L 5 KR 1401/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 406/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1401/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.02.2014 insoweit aufgehoben, als dem Antragsteller Verschuldenskosten auferlegt werden (Ziffer 2 des Tenors).

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Krankengeld ab dem 06.02.2014.

Der Antragsteller ist seit dem 01.07.2011 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Krankenversicherung versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin. Seit dem 29.09.2011 ist er wegen Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsunfähig erkrankt und bezog im Anschluss an die Leistungsfortzahlung der Agentur für Arbeit ab 10.11.2011 Krankengeld von der Antragsgegnerin.

Mit Bescheid vom 07.02.2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sein Anspruch auf Krankengeld am 27.03.2013 erschöpft sei. Darüber hinaus könne keine Krankengeldzahlung erfolgen. Auf die Höchstbezugsdauer des Krankengeldanspruchs seien die Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 29.09.2011 bis 27.03.2013, insgesamt 546 Tage, anzurechnen. Ab 28.03.2013 erhielt der Antragsteller erneut Arbeitslosengeld.

Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 05.03.2013 Widerspruch. Er machte geltend, ihm sei Krankengeld von Anfang an unbefristet auf Dauer bewilligt worden und die Antragsgegnerin habe diese Bewilligung nicht – auch nicht konkludent – aufgehoben. Aus der Bewilligungsentscheidung ergebe sich nur ein Beginn-Datum. Auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien jeweils unbefristet ausgestellt worden. Er verwies dabei auf das Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes vom 12.11.2010 und 16.03.2012. Außerdem habe ihn die Antragsgegenerin vor Erlass des Bescheides vom 07.02.2013 nicht angehört.

Erstmals begehrte der Antragsteller am 08.04.2013 einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe (Az. S 5 KR 1255/13 ER). Er beantragte, festzustellen, dass sein Widerspruch aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise die Antragsgegnerin durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm über den 27.03.2013 hinaus Krankengeld zu zahlen. Er wiederholte die Begründung seines Widerspruchs und legte die Auszahlscheine für Krankengeld des Orthopäden Dr. L. vom 06.03.und 08.04.2013, in denen Dr. L. jeweils wegen der bekannten Diagnosen Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis auf weiteres bescheinigte, vor.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 17.04.2013 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Für einen Antrag auf gerichtliche Feststellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 07.02.2013 fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Die Feststellung oder Anordnung würde die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Antragstellers nicht verbessern. Denn dies führe wegen der typischerweise abschnittsweise erfolgenden Bewilligung von Krankengeld nicht ohne weiteres zur Zahlung von Krankengeld ab dem 28.03.2013. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin einen ausdrücklichen Bescheid über die Bewilligung von Krankengeld über den 27.03.2013 hinaus erlassen habe. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf vorläufige Zahlung von Krankengeld ab dem 28.03.2013. Es liege kein Anordnungsanspruch vor, da die Anspruchsdauer von 78 Wochen erschöpft sei. Außerdem bestehe aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld auch kein Anordnungsgrund.

Hiergegen legte der Antragsteller am 24.04.2013 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) ein (Az. L 4 KR 1908/13 ER-B). Er wiederholte sein bisheriges Vorbringen und vertrat darüber hinaus die Auffassung, die Rechtsanwendung verstoße gegen Artikel 3 und 14 Grundgesetz (GG) sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip. Mit Beschluss vom 28.05.2013 wies das LSG die Beschwerde zurück und führte zur Begründung aus, für die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 07.02.2013 nach § 86b Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fehle ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller habe wegen Erreichens der Höchstanspruchsdauer nach § 48 Abs. 1 SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld über den 27.03.2013 hinaus. Mit dem Bescheid vom 07.02.2013 habe die Antragsgegnerin die Zahlung von Krankengeld ab 28.03.2013 abgelehnt. Es handele sich mithin um eine Leistungsablehnung. Ein gegen die Ablehnung einer Sozialleistung gerichteter Widerspruch habe nicht die Folge, dass der Leistungsträger zunächst die begehrte Sozialleistung zu zahlen oder gewähren hätte. Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, die Antragsgegnerin habe ihm Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, sogar über die gesetzliche Höchstdauer von 78 Wochen, bewilligt, und diese Bewilligung nicht nach den Vorschriften der §§ 45 oder 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Seine Ausführungen zur Notwendigkeit der Aufhebung eines Bewilligungsbescheids gingen deshalb ins Leere. Eine solche Bewilligung habe der Antragsteller – wie bereits das SG im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt habe – lediglich behauptet, jedoch nicht belegt. Er habe keinen Bescheid der Antragsgegnerin mit der Verfügung, er erhalte Krankengeld für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit, insbesondere auch über die gesetzliche Höchstgrenze von 78 Wochen hinaus – was rechtswidrig wäre –, vorgelegt. Eine solche Bewilligung sei auch nicht wahrscheinlich. Eine Bewilligung von Krankengeld nicht nur abschnittsweise, sondern auch auf unbestimmte Zeit sei zwar denkbar; in der Praxis kämen derartige Fälle indessen nur ausnahmsweise und nur in atypischen Konstellationen vor. Vielmehr werde Krankengeld typischerweise abschnittsweise bewilligt, und es sei für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils neu zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen (unter Verweis auf Bundessozialgericht (BSG) Urt. v. 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R). Für eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG fehle es sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund. Dem Antragsteller stehe kein Krankengeld über den 27.03.2013 hinaus zu. Zudem beziehe er Arbeitslosengeld, weshalb ihm durch die Weigerung der Antragsgegnerin keine schweren und unzumutbaren Nachteile entstünden.

