L 6 U 3003/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 4453/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3003/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer von der Beklagten als Berufskrankheit (BK) Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannten Schwerhörigkeit streitig.

Der 1938 geborene Kläger war im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und Bohrmeister der Firma S. B. und B. GmbH, vormals GdbR, von Dezember 1964 bis Ende 1978 als Unternehmer (Bl. 129 SG-Akte), von Anfang 1979 bis Ende 1989 als Arbeitnehmer (Bescheid vom 16. Dezember 1985, Bl. 127 SG-Akte) und in der Folgezeit wieder als Unternehmer (Bescheid vom 15. März 1990, Bl. 133 SG-Akte) bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gesetzlich unfallversichert.

Nach eigenen Angaben war der Kläger seit dem Jahr 1961 als Brunnenbauer tätig, wobei er bei seiner Tätigkeit von ca. 12 Stunden am Tag bei einer Wochenarbeitszeit von ca. 60 Stunden regelmäßig einen Lärmschutz getragen hat.

In den Jahren 1982, 1983, 2000, 2005 sowie 2009 wurden jeweils Tonaudiogramme gefertigt. Dabei zeigte sich im Tonaudiogramm vom 15. Oktober 1982 die Hörschwelle des rechten Ohres bei 20 dB mit einem Abfall auf 40 dB ab 4 kHz und auf dem linken Ohr bei 20 dB mit einer Schallleitungskomponente von 20 dB. Im Tonaudiogramm vom 30. November 1983 lag die Hörschwelle rechts bei 5 dB mit einem Abfall im Hochtonbereich auf 10 dB bei 4 kHz, auf 15 dB bei 6 kHz und 25 dB bei 8 kHz. Die Hörschwelle des rechten Ohres lag im Tonaudiogramm vom 17. April 2000 ebenfalls bei 5 dB und fiel auf 10 dB bei 2 kHz ab. Im Hochtonbereich lag der Abfall bei 60 dB bei 4 kHz und bei einem leichten Anstieg auf 40 dB ab 6 kHz. Links lag die Hörschwelle bei 10 dB mit einem Abfall auf 60 dB bei 4 kHz und einem leichten Anstieg auf 35 dB bei 6 kHz. Zudem zeigte sich auf dem linken Ohr eine Schallleitungskomponente von 10 bis 30 dB. Im Tonaudiogramm vom 18. Mai 2005 zeigte sich ein steil abfallender Kurvenverlauf des rechten Ohres, beginnend ab 10 dB bei 1 kHz auf bis zu 60 dB bei 4 kHz mit einer Schallleitungskomponente von 10 bis 30 dB. Links lag die Hörschwelle im Tieftonbereich bei 5 bis 10 dB und fiel bei 2 kHz auf 30 dB und bei 3 und 4 kHz auf 60 dB, während sie bei 6 kHz wieder auf 40 dB anstieg. Im letzten Tonaudiogramm vom 15. September 2009 lag die Hörschwelle rechts bei 15 dB mit einem Abfall auf 35 dB bei 2 kHz und einem weiteren Abfall von 70 dB ab 4 kHz. Links lag die Hörschwelle bei 60 dB mit einem leichten Abfall auf 35 dB bei 2 kHz und einem weiteren Abfall auf 70 dB bei 4 kHz sowie einer Schallleitungskomponente von 10 dB panatonal.

Am 9. Februar 2009 zeigte der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) Dr. R. bei der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit beim Kläger an. Ein Tinnitus liege nicht vor (ergänzende Auskunft, Bl. 31 V-Akte)

