L 13 R 4122/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 2057/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4122/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1952 geborene Kläger, der nach seinen Angaben eine Bäcker- und eine Heizungsbauerlehre abgebrochen hat, war im Zeitraum vom 1. Mai 1968 bis 30. Juni 2009 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt, u.a. als Textilarbeiter, Bauhelfer, Tierpfleger, Wagenwäscher, Verkäufer, Hausmeister und zuletzt als Fahrer. Danach war er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Zusammen mit seiner Ehefrau übt er noch eine geringfügige versicherungsfreie Tätigkeit als Fahrer aus. Wegen der Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 30. Mai 2014 verwiesen. Gemäß dem am 27. Mai 2014 vorgelegten Bescheid des Landratsamtes K. vom 15. November 2013 ist ein Grad der Behinderung von 50 ab 1. Januar 2010 rückwirkend festgestellt.

Den Rentenantrag des Klägers vom 28. September 2009, den dieser mit einer Borreliose, Atemproblemen, einer WS-Erkrankung, einer Psychose und Schlafstörungen begründete, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Januar 2010 und - nachdem der Kläger eine ihm angebotene medizinische Rehabilitationsmaßnahme abgelehnt hatte - Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2011 ab. Der Kläger könne ihm auf Grund seines bisherigen Berufs zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten.

Grundlage der Entscheidung waren neben Berichten behandelnder Ärzte ein Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. Zin. vom November 2009 (Diagnosen [D]: Rezidivierende depressive Störung, Somatisierungsstörung ohne Therapie, Bandscheibenvorfall [BSV] HWK6/7 rechtsbetont mit intermittierender Radikulopathie, Borreliose ohne Arthropathie, Z.n. Antibiose, Migräne, Folsäuremangel ohne Therapie; mittelschwere Tätigkeiten und eine Tätigkeit als Kraftfahrer seien bei Beachtung - näher dargelegter - qualitativer Einschränkungen vollschichtig möglich) sowie - nach Eingang eines Befundberichtes des Neurologen und Psychiaters Dr. Ke. vom 27. Mai 2011 (u.a. schwere posttraumatische Belastungsstörung und rezidivierende Depression) - ein Gutachten des Dr. Fre. vom 1. September 2011 (D: aus dem Gutachten von Dr. Zin. übernommene D, zusätzlich die aus dem Bericht von Dr. Ke. übernommene D: schwere PTBS vor dem Hintergrund eines seriellen kindlichen Missbrauchs, rezidivierende mittlerweile chronifizierte psychische Störung im Sinne einer Depression, Beginn in früher Jugend, chronifizierte Schmerzsymptomatik beider Schultergelenke bei AC-Gelenksubluxation rechts sowie subacromialem Impingement links, Lumbago bei mäßigen degenerativen Erkrankungen der LWS, Z.n. Wurzelkompression L5 links und rechts beidseits mit BSV, V.a SBAS/OSAS [schlafbezogene Atemstörung/obstruktives Schlafapnoesyndrom]; leichte körperliche Tätigkeiten seien - unter Vermeidung von Stress-Situationen, Zeitdruck, Akkord- und Schichtarbeit, belastende Rückensituationen, Heben und Tragen von Lasten sowie Überkopfarbeiten - vollschichtig möglich).

Wegen der die Gewährung von Rente ablehnenden Entscheidungen hat der Kläger am 14. Juni 2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben, das den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Konstanz (SG) verwiesen hat.

Der Kläger hat geltend gemacht, wegen der genannten Diagnosen sowie wegen Schlafstörungen und Polyneuropathie (PNP) sämtlicher Gliedmaßen sei er zu einer Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage. Es liege eine erhebliche psychosoziale gesundheitliche Einschränkung, die u.a. auch bereits zu einer chronischen Depression geführt habe, vor. Auch die psychotherapeutische Behandlung bei Dr. Ke. habe keinen Erfolg gebracht. Ferner leide er unter orthopädischen Beschwerden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Über die von ihnen erhobenen Befunde haben der Orthopäde Dr. Mes. am 24. November 2011, Dr. Ke. am 10. November 2011 berichtet.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Dr. Pf. vom 7. Dezember 2011 vorgelegt, die unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen von einem sechsstündigen Leistungsvermögen ausgegangen ist.

