L 11 R 2541/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2170/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2541/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.04.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die am 19.02.1953 im früheren Jugoslawien geborene Klägerin, die seit 1969 in der Bundesrepublik Deutschland lebt, hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Zimmermädchen bzw Maschinenarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Mitte 2000 ist die Klägerin beschäftigungslos. Seit 08.12.2003 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Merkzeichen "RF" festgestellt, seit 17.08.2010 ist ein GdB von 100 zuerkannt.

Erstmals am 18.05.1993 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte dies nach Einholung des Gutachtens des Orthopäden Dr. R. vom 28.07.1993 (Diagnosen: rezidivierendes Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei Bandscheibendegeneration und Fehlhaltung und vasomotorischer Kopfschmerz) ab.

Vom 09.11. bis 07.12.1999 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik für Innere Medizin und rheumatische Erkrankungen B.-B. teil. Der Internist Dr. M.-W. gab im Entlassungsbericht vom 22.12.1999 an, die Klägerin leide an einem chronischen Cervikobrachialsyndrom rechtsbetont, an einem chronischen HWS- und LWS-Syndrom, an CTS rechts (Operation im Januar 1998) sowie an einer psychosozialen Belastungssituation. Sie sei noch in der Lage, Tätigkeiten als Reinigungskraft sowie andere mittelschwere Tätigkeiten ohne regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Lasten vollschichtig zu verrichten.

Am 26.04.2000 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte dies mit dem Bescheid vom 15.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2000 ab. Im hiergegen unter dem Az S 2 RJ 2152/00 geführten Rechtsstreit beim Sozialgericht Freiburg (SG) holte das SG das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. L. vom 30.06.2001 ein. Danach leide die Klägerin an einer ausgeprägten, chronifizierten Somatisierungsstörung mit multiplen, verschiedenartigen Schmerzen, die zu einem Teil deutlicher erlebt würden, als dies vom medizinischen Befund zu erwarten sei. Die Erkrankung führe dazu, dass die Klägerin in ihrem Antrieb, ihrer Motivation sowie in Ausdauer und Belastbarkeit erheblich beeinträchtigt sei. Sie sei daher nicht mehr in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie könne allenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zwei Stunden bis unter halbschichtig täglich verrichten. Die Beteiligten einigten sich hierauf auf eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits. Die Beklagte gewährte in Ausführung des Vergleichs Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab 01.11.2000 bis 31.10.2003 (Ausführungsbescheid vom 16.10.2001).

Am 13.05.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Beklagte lehnte dies nach Durchführung einer Begutachtung ab (Bescheid vom 06.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 12.12.2003), da die Klägerin mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig erwerbstätig sein könne.

Im hiergegen beim SG unter dem Az S 11 RJ 9/04 geführten Klageverfahren schlossen die Beteiligten nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Einholung zweier Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet wiederum einen Vergleich, wonach über den 31.10.2003 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 31.10.2006 geleistet wurde.

Am 21.06.2006 beantragte die Klägerin erneut die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin orthopädisch und nervenfachärztlich begutachten und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 06.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2007 ab. Die hiergegen zum SG erhobene Klage (Az S 11 R 1279/07) blieb erfolglos. Mit Urteil vom 27.03.2008 wies das SG nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, es bestehe weder ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch auf eine solche wegen Erwerbsminderung. Der Klägerin sei trotz ihrer Erkrankungen eine körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeit ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne häufiges Bücken möglich.

Auch die hiergegen am 16.06.2008 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Mit Urteil vom 15.12.2009 wies der Senat die Berufung als unbegründet zurück.

Auf den Antrag der Klägerin vom 30.12.2009 bewilligte ihr die Beklagte medizinische Leistungen zur Rehabilitation, die in der Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie S ... B. vom 20.04. bis 18.05.2010 stattfanden. Im Entlassungsbericht vom 21.05.2010 wird eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine Anpassungsstörung, ein Wirbelsäulensyndrom, arterielle Hypertonie und Asthma bronchiale beschrieben. Die letzte berufliche Tätigkeit als Hausangestellte könne die Klägerin nur noch drei bis sechs Stunden wegen der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule verrichten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könnten täglich sechs Stunden und mehr verrichtet werden. Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, Nachtarbeiten und Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Beanspruchung seien zu vermeiden. Entgegen der sozialmedizinischen Beurteilung der Klinik sehe sich die Klägerin selbst nicht in der Lage, wieder eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen.

