGB V der Jahre 2006 (EUR 42.750,00) und 2007 (EUR 42.750,00) während ihrer Teilzeittätigkeit im Rahmen der Elternzeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 nicht. Denn die Klägerin erzielte 2006 ein Brutto-Arbeitsentgelt von EUR 21.655,00 und 2007 von EUR 23.000,00. Die Klägerin war damit vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 in ihrer Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig. Sie war auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V versicherungsfrei (vgl. hierzu die Ausführungen unter 2.)

5. Da die Klägerin seit 1. Februar 2006 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung war, war sie auch nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.

6. Dem hilfsweise von der Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu folgen. Die unter Beweis gestellte Tatsache einer Zusicherung in der im Beweisantrag genannten Form durch die AOK ist jedenfalls nicht schriftlich erfolgt, sondern allenfalls mündlich. Wegen fehlender Schriftform wäre die behauptete Zusicherung nicht wirksam (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

8. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor; die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erfüllt. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG konnte schon deshalb nicht angenommen werden, weil § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) Doppelbuchstabe bb) GKV-FinG mit Wirkung vom 31. Dezember 2010 aufgehoben worden ist und der Senat davon ausgeht, dass allenfalls noch eine unbedeutende Zahl von Fällen auf der Grundlage dieser ausgelaufenen Regelung zu entscheiden ist (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 7. November 2011 - B 12 KR 49/11 B - BeckRS 2011, 78106).
Rechtskraft
Aus
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