Das SG hat ferner ein Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. La. vom 20. März 2012 sowie - nach Einwänden des Dr. Ke. in einer vom Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 4. Juni 2012 - dessen ergänzende Stellungnahme vom 3. Juli 2012 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Kläger sei bei der Untersuchung kaum kooperativ, unruhig, innerlich gespannt und reizbar gewesen. Fragen habe er zögernd und oft nur unvollständig beantwortet. In der Stimmung sei er kaum depressiv ausgelenkt. In Kenntnis der Akte (vor dem Hintergrund der belastenden Biographie und aktueller Probleme) sei er betrübt. Glaubhaft lägen bei einer wohl fehlenden Tagesstruktur Schlafstörungen vor mit der Konsequenz einer Tagesmüdigkeit und allgemeinen Mattigkeit. Inhaltliche Denkstörungen fänden sich nicht. Der Kläger nehme nach seinen Angaben Schmerzmittel, Psychopharmaka schon lange nicht mehr. Zusammenfassend hat der Sachverständige die Diagnosen schmerzhaftes WS-Syndrom mit ausstrahlenden Beschwerden, Carpaltunnelsyndrom beidseits, Dysthymie, Z.n. schweren depressiven Episoden und Persönlichkeitsstörung gestellt. Die fehlende Kooperation des Klägers sei in der Gesamtschau nicht einem psychiatrischen Leiden oder einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung zuzuordnen. Aktenkundig sei eine problematische Biographie mit Missbrauch und Verlusterfahrung schon in der frühen Kindheit und Jugend. Seine Eheschließung habe ihm Stabilität gegeben, wobei auch hier konflikthafte Auseinandersetzungen dokumentiert seien. Dennoch habe er über viele Jahre gearbeitet und sich integriert. Aktuell finde nach Angaben des Klägers keine nervenärztliche Behandlung mehr statt. Unter Berücksichtigung der Erkrankungen sei der Kläger in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wie auch als Kraftfahrer und Hausmeister - ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, Überkopfarbeiten, Arbeiten in Nässe und Kälte, in Zwangshaltungen, unter Zeitdruck sowie im Kundenverkehr und mit besonderen Anforderungen an die intellektuellen Fähigkeiten sowie an das Auffassungs- und Umstellungsvermögen - acht Stunden täglich zu verrichten. Möglich seien leichte aufsichtführende Männerarbeiten, Botengänge sowie Sortierarbeiten. Der Kläger könne auch arbeitstäglich vierfach 500 m in 20 Minuten zurücklegen und einen PKW sowie öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Bei konsequenter psychiatrischer und psychopharmakologischer Maßnahme wäre eine weitere Besserung möglich. Auf die Einwände von Dr. Ke. hat der Sachverständige an seiner Einschätzung festgehalten und ist dabei auf die Einwände im Einzelnen eingegangen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2012 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, seien nicht erfüllt. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit einigen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich verrichten, was sich aus dem vorliegenden Gutachten ergebe. Im Übrigen sei der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und könne entsprechende Tätigkeiten verrichten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 3. September 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1. Oktober 2012 Berufung eingelegt, mit welcher er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Senat hat den Nervenarzt und Arzt für Psychotherapie Prof. Dr. Ste. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Nachdem der Kläger zunächst eine Untersuchung abgelehnt, sich dann aber schließlich doch bereit erklärt hat, sich untersuchen zu lassen, hat der Sachverständige das Gutachten vom 25. Juni 2013 erstattet. Darin ist ausgeführt, der Kläger lebe zurückgezogen auf einem landwirtschaftlichen Anwesen, auf dem die Tochter einige Pferde halte. Nach einer Privatinsolvenz seien die finanziellen Verhältnisse sehr bescheiden. Zur Untersuchung ist der Kläger mit einem PKW erschienen. Er hat seinen Tagesablauf geschildert und angegeben, er habe seit 2011 einen Minijob zusammen mit seiner Frau. Bei der Untersuchung - so der Sachverständige - sei der Kläger teilweise eingeschränkt kooperationsbereit gewesen, was allerdings aus seiner Sicht der vorliegenden Persönlichkeitsstörung zuzuordnen sei. Die Schilderungen seien teilweise inkonsistent und hätten teilweise der Aktenlage widersprochen. Der berufliche Werdegang sei nach Angaben des Klägers bis zur Kündigung des letzten Arbeitsverhältnisses weitgehend problemfrei gewesen. Wiederkehrende Depressionen bagatellisiere der Kläger völlig und räume sie nur auf Nachfrage ein, ohne nähere Einzelheiten nennen zu wollen. Es bestehe eine ausgeprägte soziale Phobie vor der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie vor Kontakt mit Menschen überhaupt. Generell erwarte er von allen Menschen, insbesondere auch von Behörden, grundsätzlich nur Schlechtes. Hintergrund sei sicher die vorliegende Persönlichkeitsstörung. Verständlich sei die Persönlichkeitsentwicklung auf Grund der traumatischen Erfahrungen in Kindheit und Jugend mit Beziehungsabbrüchen, emotionalem und sexuellem Missbrauch. Insofern handle es sich um eine Traumafolgestörung, wenn auch nicht um eine PTBS, deren Kriterien hier nicht vorlägen und wohl auch nicht vorgelegen hätten. Erlebnisse der Scham