L 9 R 3941/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 5334/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3941/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die 1953 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin hat keine Ausbildung absolviert. Nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland im Juli 1990 war sie zunächst als Küchenhilfe und anschließend ab Dezember 1991 als Produktionshelferin, zuletzt in einer Druckerei (insbesondere mit Verpackungstätigkeiten) erwerbstätig. Die letzte Erwerbstätigkeit endete zum 31.07.2009.

Der Versicherungsverlauf der Klägerin vom 25.03.2014 weist für die Zeit vom 01.05.1991 bis 30.01.2011 durchgängig Pflichtbeitragszeiten aus. Zuletzt wurde Arbeitslosengeld bis 30.01.2011 gezahlt. Vom 31.01.2011 bis 29.03.2011 ist im Versicherungsverlauf eine Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug angegeben. Danach sind weitere Daten nicht vermerkt.

Im Rahmen eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben vom 04.03.2010 wurde die Klägerin durch Dr. R. orthopädisch begutachtet. In dem am 21.06.2010 erstatteten Gutachten diagnostizierte Dr. R. rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei Wirbelgleiten L4/5 (und degenerative Veränderungen in dieser Etage aber ohne Wurzelreizzeichen und ohne wesentliche Funktionseinschränkung), einen Schwindel unklarer Genese, wiederkehrende Schulterbeschwerden bei vorbeschriebenem Impingement bei AC-Gelenksarthrose ohne Funktionseinschränkung und eine Fußverbildung mit rezidivierenden statischen Beschwerden. Es bestehe der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung. Die Klägerin könne ihre letzte Tätigkeit als Druckereiarbeiterin nur noch unter drei Stunden täglich ausüben. Leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen seien ihr jedoch noch im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr möglich.

Ergänzend zog die Beklagte im Rahmen des Rehabilitationsverfahrens ein Gutachten bei, das Dr. T. am 08.01.2010 für die Bundesagentur für Arbeit erstattet hat. Dieser erachtete die Klägerin als vollschichtig leistungsfähig für ausschließlich leichte körperliche Tätigkeiten. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten in anhaltenden Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit schwerem Heben oder Tragen, Bücken sowie in Nässe, Kälte oder mit Zugluft. Ein gelegentlicher Wechsel der Körperhaltung müsse möglich sein.

Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder Teilhabe zum Arbeitsleben wurden nicht gewährt (Bescheid vom 28.06.2010).

Vor dem hier streitgegenständlichen Antrag (31.01.2012) beantragte die Klägerin bereits am 15.02.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2012 ab. Grundlage dieser Entscheidung waren Befundberichte der behandelnden Ärzte, insbesondere des behandelnden Orthopäden W. vom 01.04.2011 (Diagnosen: HWS-Syndrom, AC-Gelenksarthrose, Spondylolisthesis L4/L5, LWS-Syndrom), des Dr. P. vom 05.07 und 12.10.2011 (Diagnosen: Neurasthenisches Erschöpfungssyndrom, Spannungskopfschmerz, diffuse degenerative Wirbelsäulenbeschwerden, Einbruch einer depressiven Episode, Schwindel und Taumel) und des Krankenhauses vom Roten Kreuz vom 22.06.2011 (Diagnose: Verdacht auf Sarkoidose Typ II, in der Funktionsdiagnostik zeigte sich pulmonal jedoch keinerlei Limitierung) sowie das von der Beklagten im Auftrag gegebene nervenärztliche Gutachten von Dr. W. vom 21.07.2011. In diesem diagnostizierte Dr. W. eine mittelgradige depressive Episode, eine Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und abhängigen Zügen sowie Rückenschmerzen bei Spondylolisthesis L4/5 ohne radikuläre Symptome. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Tagesschicht sechs Stunden und mehr ausüben.

Auf den erneuten Rentenantrag der Klägerin vom 31.01.2012 bot die Beklagte dieser zunächst eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme an und wies sie darauf hin, dass sie zur Mitwirkung bei der Durchführung von Leistungen zur Teilhabe verpflichtet sei. Auf die Mitteilung der Klägerin, dass sie nicht an einer stationären Rehabilitation teilnehmen wolle, versagte die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2012 die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Sie führte aus, die Ablehnung (Versagung) gelte solange, bis die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht erfüllt habe. Daraufhin sprach die Klägerin am 05.03.2012 vor und teilte mit, dass sie bereit sei, zu einer ärztlichen Untersuchung zu gehen. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf medizinische Rehabilitation.

