Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 995/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5603/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14. November 2013 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 30. Juni 2011 und des Teilabhilfebescheids vom 10. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2012 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 01. Mai 2013 einen Grad der Behinderung von 70 (siebzig) festzustellen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte erstattet der Klägerin ein Sechstel ihrer außergerichtlichen Kosten beider Instanzen. Für das Vorverfahren verbleibt es bei der Kostenentscheidung aus dem Widerspruchsbescheid vom 13. März 2012.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB), darunter die Anerkennung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (sBM) für einen zwischenzeitlich vergangenen Zeitraum (Antrag im Termin konkretisieren lassen).
Die Klägerin ist im Jahre 1957 geboren und wohnt im Inland. Sie ist berufstätig als Hochschullehrerin für Verwaltungsrecht, Privatrecht und Staat und Verfassung.
Sie beantragte am 24.03.2011 erstmals die Feststellung ihres GdB. Zur Begründung verwies sie vor allem auf muskuläre Beschwerden im Bewegungsapparat, eine Entzündung der Augenhaut (Uveitis), Stimm- und Sprechbeschwerden (chronische Laryngitis) und eine depressive Erkrankung. Das Landratsamt des A.-Kreises als Versorgungsamt (LRA) zog ärztliche Befundberichte bei, darunter den Bericht des Neurologen und Psychiaters Seibert vom 09.11.2010, der ein "depressives Syndrom" diagnostiziert hatte. Sodann stellte es mit Bescheid vom 30.06.2011 einen GdB von 20 ab dem 09.11.2010 fest. Zu Grunde lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 27.06.2011 (Seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 20, chronische Laryngitis: 10, chronische Uveitis: 10).
Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin auch auf eine Zunahme orthopädischer Beschwerden und trug ergänzend zu den Auswirkungen ihrer Augenerkrankung im Straßenverkehr sowie ihrer depressiven Erkrankung, vor allem auf ihre Berufstätigkeit, vor. Sie legte die Bescheinigung des Orthopäden Dr. B. vom 06.09.2011 vor. Das LRA erließ daraufhin den Teil-Abhilfe-Bescheid vom 10.10.2011 über einen GdB von 30 seit dem 09.11.2011 (gemeint: 2010). Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 06.10.2011 zu Grunde, nach der die Laryngitis mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei und zusätzlich degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vorlägen, die einen Einzel-GdB von 10 bedingten. Nachdem die Klägerin an ihrem weitergehenden Widerspruch festgehalten und das Attest von Dr. B. vom 21.11.2011 vorgelegt hatte, erließ das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den (Teil-Abhilfe- und) Widerspruchsbescheid vom 13.03.2012. Darin stellte es bei der Klägerin - ab dem 24.03.2011 - einen GdB von 40 fest und wies den weitergehenden Widerspruch zurück. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 10.01.2012 zu Grunde, wonach zusätzlich Funktionsbeeinträchtigungen beider Hüft- und beider Kniegelenke mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen seien.
Insoweit hat die Klägerin am 23.03.2012 das Sozialgericht Mannheim (SG) angerufen. Sie hat dort vorgetragen, sie leide an einer ausgeprägten Depression. Auch ihr Augenleiden bedinge einen höheren Einzel-GdB. Dies gelte auch für die chronische Laryngitis. Diese habe sich verfestigt, sodass zwei Operationen am rechten Stimmband notwendig gewesen seien, gleichwohl seien die Auswirkungen fortgeschritten. Nicht zuletzt müssten auch ihre orthopädischen Beschwerden stärker berücksichtigt werden.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Unter dem 06.06.2012 hat Augenarzt Dr. C. von einer phasenweisen Sehminderung und einer therapiebedingten reduzierten Nahsicht berichtet und insoweit einen Einzel-GdB von 10 vorgeschlagen. Psychiater Schutt hat mit Schreiben vom 12.06.2012 von einer psychotherapeutischen Behandlung berichtet und eine rez. depr. Störung (ICD-10: F33.1) mit Somatisierungstendenz (F45.0) diagnostiziert, die er mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet hat; zusätzlich hat er - eigenanamnestisch - eine Schuppenflechte genannt. Unter dem 11.06.2012 hat HNO-Arzt Dr. D. bekundet, die Klägerin leide bei hoher beruflicher Stimmbelastung als Dozentin wegen organischer Veränderungen am Kehlkopf (chronische Laryngitis, Reinke-Ödem) erheblich an Heiserkeit und Stimmermüdung. Der Einzel-GdB dafür sei auf 20 zu schätzen. Psychiater Seibert hat mit Schreiben vom 14.06.2012 unter anderem eine Depression genannt, die mit einem Antidepressivum behandelt werde. Er hat Einzel-GdB von 40 auf psychiatrischem und von 30 wegen der Beeinträchtigungen vor allem der Wirbelsäule vorgeschlagen. Dr. B. hat (21.05.2012) angegeben, die Klägerin leide an Druckschmerzhaftigkeit an den Ellenbogengelenken, Myalgien am Schultergürtel, einer mittelstarken Einschränkung der Beweglichkeit der HWS, an mittelschweren Verdickungen an Fingerend- und -mittelgelenken und an Bewegungs- und Belastungsschmerzen an Hüft-, Knie- und Großzehengrundgelenken. Die Funktionsbeeinträchtigungen an den Füßen seien bislang nicht erfasst. Der GdB sei auf 50 zu schätzen. Letztlich hat der Allgemein- und Sportmediziner Dr. Emrich unter dem 15.08.2012 mitgeteilt, die zeitweilig stark ausgeprägten, vielseitigen Beschwerden im Rahmen beruflicher Belastungen - darunter 2010 und 2011 auch Hauterkrankungen - sprächen für eine depressive Grunderkrankung. Deren Auswirkungen seien bislang nicht ausreichend gewürdigt.
Das SG hat sodann von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 30.11.2012 bei Dr. E. erhoben. Diese Sachverständige hat bekundet, bei der Klägerin handle es sich um eine Dysthymia (F34.1), also eine chronisch depressive Verstimmung, wobei die einzelnen Phasen leichterer Depressionen und vergleichsweiser Normalität sehr unterschiedlich verteilt seien. Darüber hinaus klage die Klägerin über eine Fülle körperlicher Symptome, die sich zum Teil organisch begründen ließen, in ihrer Gesamtheit jedoch psychogen überlagert seien, sodass zusätzlich von einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (F45.1) auszugehen sei. Auf neurologischem Gebiet beständen keine Erkrankungen. Die psychischen Beeinträchtigungen hätten keine anhaltenden (Hervorhebung im Original) höhergradigen Auswirkungen auf die soziale Anpassungsfähigkeit der Klägerin. Solche lägen jedoch passager vor. Bei insgesamt wechselnder Befindlichkeit und allgemein erhöhter psychischer Vulnerabilität (Verletzlichkeit) werde insoweit ein GdB von 30 vorgeschlagen. Unter Einbeziehung der weiteren - somatisch bedingten - Beeinträchtigungen, die allerdings von untergeordneter Bedeutung seien, sei ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt.
Unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.05.2013 hat der Beklagte ausgeführt, Dr. E. könne nicht gefolgt werden. Ein vermehrter sozialer Rückzug sei nicht zu erkennen, die aus Sicht der Klägerin frustanen Arbeitsbedingungen an ihrer Hochschule seien behindertenrechtlich nicht zu berücksichtigen, die Somatisierungsneigung sei unter die seelische Störung zu fassen.
Im Mai 2013 wurde bei der Klägerin ein Blasentumor am Blasenboden/rechte Seitenwand festgestellt und am 22.05.2013 im Diakonie-Krankenhaus Heidelberg operativ entfernt. In dem OP-Bericht vom 23.05.2013 gab Urologe F. an, die postoperative Sonografie habe keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Hinweise auf eine Abflussstörung der Niere gezeigt. Die histologische Untersuchung des Tumorgewebes ergab (Bericht des Pathologen Dr. Trunk vom 04.06.2013), dass es sich um ein kleines, auf die Oberfläche beschränktes Urothelkarzinom gehandelt habe und eine Stromainvasion nicht zu erkennen sei, der Tumor sei im Stadium pTa (low grade nach WHO) entfernt worden.
Der Beklagte hat der Klägerin daraufhin unter dem 08.07.2013 angeboten, ihr im Vergleichswege zur Erledigung des Rechtsstreits ab dem 01.05.2013 einen Gesamt-GdB von 60 (wegen Hinzutretens einer Harnblasenerkrankung in Heilungsbewährung mit einem Einzel-GdB von 50) zuzuerkennen. Dieser Vergleich ist nicht zu Stande gekommen.
Von Amts wegen beauftragt hat der Orthopäde Dr. G. das Gutachten vom 19.09.2013 über die Klägerin vorgelegt. Dieser Sachverständige hat bekundet, die Klägerin leide an einem muskulären Reizsyndrom der HWS mit endgradiger Einschränkung der Vorwärtsneigefähigkeit bei degenerativen Veränderungen (Osteochondrose/Spondylose an den Segmenten C5/C6) ohne radikuläre Reizerscheinungen, an einem Lumbo-Sakral-Syndrom links mit Verdacht auf (V.a.) pseudoradikuläre Lumboischialgie ohne radikuläre Reizerscheinungen oder neurologische Ausfälle bei Spondylarthrose an den Segmenten L5/S1, an einer Daumensattelgelenksarthrose bds. ohne Funktionsbeeinträchtigung und ohne wesentliche Funktionsschmerzen sowie an einem Knick-/Senk-/Spreizfuß bds. Eine Fingerpolyarthrose liege - entgegen den Annahmen des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten - sicherlich nicht vor, das Gleiche gelte für die zeitweise angenommene Funktionsbeeinträchtigungen an Ellenbogen-, Hüft- und Kniegelenken, bei denen altersentsprechende Befunde vorlägen. An Behinderungen auf orthopädischem Fachgebiet seien - nur - anzuerkennen die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und die Daumensattelgelenksarthrose; insoweit bestehe jeweils ein GdB von 10. Die bisher angenommenen Werte seien zu hoch.
Gegen dieses Gutachten hat die Klägerin u. a. eingewandt, Dr. G. sei als Orthopäde somatisch fixiert und deshalb nicht in der Lage, ihre Beschwerden in Fingern und Armen einzuordnen. Er habe sich auch auf die körperliche Diagnostik beschränkt. Weiterhin hat sie vorgetragen, ihr Hausarzt verschreibe ihr regelmäßig Physiotherapie; hierzu hat sie noch die Bescheinigung ihres Physiotherapeuten vom 22.10.2013 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.11.2013 hat das SG den Beklagten - unter entsprechender Abänderung seiner Bescheide - verurteilt, bei der Klägerin ab dem 01.05.2013 einen GdB von 60 festzustellen; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Eine Kostenerstattung hat es nicht angeordnet. Es hat ausgeführt, in der Zeit vor Erstdiagnose (ED) des Blasentumors habe - bei "wohlwollender" Betrachtung - ein GdB von 40 bestanden. Dieser habe auf Einzel-GdB von 30 für die psychischen Beeinträchtigungen, von 20 für die Laryngitis, allenfalls von 10 für die Uveitis und je 10 für die beiden orthopädischen Behinderungen beruht. Durch das Hinzutreten der Harnblasenerkrankung in Heilungsbewährung mit einem GdB von 50 habe sich der Gesamt-GdB ab Mai 2013 auf 60 erhöht.
Mit Bescheid vom 20.01.2014 führte das LRA den Gerichtsbescheid des SG aus.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.11.2013 zugestellt, hat die Klägerin am 17.12.2013 bei dem SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, sie leide unter vielfältigen körperlichen Erkrankungen, das Schwergewicht ihrer Leiden liege jedoch im psychischen bzw. psychosomatischen Bereich. Das SG sei in Ausprägung einer somatisch überhöhten Betrachtungsweise stets von den niedrigeren Teil-GdB-Werten ausgegangen seien, soweit die Gutachter Dr. E. und Dr. G. diese Bereiche unterschiedlich beurteilt hätten. Es sei jedoch der Ansicht Dr. E.s zu folgen, es liege insgesamt ein GdB von 50 vor. Ferner behauptet die Klägerin, die Beeinträchtigungen durch die Laryngitis seien ständig vorhanden und könnten nicht ausgeheilt werden, da es ihr Beruf als Hochschulprofessorin mit sich bringe, ständig, an mehreren Tagen der Woche, über mehrere Stunden laut sprechen zu müssen. Der insoweit zuerkannte GdB von 20 liege daher im unteren Bereich. Letztlich seien auch die orthopädischen Beeinträchtigungen höher zu bewerten. Hinsichtlich der Degeneration ihrer Wirbelsäule lägen radiologische Befunde vor, die nicht ignoriert werden könnten. Insoweit sei auch auf die physiotherapeutische Behandlung hinzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14. November 2013 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung seines Bescheids vom 30. Juni 2011, des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 10. Oktober 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2012 zu verurteilen, den Grad der Behinderung der Klägerin mit mindestens 50 seit dem 24. März 2011 und mit mindestens 70 seit dem 01. Mai 2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen und Angebote. Auf psychiatrischem Gebiet habe das SG einen GdB höher als nach den früheren versorgungsärztlichen Stellungnahmen angenommen. Es sei - aber - eine stärker behindernde Störung mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen nicht festzustellen. Der Alltag und der Beruf würden bewältigt, ein sozialer Rückzug sei nicht erkennbar, zumal auch Hobbys wie Golfspielen und Fitness-Studio ausgeübt würden. Es bestehe ein intakter Freundeskreis, es werde in Urlaub gefahren und bei der Betreuung der Mutter geholfen. Auf orthopädischem Gebiet könnten nicht allein die radiologischen Befunde zu Grunde gelegt werden. Zudem ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Laryngitis höher zu bewerten sei.