und eines geringen Selbstwertgefühls spielten eine zentrale Rolle, die misstrauische Grundhaltung sei insofern ein Schutzmechanismus. Auf diese Persönlichkeitsentwicklung sei nun in den letzten Jahren das Insolvenzverfahren, abgelehnte Anträge und Rechtsstreite getroffen. Vor dem spezifischen Hintergrund dieser Persönlichkeit habe sich eine sogenannte paranoide Entwicklung ergeben, eine lebensgeschichtlich verständliche psychische Entwicklung mit wahnähnlicher Verhärtung von Überzeugungen der Beeinträchtigung und Benachteiligung, die eine erhebliche Dynamik habe und die emotionalen Energien des Klägers weitgehend beanspruche. Seine umfänglichen Schreiben erinnerten an einen Querulantenwahn. Im Hinblick auf die vorliegenden psychischen Leiden gehe er deshalb davon aus, dass neben den wiederkehrenden Depressionen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mit einer depressiven Phase in Erscheinung getreten seien, auch eine Persönlichkeitspathologie erheblichen Ausmaßes und eine paranoide Entwicklung vorliege. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei insofern schwierig und sicher als Grenzfall anzusehen. Für eine erhaltende Leistungsfähigkeit spreche, dass eine Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit funktionsrelevanten Ausmaßes bei der Untersuchung nicht zu erkennen gewesen sei, die Tatsache, dass er weiter einen Minijob mit Fahrertätigkeit verrichte, zur Untersuchung selbstständig mit dem PKW angereist sei und sich kein plausibler Hinweis finde, dass Depressionen häufiger oder schwerer seien, als zu den Zeiten, als er noch berufstätig gewesen sei. Die Persönlichkeitsstörung sei überdauernd und schränke die berufliche Leistungsfähigkeit qualitativ ein, habe ihn aber früher daran nicht gehindert. Gegen eine Leistungsfähigkeit spreche die paranoide Entwicklung im Bezug auf Erlebnisse der Ungerechtigkeit und des Benachteiligtseins in den letzten Jahren auf dem Boden der vorbestehenden Persönlichkeitsstörung. Sie sei in ihrer Natur progredient und beeinflusse den Kläger in erheblichem Maß in seinem Denken und Handeln. Kurzfristig stehe die Störung zwar der Ausübung von Arbeiten, wie z.B. Fahrtätigkeiten, nicht im Wege, werde aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit immer wieder zu Konflikten mit Kollegen und Vorgesetzten führen und lasse ein Arbeitsverhältnis dauerhaft unmöglich erscheinen. Diese Einschränkungen träten bei altersbedingt nachlassender körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit stärker auf. Bei den Befunden auf neurologischem Gebiet, die freilich nicht widerspruchsfrei und nicht durch eine einzelne Ursache zu erklären seien, müsste man den Kläger wegen Koordinationsstörungen als leistungsunfähig einstufen. Wenn hier auch Verdeutlichungstendenzen recht wahrscheinlich seien, bestehe zweifellos, wie vielfach beschrieben, ein somatischer Beschwerdekern, der ebenfalls die Leistungsfähigkeit beeinträchtige. Hinsichtlich der Darbietung der körperlichen Befunde sei eine Aggravation oder Simulation keineswegs auszuschließen. Ein gewisses Ausmaß von Aggravation oder zumindest eine Verdeutlichung sei sogar wahrscheinlich. Die psychische Symptomatik dagegen sei so eng mit der Persönlichkeit des Klägers verwoben, dass er hier zu einer Aggravation gar nicht in der Lage sein dürfte. Hinsichtlich der angesprochenen Kernpathologie der Persönlichkeit sei ein Vortäuschen ausgeschlossen. Grundsätzlich sollten leichte körperliche Tätigkeiten - ohne besondere Anforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit, erforderliche vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kollegen, Publikumsverkehr, besondere geistige Beanspruchung, erhöhte Verantwortung und nervliche Belastung - möglich sein. Im Kontakt mit Vorgesetzten seien Konflikte zu erwarten. Einfache Fahrtätigkeiten seien zumutbar. Hierbei seien qualitative Einschränkungen auf neurologischem Gebiet nicht berücksichtigt. Ob diese einer bisher unbekannten neurologischen Erkrankung zuzuordnen oder durch Aggravation zu erklären seien, habe er nicht klären können. Insoweit sei eine neurologische Begutachtung erforderlich. Unter Abwägung der Argumente für und gegen eine erhaltende Leistungsfähigkeit sei von einem sehr spezifischen engen Spektrum von Tätigkeiten auszugehen, wie sie der Kläger auch im Rahmen seines Minijobs ausübe, also reine Fahrtätigkeit ohne Be- und Entladen mit weitgehend autonomen Arbeiten. Solche Tätigkeiten müssten weiter vollschichtig möglich sein. Ein konkretes zeitlich leistungseinschränkendes Argument lasse sich nicht herausarbeiten. Möglich seien Arbeiten mit Personen, die er als wenig bedrohlich empfinde, wie der übernommene Fahrdienst für Kinder. Auch hinsichtlich der Wegefähigkeit sei die Frage einer neurologischen Abklärung noch offen. Seine Einschätzung begründe sich abweichend von Dr. La. vorwiegend auf die Persönlichkeitsstörung und paranoide Entwicklung. Hinsichtlich der aktuellen kognitiven Leistungs- und Handlungsfähigkeit teile er die Einschätzung von Dr. La. Dieser habe die paranoiden Elemente der Persönlichkeitsstörung nicht herausgearbeitet und die eingetretene paranoide Entwicklung nicht beschrieben. Möglicherweise habe sich die Entwicklung gegenüber der damaligen Begutachtung deutlich verstärkt.

