L 11 KR 2105/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3967/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2105/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im sozialgerichtlichen Verfahren kann auf eine Klage des
Rentenversicherungsträgers, die sich gegen einen Bescheid
der Einzugsstelle richtet, auf ein (nicht angenommenes) Anerkennntis
der beklagten Einzugsstelle ein Anerkenntnisurteil nur ergehen, wenn
die Klage zulässig ist, weil sonst der Bestandsschutz für Verwaltungsakte
mit Drittwirkung beliebig unterlaufen werden könnte.
Der Rentenversicherungsträger hat das Recht zur Klageerhebung
verwirkt, wenn der Adressat des Verwaltungsakts nicht mehr mit einer
Erhebung der Klage durch den Rentenversicherungsträger rechnen
musste.
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.04.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1). Die Klägerin erstattet die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) im Einzelunternehmen seines Vaters (Beigeladener zu 2) in der Rentenversicherung für die Zeit ab 01.01.2001. Vorrangig streitig ist zunächst die Berechtigung des klagenden Rentenversicherungsträgers, den gegenüber dem Beigeladenen zu 1) bestandskräftig gewordenen Bescheid der beklagten Krankenkasse über die Feststellung von Versicherungsfreiheit gerichtlich anzufechten.

Der 1967 geborene Beigeladene zu 1) ist seit 01.10.1992 im Einzelunternehmen seines Vaters M. L., Chromdesign/Hochglanzmetallisierung beschäftigt. Im Oktober 2007 beantragte er bei der Beklagten die Feststellung, dass er seit 01.10.1992 im Unternehmen des Beigeladenen zu 2) keine abhängige Beschäftigung ausübe und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Beklagte leitete den Antrag betreffend den Zeitraum 01.10.1992 bis 31.12.2000 an die hierfür zuständige AOK Baden-Württemberg weiter. Diese entschied mit Bescheid vom 28.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2010, dass Versicherungspflicht im Zeitraum 01.10.1992 bis 31.12.2000 bestehe. Die dagegen zum Sozialgericht Heilbronn gerichtete Klage nahm der Beigeladene zu 1) wieder zurück (S 9 KR 1366/10).

Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 28.06.2008 an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund und teilte dieser mit, dass sie die Feststellung von Versicherungsfreiheit für den Zeitraum ab 01.01.2001 beabsichtigte. Die Clearingstelle äußerte mit Schreiben vom 24.11.2008, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nach ihrer Auffassung auch ab 01.01.2001 um eine abhängige Beschäftigung handele. Mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise bestehe kein Einverständnis.

Mit Bescheid vom 12.02.2009 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Beschäftigter und Angehöriger beim Beigeladenen zu 2) ab 01.01.2001 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege.

Am 08.06.2009 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Erstattung der geleisteten Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2008. Die Beklagte übersandte den Erstattungsantrag bezüglich der Rentenversicherungsbeiträge mit einer Mehrfertigung des Bescheids vom 12.02.2009 an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund weiter, wo dieser am 21.07.2009 einging. Diese leitete die Unterlagen an die zuständige kontoführende Klägerin weiter, wo der Vorgang am 10.08.2009 einging.

Am 09.09.2009 hat die Klägerin zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ua beantragt, den Bescheid vom 12.02.2009 aufzuheben, soweit er die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestimme und festzustellen, dass es sich bei der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in der Zeit ab 01.01.2001 um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handele. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass ihr der Bescheid vom 12.02.2009 nicht bekannt gegeben worden sei, sie habe erst am 10.08.2009 hiervon Kenntnis erhalten. Der Beigeladene zu 1) sei als Beschäftigter anzusehen.

Nachdem der Vorsitzende die Abgabe eines Anerkenntnisses angeregt hatte, hat die Beklagte mit Schreiben vom 17.04.2012 den geltend gemachten Anspruch anerkannt. Die Klägerin hat das Anerkenntnis nicht angenommen, denn in vergleichbaren Fällen sei es zu einer Doppelbelastung der Gerichtsbarkeit gekommen, wenn der beigeladene Versicherte oder Arbeitgeber mit der Entscheidung der Einzugsstelle nicht einverstanden gewesen sei.