Der Berichterstatter hat unter dem 17.02.2014 vorläufige Hinweise zur Rechtslage gegeben, darauf wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG).
2. Sie ist auch teilweise begründet. Das SG hätte den Beklagten auf die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) hin für die Zeit ab Mai 2013 nicht nur zur Zuerkennung eines GdB von 60, sondern eines solchen von 70 verurteilen müssen. Im Übrigen allerdings, also vor allem für die Zeit vor dem 01.05.2013, hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen, weil in dieser Zeit nur ein GdB von 40 bestand, den der Beklagte bereits festgestellt hat.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und für die Bewertung einzelner Behinderungen und der Behinderungen insgesamt und ihrer Auswirkungen auf die Teilhabe in der Gesellschaft nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG), der Anlage 1 zu der nach § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt; darauf wird, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
b) Auch der Senat ist der Ansicht, dass die behinderungsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin vor der ED der Tumorerkrankung, also bis April 2013, mit einem Gesamt-GdB von 40 (vgl. hierzu Teil A Nr. 3 VMG) angemessen bewertet waren.
aa) Die psychische Erkrankung der Klägerin ist durchgängig mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. In diesem Bereich beurteilt der Senat die Beeinträchtigungen der Kläger etwas höher als in der versorgungsärztlichten Stellungnahme Dr. H. vom 06.05.2013.
Im Bereich neurotischer Erkrankungen ist ein GdB von 30 bis 40 angemessen für stärker behindernde (psychische oder psychovegetative) Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, z. B. für ausgeprägte depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert oder somatoforme Störungen (Teil B Nr. 3.7 VMG). Aus dieser Spanne kann ein GdB von 40 - nur - vergeben werden, wenn die psychisch bedingten Einschränkungen an der Teilhabe an der Gemeinschaft bereits in Richtung einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gehen, die ihrerseits einen GdB von 50 bedingten. Auf medizinischer Ebene ist daher für einen GdB von 30 eine depressive Erkrankung nötig, also eine Krankheit aus den Gruppen F32 oder F33 der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zur Zeit in 10. Revision (ICD-10). Eine lediglich affektive Störung wie z. B. eine Dysthymia (F34.1) ist dagegen in der Regel nur als leichtere psychische oder psychovegetative Störung einzuordnen, die nach Teil B Nr. 3.7 VMG einen GdB von 0 bis 20 bedingt.
Bei der Klägerin nun kann zwar grundsätzlich eine depressive Erkrankung in diesem Sinne und damit eine stärker behindernde Störung angenommen werden. Zwar hatte die Sachverständige Dr. E. in ihrem in erster Instanz eingeholten Gutachten vom 30.11.2012 nur eine Dysthymia diagnostiziert. Sie hat aber selbst einen GdB von 30 vorgeschlagen und zur Begründung hierfür auf die Schmerzerkrankung der Klägerin verwiesen, die sie - gesondert - als undifferenzierte Somatisie-rungsstörung (F45.1) eingestuft hat. Von denjenigen Symptomen, die in dem Vorspann zu F32.- für depressive Episoden aufgelistet sind, liegen hier mehrere vor, welche die Diagnose einer leichten Depression (F32.0) begründen können: Die Klägerin hat bei der Sachverständigen glaubhaft von länger andauernden Schlafstörungen berichtet. Ihr Selbstwertgefühl (das sich bei ihr überwiegend aus ihrer Berufstätigkeit speist) ist beeinträchtigt, wie ihre Hinweise auf "Kränkungen" und "Mobbing" an der Hochschule zeigen. Und es liegen mehrere somatische Begleitsymptome vor. Die Klägerin bekundet Schmerzen, z. B. an der Wirbelsäule, die sie auch regelmäßig behandeln lässt, z. B. durch physiotherapeutische Maßnahmen. Diese Schmerzen können als psychogen verursacht eingestuft und damit der depressiven Erkrankung zugerechnet werden. Für diese Beurteilung spricht, dass sich für die Schmerzen kein organisches Substrat (Nervenwurzelreizungen, Prolaps pp) finden lässt. Dies wiederum ergibt sich vor allem aus dem ebenfalls in erster Instanz erhobenen Gutachten von Dr. G. vom 19.09.2013. Dieser hat bekundet, es beständen nur an der Wirbelsäule überhaupt somatische Beeinträchtigungen, diese seien als gering einzustufen und bedürften keiner Behandlung. An den Fingern konnte der Sachverständige nur bildgebend Veränderungen feststellen, aber keine Funktionseinschränkungen. Entsprechend hat er ausgeführt, der ursprüngliche angenommene Einzel-GdB von 20 für diese Schäden sei zu hoch gewesen. Auch die behandelnden Ärzte haben als sachverständige Zeugen keine nennenswerten rein somatisch bedingten Schmerzen beschrieben. Ferner zeitigt die genannte Behandlung keine dauerhaften Erfolge; die Schmerzen scheinen vielmehr zu persistieren. Dass die Klägerin noch voll berufstätig sein kann, wobei aber die Belastung z. B. durch Heimarbeitstage gemindert ist, und außerdem ihr privates Leben weitgehend uneingeschränkt fortführt, hindert die Diagnose einer depressiven Erkrankung nicht, wie bei F32.0 ausdrücklich erwähnt wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin medikamentös und psychotherapeutisch behandelt wird, was ebenfalls für eine depressive Episode mit echtem Krankheitswert spricht. Und letztlich kann hierfür darauf verwiesen werden, dass der behandelnde Psychiater Schutt regelmäßig eine rezidivierende depressive Erkrankung diagnostiziert, in seiner Zeugenaussage vom 12.06.2013 sogar eine solche mittleren Grades (F33.1).
Auch unter Einbeziehung dieser körperlichen Symptome der psychischen Erkrankung kann im Rahmen der stärker behindernden Störung nach Teil B Nr. 3.7 VMG aber nur ein GdB von 30 angenommen werden. Eine höhere Bewertung scheidet aus. Die psychische und die soziale Leidensdimension der Erkrankung sind weitaus weniger ausgeprägt. Die Klägerin verfügt neben ihrer vollen Berufstätigkeit noch über umfangreichere soziale Kontakte und soziale Aktivitäten wie Urlaub und Golfspielen, ein sozialer Rückzug ist nicht zu verzeichnen. Eine feste Partnerschaft besteht. Der Haushalt wird geführt. Die Klägerin hat ferner ihre auswärts wohnende Mutter betreut. Für auch nur leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten, also merkliche Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, ist nichts ersichtlich.
bb) Die Einbeziehung der Schmerzen in die Bewertung der depressiven Erkrankung wirkt sich auf die Bewertung der echten somatischen Beeinträchtigungen aus. Der Senat folgt dabei den Feststellungen und Vorschlägen des Sachverständigen Dr. G.