Die hiergegen eingelegte Anhörungsrüge wies das LSG mit Beschluss vom 26.06.2013 zurück (L 4 KR 2355/13 RG).

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2014 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 07.02.2013 zurück. Hiergegen hat der Antragsteller am 06.02.2014 Klage beim SG erhoben (S 3 KR 405/14) und beantragt, den Bescheid vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2014 aufzuheben und (falls für das Klageziel erforderlich) die Antragsgegnerin zur nahtlosen Gewährung von Krankengeld über den 27.03.2013 hinaus bis auf weiteres zu verurteilen sowie die Nachzahlung zu verzinsen.

Zeitgleich hat er erneut beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Gewährung von Krankengeld zu verpflichten. Er beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2014 mit der Folge der Gewährung von Krankengeld ab Klageeingang bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens anzuordnen, hilfsweise die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung von Krankengeld ab Antragseingang bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu verpflichten. Die Begründung seines Antrags werde nachgereicht.

Das SG wies mit Schreiben vom 12.02.2014 den Antragsteller darauf hin, dass über das Begehren bereits mit Beschluss des SG vom 17.04.2013 und Beschluss des LSG vom 28.03.2013 rechtskräftig entschieden worden sei. Eine Änderung der Verhältnisse sei nicht eingetreten. Ohne Änderung der Verhältnisse sei die Aufhebung oder Abänderung des Beschlusses vom 17.04.2013 nicht statthaft. Es werde dringend angeregt, den Antrag zurückzunehmen. Dem Antragsteller werde Gelegenheit gegeben, bis zum 21.02.2014 Stellung zu nehmen. Sollte der Antrag entgegen der dargestellten Rechtslage aufrecht erhalten bleiben, so sei zu prüfen, ob dem Antragsteller Kosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 2 SGG aufzuerlegen seien. Nach der genannten Vorschrift könne das Gericht durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht worden seien, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführe, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder Verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden sei. Als verursachter Kostenbetrag seien mindestens 150 EUR anzusetzen.

Am 19.02.2014 hat sich der Antragsteller gegen den Vorhalt der Rechtsmissbräuchlichkeit gewandt. Sein neuer Antrag beziehe sich auf das Klageverfahren, nicht mehr auf das Widerspruchsverfahren. Es komme weniger die Aufhebung oder Abänderung des früheren Beschlusses als vielmehr ein neuer Beschluss in Betracht. Weder das SG noch das LSG seien hinreichend auf seine Argumentation eingegangen. Es sei insbesondere verkannt worden, dass Arbeitsunfähigkeit unbegrenzt "bis auf weiteres" bescheinigt worden sei. Außerdem sei nicht ermittelt worden, ob die Krankengeldbewilligung in seinem Fall ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sei. Seine Krankengeldbewilligung enthalte keine abschnittsweise Befristung. Allein aus den Überweisungen, aus denen Begrenzungen der Zahlungszeiträume hervorgingen, könne nicht auf eine befristete Bewilligung geschlossen werden. In seinem Fall sei daher von einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auszugehen. Es seien zwischenzeitlich auch weitere Sozialgerichtsurteile ergangen, auf die er verweise. Der vom BSG angenommene "Selbstvollzug des Gesetzes" sei abzulehnen. Das SG und LSG wie auch die Antragsgegnerin hätten sich nicht hinreichend mit den entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen befasst. Insgesamt sei es völlig legitim, dieses Verfahren zu betreiben. Die Voraussetzungen für eine Kostenauferlegung seien nicht erfüllt. Es werde um Mitteilung gebeten, ob das Schreiben des SG damit hinfällig sei und der Antrag risikolos begründet werden könne.

