L 10 R 902/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 68/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 902/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.12.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Die am 1953 geborene Klägerin ist g. Staatsangehörige und lebt seit 1971 in Deutschland. Die Klägerin, die ohne Berufsausbildung ist, war als Gerbereiarbeiterin und zuletzt als Monteurin bis einschließlich Juni 2008 versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit bezieht sie seit dem November 2013 Altersrente.

Aus der von April bis Anfang Juni 2008 durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitation in der Klinik A.s.M., Bad S. (Diagnosen: somatoforme Schmerzstörung, generalisierte Angststörung, mittelgradige depressive Episode, Migräne ohne Aura, Spannungskopfschmerz), wurde sie mit einem Leistungsvermögen sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch für körperlich leichte Tätigkeiten von jeweils täglich sechs Stunden und mehr entlassen.

Den am 21.07.2008 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.08.2008 bzw. Widerspruchsbescheid vom 02.12.2008 ab, nachdem bei der Klägerin weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Das hiergegen am 02.01.2009 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. G. , Neurologe und Psychiater, hat von einer letztmals im November 2004 erfolgten Vorstellung wegen eines Sulcus-ulnaris-Syndroms berichtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. F. hat bei der Klägerin eine derzeit mittelgradige depressive Episode, eine generalisierte Angststörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine sonstige nicht organische psychotische Störung diagnostiziert und ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich gesehen. Die Rheumatologin Dr. R. hat mitgeteilt, die Klägerin habe sich auf eigenen Wunsch trotz ihres mehrfachen Hinweises, dass bei ihr keine aktive rheumatische Erkrankung vorliege, wiederholt vorgestellt. Das für die berufliche Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden liege auf neuropsychiatrischem Gebiet. Der behandelnde Orthopäde Dr. B. hat bei der Klägerin u.a. chronisch rezidivierende degenerative HWS-, BWS-, und LWS-Syndrome, eine Skoliose mit Funktionseinschränkung, eine beidseitige Coxarthrose mit Funktionseinschränkungen sowie eine Fibromyalgie bzw. somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und gleichfalls ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich angenommen. Der Kardiologe Dr. S. hat aus kardiologischer Sicht keine Leistungseinschränkungen feststellen können.

Das Sozialgericht hat weiterhin von Amts wegen eine Begutachtung auf nervenfachärztlichem Gebiet durch Dr. R. veranlasst. Dr. R. hat in ihrem Gutachten, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung im Februar 2010, eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichter Episode sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Die Klägerin sei aus nervenfachärztlicher Sicht noch in der Lage, in leichten Tätigkeiten unter Berücksichtigung von qualitativen Leistungseinschränkungen (ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne Akkordarbeit, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Verantwortung und geistige Beanspruchung) mindestens sechs bis unter acht Stunden an fünf Tagen in der Woche zu arbeiten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom Juli 2010 zu den gegen ihr Gutachten erhobenen Einwendungen hat die Sachverständige an dieser Einschätzung festgehalten. Die Klägerin hat den Entlassbericht über den stationären Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie W. (ZfP) im September/Oktober 2010 (Blatt 105 ff. SG-Akte) vorgelegt. Zu letzterem hat Dr. J. , Internist, für die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme abgegeben (vgl. hierzu Blatt 110 SG-Akte). Das Sozialgericht hat schließlich eine ergänzende Auskunft des Dr. F. zu den seit dem Jahr 2010 erhobenen Befunden eingeholt.

Mit Urteil vom 12.12.2011 hat das Sozialgericht, im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. R. gestützt, die Klage abgewiesen. Sowohl die Funktionseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet als auch die auf nervenärztlichem Fachgebiet würden lediglich qualitative, nicht aber zeitliche Leistungseinschränkungen bedingen. Da auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und keine schwere spezifische Leistungseinschränkung vorliege, sei die Klägerin nicht erwerbsgemindert. Der von der Klägerin zuletzt ausgeübte Beruf sei den ungelernten Tätigkeiten zuzuordnen, sodass die Klägerin breit verweisbar sei.

Gegen das der Klägerin am 31.01.2012 zugestellte Urteil hat diese am 29.02.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bei ihr bestünden im orthopädischen Bereich umfassende Leistungseinschränkungen, insbesondere auf Grund von Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüften und der Schultern. Auch die Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet würden eine deutlich schwerwiegendere Leistungseinschränkung verursachen als vom Sozialgericht angenommen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.12.2011 und den Bescheid vom 08.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung bis zum 30.10.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat zunächst Dr. B. und Dr. F. neuerlich als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen und insbesondere zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes befragt. Dr. B. hat von massiven Kniebeschwerden sowie Sprunggelenksbeschwerden berichtet; insgesamt habe sich der Gesundheitszustand ständig schleichend verschlechtert. Ebenso hat Dr. F. von einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit April 2011 berichtet.