Die Klägerin absolvierte vom 24.04.2012 bis 22.05.2012 eine Rehabilitationsmaßnahme in der W.klinik in St. B ... Aufgrund der Diagnosen Angst und depressive Störung gemischt, ängstlich-vermeidende und abhängig-asthenische Persönlichkeit, Lumbalgie bei Spondylolisthesis L4/5 mit radikulärer Symptomatik und Hypercholesterinämie wurde die Klägerin als arbeitsunfähig im Hinblick auf ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einer Druckerei (Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich) entlassen. Sie sei jedoch noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr in Tagesschicht auszuüben. Einschränkungen geistig-psychischer Art bestünden bei den Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Nicht zumutbar seien Arbeiten mit Verantwortung für Personen und Maschinen und die Überwachung/Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge. Ferner sollten wegen der ausgeprägten Spondylolisthesis häufiges Bücken, Zwangshaltungen und das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten vermieden werden. Wegen der depressiven Problematik sollte ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus eingehalten werden, ohne Beeinträchtigung durch Wechselschicht bzw. Nachtschicht.

Mit Bescheid vom 14.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente mit der Begründung ab, dass die Klägerin nach Würdigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr auszuüben, wenn qualitative Einschränkungen berücksichtigt würden. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit käme ebenfalls nicht in Betracht, da die Klägerin zuletzt als Druckereiarbeiterin und damit weder als Facharbeiterin noch im gehobenen Anlernbereich beschäftigt gewesen sei. Sie könne daher auf sämtliche gesundheitlich zumutbare ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.09.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.

Das SG hat den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. P. schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen. Unter dem 09.03.2013 hat dieser angegeben, dass die Klägerin seit Januar 2011 bei ihm in Behandlung sei. Im Hinblick auf das übersandte Gutachten von Dr. W. hat er mitgeteilt, dass er mit der Diagnostik weitgehend übereinstimme, nicht jedoch mit der Einschätzung der Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Die Klägerin könne nur drei bis sechs Stunden täglich bei einer geregelten Fünftagewoche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Die letzte Tätigkeit als Produktionshelferin bzw. Küchenhelferin sei ihr nicht mehr möglich.

Unter dem 02.07.2013 hat das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und Beteiligung ehrenamtlicher Richter zu entscheiden. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin insbesondere durch Gesundheitsstörungen des orthopädischen und nervenärztlichen Fachgebiets eingeschränkt sei. Hieraus resultiere jedoch keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Der Leistungseinschätzung von Dr. P. könne nicht gefolgt werden. Eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit könne ebenfalls nicht gewährt werden, da die Klägerin keinen Berufsschutz genieße und daher auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar sei.

Gegen den ihr am 23.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09.09.2013 Berufung eingelegt. Ihr Arzt Dr. P. habe ihr geraten, Widerspruch einzulegen. Sie sei nicht mehr in der Lage zu arbeiten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist sie auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Weiterhin weist sie darauf hin, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nur bei einem Leistungsfall bis einschließlich 15.02.2013 erfüllt seien.

Die Berichterstatterin hat am 13.03.2014 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. In diesem erklärte die Klägerin, dass sie seit dem Ruhestand von Dr. P. nunmehr bei Dr. K. in W. in psychiatrischer Behandlung sei. Daraufhin hat der Senat die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K. schriftlich als sachverständige Zeugin befragt. Unter dem 25.03.2014 teilte diese mit, dass die Klägerin seit November 2013 bei ihr in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 51 bis 53 der Senatsakte verwiesen. Weiterhin hat der Senat zur Aufklärung des Sachverhalts vom behandelnden Allgemeinmediziner Dr. K. die ihm vorliegenden Facharztberichte beigezogen (Bl. 64 bis 82).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 01.05.2014, § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 43 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sowie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30. September 1987, 5b RJ 20/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten ver-wiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14. September 1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.

Gibt ein Versicherter eine nach den o. g. Maßstäben höherwertige Tätigkeit auf, ohne dass hierfür gesundheitliche Gründe vorliegen, und wendet er sich einer anderen Tätigkeit zu, ist diese letztere Tätigkeit bzw. deren Bewertung im Mehrstufenschema Maßstab für die Zumutbarkeit einer sogenannten Verweisungstätigkeit.