Mit Beschluss vom 21.02.2014 (zugestellt am 25.02.2014) hat das SG den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt und dem Antragsteller Verschuldenskosten in Höhe von 150 EUR Gerichtskosten und 75 EUR Pauschgebühr auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, über das Begehren des Antragstellers sei bereits vom SG im Beschluss vom 17.04.2013 und vom LSG im Beschluss vom 28.05.2013 entschieden worden. Sowohl nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 S. 1 SGG als auch nach Maßgabe des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sei entschieden worden, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Krankengeld über den 27.03.2013 hinaus nicht zustehe. Diese Beschlüsse seien der materiellen Rechtskraft fähig. Veränderte Umstände lägen nicht vor. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei daher abzulehnen. Da der Antrag rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 192 SGG sei, würden Verschuldenskosten auferlegt. Der Antragsteller habe nach Rechtskraft der benannten Beschlüsse und nach Verbescheidung im Widerspruchsverfahren wiederholend dieselben tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vorgetragen, obwohl diese umfassend in den benannten rechtskräftigen Beschlüssen gewürdigt worden seien. Er habe nicht darlegen können, weshalb ihm abweichend von § 48 Abs. 1 SGB V innerhalb der Blockfrist ein fortdauernder Krankengeldanspruch zustehen solle.

Hiergegen hat der Antragsteller am 24.03.2014 Beschwerde beim LSG eingelegt und zur Begründung nochmals seine Argumentation wiederholt und vertieft. Darüber hinaus hat er vorgetragen, mangels Identität der Streitgegenstände sei sein erneuter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zulässig. Im Antrag vom 08.04.2013 sei es allein um die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegangen. Mittlerweile liege der Widerspruchsbescheid vor, weshalb es um die aufschiebende Wirkung seiner Klage ginge. Außerdem beantrage er nunmehr nur Krankengeld ab dem 06.02.2014, nicht ab dem 28.03.2013 bis 05.02.2014. Zudem seien die Darlegungen des SG zur Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung im Schreiben vom 12.02.2014 nicht ausreichend substantiiert. Der Hinweis sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Antrag bzw. die Klage noch nicht begründet gewesen seien. Die Gegendarstellung sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Ferner gehe das SG von falschen rechtlichen Kriterien für den Ansatz von Verschuldenskosten aus. Zumindest die Höhe sei unzutreffend ermittelt. Im Übrigen stelle die Auferlegung der Kosten eine "Überrumpelung" dar. Ein faires Verfahren habe nicht stattgefunden. Das Gebot des rechtlichen Gehörs sei verletzt, da das SG entschieden habe, ohne seine angekündigte Antragsbegründung abzuwarten. Aufgrund der Verfahrensmängel werde beantragt, das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 159 SGG zur erneuten Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.

Inhaltlich hat der Antragsteller nochmals ausführlich seine Argumentation vorgetragen, warum davon auszugehen sei, dass es sich bei der Bewilligung von Krankengeld um einen Dauerverwaltungsakt handele. Das Gesetz vollziehe sich nicht von selbst. Beschränkungen auf zeitliche Abschnitte seien nicht zu erkennen. Dies gelte auch für die Auszahlscheine, zumal diese "bis auf weiteres" ausgestellt worden seien. Für das gesamte Bewilligungsverfahren ergebe sich lediglich das Beginn-Datum am 10.11.2011, aber keine zeitliche Begrenzung. Das End-Datum sei von der Antragsgegnerin erstmals mit der angefochtenen Entscheidung eingebracht worden. Selbst auf Grundlage der fragwürdigen Rechtsprechung des BSG vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R und vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R sei in seinem Fall von einem Dauerverwaltungsakt auszugehen, da die Arbeitsunfähigkeit jeweils "bis auf weiteres" festgestellt worden sei. Weitere Bescheinigungen müssten in diesem Fall nicht vorgelegt werden. Entsprechendes habe auch das LSG Baden-Württemberg entschieden (Urt. v. 21.01.2014 – L 11 KR 4174/12). Auch Entscheidungen des SG Trier (S 5 KR 77/12), des SG Mainz (S 17 KR 247/12) und des SG Speyer (S 19 KR 600/11) stützten seine Rechtsauffassung. Die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Krankengeld und zu den "abschnittsweisen Befristungen" sei vor diesem Hintergrund nicht glaubwürdig und schlicht untauglich. Der danach anzunehmende Dauerverwaltungsakt sei durch den angefochtenen Bescheid nicht rechtswirksam aufgehoben worden. Ein entsprechender Verfügungssatz fehle. Eine Umdeutung verbiete sich. Für "übergesetzliche Fiktionen" sei kein Raum. Darüber hinaus fehle es an einer Anhörung. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 48 SGB X nicht vor. Schließlich seien auch die Grundrechte des Antragstellers aus Art. 3, Art. 14, Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.02.2014 insgesamt – auch hinsichtlich der auferlegten Kosten – aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 06.02.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegenerin vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2014 mit der Folge der Gewährung von Krankengeld durch die Antragsgegnerin ab Klageeingang am 06.02.2014 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens anzuordnen, hilfsweise die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung ab Antragseingang bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zur Gewährung von Krankengeld zu verpflichten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf die bereits ergangenen Entscheidungen und ihren Vortrag in den bisherigen Verfahren verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gem. §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist schon unzulässig. Das SG hat deshalb im Ergebnis zu Recht den Antrag abgelehnt.

