Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 3890/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2519/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.05.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung höherer Verletztenrente wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 08.07.1975. Er ist der Auffassung, der Funktionsverlust des rechten Auges sei nicht nur, wie im bindend gewordenen Rentenbescheid vom 10.12.1976, mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H., sondern mit wenigstens 30 v. H. zu bemessen.
Der 1951 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Mechaniker in einem Baggerbetrieb beschäftigt. Ausweislich der Unfallanzeige vom 09.07.1975 war er mit der Reparatur des Baggerlöffels beschäftigt, als ihm am 08.07.1975 beim Herausklopfen eines Baggerzahnes ein Metallsplitter ins rechte Auge geriet. Der Kläger suchte danach sofort die Augenärztin Dr. N. auf, die in ihrem Bericht vom 08.07.1975 eine ständige Sickerblutung des rechten Auges, einen Irisprolaps bei 11.00 Uhr, eine perforierende Hornhautverletzung im temporal oberen Quadranten (Vorderkammer fast aufgehoben) und eine hyphaematische Iridodialyse von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr, tief, beschrieb und die Diagnose einer schweren perforierenden Verletzung des rechten Auges stellte. Sie veranlasste die sofortige Einweisung des Klägers in eine Augenklinik.
Die Universitäts-Augenklinik B., wo sich der Kläger vom 08.07.1975 bis 30.07.1975 in stationärer Behandlung befand, teilte in ihrem Entlassungsbericht vom 01.08.1975 die Diagnose einer perforatio bulbi des rechten Augen mit intraokularem amagnetischem Fremdkörper, Riss-Quetsch-Wunde der Hornhaut, Iridodialyse, Läsion der Linse mit Subluxation und GK-Blutung mit. Zwei Versuche einer Fremdkörperextraktion mit dem Magneten seien erfolglos verlaufen, die subluxierte Linse sei kryoextrahiert worden. Der Fremdkörper liege intravitreal; eine totale Vitrektomie solle diskutiert werden.
Im Bericht vom 14.11.1975 (Bl. 29 Verw.-Akte der Beklagten - VA) teilte die Fachärztin für Augenkrankheiten Dr. N. mit, in der Universitäts-Augenklinik B. sei das zerstörte Irisgewebe entfernt worden, die gequollenen Linsenmassen seien weitestgehend entfernt worden. Der Splitter habe trotz vielfacher Versuche nicht extrahiert werden können, eine Glaskörperblutung habe behandelt werden müssen. Es handle sich inzwischen um ein äußerlich reizfreies Auge, allerdings seien die intraokularen Entzündungs- bzw. Heilungsvorgänge noch nicht abgeschlossen, weshalb das Auge ein Jahr lang kontrolliert und medikamentös versorgt werden müsse. Das Sehvermögen am rechten Auge betrage Lichtschein vor dem Auge mit defekter Projektion. Mit einer Besserung in Bezug auf das Sehvermögen sei nicht zu rechnen.
Mit ärztlichem Zeugnis vom 10.06.1976 bestätigte die Universitäts-Augenklinik B. dem Kläger, dass er in Folge eines Augenunfalls rechts nur noch Lichtschein erkenne, praktisch Einäuger sei und deshalb über kein Tiefensehen mehr verfüge. Auch sein Gesichtsfeld sei eingeengt, weshalb er den Kopf viel stärker als Normalsehende drehen müsse, um rechts so viel wie links zu sehen. Deshalb werde eine Umschulung empfohlen.