Das SG hat sodann mit Urteil vom 19.04.2012 den Bescheid vom 12.02.2009 aufgehoben, soweit er die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmt, festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) in der Zeit ab 01.01.2001 im Unternehmen des Beigeladenen zu 2) um ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handele und die Beklagte verurteilt, die hieraus resultierenden Rentenversicherungsbeiträge einzuziehen, soweit noch nicht geschehen. Der Klage sei vollumfänglich stattzugeben, nachdem die Beklagte den Anspruch der Klägerin anerkannt habe.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 25.04.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.05.2012 eingelegte Berufung des Beigeladenen zu 1). Die Vorgehensweise des SG sei durchweg zu beanstanden. Es habe die mehrfachen Bitten um Akteneinsicht und Zustellung der Klageschrift erst unter dem 24.11.2011 teilweise erfüllt, die wesentlichen Unterlagen (Klageschrift, Beklagtenakte, Gerichtsakte) hätten noch immer gefehlt. Noch bevor der Beigeladene zu 1) überhaupt die Chance zur Stellungnahme zur Klage gehabt habe, habe das SG der Beklagten einen fragwürdigen rechtlichen Hinweis erteilt, sie solle ein Anerkenntnis ob der materiellen Rechtslage prüfen. Das SG habe sich weder mit formellen Erwägungen befasst, noch das Grundrecht des Beigeladenen zu 1) auf faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz gewahrt. Trotz Anerkenntnis der Beklagten habe es ein Sachurteil anstelle eines allenfalls zulässigen Prozessurteils erlassen. Das SG habe überdies nicht beachtet, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für zwei der drei Anträge nicht bestanden habe und der verbleibende Rest unzulässig und unbegründet sei. Die allein in Betracht kommende Aufhebung des Bescheids vom 12.02.2009 sei nicht haltbar, denn durch das Anerkenntnis sei die Klägerin klaglos gestellt, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Ein Anerkenntnis binde den Beigeladenen zu 1) nicht, auch nicht über den unzulässigen Weg eines Sachurteils unter alleiniger Berufung auf das Anerkenntnis. Der Vollzug des Anerkenntnisses, also die Aufhebung des Bescheids, könne vom Beigeladenen zu 1) mit Widerspruch und Klage angefochten werden und werde dies auch.