Die Unzulässigkeit folgt hinsichtlich des Hauptantrags, die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG anzuordnen, allerdings nicht aus der entgegenstehenden Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 17.04.2013. Ablehnende Beschlüsse nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG sind zwar der materiellen Rechtskraft fähig und binden die Beteiligten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn. 19a m.w.N.). Sie stehen damit erneuten Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung entgegen. Grundsätzlich bedeutet dies, dass auch bei späterem Erlass des Widerspruchsbescheids und daraufhin erhobener Klage kein erneuter Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG – zulässigerweise – gestellt werden kann. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs hat nicht allein Auswirkungen auf den im Zeitpunkt des Antragsverfahrens schon eingelegten Rechtsbehelf, sondern auch auf eine etwaig nachfolgende Klage. Die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides ein und endet in den Fällen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 03.08.2012 – L 11 KR 2566/12 ER-B, Beschl. v. 11.05.2010 – L 11 KR 1125/10 ER-B, juris und Beschl. v. 20.03.2006 – L 8 AS 369/06 ER-B, juris). Dies gilt vorliegend allerdings nicht, weil der ursprüngliche Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtet war, während mit dem neuen Antrag die Anordnung der (vermeintlich nach § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG fehlenden) aufschiebenden Wirkung der Klage begehrt wird.

Hinsichtlich des Hilfsantrags, eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu erlassen, steht der Zulässigkeit allerdings die Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 17.04.2013 entgegen. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG kann grundsätzlich nicht wiederholend gestellt werden. Ablehnende rechtskräftige Beschlüsse führen zur Unzulässigkeit eines erneuten Antrags, wenn er den abgelehnten Antrag – bei unveränderter Sach- und Rechtslage – lediglich wiederholt (vgl. Bayerisches LSG Beschl. v. 18.03.2009 – L 11 AS 125/09 ER und Beschl. v. 20.06.2013 – L 11 AS 294/13 B ER, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn. 45a). Nur wenn nach Eintritt der Rechtskraft neue Tatsachen eingetreten sind oder eine veränderte Rechtslage vorliegt, welche eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigt, ist ein wiederholter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig (LSG Nordrhein-Westfalen Beschl. v. 18.05.2011 – L 19 AS 678/11 B ER). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Rechts- oder Tatsachenänderung ist seit der rechtskräftigen Entscheidung des SG vom 17.04.2013 nicht eingetreten. Allein neue Rechtsargumente – auch unter Verweis auf aktuelle Entscheidungen anderer Sozialgerichte – genügen hierfür nicht. Ebenso reicht es nicht aus, dass Krankengeld erst ab einem späteren Zeitpunkt begehrt wird, ohne dass eine Änderung der Tatsachen (etwa das Vorliegen einer neuen Erkrankung) geltend gemacht wird.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2014 ist allerdings mangels Statthaftigkeit unzulässig. Nach § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Ein Ausnahmefall i.S.v. § 86a Abs. 2 SGG liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich vorliegend nicht um einen Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG, da mit dem angefochtenen Bescheid keine laufende Leistung herabgesetzt oder entzogen wird. Es handelt sich zwar bei dem angefochtenen Bescheid vom 07.02.2013 um einen belastenden Verwaltungsakt. Der Verwaltungsakt erschöpft sich indes in der Ablehnung eines Anspruchs auf Krankengeld über den 27.03.2013 hinaus. Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich nicht um die Aufhebung einer zuvor ergangenen Krankengeldbewilligung in Form eines Dauerverwaltungsaktes (so schon in einem vergleichbaren Fall d. Beschl. des Senats vom 27.01.2014 – L 5 KR 1957/13 ER-B). Krankengeld wird im Regelfall auf Grundlage der vom Vertragsarzt ausgestellten Auszahlscheine abschnittsweise, rückwirkend bis zum Ausstelldatum des Auszahlscheins ausgezahlt. Wird etwa Arbeitsunfähigkeit erstmals am 10.03. festgestellt und am 31.03. ein Auszahlschein ausgestellt, wird Krankengeld für die Zeit vom 11.03. bis 31.03. gezahlt. Nach der Rechtsprechung BSG ist in der Auszahlung regelmäßig die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen, dass den Versicherten ein Krankengeldanspruch für die laufende Zeit der vom Vertragsarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht und somit ein entsprechender Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung von Krankengeld vorliegt (BSG Urt. v. 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 6; BSG Urt. v. 26.11.1991 – 1/3 RK 25/90, SozR 3-2500 § 48 Nr. 1). Eine Bewilligung von Krankengeld auf Dauer ist zwar ebenfalls denkbar, aber ausnahmsweise und nur in atypischen Konstellationen anzunehmen, was im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist (BSG Urt. v. 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R, a.a.O.). Ein solcher Sonderfall ist vorliegend vom Antragsteller weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Soweit ihm Krankengeld ab einem bestimmten Datum bewilligt wurde ("Krankengeld wird gezahlt ab "), ist damit Krankengeld nicht auf Dauer bewilligt worden. Die Verfügung erschöpft sich in der Festlegung des Beginn-Datums. Dies ergibt sich aus der dargestellten praktischen Handhabung der Krankengeldauszahlung, die eine nachträgliche Überprüfung und ggf. Rückforderung von Leistungen entbehrlich macht. Anderes ergibt sich auch nicht aus (ebenfalls nicht vorgelegten) Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit "bis auf weiteres". Der Antragsteller wäre zwar in einem solchen Fall u.U. von der Vorlage weiterer ärztlicher Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit entbunden (vgl. BSG Urt. v. 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R, BSGE 111, 18). Dies ändert aber nichts an der grds. abschnittsweisen Bewilligung von Krankengeld. Diese (zeitlich unbeschränkt ausgestellte) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gilt in einem solchen Fall dann für "mehrere Zeitabschnitte" (so ausdrücklich BSG Urt. v. 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R, a.a.O.). Eine Verletzung der Grundrechte des Antragstellers ergibt sich daraus nicht.

