Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 261/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 180/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.11.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.
Der am 1976 geborene Kläger, ausgebildeter Kunstschmied, erlitt im Rahmen der seinerzeit ausgeübten Tätigkeit als Schweißer im November 2002 einen Arbeitsunfall, indem er sich durch eine Schweißperle eine Trommelfellverletzung am linken Ohr zuzog. Diese machte zahlreiche Operationen mit multiplen Komplikationen erforderlich und führte zu einer Ertaubung links sowie starken Schmerzzuständen. Als Folge der Schmerzmedikation kam es zu Abhängigkeitssyndromen, weshalb im Jahr 2006 Opioid- und Benzodiazepin-Entzugsbehandlungen und zuletzt im Jahr 2013 ein erneuter Opioid-Entzug durchgeführt wurden. Wegen der Unfallfolgen bezieht der Kläger von der Berufsgenossenschaft H. und M. (BG) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vom Hundert (v. H.).
Im Rahmen einer beruflichen Neuorientierung absolvierte der Kläger von Juni 2009 bis Januar 2010 halbtags ein Praktikum in einem Altenheim, wo er anschließend bis April 2012 im Rahmen einer Teilzeittätigkeit vier Stunden täglich beschäftigt war.
Wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls beantragte der Kläger am 16.04.2009 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen veranlasste die Beklagte das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. , der den Kläger im August 2009 untersuchte. Der Gutachter diagnostizierte eine HNO-ärztlich zu beurteilende Anakusis mit angegebenem Ohrenschmerz links nach zahlreichen Operationen sowie auf seinem Fachgebiet eine Schmerzmittel-(Oxygesic)-Gewöhnung, einen Zustand nach Benzodiazepin-Abhängigkeit, eine vorbestehende Persönlichkeitsstörung mit geringer Konfliktfähigkeit und begrenzter Frustrationstoleranz sowie eine Neigung zu funktioneller Beschwerdeausweitung/Überlagerung. Unter zumutbarer Willensanspannung und Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsangebote erachtete er den Kläger für in der Lage, wenigstens körperlich leichte, in Spitzen auch mittelschwere Tätigkeiten, zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck, ohne andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen und ohne überdurchschnittliche Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein vollschichtig zu verrichten.
Mit Bescheid vom 14.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, weshalb weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er sehe sich nicht in der Lage, auf dem Arbeitsmarkt fünf Stunden täglich zu arbeiten. Er sei durch die eingenommenen Schmerzmittel stark beeinträchtigt, d.h. äußerst unkonzentriert und oft nicht in der Lage, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Sein Schmerzzustand nehme im Laufe des Vormittags so zu, dass er seiner Tätigkeit bereits nach zwei Stunden kaum mehr adäquat nachkommen könne. Um schlafen zu können, nehme er Benzodiazepin, von dem er ebenso abhängig sei wie von Oxycodon. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2009 zurückgewiesen.
Am 20.01.2010 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, sein Gesundheitszustand wechsele wegen seiner Ohrprobleme sehr stark und er müsse in erheblichem Umfang Medikamente einnehmen. Hierdurch sei eine normale Arbeitstätigkeit vollkommen ausgeschlossen.