Der Präventionsdienst der Beklagten stellte für den Arbeitszeitraum 1954 bis April 2009 eine Tätigkeit im Lärmbereich von 1981 bis 2006 und den personenbezogenen Beurteilungspegel mit 91 dB fest. Eine Lärmgefährdung bestehe mit Ablauf 2006 nicht mehr (Bericht des Dipl.-Ing. T., Bl. 42 ff. V-Akte). Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Facharztes für HNO-Heilkunde und Umweltmedizin Dr. Z. ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe keine Lärmschwerhörigkeit. Dagegen spreche die größere Seitendifferenz zu Ungunsten des rechten Ohrs, die deutliche Schallleitungskomponenete beidseits und die Absenkung der Hörkurven bereits im Tief- und Hochtonbereich. Allerdings könne der Hochtonverlust beidseits und der im Hochtonbereich links liegende Tinnitus durchaus lärminduziert sein. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hierfür liege unter 10 vom Hundert (v. H.); die MdE für die gesamte Schwerhörigkeit betrage 20 v. H. Beratungsarzt Dr. K. sah in Auswertung der aktenkundigen Tonaudiogramme keine berufliche Lärmschwerhörigkeit, die Hörschädigung sei vielmehr degenerativ verursacht.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2010 stellte die Beklagte die BK 2301 fest und anerkannte als Folge der BK eine beiderseitige beginnende Hochtoninnenohrschwerhörigkeit. Ein Anspruch auf Rente wegen der BK bestehe nicht. Unabhängig von der BK liege ein beidseitiger Hörverlust im Mittel- und Tieftonbereich, eine beidseitige Schallleitungsstörung sowie Ohrgeräusche links vor.

Auf den vom Kläger erhobenen Widerspruch holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des HNO-Arztes Dr. H. ein. Dieser diagnostizierte ebenfalls eine beidseitige Hochtonschwerhörigkeit mit zusätzlicher Schallleitungskomponente, eine isolierte Hörminderungskomponente mit Muldenbildung im mittleren Frequenzbereich links sowie einen Tinnitus links. Berufsbedingt sei nur die Hochtonschwerhörigkeit, für die sich ein prozentualer Hörverlust von 20 % und eine MdE von 10 v. H. errechne. Die gesamte Hörstörung erreiche eine MdE von 20 v. H. Eine hörprothetische Versorgung zu Lasten des Unfallversicherungsträgers sei deswegen indiziert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2010 bewilligte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. Februar 2010 dem Kläger eine Hörgeräteversorgung zu ihren Lasten und wies im Übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 15. Dezember 2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er ist unter Berufung auf das von ihm vorgelegte Attest des behandelnden HNO-Arzt Dr. R. der Auffassung, dass die nicht berufsbedingte Schallleitungsstörung des linken Ohres nicht herausgerechnet werden könne, deswegen die MdE auf 30 v. H. festzusetzen sei, weswegen der berufsbedingte Lärmschaden mindestens eine MdE von 20 v. H. zur Folge habe. HNO-Arzt Dr. R. hat den Innenohrschaden des linken Ohres insgesamt als Lärmschaden beurteilt, da keine sichere Abgrenzung der Genese der einzelnen schädigenden Komponenten möglich sei. Lediglich die Schallleitungskomponente links könne identifiziert und herausgerechnet werden, die er nochmals bestimmt habe, wobei rechts wiederholt keine relevante Schallleitungskomponente hätte festgestellt werden können. Seines Erachtens betrage die MdE 30 v. H., da die Sprachaudiometrie in der Regel die repräsentativeren Ergebnisse liefere. Allerdings bestehe ein Spielraum bis hinab zu einer MdE um 20 v. H. (Attest vom 12. Dezember 2010).

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG von Dr. R. die von April 1994 bis März 2010 erhobenen Tonaudiogramme beigezogen und den Kläger HNO-fachärztlich begutachten lassen.

Prof. Dr. H. hat eine schwergradige Schallempfindungsschwerhörigkeit links, eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts sowie einen Tinnitus aurium links diagnostiziert. Der Hörverlust im Hochtonbereich sei ursächlich auf die berufliche Exposition zurückzuführen, wobei die stärkere Ausprägung des Hörverlusts links durch die berufliche Lärmexposition nicht zu erklären sei, weshalb die Hörkurve des rechten Ohres auch auf das linke Ohr zu übertragen sei. Auch der Tinnitus sei beruflich bedingt, nachdem dieser aber nicht als führendes Symptom vom Kläger beschrieben werde und durch die bereits erfolgte Hörgeräteversorgung gut kompensiert sei, müsse er für die Beurteilung der MdE nicht herangezogen werden. Diese sei im Ergebnis mit 20 v. H. ab 2000 anzunehmen, insoweit schließe er sich der Einschätzung von Dr. H. an. Allerdings solle noch eine Kernspintomographie des Schädels durchgeführt werden, um eine retrocochleäre Störung auszuschließen.