Am 27.10.1976 erstattete der ärztliche Direktor der Universitäts-Augenklinik T., Prof. Dr. N., ein augenfachärztliches Gutachten über den Kläger. Dieser habe angegebenen, mit dem rechten Auge jetzt gar nicht mehr zu sehen. Das Auge sei nie ganz beschwerdefrei, fast regelmäßig verspüre er Stiche. Wegen stärkerer Schmerzen mit Rötung des Auges sei vor etwa einer Woche eine zusätzliche medikamentöse Behandlung durchgeführt worden. Prof. Dr. N. stellte die Diagnose eines Zustandes nach schwerer durchbohrender Verletzung mit Linsenlosigkeit und Fremdkörper im Augeninnern. Am linken Auge beschrieb er das Fehlen sowohl unfallbedingter als auch unfallunabhängiger Veränderungen. Als unfallbedingte Veränderungen am rechten Augen bezeichnete er eine Auswärtsschielstellung, einen röntgenologisch und echographisch nachweisbaren Metallfremdkörper im Augeninnern, ausgedehnte, alle Schichten durchsetzende Hornhautnarben im schläfenwärts oberen Quadranten, eine Verlegung des schläfenwärtigen Kammerwinkelanteiles mit Narbenzustand nach Strahlenkörperabriss schläfenwärts oben, einen totalen Regenbogenhautausschnitt oben, das Fehlen der Linse bis auf eine derbe Nachstarplatte, eine Glaskörpertrübung und Verwachsungen mit der Hornhautnarbe, die Herabsetzung der Sehschärfe auf das Erkennen von Lichtschein bei Verwendung von starkem Grünlicht, ein praktisch erloschenes Gesichtsfeld und den Verlust des weitäugigen Sehens. Den Grad der MdE schätzte er mit 25 v. H. ein und führte zur Begründung aus, die schwere durchbohrende Verletzung habe zu einem praktisch vollständigen Funktionsverlust des rechten Auges geführt. Da am verletzten Auge immer wieder Reizzustände mit Beschwerden aufträten, die einer ständigen medikamentösen Behandlung bedürften, sei das Auge zur Zeit eher hinderlich als nützlich. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei das rechte Auge reizfrei und eine medikamentöse Therapie nicht erforderlich gewesen. Dieser Befund sei nach unmittelbar vorausgegangener systemischer und lokaler Cortison-Therapie für die Entscheidung über erforderliche medikamentöse Behandlungsmaßnahmen nicht repräsentativ. Diese Entscheidung müsse Frau Dr. N., die wie der Kläger über immer wieder auftretende Reizzustände berichtet habe, überlassen werden.
Mit Bescheid vom 10.12.1976 erkannte die T.-B. als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) das Ereignis vom 08.07.1975 als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles Verletztenrente nach einer MdE um 25 v. H. ab dem 01.01.1976 als vorläufige Rente. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie einen Funktionsverlust des rechten Auges nach schwerer durchbohrender Verletzung mit Linsenlosigkeit und Metallfremdkörper im Augeninnern, wodurch der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit um 25 v. H. beeinträchtigt werde, an.
Eine gesonderte Erteilung eines Bescheides über eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit erfolgte nicht. Nachdem Prof. Dr. N. die Höhe der MdE unter Dauerrentengesichtspunkten im Gutachten vom 24.06.1977 weiterhin auf 25 v.H. beziffert hatte, ließ die Beklagte die Frist, in welcher eine Entscheidung über die Gewährung einer Verletztenrente als Dauerrente möglich gewesen wäre, verstreichen, so dass sich die vorläufige Rente kraft Gesetzes in eine Dauerrente umwandelte (§ 622 Abs. 2 i.V.m. § 1585 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung - RVO).
Mit Fax vom 29.04.2010 beantragte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten sinngemäß die Überprüfung des Bescheides vom 10.12.1976, indem er die Richtigkeit der MdE für die Augenverletzung, festgestellt mit 25 v. H., anzweifelte. Es sei eine vollständige Blindheit gegeben und der Metallfremdkörper befinde sich noch immer im Augeninnern. Eine MdE von 30 v. H. sei durchaus zu rechtfertigen.