Dieser hat lediglich an der Wirbelsäule und an den Daumensattelgelenken überhaupt Funktionsbeeinträchtigungen gefunden, während er - im Gegensatz zu den ursprünglichen Annahmen des LRA - an Hüft- und Kniegelenken keine altersvorauseilenden Einschränkungen hat feststellen können: Die Restbeweglichkeiten der Klägerin an allen Gelenken und allen drei Segmenten der WS sind nicht eingeschränkt. Der FBA ist mit 2 cm altersgemäß, der sachverständige Zeuge Dr. Seibert hatte am 14.06.2012 sogar noch einen solchen von 0 cm bekundet. Das Schober’sche Zeichen (Entfaltbarkeit der LWS) ist entsprechend kaum eingeschränkt (10:13 cm statt allenfalls bis zu 10:15 cm bei jüngeren Probanden). Das Ott’sche Zeichen (dto. für die BWS) war bei der Messung normgerecht. Die Schultergelenke z. B. waren frei (Abduktion 175°, Anteversion 180°). Das Gleiche gilt für die Ellenbogengelenke, bei denen die Klägerin ja diffuse Schmerzen angegeben hat: Die Beugung war bis zu 140° möglich. Die Hüft- und Kniegelenke waren nach Dr. G.s Messungen frei, auch hat die Klägerin bei den Begutachtungen hierzu keine Beschwerden mehr angegeben. An der rechten Hand hat der Sachverständige bei den Fingern 3 bis 5 eine leichte Kribbelparese festgestellt, die er aber nicht als Fingerpolyarthrose eingestuft hat. Vielmehr hat er - nur - eine Daumensattelgelenksarthrose angenommen, wobei er allerdings nach seinen Ausführungen an den Daumen keine funktionellen Einbußen hat feststellen können.
Im Einklang mit den Vorschlägen Dr. G.s kann daher für die verschiedenen somatischen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet kein GdB von mehr als 10 angenommen werden. Nach Teil B Nr. 18.9 VMG führen "geringe funktionelle Auswirkungen" auch an allen drei Segmenten der Wirbelsäule nur zu einem GdB von 10. Und die Bewertung der Daumensattelgelenksarthrose mit einem GdB von 10 erscheint sogar günstig, nachdem ein solcher GdB nach Teil B Nr. 18.13 VMG erst bei der Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung oder dem Verlust von eineinhalb Daumengliedern in Betracht kommt.
cc) Die Kehlkopferkrankung der Klägerin ist zutreffend nach Teil B Nr. 7.10 mit einem GdB von 20 belegt, wobei - darauf hatte schon das SG hingewiesen - hierfür eigentlich eine "dauernde" Heiserkeit nötig ist, bei der Klägerin aber nach den Angaben der sachverständigen Zeugin Dr. D. vom 11.06.2012 nur zeitweise - nämlich "bei hoher beruflicher Stimmbelastung" - Stimmprobleme wie Heiserkeit und Stimmermüdung auftreten.
dd) Die Uveitis bedingt keinen höheren GdB als 10. Nach der MdE-Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) bei Teil B Nr. 4.3 VMG ist ein solcher GdB angemessen, wenn das Sehvermögen - mit einer Korrektur durch Sehhilfen und dauerhaft - beidseits auf einen Visus von 0,5 abgesunken ist. Bei der Klägerin nun liegen nach den Angaben der Augenärztin Dr. C. vom 06.06.2012 nur phasenweise - die Zeugin hat von einer Besserung nach zwei bis drei Wochen lokaler und systematischer Therapie gesprochen - Visusminderungen vor. Die Klägerin selbst hat hierzu angegeben, in solchen Phasen akuter Erkrankungsschübe halbiere sich ihre Sehfähigkeit. Hinzu kommen aber die weiteren Beschwerden (Schmerzen, Entzündungen) durch die Krankheit selbst, die nach den VMG gesondert neben der Sehminderung bewertet werden sollen. Insgesamt ist daher ein GdB von 10 gerechtfertigt.
ee) Die Schuppenflechte, die Psychiater Schutt (12.06.2012) in der Anamnese beschrieben hatte, ist kein Dauerzustand; auch hat sich die Klägerin auf eine solche Erkrankung nicht berufen.
ff) Ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für die Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Gebiet und einem weiteren von 20 für die Laryngitis kommt nur ein Gesamt-GdB von 40 in Betracht. Nach Teil A Nr. 3 lit. c sowie lit d Doppelbuchstabe ee der VMG ist der Gesamt-GdB durch eine Erhöhung des höchsten Einzel-GdB um jeweils 10 oder 20 oder mehr Punkte für jeden weiteren GdB zu bilden, wobei aber leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, in der Regel außer Betracht bleiben.
c) Dagegen kann für die Zeit ab ED des Blasentumors (der nach den Angaben von Dr. Trunk vom 04.06.2013 im Stadium pTA entfernt worden ist), der während der zweijährigen Heilungsbewährung nach Teil B Nr. 12.2.3, Absatz 1 VMG einen GdB von genau 50 bedingt, ein höherer Gesamt-GdB als 60 angenommen werden. Es ist nicht so, dass dieser GdB während der Heilungsbewährung vollständig in der Bewertung der vorbestehenden psychischen Erkrankung aufgeht. Auch wenn nicht unmittelbar körperliche Folgen vorhanden sind, so bestehen doch Belastungen durch Nach- und Kontrolluntersuchungen und ggfs. Einschränkungen in der Lebensführung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass während der Heilungsbewährung nach der Entfernung eines malignen Tumors auch die psychische Belastung steigt, weil z. B. zu einer vorbestehenden Depression die Angst vor einem Rezidiv kommt. Daher kann der Einzel-GdB von 50 wegen des Tumors durchaus um 10 Punkte für die fortbestehende depressive Erkrankung mit ihrem GdB von 30 erhöht werden. Hinzu kommt die ebenfalls fortbestehende Laryngitis der Klägerin mit einem unveränderten GdB von 20. Vor diesem Hintergrund nimmt der Senat an, dass der Gesamt-GdB der Klägerin ab diesem Datum bei 70 liegt.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 193 SGG. Da der Senat für die Zeit ab dem 01.05.2013 einen höheren GdB annimmt, als ihn der Beklagte nach der ED des Blasentumors während des erstinstanzlichen Verfahrens angeboten hat, war der Klägerin auch nach dem Rechtsgedanken des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Teil ihrer Kosten zuzusprechen. 4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte erstattet der Klägerin ein Sechstel ihrer außergerichtlichen Kosten beider Instanzen. Für das Vorverfahren verbleibt es bei der Kostenentscheidung aus dem Widerspruchsbescheid vom 13. März 2012.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB), darunter die Anerkennung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (sBM) für einen zwischenzeitlich vergangenen Zeitraum (Antrag im Termin konkretisieren lassen).