Im Übrigen sei die Klage wegen Verfristung unzulässig gewesen. Die "Deutsche Rentenversicherung" habe nur einen Monat nach Kenntnis von einem Beitragsbescheid Zeit, hiergegen Widerspruch zu erheben. Die "Deutsche Rentenversicherung" sei schon seit 2008 in den Entscheidungsprozess eingebunden gewesen und habe letztlich den Vorgang nach Bestandskraft an die Klägerin abgegeben. Die Kenntnis der DRV Bund sei der Klägerin zuzurechnen, denn die rein organisatorische Aufteilung in verschiedene Landesrentenversicherungen sei nach Beseitigung der Unterschiede von Angestellten und Arbeitern keine funktionelle Trennung. Die Organisation von Behörden dürfe nicht zu Nachteilen für die Bürger führen. Die Monatsfrist gelte sogar bei unterbliebener Rechtsmittelbelehrung, da der Sozialversicherungsträger als Drittbetroffener die Anfechtungsfristen kenne. Es sei von einer früheren Kenntnis der Klägerin als 10.08.2009 auszugehen. Selbst wenn die Klägerin tatsächlich erst am 10.08.2009 Kenntnis von dem Bescheid vom 12.02.2009 erhalten hätte, wäre von einer Verwirkung prozessualer Rechte der Klägerin auszugehen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe hierzu ausgeführt, dass die Gemeinsame Verlautbarung zur Behandlung von Verwaltungsakten (Beitragsbescheiden) durch die am gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger ein konsensuales Vorgehen zwischen den Sozialversicherungsträgern dokumentiere, das gegen mehrere Bestimmungen des Sozialverwaltungsverfahrensrechts verstoße. Ungeachtet § 37 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) werde den anderen Sozialversicherungsträgern nicht stets sondern nur in Ausnahmefällen der Verwaltungsakt über die Sozialversicherungspflicht bekannt gegeben. Es müsse daher aufgrund des Verhaltens der betroffenen Sozialversicherungsträger von einer Verwirkung prozessualer Rechte ausgegangen werden, wenn sich drittbetroffene Träger darauf beriefen, noch innerhalb der Jahresfrist Klage gegen Bescheide der Einzugsstelle über den versicherungsrechtlichen Status eines Erwerbstätigen erheben zu dürfen, die ihnen nicht sogleich im Zusammenhang mit dem Erlass solcher Bescheide bekannt gegeben worden seien, sondern von denen sie erst später Kenntnis erlangt hätten (unter Hinweis auf BSG 03.07.2013, B 12 KR 8/11 R). Die Klägerin habe die vorherige Beteiligung abbedungen, so dass das Anfechtungsrecht entfallen sei. Die Gemeinsame Verlautbarung sei auch der Klägerin zuzurechnen, da die beteiligte Deutsche Rentenversicherung Bund seit der Organisationsreform vom 01.10.2005 verbindlich die ehemaligen Landesversicherungsanstalten und damit auch die Klägerin ua bei Grundsatzfragen und bei Besprechungen vertrete, wie sich aus § 138 Abs 1 Nr 1, 4 c-e, Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ergebe.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.04.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Bescheid vom 12.02.2009 sei weder der Clearingstelle der DRV Bund noch der Klägerin bekannt gegeben worden. Der Bescheid habe gegenüber dem Rentenversicherungsträger auch keine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis auf die sofortige Klagemöglichkeit nach § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) enthalten, so dass die Jahresfrist gelte. Diese beginne frühestens mit Eingang der Entscheidung beim Rentenversicherungsträger, also am 21.07.2009; der Klägerin selbst sei der Bescheid erst am 10.08.2009 bekannt geworden. Im Übrigen gelte der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber der DRV Bund nicht auch als Bekanntgabe gegenüber der Klägerin, denn es handele sich nicht um denselben Beteiligten oder Leistungsträger. Der vorliegende Sachverhalt sei auch nicht vergleichbar mit dem vom BSG am 03.07.2013 entschiedenen Fall. Dort habe der Kläger nach den Ausführungen des BSG nicht mehr damit rechnen müssen, dass der ihm gegenüber bestandskräftig gewordene Bescheid nach eineinhalb Jahren noch angefochten werde. Hier sei wesentlich früher Klage erhoben worden. An der hier maßgebenden Gemeinsamen Verlautbarung in der modifizierten Fassung vom 21.11.2006 sei die Klägerin nicht beteiligt gewesen. Zudem könne die Einzugsstelle nach der Gemeinsamen Verlautbarung vor Erteilung des Bescheids eine mit dem beteiligten Fremdversicherungsträger abgestimmte Entscheidung herbeiführen. Zuständig sei hier als der für die Prüfung des Arbeitgebers zuständige Rentenversicherungsträger die Klägerin. Diese sei jedoch nicht an der Statusfeststellung beteiligt worden, sondern die Clearingstelle der DRV Bund sei gutachtlich gehört worden.

Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Rechtsauffassung der Klägerin angeschlossen, aber keinen Sachantrag gestellt. Der Beigeladene zu 2) hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beigeladenen zu 1) hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte und auch ansonsten statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig und in der Sache auch begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtswidrig und verletzt den Beigeladenen zu 1) in seinen Rechten. Das SG hätte die Klage als unzulässig abweisen müssen.

Von der prozessualen Ausgangssituation her lag im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem SG ein Anerkenntnis der Beklagten vor, das die Klägerin bewusst nicht angenommen hat. Nur das angenommene Anerkenntnis erledigt nach § 101 Abs 2 SGG den Rechtsstreit in der Hauptsache. Auf ein Einverständnis des Beigeladenen kommt es dabei nicht an, die Hauptbeteiligten können das Verfahren auch gegen den Willen des notwendig Beigeladenen beenden (BSG 30.06.1977, 12/3 RK 91/75, SozR 1500 § 101 Nr 5). Der Beigeladene wird durch dieses Anerkenntnis jedoch nicht gebunden, er kann gegen den Umsetzungsbescheid Widerspruch einlegen und Klage erheben (so die Konstellation im Verfahren des BSG (03.07.2013, B 12 KR 8/11 R, SozR 4-1500 § 66 Nr 4)). Dies war der Grund für die Klägerin, das Anerkenntnis nicht anzunehmen.