Der Senat hat dann von Amts wegen eine Begutachtung durch Dr. K.-I. , Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, veranlasst. Dr. K.-I. hat in ihrem Gutachten, beruhend auf einer Untersuchung der Klägerin im Dezember 2012, eine schwere anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung mit derzeit mittelgradiger Episode diagnostiziert. Die Klägerin könne nur noch drei bis unter sechs Stunden regelmäßig täglich arbeiten. Eine Belastung von sechs Stunden und mehr würde rasch zu einer vollständigen Dekompensation führen. Auf Einwendungen der Beklagten hin (vgl. hierzu Blatt 90 der LSG-Akte) hat Dr. K.-I. ergänzend Stellung genommen und an ihrer Einschätzung festgehalten (vgl. Blatt 96 ff. der LSG-Akte). Der Senat hat weiterhin eine Begutachtung von Amts wegen durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. veranlasst. Der Sachverständige hat bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie nur kurzzeitige, rezidivierende reaktiv-depressive Verstimmungen bei vorbestehender vielschichtiger Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Die Klägerin könne aus nervenärztlicher Sicht noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen (zu ebener Erde, nicht an gefährdenden Maschinen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne ständige nervöse Anspannung, ohne andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht, ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen) verrichten. Letztlich hat der Senat noch den Orthopäden Dr. H. mit einer Begutachtung von Amts wegen beauftragt. Dr. H. hat bei der Klägerin ein therapieresistentes Ganzkörperschmerzsyndrom ohne Nachweis gravierender Körperschäden sowie eine asymmetrische Bewegungseinschränkung der Schultergelenke bei Verdacht auf chronische Reizung des Sehnen- und Sehnengleitgewebes in der rechten Schulter diagnostiziert. Die Klägerin könne demnach noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr an wenigstens fünf Tagen in der Woche ausüben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Entscheidung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelung nicht erwerbsgemindert. Ihr steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Das Sozialgericht hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sie trotz der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Zutreffend hat es unter Darlegung der Regelung des § 240 SGB VI im Übrigen ausgeführt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gleichfalls ausscheidet, weil die Klägerin nach ihrem beruflichen Werdegang allenfalls als angelernte Arbeiterin im unteren Bereich eingestuft werden kann und demnach auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedürfte. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte umfangreiche Beweisaufnahme rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Danach liegt der Schwerpunkt der Erkrankungen der Klägerin auf orthopädischem und nervenfachärztlichem Gebiet.

Auf orthopädischem Gebiet hat Dr. H. eine asymmetrische Bewegungseinschränkung der Schultergelenke bei Verdacht auf chronische Reizung des Sehnen- und Sehnengleitgewebes in der rechten Schulter ohne Hinweise auf eine großflächige Ruptur der Rotatorenmanschette festgestellt. Daneben hat sich lediglich ein diskreter Strukturschaden in der unteren Lendenwirbelsäule feststellen lassen. Dagegen hat der Sachverständige die vom behandelnden Orthopäden Dr. B. beschriebene Coxarthrose beidseits, einhergehend mit Funktionseinschränkungen, in diesem Ausmaß nicht bestätigen können. Die vorliegende Bildgebung hat lediglich eine anlagebedingte Abflachung beider Hüftpfannen ohne sekundäre Arthrosezeichen gezeigt. Im Rahmen der Beweglichkeitsprüfung der Hüftgelenke in der Begutachtung hat die Klägerin lediglich endgradige Bewegungen als schmerzhaft angegeben, wobei die Bewegungen muskulär abgebremst worden sind. Im Rahmen der Untersuchung der Fingergelenke haben sich auch keine Zeichen einer gravierenden Fingerpolyarthrose feststellen lassen. Angesichts der im Rahmen der orthopädischen Begutachtung vorgefundenen, lediglich diskreten somatischen Körperveränderungen ist es für den Senat nachvollziehbar, wenn der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, die vorgetragenen ubiquitären chronischen Beschwerden könnten aus orthopädisch-somatischer Sicht keinem bedeutsamen Körperschaden angelastet werden, weshalb aus rein orthopädischer Sicht die Beschwerden allenfalls als Ausdruck einer seelischen Störung zu betrachten sind. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch die Leistungseinschätzung des Sachverständigen, wonach die Klägerin (aus orthopädischer Sicht) noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlichen Körperhaltungen verrichten kann. Dabei ist langes Verharren in Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule ungünstig. Gelegentliches Heben und Tragen von Lasten bis 15 Kilogramm in stabilisierter, aufrechter Rumpfhaltung oder 5 Kilogramm unter Rumpfvor- oder seitneigung wie auch gelegentliches Bücken sind dabei unbedenklich. Vermieden werden sollten längere Arbeiten auf vibrierenden Fahrzeugen und im Hinblick auf den chronischen Reizzustand in der rechten Schulter länger andauernde und mechanisch belastende Überkopfarbeiten mit der rechten Hand sowie grobmechanisch besonders belastende Arbeiten (längeres Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen).