Nach Rücksprache mit dem behandelnden Lungenfacharzt Dr. G. hat Prof. Dr. H. das geplante MRT des Schädels durchführen können und dabei eine retrocochleäre Pathologie ausgeschlossen.

Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Phoniatrie und Pädaudiologie sowie HNO-Heilkunde B. vorgelegt. Dieser ist zu der Auffassung gelangt, dass ein bei 50 Jahren Tätigkeit im Lärmbereich erst vor 15 Jahren aufgetretenes Ohrgeräusch links nicht berufsbedingt sei, denn dieses trete in der Frühphase adäquater Lärmbelastung am Arbeitsplatz und nicht erst nach Jahrzehnten bzw. Aufsättigung auf. Hinzukomme die Einseitigkeit des Ohrgeräusches. Deswegen sei die Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. H., das Ohrgeräusch sei berufsbedingt, nicht zu belegen und entspreche auch nicht der Königsteiner Empfehlung. Dem Sachverständigen sei aber darin zuzustimmen, dass die Seitendiskrepanz zu Ungunsten links nicht als Lärmfolge gewertet werden könne, so dass der Hörverlust rechts entscheidend sei. Das Tonaudiogramm sei für die Festsetzung der MdE irrelevant, da die MdE 10 v. H. erreiche bzw. sicher überschreite. Dann zähle nur das Sprachaudiogramm. Sofern der sich aus den Akten ergebende prozentuale Hörverlust rechts von 30 % zutreffend ermittelt sei, betrage die MdE nicht 20, sondern 15 v. H. Eine MdE um 20 v. H. werde nur erreicht, wenn der sprachaudiometrisch ermittelte Hörverlust für jedes Ohr bei 40 % liege. Dies folge aus der Königsteiner Empfehlung. Seines Erachtens liege deswegen eine MdE um 20 v. H. nicht vor.

Nachdem Prof. Dr. H. unter Hinweis auf die Königsteiner Empfehlung 2012 zu einer ergänzenden Stellungnahme aufgefordert worden ist, hat dieser ausgeführt, der geklagte Tinnitus sei von ihm zwar als mögliche Folge der beruflichen Lärmbelastung diskutiert, aber in die MdE-Bewertung nicht einbezogen worden. Hinsichtlich der Bemessung der MdE sei der Einschätzung des Beratungsarztes zu folgen, da nach der Königsteiner Empfehlung der Hörverlust im Sprachaudiogramm für die Beurteilung entscheidend sei und bei 30 % liege, was einer MdE von 15 v. H. entspreche.

Dieser Einschätzung ist der Kläger entgegengetreten, da seines Erachtens die Beurteilung des Beratungsarztes auf der Annahme beruhe, dass der angeblich entscheidende Hörverlust von nur 30 % rechts mit gewichtetem Gesamtwortverstehen ermittelt worden sei, welches aber ohne das Original-Audiogramm naturgemäß nicht überprüfbar bzw. quantifizierbar verwertbar wäre. Dementsprechend beruhe die Beurteilung auf einer Vermutung und könne die Bewertung des Sachverständigen nicht widerlegen.