Das SG hat Dr. W. , Schmerzambulanz in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Städtischen Klinikum K. , und den Allgemeinarzt Dr. von M. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. W. hat von monatlichen Vorstellungen des Klägers in der Schmerzambulanz seit März 2007 zur Medikamentenverschreibung berichtet, wobei es unter der hohen Dosierung von Opiaten zu einer deutlichen Besserung auch der Leistungsfähigkeit gekommen sei. Mittlerweile sei Hauptklage die seit vielen Jahren bekannte Schlafproblematik. Die Ausübung leichter und nervlich wenig belastender Tätigkeiten hat sie zumindest sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Dr. von M. hat von einer zwischenzeitlich eingetretenen Besserung berichtet, da eine Schmerzmittelabhängigkeit nicht mehr bestehe. Im Vordergrund stünden die Schlafstörungen. Auch Dr. von M. hat leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich für möglich gehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2010 hat das SG die Klage - gestützt auf das Gutachten des Dr. B. - abgewiesen. Bei Berücksichtigung der von diesem aufgeführten qualitativen Einschränkungen und Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Richtungshören und das Feingehör könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Auch nach Auffassung der behandelnden Ärzte bestünden keine Bedenken gegen die Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit. Die entgegenstehende subjektive Einschätzung des Klägers überzeuge demgegenüber nicht.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 08.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.01.2011 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt und unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht, seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit ergebe sich nicht nur aus seiner subjektiven Einschätzung, sondern zeige sich auch daran, dass er seine Arbeitszeit in seiner Tätigkeit im Altersheim zuletzt von sechs auf vier Stunden täglich habe reduzieren müssen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Karlsruhe vom 30.11.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2009 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 16.04.2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat das Gutachten des Dr. S. , Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I im Psychiatrischen Zentrum N. , eingeholt. Nachdem der Kläger die gutachtliche Untersuchung am 06.12.2012 im Rahmen der Exploration abgebrochen und den für den 14.01.2013 vorgesehenen erneuten Untersuchungstermin seiner Ankündigung vom 20.12.2012 entsprechend nicht wahrgenommen hat, hat der Sachverständige das Gutachten nach Aktenlage unter Berücksichtigung der bis zum Abbruch der Untersuchung gewonnenen Eindrücke erstattet. Danach hat der Sachverständige die Verdachtsdiagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, eines Opioid-Abhängigkeitssyndroms und einer Persönlichkeitsakzentuierung (differenzialdiagnostisch: Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung, Verdacht auf anhaltende Persönlichkeitsänderung) gestellt. Ohne reguläre psychiatrische Befunderhebung und testpsychologische Untersuchungen hat der Sachverständige lediglich Hinweise auf das Vorliegen der entsprechenden Erkrankungen gesehen, diese aber nicht bestätigen können. Der Senat hat sodann die behandelnde Schmerztherapeutin Dr. W. , die eine stationäre Aufnahme des Klägers in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin des Städtischen Klinikums K. zum 14.01.2013 veranlasst hat, schriftlich als sachverständige Zeugin angehört. Diese hat von zunehmenden vegetativen Symptomen durch die Medikation und einer erheblichen psychischen Krise mit depressiver Verstimmung im Dezember 2012 berichtet, weshalb eine stationäre Behandlung zum Opiat-Entzug geplant worden sei. Der Senat hat schließlich den Entlassungsbericht dieser vom 14.01. bis 13.05.2013 erfolgten stationären Behandlung beigezogen. Zu einer erneuten gutachtlichen Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr. S. hat sich der Kläger aus psychischen Gründen nicht in der Lage gesehen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 14.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er auch unter Berücksichtigung der Folgen des im Jahr 2002 erlittenen Arbeitsunfalls zumindest noch leichte berufliche Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne Arbeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen, mit überdurchschnittlichen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein sowie besonderen Ansprüchen an das Richtungshören und das Feingehör) wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten vermag und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Der Senat schließt sich der auf das Gutachten des Dr. B. und die Einschätzungen der behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. von M. gestützten Auffassung des SG an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Eine Leistungsminderung in einem rentenberechtigenden Ausmaß sieht der Senat weder durch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren noch die durchgeführten Ermittlungen belegt. Dass die Schmerzsymptomatik, die bestehenden Schlafstörungen und die Auswirkungen der Schmerzmedikation die Leistungsfähigkeit des Klägers so weit einschränken, dass auch Tätigkeiten, die den oben näher dargelegten Anforderungen Rechnung tragen, lediglich noch weniger als sechs Stunden täglich verrichtet werden können, lässt sich insbesondere nicht aus dem Umstand ableiten, dass der im Januar 2011 erfolgte Versuch des Klägers, den Umfang seiner Tätigkeit im Altenheim von zuvor vier auf sechs Stunden täglich zu erhöhen, scheiterte. Denn wie der Kläger im Erörterungstermin vom 21.06.2012 dargelegt hat, beinhaltete diese Tätigkeit auch schwere Arbeiten, wie beispielsweise das Heben von Patienten, so dass sie gerade nicht dem oben beschriebenen Leistungsbild entsprach. Damit kann aus dem Umstand, dass der Kläger die Ausübung dieser Tätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden täglich nicht schaffte, weshalb die Arbeitszeit wieder auf vier Stunden täglich reduziert wurde - so seine Angaben im Erörterungstermin vom 21.06.2012 -, nicht geschlossen werden, dass er auch einer leichten Tätigkeit der oben beschriebenen Art nicht mehr in einem Umfang von zumindest sechs Stunden täglich gewachsen ist.