Auf nervenärztlichem Gebiet ist Dr. B. bei im Wesentlichen diagnostischer Übereinstimmung mit Dr. R. - zusätzlich zu dieser hat er eine vorbestehende vielschichtige kombinierte Persönlichkeitsstörung diagnostiziert - zu einem (gleichfalls mit Dr. R. übereinstimmenden) Leistungsvermögen von wenigstens sechs Stunden täglich für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gelangt. Diese Leistungseinschätzung überzeugt vor dem Hintergrund der von den beiden Sachverständigen erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen. Danach leidet die Klägerin an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bei kurzzeitigen rezidivierenden (nach Dr. B. reaktiv-depressiven) Verstimmungen. Wie bereits in der Begutachtung durch Dr. R. hat sich die Klägerin im Rahmen der Untersuchung durch Dr. B. trotz deren erheblicher Dauer (fünf Stunden) bei ungünstigen äußeren Bedingungen (über 30 Grad Außentemperatur in der nichtklimatisierten Praxis) bis zuletzt in Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit völlig ungestört gezeigt. Die Klägerin hat dabei stets prompt und flott direkt auf die Fragen geantwortet. Es hat sich bei ihr auch nach mehrstündiger Exploration keinerlei Erschöpfung oder Ermüdung eingestellt. Bereits in der Begutachtung durch Dr. R. hat sich bei der Klägerin kein Mangel an Energie und Anteilnahme gezeigt. Auch gegenüber Dr. B. hat die Klägerin berichtet, sie selbst freue sich, wenn die beiden Enkel sie besuchen kommen. Ebenso freue sie sich, die nach G. ausgewanderte Tochter mit deren Kindern zu sehen. Ein relevanter sozialer Rückzug hat sich weder im Rahmen der Anamneseerhebung durch Dr. R. noch durch Dr. B. gezeigt. Regelmäßig kommt die in Deutschland verbliebene Tochter mit den Enkelkindern zu Besuch. Die Klägerin selbst telefoniert täglich mit ihrer Tochter in G ... Darüber hinaus trifft sich die Klägerin alle zwei Wochen mit weiteren griechischstämmigen Frauen, wobei die Klägerin gegenüber Dr. B. mitgeteilt hat, das nur zweiwöchige Intervall würde daher rühren, dass die anderen Frauen nicht öfters Zeit hätten. Sie selbst würde durchaus noch häufigere Zusammenkünfte bevorzugen. Nach wie vor trägt die Klägerin in erheblichem Maße zur Haushaltsarbeit bei, wobei sie an einer Stelle gegenüber Dr. B. von einer hälftigen Aufgabenteilung gesprochen hat, wohingegen sie an anderer Stelle mitgeteilt hat, ihr Mann liege die meiste Zeit am Tag und könne sich nicht mehr belasten, nur noch ein bisschen den Tisch aufräumen, Staub wischen und den Boden wischen, womit der Haushalt im Wesentlichen an ihr hängenbliebe. Die Einkäufe unternehmen sie und ihr Mann entweder zusammen, oder aber sie geht auch allein einkaufen. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der beiden Sachverständigen, wonach bei der Klägerin nur kurzzeitige rezidivierende depressive Verstimmungen (so Dr. B. auf Grund der weiteren Angaben der Klägerin, Depressionen träten zwei- bis dreimal pro Woche für jeweils zwei bis drei Stunden auf) bzw. eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig leichter Episode (so Dr. R. ) vorliegen, schlüssig und nachvollziehbar. Dies gilt ungeachtet der beiden stationären Behandlungen im ZfP im Herbst 2008 bzw. Herbst 2010. Vielmehr zeigt sich darin gerade das rezidivierende Wesen der psychischen Erkrankung; der fluktuierende Charakter wird auch dadurch unterstrichen, dass die Klägerin jeweils durch die Behandlung eine weitgehende Stabilisierung erfahren hat. So ist die Klägerin ausweislich des Entlassberichtes des ZfP über die stationäre Behandlung im Herbst 2008 bei gut stabilisierter psychischer Verfassung und zuletzt deutlich aufgehellter Stimmungslage wieder entlassen worden. Auch im Rahmen des zweiten Aufenthalts im ZfP im Herbst 2010 haben die dortigen Ärzte eine deutliche Auflockerung und Stabilisierung der Stimmung erreichen können und die Klägerin gut stabilisiert nach Hause entlassen. Dr. J. ist in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte für den Senat nachvollziehbar daher im Hinblick auf die stationäre Behandlung im ZfP von einer lediglich vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen, ohne dass sich eine anhaltende Einschränkung des Leistungsvermögens in qualitativer Hinsicht eingestellt hätte.

