L 13 R 1636/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2935/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1636/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. März 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte auf die der Klägerin geleisteten Witwenrente Zahlungen der Hinterbliebenenversorgung der Berufsgenossenschaft anrechnen durfte.

Die Klägerin ist die Witwe des 1950 geborenen und 2006 durch einen Arbeitsunfall tödlich verunglückten Versicherten D. G. Die Beklagte bewilligte der Klägerin eine große Witwenrente sowie ihren Kindern A. (geboren 1984) und C. (geboren 1990) Hinterbliebenenrente (Bescheide v. 29. März 2006). In diesen Bescheiden wurde ausdrücklich dargelegt, dass aufgrund der vorgelegten Antragsunterlagen derzeit geprüft werde, ob auch ein Anspruch auf Unfallhinterbliebenenrente bestehe. Die Klägerin werde darauf hingewiesen, dass die Unfallhinterbliebenenrente nach § 93 SGB VI auf die Hinterbliebenenrente der deutschen Rentenversicherung anzurechnen sei. Die Beklagte behalte sich vor, die Witwenrente unter Anwendung der Ruhensvorschriften nach Vorlage der Entscheidung der Berufsgenossenschaft neu festzustellen und gegebenenfalls überzahlte Beträge zurückzufordern.

Am 27. April 2006 erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 teilte die Berufsgenossenschaft der F. und E. (nunmehr Berufsgenossenschaft E-T-E) mit, dass der Klägerin für die Zeit vom 16. Januar 2006 bis 30. April 2006 aus einem Jahresarbeitsverdienst von 39.822,80 EUR eine monatliche Rente von 2.212,38 EUR und ab 1. Mai 2006 bis auf Weiteres eine Rente in Höhe von 1.327,43 EUR bewilligt worden sei (Bescheid vom 17. Mai 2006). Die Berufsgenossenschaft teilte ferner mit, dass die von ihr gewährte Rente nicht auf eigener Beitragsleistung des Versicherten beruhe.

Mit den Bescheiden vom 24. Mai 2006 stellte die Beklagte die Hinterbliebenenrenten neu fest. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, nachdem nunmehr der Rentenbescheid über die Gewährung einer Hinterbliebenenrente durch die Berufsgenossenschaft der F. und E. vom 17. Mai 2006 vorliege, werde die Witwenrente, wie bereits in dem Bescheid vom 28. März 2006 angekündigt, unter Beachtung der Ruhensvorschrift nach § 93 SGB VI neu festgestellt. Nach der Anrechnung ergebe sich für die Klägerin ein monatlicher Zahlbetrag ab 1. Juli 2006 von 60,23 EUR und für die Zeit vom 16. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 einen monatlichen Rentenzahlbetrag von 100,93 EUR. Die überzahlten Rentenleistungen würden aus der bei der Berufsgenossenschaft zur Verfügung stehenden Nachzahlung getilgt.

Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2007 zurück.

Am 5. November 2007 hat die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben (S 3 R 3996/07). Mit Beschluss vom 7. Februar 2008 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 10. September 2013 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen und u.a. ausgeführt, es bestünden bei der Anrechnung der Hinterbliebenenrente aus der Unfallrente auf die Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Klägerin hat dargelegt, die Entscheidung der Beklagten, ihr die Rente unter Anrechnung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, sei rechtswidrig und zuletzt noch die Zahlung einer höheren Hinterbliebenenrente an sie beantragt.

Mit Urteil vom 11. März 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. ausgeführt, die Anrechnung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Witwenrente der gesetzlichen Rentenversicherung sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür stelle die Vorschrift des § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI dar. Ein Ausnahmefall (§ 93 Abs. 5 SGB VI) liege nicht vor, es handle sich nicht um eine Rente der Berufsgenossenschaft, die aus eigener Beitragsleistung des Verstorbenen resultiere. Im Übrigen sei die Anrechnung von Renten der Berufsgenossenschaft auf die Hinterbliebenenrente verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen das am 14. März 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. April 2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, ihr sei eine angemessene Hinterbliebenenrente zu gewähren, die auf den eingezahlten Pflichtbeiträgen in der Rentenversicherung durch ihren verstorbenen Ehemann beruhe. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass ihr verstorbener Ehemann eigene Beiträge zur staatlichen Unfallversicherung über ein geringes Arbeitsentgelt gezahlt habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. März 2014 und den Bescheid vom 29. März 2006 in der Fassung des Bescheids vom 24. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenrente ohne Anrechnung der Hinterbliebenenrente der Berufsgenossenschaft E-T-E zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen.

Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der den Bescheid vom 29. März 2006 ändernde Bescheid vom 24. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Neufeststellung der Hinterbliebenenrente stellt § 48 SGB X dar. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetztes zum Ruhen gekommen oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen teile dieses Gesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums.

Mit der ab 16. Januar 2006 rückwirkenden Bewilligung der Hinterbliebenenrente durch die Berufsgenossenschaft ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nach Erlass des Rentenbescheids vom 29. März 2006 eingetreten. Die Klägerin hat damit Einkommen erzielt, das ab dem 16. Januar 2006 zum teilweisen Wegfall des Witwenrentenanspruchs geführt hat. Somit ist der Tatbestand des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X ebenso wie derjenige des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X erfüllt. Die Klägerin wurde bereits mit dem Bescheid vom 26. März 2006 eingehend darüber informiert, dass mit der Bewilligung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung dies zum teilweisen Wegfall der Hinterbliebenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung führt.

Grundlage der Anrechnung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und damit der Neufeststellung der Hinterbliebenenrente ist § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Besteht danach für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung, wird die Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.

Die Beklagte hat unter Beachtung dieser Vorschrift die Hinterbliebenenrente der Klägerin zutreffend berechnet. Es besteht für denselben Zeitraum, nämlich ab 1. Januar 2006 Anspruch auf Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Berechnung der Beklagten unter Berücksichtigung des jeweiligen Grenzbetrags ist zutreffend erfolgt. Der Grenzbetrag beträgt 70 v.H. eines Zwölftel des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung (§ 93 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB VI). Die in dem Bescheid vom 24. Mai 2006 vorgenommene Berechnung unter Berücksichtigung dieser genannten Vorschrift ist zutreffend und auch rechnerisch richtig. Insofern wird auf den Bescheid Bezug genommen (vgl. Bl. 13 der SG-Akten).

Der Einwand der Klägerin, ihr verstorbener Ehemann habe Beiträge zur staatlichen Unfallversicherung über ein geringeres Arbeitsentgelt gezahlt, ist unrichtig. Nach der ausdrücklichen Mitteilung der Berufsgenossenschaft beruht die Rente nicht auf eigener Beitragsleistung des Versicherten (Schreiben vom 17. Mai 2006 Bl. W 23 der Beklagtenakten). Die Ausnahmevorschrift des § 93 Abs. 5 SGB VI ist somit nicht einschlägig.

Die Regelungen der grundsätzlichen Anrechnung der Rente aus der Unfallversicherung auf die Rente aus der Rentenversicherung sind auch verfassungsgemäß (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 27. August 2009, B 13 R 14/09 R m.w.N.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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