L 5 KR 2200/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 KR 7930/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2200/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.03.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 26.07.2010 bis 20.07.2011.

Die 1956 geborene Klägerin war als Raumpflegerin im öffentlichen Dienst versicherungspflichtig beschäftigt und bis 25.07.2010 nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Mitglied der Beklagten. Im Anschluss war sie bei der Beklagten familienversichert.

Ab dem 29.05.2008 bescheinigte die Allgemeinärztin Dr. E. wegen eines Hautabszesses (L 02.4) und Schmerzen an der rechten Hand (M 79.66) der Klägerin Arbeitsunfähigkeit. Im Juni 2008 wurde ein Tumor an der rechten Hand (M 67.44) entfernt. In der Folgezeit kamen Schwellungen an der rechten Hand hinzu. Die Klägerin befand sich außerdem vom 15.04.2009 bis 17.04.2009 wegen Schwindelzuständen in stationärer Behandlung. Als Entlassdiagnose wurde eine Radikulopathie angegeben. Im MDK-Gutachten vom 04.06.2009, das aufgrund einer Untersuchung der Klägerin erstellt wurde, werden als Diagnosen ein diffuser Reizzustand in der rechten Hand und im rechten Unterarm nach Tumorentfernung und Schwindelzustände unklarer Genese genannt. Das Ödem an der rechten Hand habe sich verstärkt, die Beweglichkeit habe abgenommen. Deshalb könne die Klägerin ihre Tätigkeit als Raumpflegerin nicht ausüben. Hinzu kämen massive Schwindelzustände, die ebenfalls der Aufnahme der Tätigkeit als Raumpflegerin entgegenstünden. Am 19.11.2009 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit wieder auf. Im Zeitraum vom 29.05.2008 bis 18.11.2009 erhielt die Klägerin für insgesamt 539 Tage Krankengeld.

Vom 14.06.2010 bis 20.06.2010 war die Klägerin wegen eines Ödems (R 60.9) und einer Gelenkschädigung (M 24.90 LG) arbeitsunfähig. Auf der AU-Bescheinigung vom 21.06.2010 (bescheinigt bis 27.06.2010) wurde darüber hinaus die Diagnose Schwindel und Taumel (R 42 G) angegeben. Die Folgebescheinigungen vom 28.06.2010 (bescheinigt bis 04.07.2010), vom 05.07.2010 (bescheinigt bis 11.07.2010), vom 12.07.2010 (bescheinigt bis 18.07.2010) und vom 19.07.2010 (bescheinigt bis 25.07.2010) enthalten dieselben Diagnoseangaben. Der Arbeitgeber zahlte vom 14.06.2010 bis 25.07.2010 Arbeitsentgelt. Die nächste Folgebescheinigung datiert vom 26.07.2010 (Montag). Sämtliche Bescheinigungen stellte der Orthopäde der Klägerin, Dr. K., aus.

Mit Bescheid vom 12.07.2010 (ohne Absendevermerk) stellte die Beklagte das Ende des Anspruchs der Klägerin auf Krankengeld am 21.06.2010 fest. Mit diesem Tag sei die Höchstanspruchsdauer von 78 Wochen innerhalb von drei Jahren erreicht, wobei die Zeiten, in denen der Arbeitgeber das Entgelt weitergezahlt habe, mit gerechnet würden.