Nach Maßgabe der vorgenannten rechtlichen Grundlagen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Für die Zeit ab Mai 2013 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VI (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) nicht mehr erfüllt, sodass dahinstehen kann, ob die Klägerin seit diesem Zeitpunkt erwerbsgemindert ist. Der Versicherungsverlauf der Klägerin weist ab 30.03.2011 weder Pflichtbeitragszeiten noch Aufschubzeiten nach § 43 Abs. 4 SGB VI aus. Die Übergangsvorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI ist auf die Klägerin nicht anwendbar, da sie nicht bereits vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hat. Vor dem 01.01.1984 liegen bei der Klägerin keine Beitragszeiten vor. Bei einem fiktiven Versicherungsfall am 01.05.2013 wären in einem um zwei Monate bis zum 01.03.2008 verlängerten Fünfjahreszeitraum (§§ 43 Abs. 4 Nr. 3, 55 Abs. 2 Nr. 2, 3 Nr. 3 SGB VI) nur 35 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, sodass eine Erwerbsminderung bis 30.04.2013 eingetreten sein müsste. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Für die Zeit bis einschließlich April 2013 ist ein Versicherungsfall der Rente wegen Erwerbsminderung nicht eingetreten. Ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Rehabilitationsentlassungsbericht der W.klinik in St. B. vom 01.06.2012 sowie dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. W. vom 18.07.2011 und dem orthopädischen Gutachten von Dr. R. vom 21.06.2010, welche der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Der Leistungseinschätzung des behandelnden Arztes Dr. P. vermag sich der Senat nicht anzuschließen, weil er diese nicht für überzeugend erachtet.

Der Senat stellt zunächst fest, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch psychiatrische Gesundheitsstörungen eingeschränkt wird. Bei der Klägerin besteht eine depressive Störung mit Angst gemischt sowie eine ängstlich-vermeidende und abhängig-asthenische Persönlichkeit. Hieraus resultieren jedoch nur qualitative Einschränkungen, keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Dies ergibt sich sowohl aus dem Rehabilitationsentlassungsbericht der W.klinik St. B. als auch - bei etwas anders gefassten Diagnosen - aus dem Gutachten von Dr. W. Dessen diagnostizierte mittelgradige depressive Episode war bei der Untersuchung der W.klinik nicht mehr nachweisbar. Die Ängste der Klägerin vor dem Alleinsein sind, wie bereits die Teilnahme an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zeigt, im Rahmen der zumutbaren Willensanstrengung überwindbar. Es liegen auch keine Befunde vor, die auf eine dauerhaft bestehende mittelgradige oder schwere Depression der Klägerin schließen lassen. Von solchen hat auch der behandelnde Arzt Dr. P. nicht berichtet. Dieser beschrieb die Klägerin in der schriftlichen Aussage als sachverständiger Zeuge im Sozialgerichtsverfahren vom 14.03.2013 als bewusstseinsklar und voll orientiert. Sie sei noch kontaktfähig, bei inadäquatem, etwas aufgestautem Affekt und wechselhaftem Antrieb. Sie sei zu gemeinsamem Miterleben und Mitfühlen unfähig, ruhelos, emotional nicht reif, dekonzentriert, anhedon und fühle sich unzulänglich. Weiterhin neige sie zur Selbstbeobachtung. Eine so schwerwiegende depressive Erkrankung, dass diese auch in leichten Tätigkeiten zu einem Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich führen würde, lässt sich aufgrund dieser Befunde nicht belegen. Dementsprechend hat er auch lediglich ein neurasthenisches Erschöpfungssyndrom, einen Spannungskopfschmerz und den Einbruch einer depressiven Episode, deren Schweregrad er nicht nennt, diagnostiziert. Darüber hinaus erschöpfte sich die Therapie durch Dr. P. in einer medikamentösen Therapie mit Mareen und unterstützenden Gesprächen. Eine muttersprachliche Psychotherapie, wie von der Rehabilitationsklinik in St. B. empfohlen, wurde nicht durchgeführt und auch keine stationäre Behandlung der Klägerin veranlasst. Eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes lässt sich damit nicht feststellen. Die Einschätzung von Dr. P. vermag den Senat daher nicht zu überzeugen. Eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin in psychiatrischer Hinsicht ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K. vom 25.03.2014. So beschreibt diese hinsichtlich der Befunderhebung vom 12.11.2013, dass die Klägerin zu allen Qualitäten orientiert, die Konzentration erschöpfbar, die Auffassung intakt, das Denken geordnet und nachvollziehbar war. Es bestanden keine Störungen im Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnis. Es lagen generalisierte Ängste, aber kein Wahn und keine Wahrnehmungsstörungen oder Ichstörungen vor. Die Grundstimmung war gedrückt und der Antrieb reduziert bei psychomotorischer Unruhe. Eine wesentliche Änderung des Befundes lässt sich hierdurch nicht feststellen. Im Übrigen hat die Behandlung bei der Psychiaterin K. erst im November 2013 begonnen und zu diesem Zeitpunkt lagen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits nicht mehr vor.

