Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 1445/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4961/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der 1961 geborene Kläger stellte am 13.02.2006 einen Erstantrag nach § 69 SGB IX. Mit Bescheid vom 03.04.2006 entsprach das Landratsamt W. (LRA) dem Antrag auf Feststellung des GdB und Ausstellung eines entsprechenden Ausweises nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Feststellung nach § 69 Abs. 1 SGB IX sei nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliege. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, Gebrauchseinschränkung der rechten Hand, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule" bedingten keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stellten deshalb keine Behinderung im Sinne des SGB IX dar. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "verheilter Wirbelbruch" habe nicht nachgewiesen werden können.
Am 15.06.2010 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Feststellung des GdB und Ausstellung eines entsprechenden Ausweises. Mit seinem Einverständnis zog das LRA den Entlassungsbericht der Rehaklinik H., B., vom 01.06.2010 bei, der mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.07.2010 ausgewertet wurde.
Mit Bescheid vom 08.07.2010 stellte das LRA den GdB mit 30 seit 01.11.2009 fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Teillähmung des linken Wadenbeinnervs, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10), depressive Verstimmung (Teil-GdB 10). Die Auswirkung dieser Funktionsbeeinträchtigungen sei mit dem festgestellten GdB von 30 bewertet worden. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "Verdacht auf metabolisches Syndrom, Unfallfolgen an der rechten Hand" würden keine Funktionsbeeinträchtigung bedingen bzw. stellten keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 dar und sei deshalb keine Behinderung im Sinne des SGB IX.
Dagegen legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, beim Kläger lägen weitere Beschwerden wie Nackenbeschwerden, Fehlhaltung und eine schwere Depression als Folge des Verkehrsunfalles vor, weshalb der GdB mit mindestens 50 festzustellen sei.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.01.2011 wurde ausgeführt, der Umfang der beim Autounfall vom 05.05.2005 erlittenen Funktionsstörungen ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der B.-Klinik Bad K. vom 17.02.2006. Außerdem sei der Entlassungsbericht der Rehaklinik H. vom 01.06.2010 ausgewertet worden. Danach seien die noch vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen vollständig berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2011 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 18.03.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren, den GdB mit 50 seit 01.11.2009 festzustellen. Zur Begründung legte er verschiedene Arztberichte vor.
Das SG hörte Dr. B. - Facharzt für Orthopädie-Unfallchirurgie - und den Praktischen Arzt H. A. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. teilte am 05.09.2011 mit, er habe beim Kläger eine Fußheberschwäche, einen Diskusschaden L4/5 sowie eine Keilwirbeldeformierung BWK12 festgestellt. H. A. berichtete, Befund und Diagnose ergäben sich aus dem Bericht der Rehaklinik H. vom 01.06.2010. Beim Kläger seien die Behinderungen seines Erachtens vollständig bezeichnet worden. Der GdB sei aus hausärztlicher Sicht mit 50% zu veranschlagen (Aussage vom 01.02.2012).
Mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Kläger habe dem Gericht zwar eine Fülle von Befundunterlagen vorgelegt, diese datierten jedoch sämtlich aus der Zeit vor dem Reha-Entlassungsbericht vom 01.06.2010. Die Frage des Gerichts, ob sich der Kläger seit Ende 2010 in nervenärztlicher Behandlung befinde, sei nicht beantwortet worden. Mithin bleibe dem Gericht lediglich die Auswertung des Reha-Entlassungsberichts vom 01.06.2010. Unter Berücksichtigung der dort beschriebenen Befunde sei die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Am linken Bein werde eine freie Beweglichkeit der Kniegelenke ohne dauerhaften Reizzustand beschrieben, allerdings mit gewissen Bewegungs-, Belastungs- und Druckbeschwerden insbesondere hinter der linken Kniescheibe. Daneben bestehe eine Fußheberschwäche Kraftgrad III und eine Zehenheberschwäche Kraftgrad II. Dies rechtfertige einen GdB von 30. Hierbei sei insbesondere die Fußheberschwäche berücksichtigt worden. Weitere wesentliche Behinderungen seien dem Reha-Entlassungsbericht nicht zu entnehmen, sodass der seitens des Beklagten jeweils angenommene Teil-GdB von jeweils 10 für den Wirbelsäulen- und Bandscheibenschaden einerseits und für die depressive Verstimmung andererseits angemessen erscheine.