Am 12.08.2010 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Sie verwies auf die im Reha-Entlassungsbericht aufgeführten Diagnosen.

In einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23.08.2010 (Blatt 879 Verw.-Akte) führte die Ärztin für Nervenheilkunde, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen B. aus, dass unter Berücksichtigung des Reha-Entlassungsberichtes leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne besonderen Zeitdruck und ohne längere Wirbelsäulen-Zwangshaltungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien.

Mit Bescheid vom 26.08.2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Es liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.

Hiergegen erhob die Klägerin am 14.09.2010 Widerspruch, den sie unter Vorlage eines Attests des Allgemeinmediziners Dr. W. sowie des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie K. und einer Bescheinigung des Diplom-Psychologen D.-R. begründete (Blatt 961, 965 Verw.-Akte). Wegen der gesundheitlichen Einschränkungen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet könne sie nicht mehr regelmäßig arbeiten.

Die Beklagte zog weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und veranlasste eine Begutachtung mit ambulanter Untersuchung der Klägerin bei der Ärztin für Nervenheilkunde, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen B ... Im Gutachten vom 21.12.2010 (Blatt 1009 Verw.-Akte) beschrieb die Ärztin ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, Bluthochdruck, beginnende Gonarthrose beidseits, beginnende Coxarthrose rechts, rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden. Bei der körperlichen Untersuchung habe sich bis auf eine leichtgradige Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule kein wesentlicher pathologischer Befund gefunden. Hinweise auf eine nennungswerte depressive oder ängstliche Symptomatik hätten nicht vorgelegen. Der psychische Befund sei insgesamt unauffällig gewesen. Die somatoforme Störung verursache keine anhaltenden gravierenden Funktionseinschränkungen. Die Klägerin könne eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit sechs Stunden und mehr täglich ausüben, sofern auf Nachtschicht, überwiegend einseitige Körperhaltungen und übermäßigen Zeitdruck verzichtet werde.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Da die Klägerin täglich sechs Stunden arbeiten könne, liege keine Erwerbsminderung vor. Berufsschutz komme nicht in Betracht, da die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Hausangestellte zu den ungelernten Tätigkeiten zähle.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.04.2011 Klage zum SG erhoben. Die Beklagte habe das tatsächliche Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, vor allem auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet, nicht vollumfänglich berücksichtigt. Der Gesundheitszustand habe sich nach Dezember 2009 in mehreren Punkten verschlechtert (vgl Blatt 20 SG-Akte).

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte. Der Diplom-Psychologe D.-R. teilte mit Schreiben vom 15.11.2011 (Blatt 27 SG-Akte) mit, dass die Klägerin aus seiner Sicht keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben könne. Die psychische Verfassung habe sich im Laufe der Jahre verschlechtert. Der Chirurg Dr. H. teilte mit Schreiben vom 15.11.2011 (Blatt 31 SG-Akte) mit, dass nach Dezember 2009 Kniebeschwerden, Hals- und Rückenbeschwerden aufgetreten seien. Die Klägerin könne sechs Stunden täglich arbeiten. Der Allgemeinmediziner E. teilte mit Schreiben vom 16.11.2011 (Blatt 60 SG-Akte) mit, dass sich aus hausärztlicher Sicht eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit September 2009 insofern ergeben habe, als das Dickicht der alltags- und lebenserschwerenden Klagen, Beschwerden und Leiden ständig dichter und unübersichtlicher geworden sei. Dies habe eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit zur Folge in Verbindung mit einer Zunahme der Schwere der psychischen Erkrankungskomponente des chronischen Schmerzsyndroms. Aus hausärztlicher Sicht sei auch eine leichte körperliche regelmäßige Erwerbstätigkeit von unter drei Stunden täglich nicht vorstellbar. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie K. teilte mit Schreiben vom 09.01.2012 (Blatt 102 SG-Akte) mit, dass die mittlerweile chronifizierte depressive Verstimmtheit und die chronische Schmerzsymptomatik eine regelmäßige Erwerbstätigkeit von mehr als drei Stunden nicht ermöglichen würden.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E., Universitätsklinikum F ... Im Gutachten vom 26.06.2012 beschrieb der Sachverständige eine depressive Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung. Die Symptome der somatoformen Scherzstörung seien in dieser Diagnose enthalten. Affektivität, Antrieb, Denken und Kognition sowie Vegetativum würden beeinträchtigt. Die Klägerin könne indes noch regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne mittelschwierige Tätigkeiten geistiger Art, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung möglich. Diese Tätigkeiten könnten dauerhaft noch mindestens sechs Stunden täglich ausgeführt werden. Es würden immer wieder Phasen mit ausgeprägter Symptomatik auftreten, so dass die Tätigkeiten dann nur noch mindestens drei Stunden möglich seien. Bei einer Behandlung mit Antidepressiva sei mit einer Verbesserung zu rechnen, so dass die genannten Einschränkungen entfallen würden. Die depressive Symptomatik sei im früheren Gutachten noch nicht berücksichtigt worden. Jedoch sei auch bei der jetzigen Begutachtung keine schwere Antriebshemmung festgestellt worden. Daher würden sich in der Leistungsbeurteilung keine Abweichungen ergeben.