Liegt ein nicht angenommenes Anerkenntnis vor, kann das SG ein Anerkenntnisurteil erlassen (§ 202 SGG iVm § 307 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO); BSG 22.09.1977, 5 RKn 18/76, SozR 1750 § 307 Nr 1). Für den Erlass einer streitigen Entscheidung, wie vom SG hier vorgenommen, ist dagegen kein Raum mehr. Mit dem Anerkenntnis ist es dem Gericht verwehrt, den ihm ursprünglich vorgelegten Streitstoff zu überprüfen (Bundesgerichtshof (BGH) 08.10.1953, III ZR 206/51, BGHZ 10, 333). Über den Umweg eines unzulässigen Sachurteils kann daher bei einem nicht angenommenen Anerkenntnis keine Bindung des Beigeladenen erreicht werden.

Auch ein Anerkenntnisurteil kann jedoch nur ergehen, wenn die Prozessvoraussetzungen vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klagevoraussetzungen sind auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, Vor § 143 RdNr 2d). Im Zivilprozess können die Parteien mit einem Anerkenntnis grundsätzlich nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, so dass diese auch im Fall eines Anerkenntnisses vom Gericht zu prüfen sind (BGH 10.11.2009, XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275). Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt dies jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Rentenversicherungsträger einen von der Einzugsstelle erlassenen Bescheid angreift. Die beklagte Einzugsstelle darf auf eine Klage des Rentenversicherungsträgers ein Anerkenntnis nur abgeben, wenn die Klage zulässig ist, sonst könnte der Bestandsschutz für Verwaltungsakte mit Drittwirkung beliebig unterlaufen werden (vgl Steinwedel in KassKomm § 49 SGB X Rdnr 5).

Die Klägerin war dem Grunde nach zur Einlegung der Klage befugt, da sie durch die getroffene Feststellung der Beklagten im Bescheid vom 12.02.2009, dass keine Rentenversicherungspflicht bestehe, beschwert ist. Das BSG hat die Klagebefugnis des Rentenversicherungsträgers zur Anfechtung des die Rentenversicherungspflicht betreffenden feststellenden Bescheides der Einzugsstelle bereits unter Geltung der Regelungen der Reichsversicherungsordnung (vgl BSG 27.09.1961, 3 RK 74/59, BSGE 15, 118, 125 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO) und auch für Klagen des Rentenversicherungsträgers gegen Entscheidungen der Einzugsstelle nach § 28h Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) bejaht (BSG 01.07.1999, B 12 KR 2/ 99 R, BSGE 84, 136, 139 ff = SozR 3-2400 § 28 h Nr 9). An dieser Rechtsprechung hat es auch aktuell festgehalten und für die Klagebefugnis eines Rentenversicherungsträgers allein darauf abgestellt, ob der Bescheid – wie hier - Regelungen zur Rentenversicherungspflicht trifft, die Ansprüche auf die Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen und Leistungspflichten begründen können (BSG 28.09.2011, B 12 KR 15/10 R, juris).

Die Klägerin hat das Recht zur Klageerhebung jedoch im vorliegenden Fall verwirkt. Durch die ihr zuzurechnende Gemeinsame Verlautbarung hat die Klägerin mit dazu beigetragen, dass ihr der Bescheid vom 12.02.2009 nicht – wie gesetzlich in § 37Abs 1 SGB X vorgesehen – zeitgleich mit der Bekanntgabe an den Beigeladenen zu 1) bekannt gegeben worden ist. Soweit dies im Nachgang noch festzustellen ist, geht der Senat davon aus, dass die DRV Bund am 21.07.2009 und die Klägerin am 10.08.2009 Kenntnis von dem Bescheid erhalten hat. Ob die Kenntnis der DRV Bund der Klägerin dabei zuzurechnen ist, kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben, da jedenfalls der Beigeladene zu 1) mehr als ein halbes Jahr, nachdem der Bescheid vom 12.02.2009 ihm gegenüber bestandskräftig geworden ist, nicht mehr mit einer Anfechtung durch die Klägerin rechnen musste. Abzustellen ist im vorliegenden Fall nicht auf den Eingang der Kopie des Bescheids im Rahmen des Erstattungsverfahrens, sondern auf einen früheren fiktiven Fristbeginn unter Zugrundelegung einer auf § 37 Abs 1 Satz 1 SGB X zu stützenden Bekanntgabe. Denn die Einzugsstelle ist verpflichtet, den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht oder –freiheit allen Beteiligten (auch Sozialversicherungsträgern) bekanntzugeben (BSG 01.07.1999, B 12 KR 2/99 R, BSGE 84, 136 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9). Dieser Pflicht ist sie jedoch im Rahmen eines konsensualen Vorgehens der Sozialversicherungsträger nicht nachgekommen.