Die Einschätzung der beiden Sachverständigen wird insoweit auch durch das Gutachten von Dr. K.-I. nicht in Frage gestellt. Denn auch diese ist zur Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung bei derzeit allerdings mittelgradiger Ausprägung gelangt. Eine relevante Leistungseinschränkung leitet indes auch diese im Wesentlichen aus der nach ihrer Einschätzung schweren somatoformen Schmerzstörung ab. Soweit die Klägerin in der Vergangenheit akustische Halluzinationen beklagt hat, sind die Behandler jeweils von Pseudohalluzinationen als am Wahrscheinlichsten ausgegangen; diese haben sich auch regelmäßig zurückgebildet (vgl. die Entlassberichte des ZfP über die stationären Aufenthalte in 2008 und 2010). Hinweise auf Wahrnehmungsstörungen in Form von Sinnestäuschungen oder illusionären Verkennungen hat keiner der drei nervenärztlichen Sachverständigen feststellen können (vgl. hierzu Dr. R. - Blatt 75 SG-Akte; Dr. K.-I. - Blatt 64 LSG-Akte; Dr. B. - Blatt 131 LSG-Akte). Demnach kann auch hieraus weder eine qualitative noch gar eine quantitative Leistungseinschränkung abgeleitet werden.

Leistungseinschränkungen in quantitativer Hinsicht ergeben sich auch nicht aus der von allen vier Sachverständigen übereinstimmend diagnostizierten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Maßgebend für die Frage einer Einschränkung des Erwerbsvermögens sind die funktionellen Auswirkungen der festgestellten Störung; dies gilt auch für Schmerzzustände. Anhaltspunkte dafür, dass sich aus der Schmerzerkrankung funktionelle Auswirkungen auf die Belastbarkeit der Klägerin im Berufsleben ergeben, die zu quantitativen Leistungseinschränkungen führen könnten, liegen nicht vor. So hat bereits Dr. R. darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin für die körperliche Untersuchung flüssig und ohne Einschränkungen ausgezogen hat. Es hat sich bei der Begutachtung durch Dr. R. eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Angaben der Klägerin im Schmerzfragebogen, in welchem diese ihre Schmerzen mit fast maximal und die Einschränkung ihrer aktuellen täglichen Leistungsfähigkeit mit 100% angegeben hat, und ihrem Tagesablauf, in welchem sie in Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann den gesamten Haushalt versorgt, sehr intensiven Kontakt zu ihrer Familie, insbesondere zu ihren Kindern pflegt und sogar mehrstündige Flug- bzw. Autoreisen nach G. auf sich nimmt, gezeigt. Weiterhin hat die Sachverständige auf das flüssige Gangbild der Klägerin mit und ohne Gehstütze hingewiesen; die Klägerin ist zwar unter kurzer Angabe von Schmerzen während der Begutachtung zweimal aufgestanden, hat dabei jedoch ungestört weitererzählt. Erforderliche Entlastungsbewegungen hat sie nur in größeren Abständen vorgenommen. Das Bewegungsmuster der Klägerin war beim An- und Auskleiden völlig unauffällig; sie hat sich ungestört bis zum Boden bücken und im Stehen ausziehen können. Auch sonst fand Dr. R. keine Indizien für schwerwiegende Einschränkungen (adäquat mögliche Körperpflege, adäquate Muskelausprägung sowie unauffällige Hand- und Fußbeschwielung).