Die Klägerin ist im Jahre 1957 geboren und wohnt im Inland. Sie ist berufstätig als Hochschullehrerin für Verwaltungsrecht, Privatrecht und Staat und Verfassung.
Sie beantragte am 24.03.2011 erstmals die Feststellung ihres GdB. Zur Begründung verwies sie vor allem auf muskuläre Beschwerden im Bewegungsapparat, eine Entzündung der Augenhaut (Uveitis), Stimm- und Sprechbeschwerden (chronische Laryngitis) und eine depressive Erkrankung. Das Landratsamt des A.-Kreises als Versorgungsamt (LRA) zog ärztliche Befundberichte bei, darunter den Bericht des Neurologen und Psychiaters Seibert vom 09.11.2010, der ein "depressives Syndrom" diagnostiziert hatte. Sodann stellte es mit Bescheid vom 30.06.2011 einen GdB von 20 ab dem 09.11.2010 fest. Zu Grunde lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 27.06.2011 (Seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 20, chronische Laryngitis: 10, chronische Uveitis: 10).
Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin auch auf eine Zunahme orthopädischer Beschwerden und trug ergänzend zu den Auswirkungen ihrer Augenerkrankung im Straßenverkehr sowie ihrer depressiven Erkrankung, vor allem auf ihre Berufstätigkeit, vor. Sie legte die Bescheinigung des Orthopäden Dr. B. vom 06.09.2011 vor. Das LRA erließ daraufhin den Teil-Abhilfe-Bescheid vom 10.10.2011 über einen GdB von 30 seit dem 09.11.2011 (gemeint: 2010). Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 06.10.2011 zu Grunde, nach der die Laryngitis mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei und zusätzlich degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vorlägen, die einen Einzel-GdB von 10 bedingten. Nachdem die Klägerin an ihrem weitergehenden Widerspruch festgehalten und das Attest von Dr. B. vom 21.11.2011 vorgelegt hatte, erließ das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den (Teil-Abhilfe- und) Widerspruchsbescheid vom 13.03.2012. Darin stellte es bei der Klägerin - ab dem 24.03.2011 - einen GdB von 40 fest und wies den weitergehenden Widerspruch zurück. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 10.01.2012 zu Grunde, wonach zusätzlich Funktionsbeeinträchtigungen beider Hüft- und beider Kniegelenke mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen seien.
Insoweit hat die Klägerin am 23.03.2012 das Sozialgericht Mannheim (SG) angerufen. Sie hat dort vorgetragen, sie leide an einer ausgeprägten Depression. Auch ihr Augenleiden bedinge einen höheren Einzel-GdB. Dies gelte auch für die chronische Laryngitis. Diese habe sich verfestigt, sodass zwei Operationen am rechten Stimmband notwendig gewesen seien, gleichwohl seien die Auswirkungen fortgeschritten. Nicht zuletzt müssten auch ihre orthopädischen Beschwerden stärker berücksichtigt werden.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Unter dem 06.06.2012 hat Augenarzt Dr. C. von einer phasenweisen Sehminderung und einer therapiebedingten reduzierten Nahsicht berichtet und insoweit einen Einzel-GdB von 10 vorgeschlagen. Psychiater Schutt hat mit Schreiben vom 12.06.2012 von einer psychotherapeutischen Behandlung berichtet und eine rez. depr. Störung (ICD-10: F33.1) mit Somatisierungstendenz (F45.0) diagnostiziert, die er mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet hat; zusätzlich hat er - eigenanamnestisch - eine Schuppenflechte genannt. Unter dem 11.06.2012 hat HNO-Arzt Dr. D. bekundet, die Klägerin leide bei hoher beruflicher Stimmbelastung als Dozentin wegen organischer Veränderungen am Kehlkopf (chronische Laryngitis, Reinke-Ödem) erheblich an Heiserkeit und Stimmermüdung. Der Einzel-GdB dafür sei auf 20 zu schätzen. Psychiater Seibert hat mit Schreiben vom 14.06.2012 unter anderem eine Depression genannt, die mit einem Antidepressivum behandelt werde. Er hat Einzel-GdB von 40 auf psychiatrischem und von 30 wegen der Beeinträchtigungen vor allem der Wirbelsäule vorgeschlagen. Dr. B. hat (21.05.2012) angegeben, die Klägerin leide an Druckschmerzhaftigkeit an den Ellenbogengelenken, Myalgien am Schultergürtel, einer mittelstarken Einschränkung der Beweglichkeit der HWS, an mittelschweren Verdickungen an Fingerend- und -mittelgelenken und an Bewegungs- und Belastungsschmerzen an Hüft-, Knie- und Großzehengrundgelenken. Die Funktionsbeeinträchtigungen an den Füßen seien bislang nicht erfasst. Der GdB sei auf 50 zu schätzen. Letztlich hat der Allgemein- und Sportmediziner Dr. Emrich unter dem 15.08.2012 mitgeteilt, die zeitweilig stark ausgeprägten, vielseitigen Beschwerden im Rahmen beruflicher Belastungen - darunter 2010 und 2011 auch Hauterkrankungen - sprächen für eine depressive Grunderkrankung. Deren Auswirkungen seien bislang nicht ausreichend gewürdigt.
Das SG hat sodann von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 30.11.2012 bei Dr. E. erhoben. Diese Sachverständige hat bekundet, bei der Klägerin handle es sich um eine Dysthymia (F34.1), also eine chronisch depressive Verstimmung, wobei die einzelnen Phasen leichterer Depressionen und vergleichsweiser Normalität sehr unterschiedlich verteilt seien. Darüber hinaus klage die Klägerin über eine Fülle körperlicher Symptome, die sich zum Teil organisch begründen ließen, in ihrer Gesamtheit jedoch psychogen überlagert seien, sodass zusätzlich von einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (F45.1) auszugehen sei. Auf neurologischem Gebiet beständen keine Erkrankungen. Die psychischen Beeinträchtigungen hätten keine anhaltenden (Hervorhebung im Original) höhergradigen Auswirkungen auf die soziale Anpassungsfähigkeit der Klägerin. Solche lägen jedoch passager vor. Bei insgesamt wechselnder Befindlichkeit und allgemein erhöhter psychischer Vulnerabilität (Verletzlichkeit) werde insoweit ein GdB von 30 vorgeschlagen. Unter Einbeziehung der weiteren - somatisch bedingten - Beeinträchtigungen, die allerdings von untergeordneter Bedeutung seien, sei ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt.
Unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.05.2013 hat der Beklagte ausgeführt, Dr. E. könne nicht gefolgt werden. Ein vermehrter sozialer Rückzug sei nicht zu erkennen, die aus Sicht der Klägerin frustanen Arbeitsbedingungen an ihrer Hochschule seien behindertenrechtlich nicht zu berücksichtigen, die Somatisierungsneigung sei unter die seelische Störung zu fassen.
Im Mai 2013 wurde bei der Klägerin ein Blasentumor am Blasenboden/rechte Seitenwand festgestellt und am 22.05.2013 im Diakonie-Krankenhaus Heidelberg operativ entfernt. In dem OP-Bericht vom 23.05.2013 gab Urologe F. an, die postoperative Sonografie habe keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Hinweise auf eine Abflussstörung der Niere gezeigt. Die histologische Untersuchung des Tumorgewebes ergab (Bericht des Pathologen Dr. Trunk vom 04.06.2013), dass es sich um ein kleines, auf die Oberfläche beschränktes Urothelkarzinom gehandelt habe und eine Stromainvasion nicht zu erkennen sei, der Tumor sei im Stadium pTa (low grade nach WHO) entfernt worden.
Der Beklagte hat der Klägerin daraufhin unter dem 08.07.2013 angeboten, ihr im Vergleichswege zur Erledigung des Rechtsstreits ab dem 01.05.2013 einen Gesamt-GdB von 60 (wegen Hinzutretens einer Harnblasenerkrankung in Heilungsbewährung mit einem Einzel-GdB von 50) zuzuerkennen. Dieser Vergleich ist nicht zu Stande gekommen.
Von Amts wegen beauftragt hat der Orthopäde Dr. G. das Gutachten vom 19.09.2013 über die Klägerin vorgelegt. Dieser Sachverständige hat bekundet, die Klägerin leide an einem muskulären Reizsyndrom der HWS mit endgradiger Einschränkung der Vorwärtsneigefähigkeit bei degenerativen Veränderungen (Osteochondrose/Spondylose an den Segmenten C5/C6) ohne radikuläre Reizerscheinungen, an einem Lumbo-Sakral-Syndrom links mit Verdacht auf (V.a.) pseudoradikuläre Lumboischialgie ohne radikuläre Reizerscheinungen oder neurologische Ausfälle bei Spondylarthrose an den Segmenten L5/S1, an einer Daumensattelgelenksarthrose bds. ohne Funktionsbeeinträchtigung und ohne wesentliche Funktionsschmerzen sowie an einem Knick-/Senk-/Spreizfuß bds. Eine Fingerpolyarthrose liege - entgegen den Annahmen des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten - sicherlich nicht vor, das Gleiche gelte für die zeitweise angenommene Funktionsbeeinträchtigungen an Ellenbogen-, Hüft- und Kniegelenken, bei denen altersentsprechende Befunde vorlägen. An Behinderungen auf orthopädischem Fachgebiet seien - nur - anzuerkennen die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und die Daumensattelgelenksarthrose; insoweit bestehe jeweils ein GdB von 10. Die bisher angenommenen Werte seien zu hoch.
Gegen dieses Gutachten hat die Klägerin u. a. eingewandt, Dr. G. sei als Orthopäde somatisch fixiert und deshalb nicht in der Lage, ihre Beschwerden in Fingern und Armen einzuordnen. Er habe sich auch auf die körperliche Diagnostik beschränkt. Weiterhin hat sie vorgetragen, ihr Hausarzt verschreibe ihr regelmäßig Physiotherapie; hierzu hat sie noch die Bescheinigung ihres Physiotherapeuten vom 22.10.2013 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.11.2013 hat das SG den Beklagten - unter entsprechender Abänderung seiner Bescheide - verurteilt, bei der Klägerin ab dem 01.05.2013 einen GdB von 60 festzustellen; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Eine Kostenerstattung hat es nicht angeordnet. Es hat ausgeführt, in der Zeit vor Erstdiagnose (ED) des Blasentumors habe - bei "wohlwollender" Betrachtung - ein GdB von 40 bestanden. Dieser habe auf Einzel-GdB von 30 für die psychischen Beeinträchtigungen, von 20 für die Laryngitis, allenfalls von 10 für die Uveitis und je 10 für die beiden orthopädischen Behinderungen beruht. Durch das Hinzutreten der Harnblasenerkrankung in Heilungsbewährung mit einem GdB von 50 habe sich der Gesamt-GdB ab Mai 2013 auf 60 erhöht.
Mit Bescheid vom 20.01.2014 führte das LRA den Gerichtsbescheid des SG aus.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.11.2013 zugestellt, hat die Klägerin am 17.12.2013 bei dem SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, sie leide unter vielfältigen körperlichen Erkrankungen, das Schwergewicht ihrer Leiden liege jedoch im psychischen bzw. psychosomatischen Bereich. Das SG sei in Ausprägung einer somatisch überhöhten Betrachtungsweise stets von den niedrigeren Teil-GdB-Werten ausgegangen seien, soweit die Gutachter Dr. E. und Dr. G. diese Bereiche unterschiedlich beurteilt hätten. Es sei jedoch der Ansicht Dr. E.s zu folgen, es liege insgesamt ein GdB von 50 vor. Ferner behauptet die Klägerin, die Beeinträchtigungen durch die Laryngitis seien ständig vorhanden und könnten nicht ausgeheilt werden, da es ihr Beruf als Hochschulprofessorin mit sich bringe, ständig, an mehreren Tagen der Woche, über mehrere Stunden laut sprechen zu müssen. Der insoweit zuerkannte GdB von 20 liege daher im unteren Bereich. Letztlich seien auch die orthopädischen Beeinträchtigungen höher zu bewerten. Hinsichtlich der Degeneration ihrer Wirbelsäule lägen radiologische Befunde vor, die nicht ignoriert werden könnten. Insoweit sei auch auf die physiotherapeutische Behandlung hinzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14. November 2013 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung seines Bescheids vom 30. Juni 2011, des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 10. Oktober 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2012 zu verurteilen, den Grad der Behinderung der Klägerin mit mindestens 50 seit dem 24. März 2011 und mit mindestens 70 seit dem 01. Mai 2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen und Angebote. Auf psychiatrischem Gebiet habe das SG einen GdB höher als nach den früheren versorgungsärztlichen Stellungnahmen angenommen. Es sei - aber - eine stärker behindernde Störung mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen nicht festzustellen. Der Alltag und der Beruf würden bewältigt, ein sozialer Rückzug sei nicht erkennbar, zumal auch Hobbys wie Golfspielen und Fitness-Studio ausgeübt würden. Es bestehe ein intakter Freundeskreis, es werde in Urlaub gefahren und bei der Betreuung der Mutter geholfen. Auf orthopädischem Gebiet könnten nicht allein die radiologischen Befunde zu Grunde gelegt werden. Zudem ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Laryngitis höher zu bewerten sei.