Am 09.09.2010 wandte sich die Klägerin anwaltlich vertreten an die Beklagte. Sie habe nach langer Krankheit am 19.11.2009 wieder die Arbeit aufgenommen. Nach einem Unfall im Juni 2010 sei sie erneut erkrankt. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung stünde ihr seit dem 26.07.2010 wieder Krankengeld zu. Ein entsprechender Auszahlschein vom 31.08.2010 sei von einer Sachbearbeiterin der Beklagten nicht entgegen genommen worden, weil es sich um dieselbe Erkrankung handeln solle. Es handele sich aber nicht um dieselbe Diagnose wie bei den Erkrankungen vor einem Jahr. Aus dem letzten Auszahlschein, der in der Anlage vorgelegt werde, gingen andere Diagnosen hervor ("M24.99 G"). Am 14.06.2010 habe eine neue Blockfrist begonnen. Mit Schreiben vom 14.09.2010 erläuterte die Beklagte nochmals ihre Entscheidung. Die Klägerin ließ daraufhin mit Schreiben vom 22.09.2010 erneut ihre Einwände vortragen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei nicht fristgerecht eingelegt worden, weshalb der Bescheid vom 12.07.2010 für die Beteiligten bindend geworden sei. In der Sache führte die Beklagte aus, der am 21.06.2010 hinzugetretene Schwindel habe schon am 10.03.2010 und vom 29.05.2008 bis 18.11.2009 Arbeitsunfähigkeit verursacht. Bei dem vestibulären Schwindel und dem Morbus Menière, der vom 29.05.2008 bis 18.11.2009 neben weiteren Erkrankungen auch zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe, handele es sich um dieselbe Erkrankung, da derselbe regelwidrige Körper- und Geisteszustand als Krankheitsursache zugrundeliege. Für die genannte Erkrankung laufe die Blockfrist vom 29.05.2008 bis 28.05.2011. Auf die Höchstanspruchsdauer seien für die Zeit ab dem 14.06.2010 insgesamt 539 Tage anzurechnen. Der Anspruch ende daher am 21.06.2010. Die versicherungspflichtige Mitgliedschaft habe noch bis zum 25.07.2010 wegen der Zahlung von Arbeitsentgelt bestanden. Ab dem 26.07.2010 habe weder als versicherungspflichtige Beschäftigte noch als Anspruchsberechtigte auf Krankengeld eine Mitgliedschaft bestanden. Erst am 26.07.2010 sei erneut Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Ein Anspruch auf Krankengeld hätte daher frühestens am 27.07.2010 entstehen können. Ab dem 26.07.2010 sei die Klägerin jedoch ohne Anspruch auf Krankengeld über ihren Ehemann familienversichert gewesen.

Am 17.12.2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vortragen lassen, sie habe den Bescheid vom 12.07.2010 nicht erhalten. Folglich sei auch keine Widerspruchsfrist in Gang gesetzt worden. Inhaltlich hat sie ausführen lassen, Schwindel/Morbus Menière sei erstmals am 15.04.2009 aufgetreten. Diese Erkrankung könne daher nicht schon ab dem 29.05.2008 Arbeitsunfähigkeit verursacht haben. Es sei daher eine neue, am 15.04.2009 beginnende Blockfrist zu bilden. Innerhalb dieser Blockfrist sei für die Krankheit Schwindel/Morbus Menière nur für 31 Tage Krankengeld gezahlt worden, nämlich vom 15.04.2009 bis zum 18.11.2009. Wegen derselben Krankheit seit dann ab dem 21.06.2010 erneut Arbeitsunfähigkeit aufgetreten.

Das SG hat die Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Die Allgemeinärztin Dr. E. teilte mit, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum bei Dr. K. in Behandlung gewesen sei. Zu der Frage, ob es einen Zusammenhang zu den Erkrankungen in den Jahren 2008 und 2009 gebe, sei Dr. K. zu befragen. Soweit bekannt, habe es keinen Zusammenhang zwischen dem Morbus Menière im April 2009 und dem Schwindel/Taumel im Juni 2010 gegeben. Dr. K. gab mit Schreiben vom 12.02.2012 gegenüber dem SG an, die Klägerin habe im erfragten Zeitraum von Mai 2008 bis Mai 2011 keine Erkrankungen, sondern Syndrome der Wirbelsäule erlitten. Aufgrund der Adipositas per magna komme es zu arthrotischen Veränderungen der Wirbelsäule sowie der Groß- und Kleingelenke; dies sei ein Dauerzustand. Als Diagnosen benannte er Adipositas per magna, Lymphstau beider Beine, rezidivierende Schwindelattacken, Z.n. Sturz auf Hinterkopf, V.a. cervikalen NPP und rezidivierende Lumboischialgien. Ein Morbus Menière sei ihm nicht bekannt.