Auch aus den Auskünften der vom Senat als sachverständige Zeugin gehörten Schmerztherapeutin Dr. W. ergibt sich nichts anderes. So hat Dr. W. anschließend an ihre dem SG erteilte Auskunft von einer seit 2010 weiterhin guten Einstellung der Schmerzsituation berichtet (Schmerzstärke von 1 bis 2 auf einer von 0 bis 10 reichenden visuellen Analogskala), die sich erst im September 2012, allerdings bei unregelmäßiger Medikamenteneinnahme, jedoch weiterhin bestehender Zufriedenheit, auf eine Schmerzstärke von 4 verändert hat, wobei dann Ende des Jahres 2012 vom Kläger ein Opiatentzug gewünscht worden ist, der dann von Januar bis Mai 2013 stationär erfolgt ist.
Dass die in Rede stehende Schmerzsituation den Kläger entsprechend seiner Auffassung und entgegen der Einschätzungen des von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachters Dr. B. sowie der behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. von M. in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit in einem rentenrelevanten Ausmaß eingeschränkt hat bzw. auch weiterhin einschränkt, vermag der Senat nicht festzustellen. Auch ist nicht festzustellen, ob der Kläger von nervenärztlicher Seite an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet, die ihn quantitativ in seinem beruflichen Leistungsvermögen einschränkt. Zwar hat der vom Senat mit einer Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr. S. eine entsprechende Verdachtsdiagnose gestellt, jedoch hat der Kläger die seinerzeit erfolgte gutachtliche Untersuchung bei Dr. S. während der Exploration abgebrochen und sich zu einer erneuten Untersuchung nicht mehr eingefunden, so dass eine exakte Diagnosestellung nicht möglich gewesen ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergeben sich aus den Akten zwar Hinweise auf ein derartiges Krankheitsbild und auch die aus der kurzen Begegnung mit dem Kläger gewonnenen Eindrücke sind hiermit grundsätzlich in Einklang zu bringen, jedoch hat der Sachverständige sowohl für die Diagnosestellung selbst als auch für die Beurteilung der daraus resultierenden Funktionseinschränkungen eine intensivierte Exploration ebenso wie eine psychometrische Untersuchung für zwingend notwendig erachtet. Dies ist gerade auch vor dem Hintergrund, dass Schmerzen als solche objektiv nicht feststellbar sind und das dargestellte Schmerzerleben somit zwingend einer Plausibilitäts- und Authentizitätsprüfung zu unterziehen ist, ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend. Nachdem auch die von dem Sachverständigen weiter in Betracht gezogenen Diagnosen eines Opioid-Abhängigkeitssyndroms sowie einer Persönlichkeitsakzentuierung, kombinierten Persönlichkeitsstörung bzw. anhaltenden Persönlichkeitsänderung einer vertieften Exploration bedürfen, ist nachvollziehbar, dass der Sachverständige auch insoweit lediglich Verdachtsdiagnosen gestellt hat und sich schließlich ohne valide Diagnose auch nicht in der Lage gesehen hat, zu den von psychischer Seite bestehenden Funktionseinschränkungen zu äußern. Damit ist nicht festzustellen, ob beim Kläger weitere, bisher unberücksichtigt gebliebene Erkrankungen mit Auswirkungen auf sein berufliches Leistungsvermögen vorliegen und ob ihn diese ggf. über das oben bereits beschriebene Ausmaß hinaus in der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit einschränken und eine rentenberechtigende Leistungsminderung bedingen. Ist ein Nachweis dieser anspruchsbegründenden Tatsachen nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Damit kann auch die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.