Gegen den - dem Bevollmächtigten des Klägers am 29.10.2012 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 29.11.2012 Berufung eingelegt. Er verfolgt das Begehren des Klägers weiter und trägt ergänzend vor, beim Kläger seien nicht sämtliche Beschwerden berücksichtigt worden. Konkret leide der Kläger zusätzlich an beidseitigen Hüft- und Kniebeschwerden. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des den Kläger behandelnden Orthopäden Dr. B. vom 20.03.2012. Nicht hinreichend berücksichtigt worden sei der vorhandene Bandscheibenvorfall, welcher den Kläger erheblich beeinträchtige. Aufgrund dieses Bandscheibenvorfalls könne der Kläger seine Hobbys nicht mehr ausüben. Folge hiervon sei eine tiefe psychologische Krise, was zu einer tiefen Depression geführt habe. Zu einer fachärztlichen Behandlung sei der Kläger diesbezüglich nicht mehr in der Lage. Dies ändere aber nichts daran, dass der Kläger aufgrund des unverschuldeten Verkehrsunfalles vom 05.05.2005, bei welchem der Unfallverursacher verstorben sei, eine tiefe psychologische Krise/Depression erlitten habe und diese sich zwischenzeitlich chronifiziert habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, wegen seiner Depression sei er im November 2013 bei einem Arzt in S. gewesen. An den Namen des Arztes könne er sich nicht erinnern. Er habe ihm zu einer Kur geraten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2012 aufzuheben, den Bescheid vom 8. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 50 seit dem 1. November 2009 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. B. und H. A. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. B. hat dem Gericht am 10.05.2013 mitgeteilt, der Kläger sei nach dem 05.09.2011 bei ihm am 20.03. und 18.04.2012 behandelt worden. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Epicondylitis am linken Ellenbogengelenk; Knieschmerzen; Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte und einen Knorpelschaden. Eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes seit 2012 sei nicht eingetreten. Der praktische Arzt H. A. hat dem Senat mit Schreiben vom 23.09.2013 berichtet, aufgrund der Folgen des Polytraumas sei beim Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom mit depressiver Entwicklung entstanden und von daher sei eine Verschlimmerung eingetreten. Beigefügt ist dem Schreiben der Bericht der M. S.-Klinik, Bad B. /B. , vom 18.09.2013, in der der Kläger vom 10.09. bis 19.09.2013 stationär behandelt worden war, und außerdem der Entlassungsbericht der Z.-Klinik, St. B. , vom 26.06.2013 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 29.05. bis 19.06.2013. Diese Unterlagen sind mit einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.10.2013 ausgewertet worden. Darin wird darauf hingewiesen, dass eine anhaltende stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht vorliege. Ausdrücklich werde im Entlassungsbericht der Z.-Klinik ausgeführt, dass der Kläger bei Entlassung einen psychisch ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht habe und arbeits- und vollschichtig leistungsfähig sei. Bisher sei für eine Teillähmung des linken Wadenbeinnervs (Nervus peronaeus) und das linke Kniegelenk ein Teil-GdB von 30 angenommen worden. Dieser Teil-GdB müsse bei Mitberücksichtigung des Kurzbriefes der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 als zu weitreichend angesehen werden. In diesem Bericht werde eine Großzehen- und Fußheberschwäche links des Kraftgrades IV angegeben, wobei V bereits einer normalen Kraft entspreche, allerdings werde ausgeführt, dass dieser Befund diskrepant mit dem beidseits kräftigen Muskelrelief der Wadenmuskulatur sei. Intermittierend habe sich auch eine gute Fuß- und Zehenhebung links ergeben. Auch elektrophysiologisch habe sich kein Hinweis für eine periphere Nervenschädigung als Ursache der Fußheberschwäche ergeben. Eine ausgeprägtere Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks bestehe ansonsten nicht. Unter diesen Gesichtspunkten werde vorgeschlagen, den bisherigen Teil-GdB von 30 für die linke untere Extremität auf 20 zu korrigieren. Möglicherweise würden auch hier somatisierte psychische Beschwerden eine Rolle spielen. Diese könnten mit der Erhöhung des bisherigen Teil-GdB von 10 auf 20 auf psychischem Gebiet entsprechend berücksichtigt werden. Im Ergebnis ändere sich aber nichts am bisherigen Gesamt-GdB von 30.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 08.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) soweit vorliegend relevant inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend begründen die beim Kläger nachgewiesenen Funktionsstörungen zur Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 30.