Mit Urteil vom 22.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, da sie täglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten könne. Das SG hat seine Überzeugung auf das Gutachten von Frau B. sowie auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. gestützt.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 10.06.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 19.06.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das SG habe sich nicht hinreichend mit dem konkreten Fall beschäftigt, sondern maßgeblich auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. abgestellt. Die Auskünfte der behandelnden Ärzte seien nicht in ausreichendem Maße in die Abwägung eingeflossen. Die Klägerin hat ein Schreiben des Radiologen Dr. H. vom 25.11.2013 und ein Schreiben des Chirurgen Dr. H. vom 19.11.2013 (Arztbrief) vorgelegt und vorgetragen, hieraus würde sich ergeben, dass nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Erwerbsfähigkeit vorliegen würden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.04.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 26.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2011 aufzuheben und ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründungen in den angefochtenen Bescheiden und auf die Ausführungen des SG Bezug.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Neurologie/Psychiatrie und spezielle Schmerztherapie PD Dr. B., O.-Klinik R ...

Im Gutachten vom 09.01.2014 hat der Sachverständige folgende Diagnosen gestellt: - Chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD 10: F45.0) - Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates (weitgehend altersentsprechender Ausprägung) - Tinnitus - Leichte Schwerhörigkeit - Adipositas - Arterielle Hypertonie - Carpaltunnelsyndrom rechts, operiert - Hallux valgus rechts, operiert 2009. Bei der Klägerin bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Massivität ihrer angegebenen Beschwerden und der objektiv zu erhebenden Befunde. In Ermangelung anderer Diagnosen seien die meisten Gutachter zu der Einschätzung einer somatoformen Schmerzstörung gekommen, obwohl das zwingend erforderliche Symptomkriterium in Form eines andauernden, schweren und quälenden Schmerzes nicht vorliege. Die vom Vorgutachter Prof. Dr. E. empfohlene antidepressive Therapie werde nicht durchgeführt, die Medikamente würden von der Klägerin vermutlich auch nicht benötigt. Der psychische Befund habe keine depressive Grundstimmung ergeben, die affektive Schwingungsfähigkeit sei erhalten gewesen. Die Klägerin sei wach, zeitlich und örtlich situativ und zur Person voll orientiert gewesen. Es habe keine Hinweise auf formale Denkstörungen, keine Konzentrations- oder Auffassungsstörungen und keine mnestischen Störungen gegeben. Insgesamt habe sich ein weitgehend normaler psychischer Befund ohne das Vorliegen einer depressiven Störung ergeben. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könnten der Klägerin vollschichtig zugemutet werden. Qualitative Leistungseinschränkungen seien in den Vorgutachten von orthopädischer Seite präzisierend dokumentiert worden. Aus rein psychiatrisch-neurologischer Sicht würden sich nur geringe Einschränkungen ergeben. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, unter erheblichem Zeitdruck sowie Tätigkeiten, die eine rasche Umstellung oder aber ein hohes Maß an geistiger Flexibilität erfordern würden, seien aufgrund der psychovegetativen Labilität der Klägerin nicht leidensgerecht. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen seien leichte, aber auch mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 02.04.2014 hat der Sachverständige insbesondere darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihren Alltag ohne fremde Hilfe bewältigen könne. Sie sei im Besitz eines eigenen Fahrzeuges und fahrfähig. Einkäufe, Wäsche, das Putzen der Wohnung etc erledige sie alleine. Die vorhandenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien altersentsprechend und würden keine quantitative Leistungseinschränkung bewirken.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 24.04.2014 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.05.2014 gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da sie nicht erwerbsgemindert ist.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.

Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Die Klägerin kann zur Überzeugung des Senats unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten und ist deshalb nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI). Diese Überzeugung schöpft der Senat aus den nachvollziehbaren und plausiblen Sachverständigengutachten vom 09.04.2014 des PD Dr. B., O.-Klinik R ... Der Sachverständige hat folgende Gesundheitsstörungen beschrieben: - Chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD 10: F45.0) - Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates (weitgehend altersentsprechender Ausprägung) - Tinnitus - Leichte Schwerhörigkeit - Adipositas - Arterielle Hypertonie - Carpaltunnelsyndrom rechts, operiert - Hallux valgus rechts, operiert 2009. PD Dr. B. hat einen weitgehend normalen psychischen Befund ohne das Vorliegen einer depressiven Störung beschrieben. Der Sachverständige hat insbesondere ausgeführt, dass bei der Klägerin eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Massivität ihrer angegebenen Beschwerden und der objektiv zu erhebenden Befunde besteht. Nach den plausiblen Darlegungen PD Dr. B. liegt bei der Klägerin mangels eines andauernden, schweren und quälenden Schmerzes keine somatoforme Schmerzstörung vor. Der psychische Befund hat keine depressive Grundstimmung ergeben, die affektive Schwingungsfähigkeit ist erhalten gewesen. Die Klägerin ist in der Untersuchung wach, zeitlich und örtlich situativ und zur Person voll orientiert gewesen. Es hat keine Hinweise auf formale Denkstörungen, keine Konzentrations- oder Auffassungsstörungen und keine mnestischen Störungen gegeben. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten können nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen PD Dr. B. der Klägerin vollschichtig zugemutet werden. Aus rein neurologischer-psychiatrisch Sicht ergeben sich nur geringe Einschränkungen, wie PD Dr. B. dargelegt hat. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, unter erheblichem Zeitdruck sowie Tätigkeiten, die eine rasche Umstellung oder aber ein hohes Maß an geistiger Flexibilität erfordern würden, sind aufgrund der psychovegetativen Labilität der Klägerin nicht leidensgerecht.

Weitere qualitative Leistungseinschränkungen ergeben sich aufgrund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet. Es besteht eine beginnende Gonarthrose beidseits, eine beginnende Coxarthrose rechts sowie rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden. Tätigkeiten in einseitiger Körperhaltung, das Heben und Tragen schwerer Lasten, Schichtarbeit und Akkord sind zu vermeiden, wie im Reha-Entlassungsbericht vom 21.05.2010 und im Gutachten von Fr. B. vom 21.12.2010 ausgeführt ist. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sind leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich. Auch Prof. Dr. E. ist in seinem Gutachten vom 26.06.2012 zum Ergebnis gekommen, dass die Klägerin noch regelmäßig einer Erwerbstätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachgehen könne.

Die entgegenstehenden Einschätzungen der behandelnden Ärzte haben den Senat nicht überzeugt. Auch aus den zur Begründung der Berufung vorgelegten Arztbriefen ergibt sich keine quantitative Einschränkung, wenn dort ein lotrechter WS-Aufbau mit freier Inklination und lediglich endgradiger Bewegungseinschränkung beschrieben wird (Chirurg Dr. H., Bl. 37 Senatsakte) bzw eine geringgradige Einengung des Spinalkanals in Höhe L4/5, regelrechter Aspekt beider ISG (Radiologe Dr. Halt, Bl. 36 Senatsakte). In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 02.04.2014 hat der gerichtliche Sachverständige PD Dr. B. darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihren Alltag ohne fremde Hilfe bewältigen kann. Sie ist im Besitz eines eigenen Fahrzeuges und fahrfähig. Einkäufe, Wäsche, das Putzen der Wohnung etc erledigt sie alleine. Die vorhandenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen altersentsprechend und bewirken keine quantitative Leistungseinschränkung. Eine weitere Beweiserhebung war danach nicht veranlasst.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass sie vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Die Klägerin ist 1953 und damit vor dem Stichtag geboren, sie ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN). Die Klägerin ist nach ihrem beruflichen Werdegang als angelernte Arbeiterin einzustufen und daher breit verweisbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Diese Tätigkeiten kann sie, wie aufgezeigt, unter Beachtung der geschilderten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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