Der Senat hat ferner ein Gutachten des Prof. Dr. Ste. vom 19. Juni 2013 sowie die Aussagen des Dr. Ke. vom 9. Februar 2012 und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Bo. vom 26. Oktober 2012, erstellt für das SG in einem Verfahren wegen Feststellung des Grades der Behinderung, beigezogen.

In einer vom Senat eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. La. vom 10. Oktober 2013 hat dieser an seiner Leistungsbeurteilung für die Zeit bis zum Zeitpunkt seiner Begutachtung an seinen Einschätzungen festgehalten. Ab Ende 2012/Anfang 2013 seien neue Aspekte zu berücksichtigen. Die von Prof. Dr. Ste. herausgearbeitete paranoide Symptomatik sei bei seiner Begutachtung nicht erkennbar gewesen und er habe ein derartiges Ausmaß wahnhafter Störungen nicht feststellen können. Die jetzt verfügbaren Dokumente des Klägers hätten ihm noch nicht vorgelegen. Diese paranoide Störung sei im Sommer 2012 auch dem Nervenarzt Dr. Ke. noch nicht aufgefallen, was sich aus dessen Äußerung vom 4. Juni 2012 ergebe. Darin werde lediglich von Depressionen und einer PTBS berichtet. In Anbetracht der neuen Erkenntnisse sei nicht nur von einer paranoiden Entwicklung und Persönlichkeitsstörung auszugehen, sondern eventuell sogar von einer affektiv depressiv gefärbten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Eine effektive psychiatrische und vor allem psychopharmakologische Behandlung finde nicht statt. Es sei auch zu befürchten, dass wenig Erfolgsaussicht bestehe. Prof. Dr. Ste. sei zuzustimmen, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen lediglich mit ausgeprägten qualitativen Einschränkungen noch erhalten sei. Die derzeitige Beförderung von Kindern dürfe seines Erachtens nicht mehr stattfinden. Auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehe ein schmerzhaftes WS-Syndrom mit ausstrahlenden Beschwerden, glaubhaften Cervicocephalgien und vertebragenen Schwindelbeschwerden, Cervicobrachialgien und Lumbalgien ohne manifeste und leistungsbeeinträchtigende radikuläre Ausfälle. Ferner bestehe ein Carpaltunnelsyndrom beidseits links betont und ein Z.n. schweren depressiven Episoden, eine paranoide Persönlichkeitsstörung bzw. der dringende Verdacht auf eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Auch mit ausgeprägten qualitativen Einschränkungen sei ein nur noch deutlich unter vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erhalten. Nur einfachste Arbeiten ohne Kontakt mit Kollegen, ohne Zeitdruck und Anforderungen an die psychische Belastbarkeit und Aufmerksamkeit seien noch denkbar. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.