Die beim Kläger nachgewiesene Teillähmung des linken Wadenbeinnervs und die schmerzbedingte Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks ist mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Ein Kniescheibenbruch ohne Funktionseinschränkung des Streckapparates wird mit einem GdB 10 (Teil B Nr. 18.14 der VG) und ein vollständiger Ausfall des Nervus peronäus mit einem GdB 20-30 (VG a.a.O.) bewertet.
Ein vollständiger Ausfall des Wadenbeinnervs wird von keinem Arzt angegeben. Aus der diagnostizierten Teillähmung resultiert zuletzt eine gebesserte Funktionsbeeinträchtigung. Wie sich dem Entlassungsbericht der Rehaklinik H. B. vom 01.06.2010 entnehmen lässt, war eine Fußhebung links nicht möglich und es bestand eine Fußheberschwäche Kraftgrad III, Zehenheberschwäche Kraftgrad II. Im Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 wird hingegen eine Großzehen- und Fußheberschwäche links des Kraftgrades IV angegeben, woraus sich eine Besserung gegenüber den Befunden vom Juni 2010 ableiten lässt. Bei der Zunahme des Kraftgrades von III auf IV ist zu berücksichtigen, dass der Kraftgrad V bereits einer normalen Kraft entspricht. Des Weiteren lässt sich aus dem Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 entnehmen, dass die Fuß- und Zehenhebung ausschließlich links eingeschränkt ist und dass rechts keine Parese besteht. Unter Berücksichtigung der nach wie vor und unverändert bestehenden Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (retropatellares Reiben, mangelnde Mobilität der Patella mit Schiebe- und Anspannschmerz, aber ohne Meniskusschaden, Bandinstabilität, Ergussbildung oder Übererwärmung bei freier Kniegelenksbeweglichkeit – vgl. Berichte der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 und der Z.-Klinik vom 26.06.2013), gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass hierfür ein Teil-GdB von über 30 nicht gerechtfertigt ist.
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden sind zutreffend mit einem Teil-GdB von 10 bewertet worden. Hierbei handelt es sich um den Zustand nach Deckplattenimpression von BWK 12. Aufgrund dessen liegt beim Kläger ein erhöhter Tonus der paravertebralen LWS-Muskulatur und eine deutliche Verspannung der Nacken- und Schultermuskulatur vor, wie dies im Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 beschrieben worden ist.