Die Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2010, nochmals detailliert zu begründen, weshalb er von einer MdE von 30 v. H. ausgehe, blieb unbeantwortet. Mit Schreiben vom 26.10.2010 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, sie halte ihre Entscheidung im Bescheid vom 10.12.1976 weiterhin für zutreffend, da eine MdE-Bewertung von 25 v. H. bereits einen Funktionsverlust bei Linsenlosigkeit bei liegendem Metallkörper einschließe, dies bei der MdE-Schätzung berücksichtigt worden sei und entsprechende Unfallfolgen bescheidmäßig anerkannt seien. Die Beklagte gehe daher davon aus, dass der Antrag auf Änderung der MdE nicht aufrecht erhalten werde.
Dem widersprach der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 01.04.2011. Der Kläger "ist und war" auf dem Auge so gut wie blind. Die MdE hätte von Anfang an bei 30 v. H. liegen müssen. Vor dem Hintergrund noch anderer laufender Verfahren im Hinblick auf Berufskrankheiten halte er eine Streitigkeit um 5 v. H. für zulässig, zumal er die Rechtsprechung für unzutreffend erachte. Er wandte sich gegen die Festsetzung der MdE auf 25 v. H., nachdem bei ganz klarer Sachlage eine MdE von 30 v. H. zu vergeben gewesen wäre.
Mit Bescheid vom 19.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10.12.1976 nach § 44 SGB X ab. Da keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien, könne sie sich ohne Sachprüfung auf die Bindungswirkung der früheren Entscheidung berufen. In der MdE-Bewertung von 25 v. H. sei bereits ein Funktionsverlust bei Linsenlosigkeit bei liegendem Metallkörper eingeschlossen und bei der MdE-Schätzung berücksichtigt worden.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25.05.2011 Widerspruch und führte aus, es gehe nicht um den Vortrag neuer Sachverhalte, sondern darum, dass die Beklagte den Sachverhalt seinerzeit falsch beurteilt und das Recht unrichtig angewandt habe. Von Anfang an hätte eine MdE von wenigstens 30 v. H. anerkannt werden müssen. Eine Verschlechterung der Verhältnisse sei nie behauptet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie könne sich ohne erneute Sachprüfung auf die Bindungswirkung des vorangegangenen Bescheides berufen, da den Ausführungen des Klägers weder neue Tatsachen noch Beweismittel entnommen werden könnten. Zudem wiederhole er lediglich die bereits anerkannten Unfallfolgen und gebe keine Gründe an, weshalb die hierfür angesetzte MdE von 25 v. H. von Anfang an zu niedrig eingeschätzt worden sein solle.
Mit der am 19.07.2011 dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, sein rechtes Auge sei mit Funktionsverlust versehen, das heißt blind. Dies rechtfertige eine MdE von 30 v. H., nachdem sogar zum Zeitpunkt der MdE-Festsetzung gutachterlich festgestellt worden sei, dass zusätzlich Reizzustände bei dem Auge bestanden hätten. Es bestünden sogar Komplikationen. Die gutachterlichen Feststellungen seien fehlerhaft, denn sie stellten auf eine MdE ab, die hypothetisch durch operative Maßnahmen eine Verbesserungsmöglichkeit sehe. Der Gesamtzustand habe sich nicht verändert.
Die Beklagte hat ausgeführt, die MdE von 25 v. H. stehe in Übereinstimmung mit der wissenschaftlichen Literatur.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Stehe im Streit, ob das Recht unrichtig angewandt worden sei, könne es auf den Vortrag von Tatsachen oder die Benennung von Beweismitteln nicht ankommen. Es handele sich dann um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, welche letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen müsse. Allerdings müsse auch in diesen Fällen eine erneute Sachprüfung erst stattfinden, wenn der vorgebrachte Einwand seiner Art nach geeignet sei, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts darzutun und wenn dieser Einwand eine tatsächliche Grundlage habe. Hiernach habe die Beklagte den Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt. Die vom Kläger geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen seien allesamt bereits in der zu überprüfenden Entscheidung (Bescheid vom 10.12.1976) berücksichtigt worden. Die Einschätzung der Höhe der MdE entspreche der wissenschaftlichen Meinung. Nach Schönberger/Merthens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, S. 293, betrage die MdE bei unkomplizierter einseitiger Erblindung und uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges 25 v. H. Für eine MdE von 30 v. H. seien Komplikationen und die zumindest wahrscheinliche Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich. Im Übrigen sei selbst bei Annahme einer MdE von 30 v. H. eine abweichende gerichtliche Entscheidung verwehrt, da die Rechtsprechung des BSG eine Abweichung von 5 v. H. oder weniger von der Schätzung durch den Unfallversicherungsträger nicht zulasse, nachdem einer Schätzung immer eine natürliche Schwankungsbreite zu eigen sei, die mit 5 v. H. angenommen werde.