Damit fehlt es an einem "Entzug" von laufenden Krankengeldleistungen i.S.v. § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG. Der Widerspruch bzw. die Klage des Antragstellers haben mithin bereits aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung derselben gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist somit nicht statthaft.

Sofern meistbegünstigend der Antrag des Antragstellers dahingehend auszulegen ist, dass jedenfalls die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage begehrt wird, ist auch dieser Antrag unzulässig, weil dem Antragsteller hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Er könnte aus der Feststellung keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil herleiten, insbesondere nicht die (auch nur vorläufige) Gewährung von Krankengeld. Der Aufschub der Wirkungen einer bloßen Leistungsablehnung führt nicht zur Leistungsgewährung. Anderes wäre nur der Fall, wenn es sich um die Aufhebung oder Abänderung einer bereits erfolgten Bewilligung handeln würde. Dies ist indes nicht der Fall (s.o.).

Soweit das SG dem Antragsteller allerdings Verschuldenskosten nach § 192 SGG auferlegt hat, war der Beschluss vom 21.02.2014 aufzuheben. Auf Grundlage der Formulierungen im Gerichtsschreiben vom 12.02.2014 war unter Ansatz des Empfängerhorizonts nicht ohne weiteres damit zu rechnen, dass das SG schon von der Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags ausging. Es hatte lediglich dargelegt, dass über das Begehren bereits entschieden worden sei und es einen Aufhebungs- oder Änderungsantrag nicht für statthaft halte. Werde das Verfahren fortgeführt sei "zu prüfen", ob Kosten aufzuerlegen seien. Hieraus konnte der Antragsteller zulässigerweise schließen, dass er – die ohnehin schon im Antragsschriftsatz angekündigte – Berufungsbegründung noch nachliefern könne und erst dann die Auferlegung von Kosten vom SG geprüft und ihm ggf. die Rechtsmissbräuchlichkeit dargelegt werde. Der Antragsteller hatte sich dann auch innerhalb der gesetzten Frist geäußert und darum gebeten mitzuteilen, ob aufgrund seiner Ausführungen das Gerichtsschreiben vom 12.02.2014 hinfällig sei und er seinen Antrag "risikolos" begründen könne (Bl. 23 der SG-Akte letzter Absatz).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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