Die - anhand der von ihr erhobenen Befunde - schlüssige und nachvollziehbare Einschätzung der Sachverständigen, wonach das Leistungsvermögen in quantitativer Hinsicht unbeeinträchtigt ist, findet sich im nachfolgenden Gutachten des Dr. B. bestätigt. So hat die Klägerin gegenüber Dr. B. ausgeführt, sie gehe dreimal in der Woche ca. 1 Stunde lang mit ihrem Mann zusammen spazieren, mehr würde dieser nicht schaffen. Sie geht deshalb auch gelegentlich allein spazieren. Wie bereits ausgeführt, hat die Klägerin auch gegenüber Dr. B. angegeben, den Haushalt gemeinschaftlich bzw. sogar überwiegend allein zu erledigen. Dr. B. hat im Übrigen zutreffend auf die massive Diskrepanz zwischen den für den Rentenantrag ausschlaggebenden Schmerzen und der hierzu nicht korrespondierend wahrgenommenen analgetischen Medikation verwiesen. So nimmt die Klägerin - so ihre Angaben gegenüber Dr. B. - lediglich bedarfsweise Ibuprofen. Soweit die Klägerin die nur bedarfsweise erfolgende Einnahme dieses Schmerzmittels mit einer früheren Darmblutung begründet, so verwundert in diesem Zusammenhang - so zutreffend Dr. B. -, dass der regelmäßig konsultierte Schmerztherapeut keine andere, zur regelmäßigen Einnahme geeignete Medikation vorgeschlagen haben soll. Diese lediglich bedarfsweise eingesetzte Medikation nach WHO Stufe I legt kein so gravierendes Ausmaß der Schmerzerkrankung nahe, dass damit eine quantitative Leistungseinschränkung einher ginge. Schließlich war die Klägerin am Untersuchungstag während der Untersuchung durch Dr. B. durch die an diesem Tag erfolgte Einnahme von Ibuprofen - so ihre Angaben - auch schmerzfrei. Entsprechend hat Dr. B. bei der Untersuchung der Motilität der Klägerin auch keinen wesentlichen Befund festgestellt. So war die grobe Kraft allseits gut. Die Klägerin hat bei der Begrüßung und auch auf Aufforderung einen durchaus kräftigen Händedruck gezeigt. Sowohl bei Vorhalteversuchen der Arme und Beine und der Feinmotorik der Hände, wie auch in den beiläufigen Bewegungsabläufen, so etwa bei der Herausnahme von Medikamentenpackungen, dem Heraussortieren des Anwesenheitsformulars, aber auch beim An-/Auskleiden oder auch dem spontanen Bemühen, nach durchgeführter Diagnostik die Liege selbst aufzuräumen, hat sich die Motilität ungestört gezeigt. Die Klägerin hat im Rahmen der fünfstündigen, auch aufgrund der klimatischen Bedingungen durchaus anstrengenden Untersuchung nicht etwa auf eine zügige Abwicklung der Untersuchungsprozedur gedrängt, wie man es - so Dr. B. - bei schmerzgeplagten Probanden erwarten würde. Letztlich hat sich weder in den gezielten Untersuchungsmanövern noch im spontanen Bewegungsablauf eine eigenständige, richtungsweisende, schmerzbegründete Einschränkung bzw. Funktionsstörung erkennen lassen.