Der Berichterstatter hat unter dem 17.02.2014 vorläufige Hinweise zur Rechtslage gegeben, darauf wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG).
2. Sie ist auch teilweise begründet. Das SG hätte den Beklagten auf die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) hin für die Zeit ab Mai 2013 nicht nur zur Zuerkennung eines GdB von 60, sondern eines solchen von 70 verurteilen müssen. Im Übrigen allerdings, also vor allem für die Zeit vor dem 01.05.2013, hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen, weil in dieser Zeit nur ein GdB von 40 bestand, den der Beklagte bereits festgestellt hat.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und für die Bewertung einzelner Behinderungen und der Behinderungen insgesamt und ihrer Auswirkungen auf die Teilhabe in der Gesellschaft nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG), der Anlage 1 zu der nach § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt; darauf wird, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
b) Auch der Senat ist der Ansicht, dass die behinderungsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin vor der ED der Tumorerkrankung, also bis April 2013, mit einem Gesamt-GdB von 40 (vgl. hierzu Teil A Nr. 3 VMG) angemessen bewertet waren.
aa) Die psychische Erkrankung der Klägerin ist durchgängig mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. In diesem Bereich beurteilt der Senat die Beeinträchtigungen der Kläger etwas höher als in der versorgungsärztlichten Stellungnahme Dr. H. vom 06.05.2013.
Im Bereich neurotischer Erkrankungen ist ein GdB von 30 bis 40 angemessen für stärker behindernde (psychische oder psychovegetative) Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, z. B. für ausgeprägte depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert oder somatoforme Störungen (Teil B Nr. 3.7 VMG). Aus dieser Spanne kann ein GdB von 40 - nur - vergeben werden, wenn die psychisch bedingten Einschränkungen an der Teilhabe an der Gemeinschaft bereits in Richtung einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gehen, die ihrerseits einen GdB von 50 bedingten. Auf medizinischer Ebene ist daher für einen GdB von 30 eine depressive Erkrankung nötig, also eine Krankheit aus den Gruppen F32 oder F33 der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zur Zeit in 10. Revision (ICD-10). Eine lediglich affektive Störung wie z. B. eine Dysthymia (F34.1) ist dagegen in der Regel nur als leichtere psychische oder psychovegetative Störung einzuordnen, die nach Teil B Nr. 3.7 VMG einen GdB von 0 bis 20 bedingt.
Bei der Klägerin nun kann zwar grundsätzlich eine depressive Erkrankung in diesem Sinne und damit eine stärker behindernde Störung angenommen werden. Zwar hatte die Sachverständige Dr. E. in ihrem in erster Instanz eingeholten Gutachten vom 30.11.2012 nur eine Dysthymia diagnostiziert. Sie hat aber selbst einen GdB von 30 vorgeschlagen und zur Begründung hierfür auf die Schmerzerkrankung der Klägerin verwiesen, die sie - gesondert - als undifferenzierte Somatisie-rungsstörung (F45.1) eingestuft hat. Von denjenigen Symptomen, die in dem Vorspann zu F32.- für depressive Episoden aufgelistet sind, liegen hier mehrere vor, welche die Diagnose einer leichten Depression (F32.0) begründen können: Die Klägerin hat bei der Sachverständigen glaubhaft von länger andauernden Schlafstörungen berichtet. Ihr Selbstwertgefühl (das sich bei ihr überwiegend aus ihrer Berufstätigkeit speist) ist beeinträchtigt, wie ihre Hinweise auf "Kränkungen" und "Mobbing" an der Hochschule zeigen. Und es liegen mehrere somatische Begleitsymptome vor. Die Klägerin bekundet Schmerzen, z. B. an der Wirbelsäule, die sie auch regelmäßig behandeln lässt, z. B. durch physiotherapeutische Maßnahmen. Diese Schmerzen können als psychogen verursacht eingestuft und damit der depressiven Erkrankung zugerechnet werden. Für diese Beurteilung spricht, dass sich für die Schmerzen kein organisches Substrat (Nervenwurzelreizungen, Prolaps pp) finden lässt. Dies wiederum ergibt sich vor allem aus dem ebenfalls in erster Instanz erhobenen Gutachten von Dr. G. vom 19.09.2013. Dieser hat bekundet, es beständen nur an der Wirbelsäule überhaupt somatische Beeinträchtigungen, diese seien als gering einzustufen und bedürften keiner Behandlung. An den Fingern konnte der Sachverständige nur bildgebend Veränderungen feststellen, aber keine Funktionseinschränkungen. Entsprechend hat er ausgeführt, der ursprüngliche angenommene Einzel-GdB von 20 für diese Schäden sei zu hoch gewesen. Auch die behandelnden Ärzte haben als sachverständige Zeugen keine nennenswerten rein somatisch bedingten Schmerzen beschrieben. Ferner zeitigt die genannte Behandlung keine dauerhaften Erfolge; die Schmerzen scheinen vielmehr zu persistieren. Dass die Klägerin noch voll berufstätig sein kann, wobei aber die Belastung z. B. durch Heimarbeitstage gemindert ist, und außerdem ihr privates Leben weitgehend uneingeschränkt fortführt, hindert die Diagnose einer depressiven Erkrankung nicht, wie bei F32.0 ausdrücklich erwähnt wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin medikamentös und psychotherapeutisch behandelt wird, was ebenfalls für eine depressive Episode mit echtem Krankheitswert spricht. Und letztlich kann hierfür darauf verwiesen werden, dass der behandelnde Psychiater Schutt regelmäßig eine rezidivierende depressive Erkrankung diagnostiziert, in seiner Zeugenaussage vom 12.06.2013 sogar eine solche mittleren Grades (F33.1).
Auch unter Einbeziehung dieser körperlichen Symptome der psychischen Erkrankung kann im Rahmen der stärker behindernden Störung nach Teil B Nr. 3.7 VMG aber nur ein GdB von 30 angenommen werden. Eine höhere Bewertung scheidet aus. Die psychische und die soziale Leidensdimension der Erkrankung sind weitaus weniger ausgeprägt. Die Klägerin verfügt neben ihrer vollen Berufstätigkeit noch über umfangreichere soziale Kontakte und soziale Aktivitäten wie Urlaub und Golfspielen, ein sozialer Rückzug ist nicht zu verzeichnen. Eine feste Partnerschaft besteht. Der Haushalt wird geführt. Die Klägerin hat ferner ihre auswärts wohnende Mutter betreut. Für auch nur leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten, also merkliche Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, ist nichts ersichtlich.
bb) Die Einbeziehung der Schmerzen in die Bewertung der depressiven Erkrankung wirkt sich auf die Bewertung der echten somatischen Beeinträchtigungen aus. Der Senat folgt dabei den Feststellungen und Vorschlägen des Sachverständigen Dr. G.