Der Kläger macht weiter geltend, zu einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage zu sein. Er hat persönlich eine Vielzahl von kopierten Internettexten mittels Fax vorgelegt, mit denen er - zum Teil sinngemäß - aus seiner Sicht fehlende Unterschriften in Schreiben des Gerichts an seinen Bevollmächtigten beanstandet.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30. August 2012 sowie den Bescheid vom 8. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juni 2011 aufzuheben und ihm ab 1. September 2009 Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der Kläger könne eine ihm zumutbare Tätigkeit als Fahrer mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Sie hat hierzu eine Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ne. vom 21. November 2013 vorgelegt. Er hat ausgeführt, soweit Dr. La. nun von einer affektiv depressiv gefärbten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis im Gegensatz zu seinem früheren Gutachten ausgehe, könne dies aus psychiatrischer Sicht nicht nachvollzogen werden. Es lägen keine Kriterien einer derartigen Erkrankung nach den zitierten Gutachten vor, weswegen dieser sozialmedizinischen Einschätzung nicht gefolgt werden könne. Es fänden sich so gut wie keine Symptome nach dem ICD 10, die für eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis im engeren Sinne jenseits einer gewissen paranoiden Entwicklung sprächen. Insgesamt seien die Gutachten stimmig. Nicht nachvollziehbar sei der Schwenk von Dr. La. hinsichtlich der sozialmedizinischen Einschätzung. In seinem Gutachten habe er testpsychologische Hinweise auf eine Simulation beschrieben, der psychopathologische Befund sei als Normalbefund beschrieben worden. Auch das Gutachten von Prof. Dr. Ste. schildere auf Seite 14 des Gutachtens einen beinahe normalen psychopathologischen Befund. Die als paranoide Entwicklung im Umgang von Behörden gefasste Symptomatik, über die im Bereich der Persönlichkeitsstörung referiert worden sei, führe zu einem erhöhten Misstrauen, wobei sie nach dem Gutachten von Prof. Dr. Ste. eigentlich keinen sozialen Rückzug nach sich gezogen habe. Die hervorgehobenen deutlichen querulatorischen Züge hätten sicherlich das ganze Leben bestanden. Insgesamt sei eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens nicht zweifelsfrei belegt.