Die vom Kläger geltend gemachten psychischen Beschwerden sind mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass im Entlassungsbericht der Z.-Klinik ausgeführt ist, dass der Kläger bei Entlassung einen psychisch ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht hat und als arbeits- und vollschichtig leistungsfähig entlassen worden ist. Dies steht in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013, wonach der Kläger aus der stationären Behandlung (10.09. bis 19.09.2013) ebenfalls als arbeitsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten teils im Sitzen, teils im Stehen oder Sitzen entlassen worden ist. Soweit in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.10.2013 wegen Mitberücksichtigung einer chronische Schmerzstörung (Somatisierungsstörung) vorgeschlagen worden ist, den GdB hierfür auf 20 zu erhöhen, folgt der Senat dem nicht. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass im Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 lediglich der Verdacht auf eine Anpassungsstörung mit depressiver Entwicklung gestellt worden ist, weshalb eine psychosomatische Abklärung befürwortet worden ist. In nervenärztlicher Behandlung steht der Kläger jedoch nach seinen Angaben vom 23.04.2013 nicht bzw. seit 2010 nicht mehr, wie er dies gegenüber dem SG am 14.04.2011 mitgeteilt hat. Seine Behauptung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, im November 2013 einmal einen Arzt in S. aufgesucht zu haben, lässt ebensowenig erkennen, dass fachärztlich betreute Behandlungsmaßnahmen durchgeführt wurden bzw. angezeigt wären. Dem Entlassungsbericht der Z. Klinik vom 26.06.2013 lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Kläger bei Entlassung einen psychisch ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Eindruck machte. Aufgrund dessen ist zur Überzeugung des Senats ein Teil-GdB von 10 hierfür angemessen, denn etwaige schmerzbedingte Einschränkungen sind bei der jeweiligen GdB-Bewertung des betroffenen Organs berücksichtigt worden, weshalb es auch einer weiteren Abklärung auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet nicht bedarf.
Ausgehend von einem Teil-GdB von 30 für "Teillähmung des linken Wadenbeinnervs, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks" sowie einem Teil-GdB von 10 für "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden" und einem weiteren Teil-GdB von 10 für "depressive Verstimmung" ist der Gesamt-GdB mit 30 zu bilden. Damit erweist sich der angefochtene Bescheid des Beklagten als rechtmäßig.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Die erstmalige Behauptung einer Untersuchung im November 2013 hat den Senat nicht zur weiteren Aufklärung gedrängt, denn weder hat der Kläger den Arzt und seine Fachrichtung benennen können noch sind aus der Untersuchung verwertbare Befunde berichtet worden oder therapeutische Konsequenzen erfolgt. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen daher für geklärt. Einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt.
Die Berufung des Klägers konnte keinen Erfolg haben, weshalb sie mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen war.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der 1961 geborene Kläger stellte am 13.02.2006 einen Erstantrag nach § 69 SGB IX. Mit Bescheid vom 03.04.2006 entsprach das Landratsamt W. (LRA) dem Antrag auf Feststellung des GdB und Ausstellung eines entsprechenden Ausweises nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Feststellung nach § 69 Abs. 1 SGB IX sei nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliege. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, Gebrauchseinschränkung der rechten Hand, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule" bedingten keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stellten deshalb keine Behinderung im Sinne des SGB IX dar. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "verheilter Wirbelbruch" habe nicht nachgewiesen werden können.
Am 15.06.2010 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Feststellung des GdB und Ausstellung eines entsprechenden Ausweises. Mit seinem Einverständnis zog das LRA den Entlassungsbericht der Rehaklinik H., B., vom 01.06.2010 bei, der mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.07.2010 ausgewertet wurde.
Mit Bescheid vom 08.07.2010 stellte das LRA den GdB mit 30 seit 01.11.2009 fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Teillähmung des linken Wadenbeinnervs, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10), depressive Verstimmung (Teil-GdB 10). Die Auswirkung dieser Funktionsbeeinträchtigungen sei mit dem festgestellten GdB von 30 bewertet worden. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "Verdacht auf metabolisches Syndrom, Unfallfolgen an der rechten Hand" würden keine Funktionsbeeinträchtigung bedingen bzw. stellten keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 dar und sei deshalb keine Behinderung im Sinne des SGB IX.
Dagegen legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, beim Kläger lägen weitere Beschwerden wie Nackenbeschwerden, Fehlhaltung und eine schwere Depression als Folge des Verkehrsunfalles vor, weshalb der GdB mit mindestens 50 festzustellen sei.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.01.2011 wurde ausgeführt, der Umfang der beim Autounfall vom 05.05.2005 erlittenen Funktionsstörungen ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der B.-Klinik Bad K. vom 17.02.2006. Außerdem sei der Entlassungsbericht der Rehaklinik H. vom 01.06.2010 ausgewertet worden. Danach seien die noch vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen vollständig berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2011 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 18.03.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren, den GdB mit 50 seit 01.11.2009 festzustellen. Zur Begründung legte er verschiedene Arztberichte vor.