Die Gemeinsame Verlautbarung zur Behandlung von Verwaltungsakten (Beitragsbescheiden) durch die am gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger vom 21.11.2006, an der ua die DRV Bund (für die Klägerin nach § 138 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 4 Buchst c-e,Abs 2 SGB VI verbindlich) beteiligt war, hat ua folgenden Inhalt: "1 Allgemeines Ein Verwaltungsakt über Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit oder eine nicht bestehende Versicherungspflicht ist in der Regel ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, der als begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 Abs 2 SGB X grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann. Nach Ablauf von zwei Jahren kann ein solcher Verwaltungsakt nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 3 Sätze 2 und 3 SGB X zurückgenommen werden. Dies gilt auch für den versicherungsrechtlichen Status von Erwerbspersonen nach § 7a Abs 1 SGB IV. Der Träger der Rentenversicherung kann bei einer Betriebsprüfung, die allgemein nur alle vier Jahre stattfindet, somit einen von der Einzugsstelle vor mehr als zwei Jahren erlassenen (fehlerhaften) begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in der Regel nicht mehr zurücknehmen. Der durch den Verwaltungsakt beschwerte Fremdversicherungsträger ist aber befugt, den Verwaltungsakt anzufechten, um dessen Rücknahme nach § 49 SGB X zu erwirken. Die Anfechtungsfristen laufen für jeden Beteiligten (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Versicherungsträge) gesondert von der Bekanntgabe des Verwaltungsakts bzw der Zustellung des Widerspruchsbescheides an (vgl Urteil BSG vom 01.07.1999 – B 12 KR 2/99 RBSGE 84, 136 – 147, USK 9939). Für die den Beteiligten mit Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gegebenen Verwaltungsakte gilt eine Anfechtungsfrist von einem Monat. Bei Erlass eines nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides, der den Beteiligten zu unterschiedlichen Zeiten bekannt gegeben, aber noch innerhalb der Jahresfrist angefochten wird, ist § 49 SGB X anzuwenden. Allerdings unterliegt der den Verwaltungsakt erlassende Versicherungsträger nach Auffassung des Bundessozialgerichts grundsätzlich der Pflicht, seinen Verwaltungsakt mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und allen Beteiligten gleichzeitig bekannt zu geben, um Unsicherheiten unter den Beteiligten, vor allem beim Arbeitgeber, in Grenzen zu halten. Sofern dies nicht geschieht, können Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers in Frage kommen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt Beiträge nachgefordert werden und anschließend auf Grund des § 28g SGB IV die Arbeitnehmeranteile nicht mehr einbehalten werden können. 3 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes gegenüber dem betroffenen Fremdversicherungs- träger Ein Verwaltungsakt kann von dem Fremdversicherungsträger nur dahingehend überprüft werden, ob er in sich logisch und richtig ist. Ob ein Verwaltungsakt der tatsächlichen Sach- und Rechtslage entspricht, könnte der Fremdversicherungsträger nur dann prüfen, wenn ihm alle zur Entscheidungsfindung notwendigen Unterlagen übersandt würden und er ggf. ergänzende Ermittlungen zum Sachverhalt vornähme. Entsprechende Ermittlungen können die Rentenversicherungsträger im Beitragsverfahren aber nur im Rahmen der Betriebsprüfung vornehmen. Die Bundesanstalt für Arbeit hat im Beitragsverfahren ohnehin keine eigenständiges Prüfungsrecht. Auf Grund der Zuständigkeitszuweisungen und Ermächtigungsnormen im Versicherungs- und Beitragsrecht gilt deshalb folgender Grundsatz: Der einen Verwaltungsakt erlassende Versicherungsträger übersendet dem beteiligten Fremdversicherungsträger - ungeachtet des § 37 Abs 1 SGB X - diesen Bescheid nur dann, wenn - dies im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist oder - die Übersendung auf Grund der Rechtsstellung des Fremdversicherungsträgers (als Einzugsstelle oder Prüfinstitution) erforderlich ist oder - der Fremdversicherungsträger, der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bzw Auftraggeber oder Auftragnehmer dies ausdrücklich verlangt. Gegenüber dem Fremdversicherungsträger soll grundsätzlich keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt werden. 