Gegen den dem Bevollmächtigten des Klägers am 01.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18.06.2013 Berufung eingelegt und diese trotz Aufforderung nicht weiter begründet.
Der Kläger beantragt – sachdienlich gefasst –,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.05.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.12.1976 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 14.10.2013 gemäß § 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Fristsetzung (14.11.2013) aufgefordert, die Tatsachen anzugeben und Beweismittel zu benennen, auf die er seine Berufung stützt. Auch hierauf hat er nicht reagiert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, welche vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Der Bescheid vom 10.12.1976 ist rechtmäßig; die Bemessung der MdE für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.07.1975 mit 25 v.H. ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Richtige Klageart ist vorliegend die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in allen Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X nicht. Mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid kann zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-) Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (BSG, 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Abänderung des Bescheides vom 10.12.1976 zu seinen Gunsten ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, 28.01.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, 25.09.2006 - B 2 U 24/05 R = BSGE 97, 54, juris, Rn. 12 m.w.N.). § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X führt zwei Alternativen an, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel an, woran sich ggf. ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse – Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind – Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat – neue Entscheidung) anschließt (BSG v. 25.09.2006, a.a.O., Rn. 13). Bei der ersten Alternative handelt es sich demgegenüber um eine rein juristische Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen zu erfolgen hat. Vorliegend hat der Kläger neue Tatsachen und Erkenntnisse nicht benannt. Sein Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, dass bereits die im Jahr 1976 vorliegenden Unfallfolgen mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten gewesen seien, womit er sich ausschließlich gegen die aus seiner Sicht zu niedrige Bemessung des Grades der MdE durch die Beklagte gewandt hat. Diese konnte sich mangels neuer Tatsachen und/oder Erkenntnisse auf eine Überprüfung ihrer Entscheidung über die Höhe der MdE auf der Grundlage der aktenkundig vorliegenden Informationen beschränken.
Nach § 44 Abs. 4 SGB X sind zu Unrecht nicht erbrachte Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der auf die Rücknahme gerichteten Antragstellung, d.h. ausgehend von dem im April 2010 gestellten Antrag frühestens ab dem 01.01.2006 zu erbringen, was nicht auf Einrede, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen ist, weshalb Ansprüche auf höhere Verletztenrente des Klägers vor dem 01.01.2006 von vornherein ausgeschlossen sind.
Der vom Kläger erhobene Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der streitbefangene Arbeitsunfall am 08.07.1975, und damit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII), und Verletztenrente erstmals ebenfalls vor Inkrafttreten des SGB VII, gemäß Bescheid vom 10.12.1976 ab dem 01.01.1976, festzusetzen war (§ 214 Abs. 3 SGB VII).
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente ist § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO. Danach wird dem Verletzten als Verletztenrente der Teil der Vollrente (§ 581 Abs. 1 Nr. 1 RVO) gewährt, der dem Grade der MdE entspricht, solange seine Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 1/5 (20 v. H.) gemindert ist und dies über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO).