Der am 1976 geborene Kläger, ausgebildeter Kunstschmied, erlitt im Rahmen der seinerzeit ausgeübten Tätigkeit als Schweißer im November 2002 einen Arbeitsunfall, indem er sich durch eine Schweißperle eine Trommelfellverletzung am linken Ohr zuzog. Diese machte zahlreiche Operationen mit multiplen Komplikationen erforderlich und führte zu einer Ertaubung links sowie starken Schmerzzuständen. Als Folge der Schmerzmedikation kam es zu Abhängigkeitssyndromen, weshalb im Jahr 2006 Opioid- und Benzodiazepin-Entzugsbehandlungen und zuletzt im Jahr 2013 ein erneuter Opioid-Entzug durchgeführt wurden. Wegen der Unfallfolgen bezieht der Kläger von der Berufsgenossenschaft H. und M. (BG) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vom Hundert (v. H.).
Im Rahmen einer beruflichen Neuorientierung absolvierte der Kläger von Juni 2009 bis Januar 2010 halbtags ein Praktikum in einem Altenheim, wo er anschließend bis April 2012 im Rahmen einer Teilzeittätigkeit vier Stunden täglich beschäftigt war.
Wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls beantragte der Kläger am 16.04.2009 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen veranlasste die Beklagte das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. , der den Kläger im August 2009 untersuchte. Der Gutachter diagnostizierte eine HNO-ärztlich zu beurteilende Anakusis mit angegebenem Ohrenschmerz links nach zahlreichen Operationen sowie auf seinem Fachgebiet eine Schmerzmittel-(Oxygesic)-Gewöhnung, einen Zustand nach Benzodiazepin-Abhängigkeit, eine vorbestehende Persönlichkeitsstörung mit geringer Konfliktfähigkeit und begrenzter Frustrationstoleranz sowie eine Neigung zu funktioneller Beschwerdeausweitung/Überlagerung. Unter zumutbarer Willensanspannung und Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsangebote erachtete er den Kläger für in der Lage, wenigstens körperlich leichte, in Spitzen auch mittelschwere Tätigkeiten, zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck, ohne andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen und ohne überdurchschnittliche Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein vollschichtig zu verrichten.
Mit Bescheid vom 14.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, weshalb weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er sehe sich nicht in der Lage, auf dem Arbeitsmarkt fünf Stunden täglich zu arbeiten. Er sei durch die eingenommenen Schmerzmittel stark beeinträchtigt, d.h. äußerst unkonzentriert und oft nicht in der Lage, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Sein Schmerzzustand nehme im Laufe des Vormittags so zu, dass er seiner Tätigkeit bereits nach zwei Stunden kaum mehr adäquat nachkommen könne. Um schlafen zu können, nehme er Benzodiazepin, von dem er ebenso abhängig sei wie von Oxycodon. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2009 zurückgewiesen.
Am 20.01.2010 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, sein Gesundheitszustand wechsele wegen seiner Ohrprobleme sehr stark und er müsse in erheblichem Umfang Medikamente einnehmen. Hierdurch sei eine normale Arbeitstätigkeit vollkommen ausgeschlossen.