3.2 Übersendung von Verwaltungsakten an den Träger der Rentenversicherung Die Einzugsstelle übersendet dem Träger der Rentenversicherung eine Mehrfertigung des Verwaltungsaktes nur dann, wenn - der Verwaltungsakt von der in gemeinsamen Verlautbarungen, Rundschreiben, Grundsätzen oder Niederschriften der Spitzenorganisationen vertretenen Auffassung abweicht oder - sie nach Anhörung des Rentenversicherungsträgers (vgl Abschnitt 4) eine von dessen Auffassung abweichende Entscheidung trifft oder - der zuständige Rentenversicherungsträger im Einzelfall bzw zu besonderen Fallgestaltungen die Übersendung verlangt oder - der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bzw Auftraggeber oder Auftragnehmer die Übersendung im Einzelfall ausdrücklich verlangt. Die Übersendung soll zeitgleich mit der Bekanntgabe des Bescheides gegenüber dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw Auftraggeber oder Auftragnehmer vorgenommen werden. Die entscheidungsbegründenden Unterlagen sollen in Ablichtung beigefügt werden. Zuständig ist der für die Prüfung des Arbeitgebers nach § 28p SGB IV verantwortliche Rentenversicherungsträger. Hat dieser Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, leitet er dem nach den §§ 125 ff SGB VI kontoführenden Rentenversicherungsträger eine Mehrfertigung zu. Soweit die Übersendung im Einzelfall bzw zu besonderen Fallgestaltungen von einem Rentenversicherungsträger verlangt wird, ist die Mehrfertigung des Verwaltungsaktes an diesen zu senden. 4 Abstimmung der Rechtsauffassung unter den Versicherungsträgern vor Erteilung eines Verwaltungsaktes In besonders schwierigen Fällen (Ausnahmefällen), in denen nach umfassender Sachaufklärung durch den für die Entscheidung zuständigen Versicherungsträger - zur versicherungsrechtlichen Beurteilung unterschiedliche Auffassungen vermutet werden (z.B. weil nach dem Sachverhalt die Kriterien für eine selbständige Tätigkeit und eine abhängige Beschäftigung in etwa gleichgewichtig erfüllt sind) und - auf Versicherungsfreiheit oder eine nicht bestehende Versicherungspflicht entschieden werden soll, kann die Einzugsstelle bzw der Rentenversicherungsträger vor der Erteilung des Beitragsbescheides eine mit dem beteiligten Fremdversicherungsträger abgestimmte Entscheidung herbeiführen. Im Abstimmungsverfahren sollen dem Fremdversicherungsträger der Entwurf des beabsichtigten Beitragsbescheides und die entscheidungsbegründenden Unterlagen in Ablichtung zur Stellungnahme übersandt werden ... Zuständiger Fremdversicherungsträger ist - die Einzugsstelle, die zuletzt bzw aktuell gewählt wurde oder die kraft Gesetzes zuständig ist (§ 28i SGB IV) - der für die Prüfung des Arbeitgebers zuständige Rentenversicherungsträger, - die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, in deren Bezirk die Stelle ihren Sitz hat, die den Verwaltungsakt erlassen möchte. 6 Anfechtung von Beitragsbescheiden durch den Fremdversicherungsträger Die Fremdversicherungsträger verzichten auf die Anfechtung von (fehlerhaften) Verwaltungsakten, die - gegenüber dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bereits bestandskräftig geworden sind und - dem Fremdversicherungsträger gemäß dieser Verlautbarung nicht zu übersenden waren. Dies gilt sowohl für die mit als auch für die ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsakte. Der allgemeine Anfechtungsverzicht erstreckt sich somit nicht auf Verwaltungsakte, die dem Fremdversicherungsträger entgegen Abschnitt 3.1 bis 3.3 nicht oder im Wesentlichen nicht zeitgleich übersandt wurden. Der allgemeine Anfechtungsverzicht erstreckt sich auch nicht auf Fälle, in denen der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer den Fremdversicherungsträger zur Anfechtung des ihm gegenüber bestandskräftigen Beitragsbescheides veranlasst."