Mit Urteil vom 26.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Bescheid vom 12.07.2010 an die Klägerin abgesendet worden sei. Die Bekanntgabe sei jedoch mit Schreiben vom 14.09.2010 erfolgt, mit dem die Beklagte ihre Entscheidung nochmals erläutert habe. Das Schreiben der Klägervertreterin vom 22.09.2010 sei als Widerspruch zu werten. Der Widerspruch sei daher nicht verfristet und die Klage zulässig. Die Beklagte habe den Widerspruch auch als unbegründet zurückgewiesen. Dieser Auffassung schließe sich das SG an. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld ab dem 07.07.2010 bis 20.07.2011. Durch das Ende der Lohnfortzahlung am 25.07.2010 habe die Mitgliedschaft aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung geendet. Dr. K. habe erst am 26.07.2010 wieder Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Damit sei ein Anspruch auf Krankengeld erst am 27.07.2010 entstanden. An diesem Tag sei die Klägerin jedoch nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Schon aus diesem Grund bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Darüber hinaus sei der Anspruch erschöpft gewesen. Wegen derselben Krankheit erhielten Versicherte nur für die Dauer von 78 Wochen innerhalb von drei Jahren Krankengeld. Trete während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, werde die Leistungsdauer nicht verlängert (unter Verweis auf § 48 Abs. 1 S. 2 SGB V). Ein Hinzutreten liege vor, wenn zeitgleich mit dem Vorliegen oder wieder Vorliegen einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden ersten Erkrankung, unabhängig von dieser Krankheit, zugleich eine weitere Krankheit die Arbeitsunfähigkeit bedinge. Dies sei im Zeitraum vom 29.05.2008 bis zum 18.11.2009 der Fall. Zu diesen insgesamt 539 Tagen seien die Tage der Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.06.2010 hinzuzurechnen. Es handele sich nämlich um dieselbe Krankheit, welche im vorangegangenen Zeitraum bereits Arbeitsunfähigkeit verursacht habe und ab dem 14.06.2010 wieder aufgetreten sei. Die Kammer stütze sich auf die Aussage von Dr. K., wonach das Grundleiden die Adipositas per magna sei und sich dieses Grundleiden in verschiedenen Ausprägungen auf alle großen und kleinen Gelenke des Körpers auswirke. Zudem habe er mitgeteilt, dass die Klägerin immer wieder unter einem Lymphstau der Beine leide. Da die Diagnosestellung der Ärzte nicht dezidiert auf ein bestimmtes Körperteil abhebe, gehe die Kammer davon aus, dass es sich hierbei um generalisierte Beeinträchtigungen handele, die durch das Grundleiden der Adipositas verursacht würden. Wenn insoweit von derselben Krankheit ausgegangen werde, seien die Tage der Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.06.2010 zu den 539 Tagen hinzuzurechnen. Der Anspruch auf Krankengeld wäre demnach am 21.06.2010 erschöpft. Die Kammer sei auch davon überzeugt, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 26.07.2010 um dieselbe Erkrankung handele.

Am 25.05.2012 hat die Klägerin gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 02.05.2012 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, es liege eine durchgehende ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit vor. Zudem habe die Beklagte während des gesamten Widerspruchsverfahrens sowie im Rahmen des SG-Verfahrens die durchgehende Feststellung nicht bestritten. Die Klägerin hätte andernfalls eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit bei Dr. K. einholen können. Die Anwendung des § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V durch das SG widerspreche auch Sinn und Zweck der Regelung, wonach Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden sollen. Die Klägerin sei hier schon am nächsten Tag nach dem Auslaufen der Bescheinigung bei ihrem Arzt vorstellig gewesen. Darüber hinaus sei die Klägerin nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Das SG verstehe die Aussage von Dr. K. falsch und schließe sich seinen Angaben ohne Begründung an. Die Adipositas der Klägerin könne nicht als Krankheit oder Grundleiden gewertet werden. Die Klägerin habe am 25.05.2010 in der T. einen Unfall erlitten. Sie habe das Bewusstsein verloren und sei erst im Krankenhaus wieder zu sich gekommen. Sie habe sich dabei die Schulter verrenkt. Wegen dieser Unfallfolgen sei sie, nachdem sie am 10.06.2010 aus der T. zurückgekommen sei, zu Dr. K. in die Sprechstunde gegangen. Dies sei der Grund für die Krankschreibung ab dem 14.06.2010 gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.03.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 26.07.2010 bis zum 20.07.2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, die adipositasgeleiteten Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule und der Beingelenke hätten sowohl in der Zeit vom 29.05.2008 bis 18.11.2009 als auch ab dem 14.06.2010 bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit verursacht. Es handele sich um ein nicht ausgeheiltes Grundleiden. Darüber hinaus habe die Mitgliedschaft der Klägerin mit Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf des 25.07.2010 geendet. Ab dem 26.07.2010 sei die Klägerin nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe daher kein Anspruch auf Krankengeld mehr entstehen können.