Das SG hat Dr. W. , Schmerzambulanz in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Städtischen Klinikum K. , und den Allgemeinarzt Dr. von M. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. W. hat von monatlichen Vorstellungen des Klägers in der Schmerzambulanz seit März 2007 zur Medikamentenverschreibung berichtet, wobei es unter der hohen Dosierung von Opiaten zu einer deutlichen Besserung auch der Leistungsfähigkeit gekommen sei. Mittlerweile sei Hauptklage die seit vielen Jahren bekannte Schlafproblematik. Die Ausübung leichter und nervlich wenig belastender Tätigkeiten hat sie zumindest sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Dr. von M. hat von einer zwischenzeitlich eingetretenen Besserung berichtet, da eine Schmerzmittelabhängigkeit nicht mehr bestehe. Im Vordergrund stünden die Schlafstörungen. Auch Dr. von M. hat leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich für möglich gehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2010 hat das SG die Klage - gestützt auf das Gutachten des Dr. B. - abgewiesen. Bei Berücksichtigung der von diesem aufgeführten qualitativen Einschränkungen und Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Richtungshören und das Feingehör könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Auch nach Auffassung der behandelnden Ärzte bestünden keine Bedenken gegen die Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit. Die entgegenstehende subjektive Einschätzung des Klägers überzeuge demgegenüber nicht.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 08.12.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.01.2011 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt und unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht, seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit ergebe sich nicht nur aus seiner subjektiven Einschätzung, sondern zeige sich auch daran, dass er seine Arbeitszeit in seiner Tätigkeit im Altersheim zuletzt von sechs auf vier Stunden täglich habe reduzieren müssen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Karlsruhe vom 30.11.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2009 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 16.04.2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat das Gutachten des Dr. S. , Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I im Psychiatrischen Zentrum N. , eingeholt. Nachdem der Kläger die gutachtliche Untersuchung am 06.12.2012 im Rahmen der Exploration abgebrochen und den für den 14.01.2013 vorgesehenen erneuten Untersuchungstermin seiner Ankündigung vom 20.12.2012 entsprechend nicht wahrgenommen hat, hat der Sachverständige das Gutachten nach Aktenlage unter Berücksichtigung der bis zum Abbruch der Untersuchung gewonnenen Eindrücke erstattet. Danach hat der Sachverständige die Verdachtsdiagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, eines Opioid-Abhängigkeitssyndroms und einer Persönlichkeitsakzentuierung (differenzialdiagnostisch: Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung, Verdacht auf anhaltende Persönlichkeitsänderung) gestellt. Ohne reguläre psychiatrische Befunderhebung und testpsychologische Untersuchungen hat der Sachverständige lediglich Hinweise auf das Vorliegen der entsprechenden Erkrankungen gesehen, diese aber nicht bestätigen können. Der Senat hat sodann die behandelnde Schmerztherapeutin Dr. W. , die eine stationäre Aufnahme des Klägers in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin des Städtischen Klinikums K. zum 14.01.2013 veranlasst hat, schriftlich als sachverständige Zeugin angehört. Diese hat von zunehmenden vegetativen Symptomen durch die Medikation und einer erheblichen psychischen Krise mit depressiver Verstimmung im Dezember 2012 berichtet, weshalb eine stationäre Behandlung zum Opiat-Entzug geplant worden sei. Der Senat hat schließlich den Entlassungsbericht dieser vom 14.01. bis 13.05.2013 erfolgten stationären Behandlung beigezogen. Zu einer erneuten gutachtlichen Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr. S. hat sich der Kläger aus psychischen Gründen nicht in der Lage gesehen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 14.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er auch unter Berücksichtigung der Folgen des im Jahr 2002 erlittenen Arbeitsunfalls zumindest noch leichte berufliche Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne Arbeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen, mit überdurchschnittlichen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein sowie besonderen Ansprüchen an das Richtungshören und das Feingehör) wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten vermag und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Der Senat schließt sich der auf das Gutachten des Dr. B. und die Einschätzungen der behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. von M. gestützten Auffassung des SG an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Eine Leistungsminderung in einem rentenberechtigenden Ausmaß sieht der Senat weder durch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren noch die durchgeführten Ermittlungen belegt. Dass die Schmerzsymptomatik, die bestehenden Schlafstörungen und die Auswirkungen der Schmerzmedikation die Leistungsfähigkeit des Klägers so weit einschränken, dass auch Tätigkeiten, die den oben näher dargelegten Anforderungen Rechnung tragen, lediglich noch weniger als sechs Stunden täglich verrichtet werden können, lässt sich insbesondere nicht aus dem Umstand ableiten, dass der im Januar 2011 erfolgte Versuch des Klägers, den Umfang seiner Tätigkeit im Altenheim von zuvor vier auf sechs Stunden täglich zu erhöhen, scheiterte. Denn wie der Kläger im Erörterungstermin vom 21.06.2012 dargelegt hat, beinhaltete diese Tätigkeit auch schwere Arbeiten, wie beispielsweise das Heben von Patienten, so dass sie gerade nicht dem oben beschriebenen Leistungsbild entsprach. Damit kann aus dem Umstand, dass der Kläger die Ausübung dieser Tätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden täglich nicht schaffte, weshalb die Arbeitszeit wieder auf vier Stunden täglich reduziert wurde - so seine Angaben im Erörterungstermin vom 21.06.2012 -, nicht geschlossen werden, dass er auch einer leichten Tätigkeit der oben beschriebenen Art nicht mehr in einem Umfang von zumindest sechs Stunden täglich gewachsen ist.