Dieser hat lediglich an der Wirbelsäule und an den Daumensattelgelenken überhaupt Funktionsbeeinträchtigungen gefunden, während er - im Gegensatz zu den ursprünglichen Annahmen des LRA - an Hüft- und Kniegelenken keine altersvorauseilenden Einschränkungen hat feststellen können: Die Restbeweglichkeiten der Klägerin an allen Gelenken und allen drei Segmenten der WS sind nicht eingeschränkt. Der FBA ist mit 2 cm altersgemäß, der sachverständige Zeuge Dr. Seibert hatte am 14.06.2012 sogar noch einen solchen von 0 cm bekundet. Das Schober’sche Zeichen (Entfaltbarkeit der LWS) ist entsprechend kaum eingeschränkt (10:13 cm statt allenfalls bis zu 10:15 cm bei jüngeren Probanden). Das Ott’sche Zeichen (dto. für die BWS) war bei der Messung normgerecht. Die Schultergelenke z. B. waren frei (Abduktion 175°, Anteversion 180°). Das Gleiche gilt für die Ellenbogengelenke, bei denen die Klägerin ja diffuse Schmerzen angegeben hat: Die Beugung war bis zu 140° möglich. Die Hüft- und Kniegelenke waren nach Dr. G.s Messungen frei, auch hat die Klägerin bei den Begutachtungen hierzu keine Beschwerden mehr angegeben. An der rechten Hand hat der Sachverständige bei den Fingern 3 bis 5 eine leichte Kribbelparese festgestellt, die er aber nicht als Fingerpolyarthrose eingestuft hat. Vielmehr hat er - nur - eine Daumensattelgelenksarthrose angenommen, wobei er allerdings nach seinen Ausführungen an den Daumen keine funktionellen Einbußen hat feststellen können.
Im Einklang mit den Vorschlägen Dr. G.s kann daher für die verschiedenen somatischen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet kein GdB von mehr als 10 angenommen werden. Nach Teil B Nr. 18.9 VMG führen "geringe funktionelle Auswirkungen" auch an allen drei Segmenten der Wirbelsäule nur zu einem GdB von 10. Und die Bewertung der Daumensattelgelenksarthrose mit einem GdB von 10 erscheint sogar günstig, nachdem ein solcher GdB nach Teil B Nr. 18.13 VMG erst bei der Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung oder dem Verlust von eineinhalb Daumengliedern in Betracht kommt.
cc) Die Kehlkopferkrankung der Klägerin ist zutreffend nach Teil B Nr. 7.10 mit einem GdB von 20 belegt, wobei - darauf hatte schon das SG hingewiesen - hierfür eigentlich eine "dauernde" Heiserkeit nötig ist, bei der Klägerin aber nach den Angaben der sachverständigen Zeugin Dr. D. vom 11.06.2012 nur zeitweise - nämlich "bei hoher beruflicher Stimmbelastung" - Stimmprobleme wie Heiserkeit und Stimmermüdung auftreten.
dd) Die Uveitis bedingt keinen höheren GdB als 10. Nach der MdE-Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) bei Teil B Nr. 4.3 VMG ist ein solcher GdB angemessen, wenn das Sehvermögen - mit einer Korrektur durch Sehhilfen und dauerhaft - beidseits auf einen Visus von 0,5 abgesunken ist. Bei der Klägerin nun liegen nach den Angaben der Augenärztin Dr. C. vom 06.06.2012 nur phasenweise - die Zeugin hat von einer Besserung nach zwei bis drei Wochen lokaler und systematischer Therapie gesprochen - Visusminderungen vor. Die Klägerin selbst hat hierzu angegeben, in solchen Phasen akuter Erkrankungsschübe halbiere sich ihre Sehfähigkeit. Hinzu kommen aber die weiteren Beschwerden (Schmerzen, Entzündungen) durch die Krankheit selbst, die nach den VMG gesondert neben der Sehminderung bewertet werden sollen. Insgesamt ist daher ein GdB von 10 gerechtfertigt.
ee) Die Schuppenflechte, die Psychiater Schutt (12.06.2012) in der Anamnese beschrieben hatte, ist kein Dauerzustand; auch hat sich die Klägerin auf eine solche Erkrankung nicht berufen.
ff) Ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für die Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Gebiet und einem weiteren von 20 für die Laryngitis kommt nur ein Gesamt-GdB von 40 in Betracht. Nach Teil A Nr. 3 lit. c sowie lit d Doppelbuchstabe ee der VMG ist der Gesamt-GdB durch eine Erhöhung des höchsten Einzel-GdB um jeweils 10 oder 20 oder mehr Punkte für jeden weiteren GdB zu bilden, wobei aber leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, in der Regel außer Betracht bleiben.
c) Dagegen kann für die Zeit ab ED des Blasentumors (der nach den Angaben von Dr. Trunk vom 04.06.2013 im Stadium pTA entfernt worden ist), der während der zweijährigen Heilungsbewährung nach Teil B Nr. 12.2.3, Absatz 1 VMG einen GdB von genau 50 bedingt, ein höherer Gesamt-GdB als 60 angenommen werden. Es ist nicht so, dass dieser GdB während der Heilungsbewährung vollständig in der Bewertung der vorbestehenden psychischen Erkrankung aufgeht. Auch wenn nicht unmittelbar körperliche Folgen vorhanden sind, so bestehen doch Belastungen durch Nach- und Kontrolluntersuchungen und ggfs. Einschränkungen in der Lebensführung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass während der Heilungsbewährung nach der Entfernung eines malignen Tumors auch die psychische Belastung steigt, weil z. B. zu einer vorbestehenden Depression die Angst vor einem Rezidiv kommt. Daher kann der Einzel-GdB von 50 wegen des Tumors durchaus um 10 Punkte für die fortbestehende depressive Erkrankung mit ihrem GdB von 30 erhöht werden. Hinzu kommt die ebenfalls fortbestehende Laryngitis der Klägerin mit einem unveränderten GdB von 20. Vor diesem Hintergrund nimmt der Senat an, dass der Gesamt-GdB der Klägerin ab diesem Datum bei 70 liegt.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 193 SGG. Da der Senat für die Zeit ab dem 01.05.2013 einen höheren GdB annimmt, als ihn der Beklagte nach der ED des Blasentumors während des erstinstanzlichen Verfahrens angeboten hat, war der Klägerin auch nach dem Rechtsgedanken des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Teil ihrer Kosten zuzusprechen. 4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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