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Gemeinsame Verlautbarung bei der Frage, ob einer rechtzeitigen Klageerhebung durch die Klägerin als drittbetroffenem Versicherungsträger Verwirkungsgesichtspunkte entgegenstehen, mit zu würdigen. Der Inhalt der Gemeinsamen Verlautbarung dokumentiert insoweit an mehreren Stellen ein konsensuales Verhalten zwischen Sozialversicherungsträgern, das gegen mehrere gesetzliche Bestimmungen des Sozialverwaltungsverfahrensrechts verstößt (dazu im Einzelnen BSG 03.07.2013, aaO). Der Beigeladene zu 1) konnte davon ausgehen, dass die Beklagte sich im Rahmen des damaligen Verwaltungsverfahrens gesetzeskonform verhielt, nämlich die Hinzuziehungsregelungen des § 12 SGB X, die Pflicht zur Erteilung einer allen Beteiligten und Betroffenen gegenüber inhaltlich zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung des § 36 SGB X sowie die Pflicht zur Bekanntgabe des Verwaltungsakts nach § 37 Abs 1 Satz 1 SGB X beachten würde. Danach hätte der Klägerin der Bescheid vom 12.02.2009, der am gleichen Tag an den Beigeladenen zu 1) abgesandt wurde, zeitgleich und mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung bekannt gegeben werden müssen. Mehr als ein halbes Jahr nach der eigentlich auch gegenüber der Klägerin vorzunehmenden Bekanntgabe musste der Beigeladene zu 1) nicht mehr damit rechnen, dass dieser Bescheid von der Klägerin noch angefochten werden würde.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie nach Ziffer 4 der Gemeinsamen Verlautbarung am Verwaltungsverfahren hätte beteiligt werden müssen und ihr entsprechend auch nach Ziffer 3.2 zweiter Spiegelstrich der Bescheid hätte bekannt gegeben werden müssen. Die Regelung in Ziffer 4 sieht die Beteiligung des zuständigen Rentenversicherungsträgers – hier die Klägerin – nur in Ausnahmefällen vor, zudem ist es nach dem Wortlaut der Einzugsstelle freigestellt ("kann"), ob sie tatsächlich eine abgestimmte Entscheidung herbeiführen will. Bei einer derartig offenen Regelung im Innenverhältnis zwischen den Versicherungsträgern in Abweichung von der gesetzlichen Vorschrift kann die Klägerin nicht geltend machen, nur durch eine falsche Handhabung der Gemeinsamen Verlautbarung sei es zu einer Verletzung ihrer Verfahrensrechte gekommen, so dass eine Verwirkung ausscheide. Der Beigeladene zu 1) kann sich vielmehr auf die ihm gegenüber eingetretene Bestandskraft des Bescheids vom 12.02.2009 verlassen, denn die Klage der Klägerin ist aus den vorgenannten Erwägungen unzulässig.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 197a SGG, die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren auf § 193 SGG. Kostenprivilegiert sind nach § 183 SGG Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Bei dem erstinstanzlichen Verfahren handelt es sich daher um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG. Aus Gründen der Billigkeit sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) im Klageverfahren der Klägerin aufzuerlegen (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung). Im Berufungsverfahren ist der Beigeladene zu 1), der als Versicherter kostenprivilegiert ist, Rechtsmittelführer. Für ihn gilt daher die Kostenfreiheit (BSG 13.04.2006, B 12 KR 21/05 R, SozR 4-1500 § 193 Nr 2; BSG 29.05.2006, B 2 U 391/05 B, SozR 4-1500 § 193 Nr 3).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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