Mit Urteil vom 16. Mai 2013, der klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 4. Juli 2013, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger könne in Ermangelung eines sogenannten Stützrententatbestandes keine Verletztenrente gewährt werden, denn die Folgen seiner beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit sei nicht mit einer MdE um mindestens 20 v. H. zu bewerten. Hierbei seien die von dem Sachverständigen Prof. Dr. H. diagnostizierten Gesundheitsstörungen, die sich im Wesentlichen mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. deckten, zugrundezulegen. Davon sei jedenfalls die Innenohrschwerhörigkeit auf die beruflichen Lärmeinwirkungen zurückzuführen, welches zwischen den Beteiligten und auch den Fachärzten nicht streitig sei. Dass die Innenohrschwerhörigkeit nur insoweit als beruflich verursacht in die Ermittlung der MdE eingestellt werden könne, als sie beidseitig symmetrisch auftrete, hätten sowohl Dr. H. wie auch Prof. Dr. H. übereinstimmend mit Dr. R. mit dem Beratungsarzt B. schlüssig dargelegt. Damit seien in Bezug auf die Ermittlung der MdE die besseren Hörwerte für das rechte Ohr auch auf das linke Ohr zu übertragen. Außer Betracht zu lassen sei ferner die Schallleitungsstörung. Dies sei in Übereinstimmung mit der Königsteiner Empfehlung 2012 (Nr. 4.2) ebenfalls ärztlicherseits unstreitig. Ob die Ohrgeräusche links auf die berufliche Lärmeinwirkung zurückzuführen seien, könne mit Blick auf die zu treffende Entscheidung über den geltend gemachten Rentenanspruch offenbleiben. Denn diese seien aufgrund der berichteten guten Kompensation und mithin in Ermangelung hierdurch hervorgerufener besonderer Einschränkungen ohne Relevanz. Auch dies habe Prof. Dr. H. zutreffend dargelegt. Die für die Bewertung der MdE maßgebliche Innenohrschwerhörigkeit betrage im Ergebnis 30 %, was auch Dr. R. unter Auswertung der Sprachaudiogramme dargelegt habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass - anders als Dr. R. - sowohl Dr. Z. als auch Dr. H. und schließlich Prof. Dr. H. eine Schallleitungskomponente beidseits erhoben hätten, die bei der Ermittlung der beruflich bedingten MdE außer Betracht zu bleiben habe. Angesichts dessen bestünden keine Bedenken, der Bewertung der MdE einen Hörverlust von 30 % beidseits zugrundezulegen. Hieraus ergebe sich unter Zugrundelegung der Tabelle nach Feldmann (vgl. Nr. 4.4.1 der Königsteiner Empfehlung 2012) eine MdE um 15 v. H. Insoweit könne Dr. R. nicht gefolgt werden, der selbst dargelegt habe, dass und weshalb die Innenohrschwerhörigkeit nur insoweit als beruflich verursacht in die Ermittlung der MdE eingestellt werden könne, als sie beidseitig symmetrisch auftrete.