Auch aus den Auskünften der vom Senat als sachverständige Zeugin gehörten Schmerztherapeutin Dr. W. ergibt sich nichts anderes. So hat Dr. W. anschließend an ihre dem SG erteilte Auskunft von einer seit 2010 weiterhin guten Einstellung der Schmerzsituation berichtet (Schmerzstärke von 1 bis 2 auf einer von 0 bis 10 reichenden visuellen Analogskala), die sich erst im September 2012, allerdings bei unregelmäßiger Medikamenteneinnahme, jedoch weiterhin bestehender Zufriedenheit, auf eine Schmerzstärke von 4 verändert hat, wobei dann Ende des Jahres 2012 vom Kläger ein Opiatentzug gewünscht worden ist, der dann von Januar bis Mai 2013 stationär erfolgt ist.
Dass die in Rede stehende Schmerzsituation den Kläger entsprechend seiner Auffassung und entgegen der Einschätzungen des von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachters Dr. B. sowie der behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. von M. in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit in einem rentenrelevanten Ausmaß eingeschränkt hat bzw. auch weiterhin einschränkt, vermag der Senat nicht festzustellen. Auch ist nicht festzustellen, ob der Kläger von nervenärztlicher Seite an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet, die ihn quantitativ in seinem beruflichen Leistungsvermögen einschränkt. Zwar hat der vom Senat mit einer Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr. S. eine entsprechende Verdachtsdiagnose gestellt, jedoch hat der Kläger die seinerzeit erfolgte gutachtliche Untersuchung bei Dr. S. während der Exploration abgebrochen und sich zu einer erneuten Untersuchung nicht mehr eingefunden, so dass eine exakte Diagnosestellung nicht möglich gewesen ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergeben sich aus den Akten zwar Hinweise auf ein derartiges Krankheitsbild und auch die aus der kurzen Begegnung mit dem Kläger gewonnenen Eindrücke sind hiermit grundsätzlich in Einklang zu bringen, jedoch hat der Sachverständige sowohl für die Diagnosestellung selbst als auch für die Beurteilung der daraus resultierenden Funktionseinschränkungen eine intensivierte Exploration ebenso wie eine psychometrische Untersuchung für zwingend notwendig erachtet. Dies ist gerade auch vor dem Hintergrund, dass Schmerzen als solche objektiv nicht feststellbar sind und das dargestellte Schmerzerleben somit zwingend einer Plausibilitäts- und Authentizitätsprüfung zu unterziehen ist, ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend. Nachdem auch die von dem Sachverständigen weiter in Betracht gezogenen Diagnosen eines Opioid-Abhängigkeitssyndroms sowie einer Persönlichkeitsakzentuierung, kombinierten Persönlichkeitsstörung bzw. anhaltenden Persönlichkeitsänderung einer vertieften Exploration bedürfen, ist nachvollziehbar, dass der Sachverständige auch insoweit lediglich Verdachtsdiagnosen gestellt hat und sich schließlich ohne valide Diagnose auch nicht in der Lage gesehen hat, zu den von psychischer Seite bestehenden Funktionseinschränkungen zu äußern. Damit ist nicht festzustellen, ob beim Kläger weitere, bisher unberücksichtigt gebliebene Erkrankungen mit Auswirkungen auf sein berufliches Leistungsvermögen vorliegen und ob ihn diese ggf. über das oben bereits beschriebene Ausmaß hinaus in der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit einschränken und eine rentenberechtigende Leistungsminderung bedingen. Ist ein Nachweis dieser anspruchsbegründenden Tatsachen nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Damit kann auch die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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