Auf Frage des Senats hat der Kläger zunächst die Bereitschaft erklärt, sich einer weiteren nervenärztlichen Untersuchung zur Feststellung des Leistungsvermögens zu unterziehen. Diese Bereitschaft hat er dann im weiteren Verlauf wiederum widerrufen und ist auch der Einbestellung des beauftragten Sachverständigen Dr. Hau. nicht gefolgt. Der Senat hat daraufhin den Gutachtensauftrag aufgehoben und den Bevollmächtigten des Klägers u.a. auf die objektive Beweislast hingewiesen. Der Kläger hat im weiteren Verlauf diverse Unterlagen per Fax übermittelt, u.a. Ausdrucke aus dem Internet.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, denn dieser hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. auch wegen Berufsunfähigkeit hat, weil nicht feststellbar ist, dass er - ihm auf Grund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes - verrichten kann bzw. nicht feststellbar ist, dass er hierzu nicht mehr in der Lage ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers sowie der weiteren Ermittlungen auch im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass auch die weiteren Ermittlungen des Senats nicht mit der erforderlichen Gewissheit erbracht haben, dass der Kläger ihm zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Beim Kläger besteht gemäß dem Gutachten von Prof. Dr. Ste. eine rezidivierende depressive Störung, die bei dessen Untersuchung weitgehend remittiert war, eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und schizoiden Anteilen, eine paranoide Entwicklung, ein lokales Cervical- und Lumbalsyndrom sowie handschuhförmige Sensibilitätsminderungen der oberen Extremitäten und Gleichgewichtsstörungen, die neurologisch nicht plausibel erklärbar sind, vor. Bei Auftreten depressiver Episoden ist die Leistungsfähigkeit erheblich reduziert bzw. aufgehoben. Die Persönlichkeitsstörung vor allem in Verbindung mit der beschriebenen paranoiden Entwicklung beeinträchtigt die soziale Anpassungsfähigkeit in erheblichem Maße. Dies betrifft in verstärktem Maß Kontakte mit Kollegen und Vorgesetzten, gegebenenfalls auch Kunden. Je nach Art der auftretenden Interaktionen kann dies ein Ausmaß annehmen, dass eine Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich ist. Hinsichtlich der Darbietung der körperlichen Befunde ist eine Aggravation oder Simulation oder zumindest eine Verdeutlichung wahrscheinlich. Soweit Dr. Ke. von einer PTBS ausgeht, sind die Kriterien hierfür nicht erfüllt (Prof. Dr. Ste.). Dem hat sich im Wesentlichen auch Dr. La. angeschlossen, wobei er selbst keine eigenen weiteren Untersuchungen durchgeführt hat. Soweit dieser von einer "affektiv depressiv gefärbten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis", anders als noch in seinem eigenen Sachverständigengutachten, ausgeht, ist - wie Dr. Ne. in der als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertbaren Stellungnahme vom 21. November 2013 dargelegt hat - zweifelhaft, ob diese Diagnose nach den Kriterien des ICD-10 zutrifft. Prof. Dr. Ste. hat keine Symptome einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis im engeren Sinne jenseits einer gewissen paranoiden Entwicklung beschrieben, was der Senat ebenfalls der Stellungnahme von Dr. Ne. als nachvollziehbar entnimmt.

Unter Berücksichtigung dessen hat Prof. Dr. Ste. im Ergebnis den Nachweis einer Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich verneint. Dies erscheint dem Senat auch im Hinblick darauf, dass der Kläger nach wie vor einer Fahrertätigkeit nachgeht, und des Tagesablaufes, der keinen völligen Rückzug erkennen lässt, plausibel. Zur Untersuchung ist der Kläger mit einem PKW erschienen. Er hat nach eigenen Angaben seit 2011 einen Minijob zusammen mit seiner Frau. Er steht um 6.00 Uhr auf, macht die Kaffeemaschine an, geht ins Bad, putzt die Zähne, trinkt Kaffee und raucht eine Zigarette. Wenn er den Fahrdienst übernimmt, transportiert er Kinder, fährt danach wieder heim, trinkt wieder Kaffee, raucht wieder eine Zigarette, macht dann Haushaltsarbeiten und geht danach mit dem Hund spazieren. Abends sieht er fern und geht gegen 2.00 Uhr ins Bett. Prof. Dr. Ste. hat im Übrigen auch hinsichtlich der qualitativen Einschränkungen durchaus noch eine einfache Fahrertätigkeit ohne Be- und Entladen, wesentlichen Publikumsverkehr für möglich erachtet. Grundsätzlich sind nach Auffassung von Prof. Dr. Ste. leichte körperliche Tätigkeiten - ohne besondere Anforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit, erforderliche vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kollegen, Publikumsverkehr, besondere geistige Beanspruchung, erhöhte Verantwortung und nervliche Belastung - möglich. Im Kontakt mit Vorgesetzten seien Konflikte zu erwarten. Einfache Fahrtätigkeiten seien zumutbar. Zwar ist unter Abwägung der Argumente für und gegen eine erhaltende Leistungsfähigkeit von einem sehr spezifischen engen Spektrum von Tätigkeiten auszugehen, wie sie der Kläger auch im Rahmen seines Minijobs ausübt, also reine Fahrtätigkeit ohne Be- und Entladen mit weitgehend autonomen Arbeiten. Solche Tätigkeiten sind nach der Auffassung der Prof. Dr. Ste., die der Senat für nachvollziehbar und überzeugend hält, weiter vollschichtig möglich. Eine zeitliche Leistungseinschränkung ist nicht feststellbar. Da der Sachverständige Tätigkeiten, die der Kläger verrichten kann benannt hat und dies den Senat überzeugt, ist auch davon auszugehen, dass es noch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, z.B. einfache Fahrertätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen und schwerere Ladearbeiten gibt, die der Kläger wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Hierfür spricht auch, dass er noch eine Fahrertätigkeiten ausübt. Soweit er solche nur in geringfügigem Umfang verrichtet, gibt es für diese zeitliche Begrenzung auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich auch nach dem Gutachten von Prof. Dr. Ste. keine gesundheitlichen Gründe.