Während des Verfahrens hat die Beklagte zwei Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vorgelegt. Im Gutachten vom 17.05.2013 führt Dr. D. aus, bei dem Morbus Menière und dem vestibulären Schwindel handele es sich um dieselbe Erkrankung, da jeweils derselbe regelwidrige Körper- oder Geisteszustand als Krankheitsursache zugrundeliege. Diese Erkrankung sei am 15.04.2009 bzw. 24.04.2009 zu einer anderen Krankheit hinzugetreten und habe in der Zeit vom 29.05.2008 bis 18.11.2009 an 539 Tagen Arbeitsunfähigkeit verursacht. Aufgrund der Schwindelerscheinungen sei es der Klägerin nicht möglich gewesen, als Reinigungskraft zu arbeiten. Am 21.06.2010 sei diese Krankheit zu einem Ödem bzw. Gelenkschädigungen, die seit dem 14.06.2010 Arbeitsunfähigkeit verursachten, hinzugetreten. Im Gutachten vom 24.07.2013 führt Dr. F. aus, mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass es sich bei allen anfallsartig aufgetretenen Schwindelepisoden um einen solchen benignen paroxysmalen Schwindel gehandelt habe, auch wenn der entsprechende ICD-10-Code auf den AU-Bescheinigungen nicht angegeben worden sei. Aus medizinischer Sicht sei es daher hochgradig wahrscheinlich, dass es sich bei dem am 21.06.2010 aufgetretenen Schwindel um dieselbe Krankheit wie die zuvor am 24.04.2009 hinzugetretene Störung des Gleichgewichtsorgans, die am 14.07.2009 als paroxysmaler Schwindel diagnostiziert worden sei, gehandelt habe. Medizinisch nachvollziehbar sei es auch, die Adipositas als durchgehendes Grundleiden, das die ursprüngliche Arbeitsunfähigkeit wie auch die Krankheiten "Ödeme" und "Gelenkschädigungen" ab dem 14.06.2009 verursacht habe, anzusehen. Möglich sei es aber, dass für diese Erkrankungen auch noch andere mitwirkende Teilursachen vorgelegen hätten.

Am 30.10.2013 hat ein Termin zur Erörterung der Rechts- und Sachlage stattgefunden. Im Anschluss legte die Klägerin das am 12.02.2012 ausgestellte Schreiben von Dr. K. vor mit dem Zusatz vom 13.10.2013, wonach die Klägerin ein Unfallgeschehen in der T. mit Sturz am 25.05.2010 geschildert habe. Es werden Röntgenbefunde im Bereich der HWS und des Brustbeins, des linken Fußes und linken Kniegelenks ohne Anhalt für knöcherne Verletzungen beschrieben. Im Bereich der LWS werden degenerative Veränderungen mitgeteilt. Als Diagnose sind massive Distorsionen der Wirbelsäule, des linken Schultergelenks mit einer AC-Gelenkssprengung, des linken Sprunggelenks und Mittelfußes und massive Ödeme beidseits an den Unterschenkeln bei V.a. kardiologische Ursache angegeben. Auf Nachfrage des LSG teilte Dr. K. am 28.01.2014 mit, die Klägerin habe ihn wohl Mitte Oktober 2013 mit ihrer Tochter aufgesucht und von einem Unfallgeschehen im Jahr 2010 in der T. berichtet. Sie habe ihn darum gebeten, dies in seinen Akten zu vermerken. Ihm lägen hierzu keinerlei Unterlagen vor. Auf den Röntgenaufnahmen seien "keine Pathologika" zu erkennen, so dass die genannten Diagnosen auf den Angaben der Klägerin beruhten.