Hiergegen hat der Kläger am 23. Juli 2013 Berufung mit der Begründung eingelegt, sein Arbeitsplatz sei nachweislich lärmbelastet gewesen und andere Lärmexpositionen existierten nicht. Laut BK-Ermittler Dipl.-Ing. T. ergebe sich für den Zeitraum 1954 bis April 2009 ein personenbezogener Beurteilungspegel von 91 dB. Entgegen den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. H. müsse eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit nicht immer symmetrisch auftreten. Nach den Königsteiner Empfehlungen gehöre eine starke Seitendifferenz nicht zum typischen Bild einer Lärmschwerhörigkeit und bedürfe einer besonderen Erörterung. Diese sei in den Sachverständigengutachten nicht zu finden. Nach der Königsteiner Empfehlung gebe es keine einseitige Lärmschwerhörigkeit mit Normalhörigkeit des Gegenohres. Folglich spreche die unterschiedliche Schallempfindungsstörung der beiden Ohren nicht gegen einen Lärmschaden. Für die Annahme eines Ursachenzusammenhangs spreche, dass sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt habe. Deswegen könne der berufsbedingte Lärmschaden des rechten Ohres nicht ohne Weiteres auf das linke Ohr übertragen werden. Der Beratungsarzt B. habe die Audiogramme nicht berücksichtigen können und deswegen die Königsteiner Empfehlung nur schematisch angewendet. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Tinnitus gut kompensiert sei, vielmehr werde er durch das ständig vorhandene Ohrgeräusch behindert, welches die Konzentration beeinträchtige und das verbliebene Hörvermögen reduziere. Der Begleit-Tinnitus sei daher mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Mai 2013 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2010 abzuändern und den Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. der Vollrente zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat ergänzend vorgetragen, dass die beim Kläger vorliegende kombinierte Schallleitungs-/Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits mit Schwerpunkt auf dem linken Ohr in ihrem Verlauf Schwankungen aufweise, welche durch die im Laufe der Jahre erhobenen ton- und sprachaudiometrischen Befunde belegt werde. Schallleitungsstörungen beidseits seien mit medizinischem Korrelat in Form narbig veränderter, rechts sklerotisch verdickter und matter, links atrophischer Trommelfelle belegt, was sich aus den Gutachten Z., H. bzw. R. und H. ergebe. Die Lärmschwerhörigkeit als hochtonbetonte Schallempfindungsstörung der Innenohren lasse wegen der gleichmäßigen Lärm-Beschallung beider Ohren in aller Regel eine symmetrische, d. h. beide Innenohren gleichtreffende Ausprägung erwarten. Nur bei nachgewiesener einseitiger Beschallung könne dies anders sein. Dies sei von dem Präventionsdienst nicht berichtet worden und könne daher auch nicht als Erklärung für die bestehende asymmetrische Schwerhörigkeit (links ausgeprägter als rechts) herangezogen werden. Eine Lärmgefährdung bestehe nach dem Bericht des Präventionsdienstes mit Ablauf 2006 nicht mehr, dennoch habe die Schwerhörigkeit des Klägers zugenommen. Erst im Februar 2009 sei es dann zur Berufskrankheits-Verdachtsanzeige gekommen, der Kläger sei zu dieser Zeit 71 Jahre alt gewesen. Eine Aussättigung des lärmbedingten Anteils der Schwerhörigkeit sei zu dieser Zeit längst erfolgt, woraus folge, dass keinesfalls die gesamte Hörstörung für die Bestimmung der beruflich bedingten MdE angesetzt werden dürfe. Desweiteren komme es für die korrekte MdE-Festlegung darauf an, dass belastbare Funktionsdaten zur lärmbedingten Höreinbuße, regelmäßig also der prozentuale Hörverlust im Sprachaudiogramm, in Ansatz gebracht werde und nach Maßgabe der Königsteiner Empfehlung den einschlägigen Tabellen zugeordnet werde. Dabei könne nicht schematisch vorgegangen werden. Andererseits handele es sich bei der Königsteiner Empfehlung auch um gesicherte medizinische Erfahrungssätze, von denen nur bei entsprechend nachvollziehbarer Begründung im Einzelfall abgewichen werden könne. Soweit der Kläger nunmehr einen beidseitigen Tinnitus als MdE-relevant vorgetragen habe, sei dies von den Gutachtern bisher nicht bestätigt worden. Diese seien nur von einem linksseitig bestehenden, aber nicht MdE-relevanten Tinnitus ausgegangen. Im Übrigen liege der Nachweis einer wahrscheinlich wesentlichen Lärmverursachung nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Rente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach § 56 Abs. 3 SGB VII wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer MdE wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht.

Das Bemessen der MdE setzt ein genaues Beurteilen der Funktionseinbuße des Gehörs voraus und wird als prozentualer Hörverlust angegeben. Mit den im "Königsteiner Merkblatt" bzw. jetzt der "Königsteiner Empfehlung" erläuterten Richtlinien wird eine weitgehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt (so auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Oktober 2013 - L 5 U 25/09 - Juris). Deren Anwendung dient zugleich der Rechtssicherheit. Für die Erwerbsfähigkeit kommt es weniger auf die Flüster-, sondern in hohen Maße auf die Umgangssprache an. Vorrang hat somit der aus der Sprachaudiometrie gewonnene prozentuale Hörverlust. Dieser ist entscheidende Grundlage für das quantitative Bestimmen des Hörschadens. Danach richtet sich im Wesentlichen die Höhe der MdE (vgl. zum Vorstehenden Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 344).