Das SG hörte Dr. B. - Facharzt für Orthopädie-Unfallchirurgie - und den Praktischen Arzt H. A. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. teilte am 05.09.2011 mit, er habe beim Kläger eine Fußheberschwäche, einen Diskusschaden L4/5 sowie eine Keilwirbeldeformierung BWK12 festgestellt. H. A. berichtete, Befund und Diagnose ergäben sich aus dem Bericht der Rehaklinik H. vom 01.06.2010. Beim Kläger seien die Behinderungen seines Erachtens vollständig bezeichnet worden. Der GdB sei aus hausärztlicher Sicht mit 50% zu veranschlagen (Aussage vom 01.02.2012).
Mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Kläger habe dem Gericht zwar eine Fülle von Befundunterlagen vorgelegt, diese datierten jedoch sämtlich aus der Zeit vor dem Reha-Entlassungsbericht vom 01.06.2010. Die Frage des Gerichts, ob sich der Kläger seit Ende 2010 in nervenärztlicher Behandlung befinde, sei nicht beantwortet worden. Mithin bleibe dem Gericht lediglich die Auswertung des Reha-Entlassungsberichts vom 01.06.2010. Unter Berücksichtigung der dort beschriebenen Befunde sei die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Am linken Bein werde eine freie Beweglichkeit der Kniegelenke ohne dauerhaften Reizzustand beschrieben, allerdings mit gewissen Bewegungs-, Belastungs- und Druckbeschwerden insbesondere hinter der linken Kniescheibe. Daneben bestehe eine Fußheberschwäche Kraftgrad III und eine Zehenheberschwäche Kraftgrad II. Dies rechtfertige einen GdB von 30. Hierbei sei insbesondere die Fußheberschwäche berücksichtigt worden. Weitere wesentliche Behinderungen seien dem Reha-Entlassungsbericht nicht zu entnehmen, sodass der seitens des Beklagten jeweils angenommene Teil-GdB von jeweils 10 für den Wirbelsäulen- und Bandscheibenschaden einerseits und für die depressive Verstimmung andererseits angemessen erscheine.
Gegen den - dem Bevollmächtigten des Klägers am 29.10.2012 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 29.11.2012 Berufung eingelegt. Er verfolgt das Begehren des Klägers weiter und trägt ergänzend vor, beim Kläger seien nicht sämtliche Beschwerden berücksichtigt worden. Konkret leide der Kläger zusätzlich an beidseitigen Hüft- und Kniebeschwerden. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des den Kläger behandelnden Orthopäden Dr. B. vom 20.03.2012. Nicht hinreichend berücksichtigt worden sei der vorhandene Bandscheibenvorfall, welcher den Kläger erheblich beeinträchtige. Aufgrund dieses Bandscheibenvorfalls könne der Kläger seine Hobbys nicht mehr ausüben. Folge hiervon sei eine tiefe psychologische Krise, was zu einer tiefen Depression geführt habe. Zu einer fachärztlichen Behandlung sei der Kläger diesbezüglich nicht mehr in der Lage. Dies ändere aber nichts daran, dass der Kläger aufgrund des unverschuldeten Verkehrsunfalles vom 05.05.2005, bei welchem der Unfallverursacher verstorben sei, eine tiefe psychologische Krise/Depression erlitten habe und diese sich zwischenzeitlich chronifiziert habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, wegen seiner Depression sei er im November 2013 bei einem Arzt in S. gewesen. An den Namen des Arztes könne er sich nicht erinnern. Er habe ihm zu einer Kur geraten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2012 aufzuheben, den Bescheid vom 8. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 50 seit dem 1. November 2009 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. B. und H. A. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. B. hat dem Gericht am 10.05.2013 mitgeteilt, der Kläger sei nach dem 05.09.2011 bei ihm am 20.03. und 18.04.2012 behandelt worden. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Epicondylitis am linken Ellenbogengelenk; Knieschmerzen; Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte und einen Knorpelschaden. Eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes seit 2012 sei nicht eingetreten. Der praktische Arzt H. A. hat dem Senat mit Schreiben vom 23.09.2013 berichtet, aufgrund der Folgen des Polytraumas sei beim Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom mit depressiver Entwicklung entstanden und von daher sei eine Verschlimmerung eingetreten. Beigefügt ist dem Schreiben der Bericht der M. S.