Die Bemessung des Grades der MdE, also die aufgrund des § 581 Abs. 1 RVO durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeit auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (zur neuen Rechtslage, die insoweit keine wesentliche Änderung gegenüber dem Recht der RVO begründet hat: § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII; vgl. auch BSGE 63, 207, 209 = SozR 2200 § 581 Nr. 28 m.w.N., sowie BT-Drucks 13/2204 S. 90), ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. etwa Urteil des BSG, 18.03.2003 – B 2 U 31/02 R –, juris, dort Rn. 17). Die Bemessung der MdE hängt dabei von zwei Faktoren ab: den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSGE 6, 267, 268 = SozR Nr. 25 zu § 128 SGG; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 m.w.N.; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII Stand: Januar 2004, § 56 Rn. 67 ff.). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (vgl. zum Ganzen Urteil des BSG, 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R –, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 m.w.N.).
Nach der auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache und Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie alle wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinne. Die untere Grenze der Wesentlichkeit einzelner Bedingungen im Vergleich zu anderen Mitbedingungen liegt dort, wo der Anteil der einzelnen entscheidenden Bedingung im Verhältnis zu dem Gesamtbündel der übrigen (nicht anspruchsbegründenden) Mitbedingungen nicht mehr als wesentlich bewertet werden kann (BSG, 12.02.1998, B 8 Kn 3/96 UR). Ein mitwirkender Faktor ist dann rechtlich unwesentlich, wenn er von der einen oder anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen an ursächlicher Bedeutung, wenn sie bei vernünftiger lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsschadens darstellen, das Unfallereignis deshalb völlig zurückdrängen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 26).
Des vollen Beweises bedarf im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Sachverhalt, der gesetzliche Tatbestandsmerkmale verwirklichen soll; für den kausalen Zusammenhang zwischen Tatsachen genügt dagegen hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 1, 10; 45, 285, 286). Die "gute Möglichkeit" eines Zusammenhangs reicht nicht aus (BSG v. 24.02.1988, USK 8825, 113). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG 31.07.1962, Breithaupt 1963, 60, 61). Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache sind von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 m.w.N.). Hinsichtlich anspruchsbegründener Voraussetzungen trifft die Beweislosigkeit denjenigen, der Ansprüche geltend macht oder für den sie geltend gemacht werden. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Antragsteller die objektive Beweislast trägt, gehört auch die Kausalität zwischen Tatsachen, die den Anspruch im Übrigen begründen (st. Rechtspr., vgl. nur BSGE 30, 278, 281; 35, 216, 218).
Legt man diese rechtlichen Grundsätze zugrunde, begegnet der Bescheid der Beklagten vom 10.12.1976, insbesondere die in diesem Bescheid enthaltene Festsetzung der Höhe der MdE auf 25 v.H., keinen rechtlichen Bedenken, weshalb weder ein Anspruch auf Änderung dieses Bescheides zugunsten des Klägers noch auf Gewährung höherer Verletztenrente besteht. Wie bereits das SG in seinen Entscheidungsgründen zutreffend dargelegt hat, wird die MdE bei unkomplizierter einseitiger Erblindung und uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges allgemein mit 25 v. H. eingeschätzt (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 293; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Auflage 2012, S. 152; erst kürzlich bestätigt vom BSG im Urteil vom 19.12.2013 – B 2 U 17/12 R –, NZS 2014, 342-345, juris, Rn. 17 m.w.N.). Der Kläger ist bei einschränkungslos erhaltener Sehfähigkeit links infolge des Unfalls vom 08.07.1975 rechts funktionell erblindet; er erkennt mit dem verletzten Auge nur noch starken Lichtschein. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten des Prof. Dr. N. vom 27.10.1976, der als einzige weitere funktionell bedeutsame Einschränkung immer wieder auftretende Reizzustände am verletzten Auge mit Beschwerden angeführt hat, welche einer medikamentösen Behandlung bedürfen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um Komplikationen, welche ihrer Art und Schwere nach eine höhere MdE zu begründen geeignet wären. Keine potentiell MdE-erhöhenden Komplikationen sind nach der maßgeblichen unfallmedizinischen Literatur (Schönberger u.a., a.a.O.) etwa das Tragen eines Kunstauges oder das Absondern klebriger Flüssigkeit. Als beispielhaft für MdE-erhöhende Komplikationen aufgeführt werden demgegenüber eine chronische Eiterung der Augenhöhle, Gesichtsentstellung und die Unverträglichkeit, eine Prothese zu tragen. Die beim Kläger beschriebenen Reizzustände am verletzten Auge sind, nachdem sie nicht ständig bestehen, sondern nur "immer wieder" auftreten, nicht als eiternd beschrieben worden sind und zudem einer medikamentösen Behandlung zugänglich sind – Prof. Dr. N. vermochte bei seiner Untersuchung nach kurz zuvor erfolgter medikamentöser Behandlung keinen Reizzustand festzustellen – lediglich den erstgenannten Einschränkungen vergleichbar, stellen mithin keine MdE-erhöhenden Komplikationen dar.