Soweit Dr. La. einerseits im Anschluss an Prof. Dr. Ste. eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens verneint, an andere Stelle aber von einem deutlich untervollschichtigen Leistungsvermögen (ohne konkrete zeitliche Angabe) spricht, überzeugt dies nicht in dem Sinne, dass eine quantitative Leistungsminderung damit als nachgewiesen angesehen werden könnte. Hierzu hat Dr. Ne. in seiner als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertbaren Stellungnahme für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Diagnose des Dr. La. einer affektiv depressiv gefärbten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis aus psychiatrischer Sicht nicht nachvollzogen werden kann, weil keine Kriterien einer derartigen Erkrankung nach den zitierten Gutachten vorliegen. Deswegen ist auch dessen sozialmedizinische Einschätzung hinsichtlich des quantitativen Leistungsvermögens nicht überzeugend. Im Übrigen beruht die Einschätzung des Dr. La. nicht auf einer neuen eigenen Untersuchung und Befunderhebung, sondern im Wesentlichen auf den Angaben von Prof. Dr. Ste.

Prof. Dr. Ste. schildert indes einen nahezu normalen psychopathologischen Befund. Die als paranoide Entwicklung im Umgang von Behörden gefasste Symptomatik, über die er im Bereich der Persönlichkeitsstörung referiert hat, führt zu einem erhöhten Misstrauen, wobei sie auch nach dem Gutachten von Prof. Dr. Ste. keinen sozialen Rückzug nach sich gezogen hat. Die hervorgehobenen deutlichen querulatorischen Züge waren das ganze Leben vorhanden und standen bis 2009 einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Insgesamt ist eine einen Rentenanspruch begründende Einschränkung des quantitativen oder qualitativen Leistungsvermögens nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellbar. Allein die Übersendung einer Vielzahl von Schreiben durch den Kläger, die großteils keinen Sachbezug erkennen lassen, genügt nicht für die Feststellung einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung, insbesondere im auch im Hinblick auf die schon bei der Untersuchung bei Dr. La. gezeigte mangelnde Kooperation bei der Untersuchung.

Soweit Dr. Ke. von einer quantitativen und qualitativen Leistungsminderung ausgeht, ist damit eine weitergehende Beeinträchtigung des Leistungsvermögens nicht nachgewiesen. Die von ihm angeführten Diagnosen konnten von den Sachverständigen nicht vollständig bestätigt werden, insbesondere bezüglich der Diagnose einer anhaltenden schweren depressiven Episode haben die jeweiligen Untersuchungen der Gutachter keine andauernde mittelschwere oder gar schwere Depression erbracht.

Da der Kläger im Übrigen ausdrücklich weitere Begutachtungen abgelehnt hat, war dem Senat auch eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nicht möglich. Insofern trägt der Kläger die objektive Beweislast, worauf er auch hingewiesen worden ist.

Damit ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher aktenkundiger medizinischer Unterlagen nicht erwerbsgemindert, weil ihm zumutbare berufliche Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich möglich sind.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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