Mit Schreiben vom 12.03.2014 hat die Berichterstatterin u.a. auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.03.2014 (B 1 KR 17/13 R) hingewiesen, mit dem das Urteil des 4. Senats des LSG (L 4 KR 284/12) aufgehoben worden ist. Das BSG habe seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Arbeitsunfähigkeit lückenlos festgestellt sein müsse, selbst dann, wenn das Ende auf einen Sonntag falle. Vorliegend bestünde zwischen der Bescheinigung vom 19.07.2010 und der Folgebescheinigung eine Lücke von einem Tag. Dies führe zum Verlust des Krankengeldanspruchs. Es wurde angeregt, die Berufung zurückzunehmen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 26.07.2010 bis 20.07.2011.

Rechtsgrundlagen des Krankengeldanspruchs sind die §§ 44 ff. SGB V. Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben "Versicherte" Anspruch auf Krankengeld, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung, die im zu entscheidenden Fall nicht vorliegt – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestimmt allein das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krankengeld hat (vgl. BSG Urt. v. 05.05.2009 – B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr. 4; BSG Urt. v. 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 14). Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Das Krankengeld wird ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, gezahlt (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB V). Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert (§ 48 Abs. 1 S. 2 SGB V). Nach § 48 Abs. 3 SGB V werden bei der Feststellung der Leistungsdauer die Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt.

Ob vorliegend die Höchstanspruchsdauer von 78 Wochen am 21.06.2010 erschöpft war, kann dahin gestellt bleiben. Denn der Krankengeldanspruch scheitert jedenfalls daran, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos festgestellt wurde.

Allerdings geht die Beklagte fehl in der Annahme, die AU-Zeiten ab dem 14.06.2010 könnten auf die Höchstanspruchsdauer angerechnet werden, weil der am 21.06.2010 hinzugetretene Schwindel/Taumel schon ab dem 15.04.2009 zur Ersterkrankung, die ab dem 29.05.2008 zur Arbeitsunfähigkeit führte, hinzugetreten war. Die Klägerin war ab dem 19.11.2009 wieder arbeitsfähig und ging ihrer Beschäftigung nach. Für Versicherte, die Anspruch auf Krankengeld zunächst wegen einer ersten Krankheit und nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sodann erneut wegen einer Zweitkrankheit haben, beginnt eine neue Blockfrist mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wegen der Zweitkrankheit, auch wenn zu dieser später die Erstkrankheit hinzutritt und zwischendurch allein die Erstkrankheit Arbeitsunfähigkeit bedingt (BSG Urt. v. 21.06.2011 – B 1 KR 15/10 R, juris). Entscheidend ist daher, ob es sich bei der ab dem 14.06.2010 bescheinigten Erkrankung um dieselbe Krankheit handelt, die schon im Zeitraum vom 29.05.2008 bis 18.11.2009 zur Arbeitsunfähigkeit führte. Ist dies nicht der Fall, würde am 14.06.2010 eine neue Blockfrist beginnen, für die es unschädlich wäre, wenn später eine Krankheit hinzuträte (hier der Schwindel), die schon in der vorherigen Blockfrist Arbeitsunfähigkeit verursacht hat.

Dieselbe Krankheit liegt bei im Zeitablauf nacheinander auftretenden Erkrankungen vor, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist (vgl. BSG Urt. v. 29.09.1998 – B 1 KR 2/97 R, BSGE 83, 7). Hierbei ist eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise zu vermeiden, die die Gefahr begründet, dass dem Merkmal im Kontext des § 48 Abs. 1 SGB V letztlich gar keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl das Gesetz damit gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung bezweckt (vgl. BSG Urt. v. 07.12.2004 - B 1 KR 10/03 R, juris, m.w.N.). Ob es sich unter Ansatz dieser Maßstäbe um dieselbe Krankheit im Rechtssinne handelte, ist fraglich. Für die Arbeitsunfähigkeit bis 18.11.2009 war zunächst die Erkrankung an der rechten Hand mit Tumor und Schwellungen führend. Im Verlauf trat dann eine Schwindelerkrankung hinzu. Zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.06.2010 führten dagegen die Diagnosen Ödem (R 60.9) und Gelenkschädigung (M 24.90 LG). Dr. K. gab dazu allerdings an, die Klägerin habe im abgefragten Zeitraum von Mai 2008 bis Mai 2011 durchgehend ("immer") an arthrotischen Veränderungen der Gelenke, die Folge der Adipositas seien, gelitten. Außerdem hat er in diesem Zeitraum Lymphstauungen in den Beinen diagnostiziert, die auch schon im Entlassbericht der Klinik Schillerhöhe vom 25.09.2008 und im Befundbericht des Kardiologen Dr. Mayer vom 09.12.2008 dokumentiert sind. Als "hinzugetretene" Krankheiten könnten die Gelenkschädigungen und Ödeme danach schon in der Zeit bis 18.11.2009 Arbeitsunfähigkeit verursacht haben, so dass es sich im Rechtssinne um dieselbe Krankheit handeln würde. Entsprechende Diagnosen wurden auf den früheren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen indes nicht angegeben. Auch der MDK benannte diese Erkrankungen in seinen damaligen Gutachten nicht als Ursache für die Arbeitsunfähigkeit bis 18.11.2009. Demgegenüber ließ sich das von der Klägerin angegebene Unfallereignis als Ursache für eine neue Krankheit ab dem 14.06.2010 nicht nachweisen. Soweit der MDK und das SG schließlich als Grundleiden die Adipositas der Klägerin anführen, erscheint dies jedenfalls in Bezug auf die Handerkrankung ebenfalls fraglich.