Im Einklang mit dieser Beurteilung steht auch das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. H ... Auch dort hat sich ein sicheres, wenngleich langsames Gangbild gezeigt. Im Rahmen des Entkleidungsvorgangs hat die Klägerin ohne auffällige Bewegungsstörungen der Schultergelenke den Pullover problemlos beidhändig über den Kopf abstreifen können. Ebenso hat die Klägerin die Hose im Stehen ausziehen und die Hose dann selbständig vom Boden aufnehmen können. Die Muskulatur hat sich seitengleich kräftig entwickelt gezeigt. Die gegenüber Dr. H. getätigte Aussage, sie könne nur noch zehn Minuten auf einem Stuhl sitzen, erscheint wenig überzeugend. Zu Recht verweist der Sachverständige darauf, dass dies vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nach eigenen Angaben eine 30 bis 45 Minuten dauernde Autofahrt toleriert, nicht nachvollziehbar ist. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund auch der Umstand, dass die Klägerin zuletzt im Oktober 2013 nach G. gereist ist, wobei allein der Flug von Stuttgart bis Thessaloniki zwei Stunden gedauert hat. Anschließend hat die Klägerin weitere zwei Stunden mit einem Auto zurücklegen müssen. In diesem Zusammenhang sind auch die in der Untersuchung durch Dr. H. unübersehbar zu Tage getretenen Tendenzen der Klägerin zu würdigen, ihre Funktionsstörungen zu akzentuieren. So ist der Klägerin beim Auskleiden eine spontane Rumpfvorneigung um 70 bis 80 Grad möglich gewesen, wohingegen in der Untersuchung nur noch 20 bis 30 Grad möglich waren. Während im Rahmen der Untersuchung in Rückenlage die Hüftbeugung nur bis 70 Grad möglich gewesen ist, hat die Klägerin bei normalem Sitzen auf einem konventionellen Stuhl eine Hüftbeugung von 90 bis 100 Grad vornehmen können. Inwieweit die Klägerin sich dieser Verdeutlichungstendenzen bewusst ist, kann dahingestellt bleiben; jedenfalls unterschätzt die Klägerin das ihr verbliebene berufliche Restleistungsvermögen offensichtlich. So hat Dr. H. zutreffend darauf verwiesen, dass sich die Klägerin schon nach eigenen Angaben regelmäßig im privaten Umfeld mindestens sechs Stunden täglich körperlich in einem Umfang belastet, wie er im Erwerbsleben an einem leidensgerechten Arbeitsplatz nicht überschritten würde.

Nach alledem sind der Klägerin auch in Ansehung der Schmerzstörung zumindest körperlich leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes in zeitlichem Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich möglich (so Dr. R. ; nach Dr. B. und Dr. H. kommen sogar gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in Betracht). An qualitativen Einschränkungen ist dabei zu beachten, dass diese Arbeiten nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen und nur zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck, ohne ständige nervöse Anspannung, ohne andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht und ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen erfolgen sollten. Zu vermeiden sind ferner Akkordarbeit, Arbeiten mit besonderer Verantwortung und geistiger Beanspruchung. Soweit demgegenüber Dr. K.-I. auch eine quantitative Leistungseinschränkung angenommen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zutreffend hat Dr. B. darauf verwiesen, dass Dr. K.-I. die quantitative Leistungsminderung insbesondere mit einer schweren anhaltenden somatoformen Schmerzstörung begründet hat, obwohl im Gutachten die Darstellung einer somatischen Untersuchung fehlt. Die Ableitung objektiver Funktionsstörungen aus den von der Klägerin subjektiv reklamierten Schmerzen fehlt demgemäß im Gutachten von Dr. K.-I. vollständig. So finden sich weder Angaben zum Bewegungsablauf, zur Bewegungseinschränkung noch zu Schmerzprovokationen in Untersuchungsmanövern oder Schmerzentäußerungen. Auch in der Verhaltensbeobachtung während der Anamneseerhebung hat die Sachverständige eine nach außen erkennbare Schmerzbeeinträchtigung nicht beschrieben. Zu Recht hat Dr. B. deshalb darauf hingewiesen, dass das abschließende Urteil von Dr. K.-I. , wonach sich bei der Untersuchung therapeutisch kaum zu beeinflussende Schmerzen ohne körperliche Grundlage gefunden hätten, in keiner Weise nachvollziehbar ist. Die fehlende Verifizierung der Beschwerdeangaben der Klägerin erscheint dabei um so misslicher, als im Rahmen der Begutachtungen durch Dr. R. und Dr. H. jeweils Diskrepanzen zwischen den klägerischen Angaben zur Leistungsbeeinträchtigung auf Grund der Schmerzstörung und der anhand von Tagesablauf, Sozialkontakten und in der Begutachtungssituation beobachteten Einschränkungen aufgetreten sind und auch Dr. K.-I. selbst bei der Klägerin Verdeutlichungstendenzen festgestellt hat. Insgesamt vermag daher die Beurteilung von Dr. K.-I. gegenüber den schlüssigen und nachvollziehbaren Leistungseinschätzungen von Dr. R. , Dr. B. sowie Dr. H. nicht zu überzeugen.

Soweit Dr. B. bei der Klägerin eine vorbestehende vielschichtige kombinierte Persönlichkeits-störung diagnostiziert hat, so stand diese von jeher vorbestehende Gesundheitsstörung ohne eigenständige Antriebsstörung und ohne weiterreichendes Vermeidungsverhalten - so zu Recht Dr. B. - weder den früher ausgeübten beruflichen Tätigkeiten im Wege, noch sind Gründe ersichtlich, warum dies heute anders sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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