-Klinik, Bad B. /B. , vom 18.09.2013, in der der Kläger vom 10.09. bis 19.09.2013 stationär behandelt worden war, und außerdem der Entlassungsbericht der Z.-Klinik, St. B. , vom 26.06.2013 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 29.05. bis 19.06.2013. Diese Unterlagen sind mit einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.10.2013 ausgewertet worden. Darin wird darauf hingewiesen, dass eine anhaltende stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht vorliege. Ausdrücklich werde im Entlassungsbericht der Z.-Klinik ausgeführt, dass der Kläger bei Entlassung einen psychisch ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht habe und arbeits- und vollschichtig leistungsfähig sei. Bisher sei für eine Teillähmung des linken Wadenbeinnervs (Nervus peronaeus) und das linke Kniegelenk ein Teil-GdB von 30 angenommen worden. Dieser Teil-GdB müsse bei Mitberücksichtigung des Kurzbriefes der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 als zu weitreichend angesehen werden. In diesem Bericht werde eine Großzehen- und Fußheberschwäche links des Kraftgrades IV angegeben, wobei V bereits einer normalen Kraft entspreche, allerdings werde ausgeführt, dass dieser Befund diskrepant mit dem beidseits kräftigen Muskelrelief der Wadenmuskulatur sei. Intermittierend habe sich auch eine gute Fuß- und Zehenhebung links ergeben. Auch elektrophysiologisch habe sich kein Hinweis für eine periphere Nervenschädigung als Ursache der Fußheberschwäche ergeben. Eine ausgeprägtere Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks bestehe ansonsten nicht. Unter diesen Gesichtspunkten werde vorgeschlagen, den bisherigen Teil-GdB von 30 für die linke untere Extremität auf 20 zu korrigieren. Möglicherweise würden auch hier somatisierte psychische Beschwerden eine Rolle spielen. Diese könnten mit der Erhöhung des bisherigen Teil-GdB von 10 auf 20 auf psychischem Gebiet entsprechend berücksichtigt werden. Im Ergebnis ändere sich aber nichts am bisherigen Gesamt-GdB von 30.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 08.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) soweit vorliegend relevant inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend begründen die beim Kläger nachgewiesenen Funktionsstörungen zur Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 30.
Die beim Kläger nachgewiesene Teillähmung des linken Wadenbeinnervs und die schmerzbedingte Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks ist mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Ein Kniescheibenbruch ohne Funktionseinschränkung des Streckapparates wird mit einem GdB 10 (Teil B Nr. 18.14 der VG) und ein vollständiger Ausfall des Nervus peronäus mit einem GdB 20-30 (VG a.a.O.) bewertet.
Ein vollständiger Ausfall des Wadenbeinnervs wird von keinem Arzt angegeben. Aus der diagnostizierten Teillähmung resultiert zuletzt eine gebesserte Funktionsbeeinträchtigung. Wie sich dem Entlassungsbericht der Rehaklinik H. B. vom 01.06.2010 entnehmen lässt, war eine Fußhebung links nicht möglich und es bestand eine Fußheberschwäche Kraftgrad III, Zehenheberschwäche Kraftgrad II. Im Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 wird hingegen eine Großzehen- und Fußheberschwäche links des Kraftgrades IV angegeben, woraus sich eine Besserung gegenüber den Befunden vom Juni 2010 ableiten lässt. Bei der Zunahme des Kraftgrades von III auf IV ist zu berücksichtigen, dass der Kraftgrad V bereits einer normalen Kraft entspricht. Des Weiteren lässt sich aus dem Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 entnehmen, dass die Fuß- und Zehenhebung ausschließlich links eingeschränkt ist und dass rechts keine Parese besteht. Unter Berücksichtigung der nach wie vor und unverändert bestehenden Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (retropatellares Reiben, mangelnde Mobilität der Patella mit Schiebe- und Anspannschmerz, aber ohne Meniskusschaden, Bandinstabilität, Ergussbildung oder Übererwärmung bei freier Kniegelenksbeweglichkeit – vgl. Berichte der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 und der Z.-Klinik vom 26.06.2013), gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass hierfür ein Teil-GdB von über 30 nicht gerechtfertigt ist.