Davon ausgehend haben die Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. H. sowie die Beratungsärzte Dr. R. und B. und ihnen folgend das SG zu Recht lediglich die Innenohrschwerhörigkeit auf die beruflichen Lärmeinwirkungen zurückgeführt. Der Kurvenverlauf ist bei der lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit durch einen Abfall zum höheren Frequenzbereich charakterisiert. Bei der Lärmschwerhörigkeit handelt es sich stets um eine Innenohrschwerhörigkeit. Die Lärmschwerhörigkeit weist im Tonaudiogramm grundsätzlich ein symmetrisches Bild auf, da die Ohren im diffusen Schallfeld gleich belastet werden (vgl. zum Vorstehenden Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur Berufskrankheitenverordnung, M 2301 S. 28). Soweit der Kläger nunmehr einen beidseitigen Tinnitus als MdE-relevant vorgetragen hat, wird dies bisher weder von den Gutachtern noch von irgendeinem Arzt bestätigt, somit lediglich unsubstantiiert behauptet. Diese sind sämtlich nur von einem linksseitig bestehenden, aber nicht MdE-relevantem Tinnitus ausgegangen. Noch Prof. Dr. H. hat der Kläger berichtet, dass die Ohrgeräusche, was auch zu erwarten ist, durch die Hörgeräteversorgung gut kompensiert sind, der deswegen zu dem Schluss gelangt ist, dass in Anbetracht der fehlenden besonderen Einschränkungen der Tinnitus ohne Relevanz ist. Im Übrigen fehlt es dafür am Nachweis einer wahrscheinlich wesentlichen Lärmverursachung, was zur Überzeugung des Senats zuletzt auch der Sachverständige Prof. Dr. H. wie auch der Beratungsarzt B. dargelegt hat.

Bei der Innenohrschwerhörigkeit ist diese nur soweit zu berücksichtigen, als sie beidseitig symmetrisch auftritt, was die Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem Königsteiner Merkblatt bzw. den Königsteiner Empfehlungen 2012 wie der unfallmedizinischen Fachliteratur übereinstimmend dargelegt haben. Denn auch Dr. R. hat, was das SG zutreffend berücksichtigt hat, einräumen müssen, dass eine berufliche Verursachung der Innenohrschwerhörigkeit nur bei beidseitiger Symmetrie vorliegt, deswegen ist seine aufgestellte Behauptung, der Innenohrschaden des linken Ohrs müsse als Lärmschaden beurteilt werden in sich widersprüchlich und nicht überzeugend.

Ausnahmen davon sind zwar möglich, die einseitige Beschallung am Arbeitsplatz gilt jedoch als sehr seltenes Ereignis (vgl. Schönberger u.a., aaO, S. 335, 336). Vom Kläger sind keine betrieblichen Gründe vorgetragen geschweige denn nachgewiesen, dass berufsbedingt die Beschallung (z. B. an einem - stationären - Dauerarbeitsplatz jahrelang) für die Ohren unterschiedlich hoch ausgefallen gewesen sein soll, insbesondere auf eines der beiden Ohren ein intensiverer Lärm eingewirkt hat. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine einseitige Beschallung von dem Präventionsdienst nicht berichtet worden ist und daher auch nicht als Erklärung für die bestehende asymmetrische Schwerhörigkeit (links ausgeprägter als rechts) herangezogen werden kann.

Für die Richtigkeit dieser Feststellung spricht des Weiteren, dass eine Lärmgefährdung nach dem Bericht des Präventionsdienstes mit Ablauf 2006 nicht mehr besteht, dennoch aber die Schwerhörigkeit des Klägers zugenommen hat, was dann erst im Februar 2009 zur Berufskrankheits-Verdachtsanzeige Anlass gegeben hat, also zu einem Zeitpunkt, als der Kläger bereits 71 Jahre alt gewesen ist, mithin sich in einem Alter befunden hat, in dem auch altersbedingt ein schlechteres Hörvermögen besteht. Es kann deswegen keinesfalls die gesamte Hörstörung für die Bestimmung der beruflich bedingten MdE angesetzt werden.

Der der MdE-Beurteilung zu Grunde zu legende Hörverlust beträgt daher beidseits 30 %, woraus unter Zugrundelegung der Tabelle von Feldmann (vgl. Nr. 4.4.1 der Königsteiner Empfehlungen 2012) eine MdE um 15 v. H. folgt, die, da ein Stützrententatbestand beim Kläger nicht vorliegt, nicht rentenberechtigend ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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