Im Ergebnis kann hier jedoch offen bleiben, ob es sich um dieselbe Krankheit im Rechtssinne handelte und deshalb die Höchstanspruchsdauer ausgeschöpft war. Denn die Arbeitsunfähigkeit muss wegen § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V grundsätzlich vor Ablauf des Krankengeld-Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt werden (stRspr, z.B. BSG Urt. v. 26.06.2007 – B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12; BSG Urt. v. 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 2). Hieran fehlt es. Die Klägerin hat es versäumt, ihren Arzt vor Ablauf der bis zum 25.07.2010 ausgestellten AU-Bescheinigung erneut aufzusuchen und sich eine Folgebescheinigung ausstellen zu lassen. Am 27.07.2010, dem auf die erneute AU-Feststellung am 26.07.2010 folgenden Tag, war sie nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Ihre Mitgliedschaft aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V konnte wegen der fehlenden nahtlosen AU-Bescheinigung nicht gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrecht erhalten werden. Als sodann nach § 10 SGB V Familienversicherte hatte sie keinen Anspruch auf Krankengeld (§ 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V).

Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise – rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krankengeldbezugs – hätte nachgeholt werden können, liegen nicht vor. Das Unterlassen der ärztlichen AU-Feststellung darf einem Anspruch auf Krankengeld nicht entgegengehalten werden, wenn die rechtzeitige Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind (BSG Urt. v. 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1 m.w.N.). Hat der Versicherte (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) – zusätzlich – seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (BSG Urt. v. 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Die Klägerin war vorliegend nicht gehindert, vor Auslaufen der Erstbescheinigung ihren Arzt oder ggf. den hausärztlichen Notfalldienst erneut zur Feststellung der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit aufzusuchen. Mögliche unzutreffende Ratschläge der behandelnden Ärzte oder die fehlende Kenntnis von der Obliegenheit begründen keinen Ausnahmefall. Dies hat das BSG in seiner Entscheidung vom 04.03.2014 (B 1 KR 17/13 R) ausdrücklich bestätigt. Von der Beklagten nicht veranlasste, unzutreffende Ratschläge der behandelnden Ärzte begründen nach der genannten Entscheidung des BSG allenfalls Schadensersatzansprüche gegen diese, nicht aber einen Krankengeldanspruch gegen die Beklagte. Die Beklagte ist auch nicht gehalten, die Versicherten über ihre Obliegenheiten aufklären und Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf. erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben oder solche Hinweise in den Formularen zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit vorzusehen (BSG Urt. v. 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R). Für eine ausnahmsweise gegebene Pflicht zur Spontanberatung liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Beklagte konnte vorliegend nicht erkennen, dass die Klägerin bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit den in einer AU-Bescheinigung festgestellten Zeitraum verstreichen lassen wird, bevor sie erneut einen Arzt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufsucht.

Ein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V besteht ebenfalls nicht. Die Klägerin war ab dem 26.07.2010 nach § 10 SGB V versichert. Der Versicherungsschutz nach § 10 SGB V geht dem nachwirkenden Anspruch auf Leistungen vor (§ 19 Abs. 2 S. 2 SGB V).

Die Berufung der Klägerin hat deshalb keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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