Weiterhin leidet die Klägerin unter orthopädischen Gesundheitsstörungen. Bei der Klägerin besteht insbesondere eine Lumbalgie bei Spondylolisthesis L4/5. Der orthopädische Gutachter Dr. R. stellte keine Wurzelreizzeichen und keine wesentlichen Funktionseinschränkungen fest. Lediglich die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule war mittelgradig eingeschränkt. Seitneigung, Reklination und Rotation der Wirbelsäule waren hingegen bei der Untersuchung frei. Entsprechend ging Dr. R. in dem Gutachten vom 21.06.2010 schlüssig und nachvollziehbar von ein Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich in leichten bis mittelschweren Wechseltätigkeiten aus. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin lässt sich weder dem Untersuchungsergebnis von Dr. W. (Finger-Boden-Abstand 0 cm bei frei beweglicher Wirbelsäule, unauffälliger Gang und unauffällige neurologische Untersuchung), noch dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsmaßnahme in der W.klinik entnehmen. Zwar gingen die Rehabilitationsärzte aufgrund der von der Klägerin angegebenen Schmerzausstrahlung in die Beine von einer radikulären Symptomatik aus. Eine weitergehende Befunderhebung um diese Angabe zu objektivieren oder aus der eine Verschlechterung der orthopädischen Beschwerden feststellbar wäre, erfolgte jedoch nicht. Behandlungen durch einen Facharzt für Orthopädie erfolgten zuletzt im Jahr 2009, was ebenfalls gegen eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf orthopädischem Fachgebiet spricht. Weiterhin bestehen bei der Klägerin Senk-Spreizfüße und wiederkehrende Schulterbeschwerden, die jedoch keine erheblichen Einschränkungen nach sich ziehen. Diesen Gesundheitsstörungen kann durch Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen werden, das zeitliche Leistungsvermögen wird hierdurch nicht beeinträchtigt.

Bei der Klägerin bestehen weiterhin Schwindelerscheinungen unklarer Genese. Diese bedingen ebenfalls nur qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens. In dem Rehabilitationsentlassungsbericht der W.klinik wird nicht über Schwindelerscheinungen berichtet und die Klägerin hat diese bei der Beschwerdeschilderung auch nicht angegeben. Gelegentlichen Schwindelanfällen kann dadurch Rechnung getragen werden, dass keine Arbeiten mit Absturzgefahr oder an gefährdenden Maschinen verrichtet werden.

Auch die Sarkoidose der Lunge (Erstdiagnose 2010) schränkt die Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht nicht ein. Bei der während des stationären Aufenthalts im Krankenhaus vom R. (20.06. bis 22.06.2011) durchgeführten Spiroergometrie zeigte sich keine pulmonale Limitation und keine Hinweise auf eine Koronarinsuffizienz. Die halbjährigen Kontrollen bei der behandelnden Pneumologin Dr. K. ergaben einen unauffälligen Befund, die Klägerin war beschwerdefrei und es bestand keine Therapiebedürftigkeit (Bl 65 ff. der Senatsakte).

Hiervon ausgehend liegt bei der Klägerin weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Aufgrund der Lendenwirbelsäulenbeschwerden ist häufiges Bücken, Heben und Tragen und Bewegen schwerer Lasten, sowie Arbeiten in Zwangshaltungen nicht mehr möglich. Andauernde Überkopfarbeiten sollten aufgrund der Schulterbeschwerden vermieden werden. Im Hinblick auf die depressive Problematik sind Wechselschicht und Nachtschicht ausgeschlossen sowie alle Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen und an die Umstellungsfähigkeit voraussetzen oder mit besonderer Verantwortung für Personen oder Maschinen einhergehen. Weiterhin sind aufgrund der Schwindelanfälle Arbeiten mit Absturzgefahr oder an gefährlichen Maschinen zu vermeiden. Diesen Einschränkungen kann jedoch durch die Beschränkung auf leichte körperliche Arbeiten hinreichend Rechnung getragen werden. So sind der Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten wie z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten zumutbar. Diese sind nicht mit besonderen Stressbelastungen oder erhöhter Verantwortung verbunden. Eine Verweisungstätigkeit ist insoweit nicht zu benennen.

Hinweise auf eine Beschränkung hinsichtlich des zumutbaren Arbeitsweges ergeben sich aus den medizinischen Unterlagen nicht.

Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt darüber hinaus ebenfalls nicht in Betracht. Die Klägerin war zuletzt in einer Druckerei als Produktionshelferin beschäftigt. Hierbei handelt es sich um eine ungelernte Tätigkeit, sodass sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist. Eine konkrete Verweisungstätigkeit ist nicht zu benennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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