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden sind zutreffend mit einem Teil-GdB von 10 bewertet worden. Hierbei handelt es sich um den Zustand nach Deckplattenimpression von BWK 12. Aufgrund dessen liegt beim Kläger ein erhöhter Tonus der paravertebralen LWS-Muskulatur und eine deutliche Verspannung der Nacken- und Schultermuskulatur vor, wie dies im Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 beschrieben worden ist.
Die vom Kläger geltend gemachten psychischen Beschwerden sind mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass im Entlassungsbericht der Z.-Klinik ausgeführt ist, dass der Kläger bei Entlassung einen psychisch ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht hat und als arbeits- und vollschichtig leistungsfähig entlassen worden ist. Dies steht in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013, wonach der Kläger aus der stationären Behandlung (10.09. bis 19.09.2013) ebenfalls als arbeitsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten teils im Sitzen, teils im Stehen oder Sitzen entlassen worden ist. Soweit in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.10.2013 wegen Mitberücksichtigung einer chronische Schmerzstörung (Somatisierungsstörung) vorgeschlagen worden ist, den GdB hierfür auf 20 zu erhöhen, folgt der Senat dem nicht. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass im Bericht der M. S.-Klinik vom 18.09.2013 lediglich der Verdacht auf eine Anpassungsstörung mit depressiver Entwicklung gestellt worden ist, weshalb eine psychosomatische Abklärung befürwortet worden ist. In nervenärztlicher Behandlung steht der Kläger jedoch nach seinen Angaben vom 23.04.2013 nicht bzw. seit 2010 nicht mehr, wie er dies gegenüber dem SG am 14.04.2011 mitgeteilt hat. Seine Behauptung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, im November 2013 einmal einen Arzt in S. aufgesucht zu haben, lässt ebensowenig erkennen, dass fachärztlich betreute Behandlungsmaßnahmen durchgeführt wurden bzw. angezeigt wären. Dem Entlassungsbericht der Z. Klinik vom 26.06.2013 lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Kläger bei Entlassung einen psychisch ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Eindruck machte. Aufgrund dessen ist zur Überzeugung des Senats ein Teil-GdB von 10 hierfür angemessen, denn etwaige schmerzbedingte Einschränkungen sind bei der jeweiligen GdB-Bewertung des betroffenen Organs berücksichtigt worden, weshalb es auch einer weiteren Abklärung auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet nicht bedarf.
Ausgehend von einem Teil-GdB von 30 für "Teillähmung des linken Wadenbeinnervs, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks" sowie einem Teil-GdB von 10 für "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden" und einem weiteren Teil-GdB von 10 für "depressive Verstimmung" ist der Gesamt-GdB mit 30 zu bilden. Damit erweist sich der angefochtene Bescheid des Beklagten als rechtmäßig.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Die erstmalige Behauptung einer Untersuchung im November 2013 hat den Senat nicht zur weiteren Aufklärung gedrängt, denn weder hat der Kläger den Arzt und seine Fachrichtung benennen können noch sind aus der Untersuchung verwertbare Befunde berichtet worden oder therapeutische Konsequenzen erfolgt. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen daher für geklärt. Einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt.
Die Berufung des Klägers konnte keinen Erfolg haben, weshalb sie mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen war.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
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