Prof. Dr. N. hat, anders als der Kläger meint, bei der MdE-Bemessung in seinem Gutachten vom 27.10.1976 auch nicht in unzulässiger Weise den Ist-Zustand mit prognostischen Überlegungen vermischt, sondern, was er auch durch eine entsprechende Gliederung seiner Ausführungen mit Textabsätzen zum Ausdruck gebracht hat, zunächst ausgehend vom Ist-Zustand die MdE-Höhe eingeschätzt, um dann in einem gesonderten Textabschnitt die weiteren medizinischen (operativen) Möglichkeiten darzustellen, deren Wahrnehmung er nur für den hypothetischen Fall einer drohenden vollständigen Erblindung angeraten hat.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man, anders als vorliegend der Senat, zu dem Ergebnis käme, dass tatsächlich eine MdE von 30 v. H. bestanden hätte, einer Änderung des Bescheides vom 10.12.1976 die ständige Rechtsprechung des BSG entgegen stünde, nach der eine Abweichung von bis zu 5 v. H. als innerhalb der zwangsläufig bei der MdE-Bemessung eintretenden Schwankungsbreite liegend eine Rechtswidrigkeit im allgemeinen nicht zu begründen vermag (Urteile vom 02.03.1971 – 2 RU 300/68 – und – 2 RU 39/70 –, BSGE 32, 245, ausdrücklich bestätigt im Urteil vom 19.12.2013 – B 2 U 17/12 R –, a.a.O., Rn. 23 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung höherer Verletztenrente wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 08.07.1975. Er ist der Auffassung, der Funktionsverlust des rechten Auges sei nicht nur, wie im bindend gewordenen Rentenbescheid vom 10.12.1976, mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H., sondern mit wenigstens 30 v. H. zu bemessen.
Der 1951 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Mechaniker in einem Baggerbetrieb beschäftigt. Ausweislich der Unfallanzeige vom 09.07.1975 war er mit der Reparatur des Baggerlöffels beschäftigt, als ihm am 08.07.1975 beim Herausklopfen eines Baggerzahnes ein Metallsplitter ins rechte Auge geriet. Der Kläger suchte danach sofort die Augenärztin Dr. N. auf, die in ihrem Bericht vom 08.07.1975 eine ständige Sickerblutung des rechten Auges, einen Irisprolaps bei 11.00 Uhr, eine perforierende Hornhautverletzung im temporal oberen Quadranten (Vorderkammer fast aufgehoben) und eine hyphaematische Iridodialyse von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr, tief, beschrieb und die Diagnose einer schweren perforierenden Verletzung des rechten Auges stellte. Sie veranlasste die sofortige Einweisung des Klägers in eine Augenklinik.
Die Universitäts-Augenklinik B., wo sich der Kläger vom 08.07.1975 bis 30.07.1975 in stationärer Behandlung befand, teilte in ihrem Entlassungsbericht vom 01.08.1975 die Diagnose einer perforatio bulbi des rechten Augen mit intraokularem amagnetischem Fremdkörper, Riss-Quetsch-Wunde der Hornhaut, Iridodialyse, Läsion der Linse mit Subluxation und GK-Blutung mit. Zwei Versuche einer Fremdkörperextraktion mit dem Magneten seien erfolglos verlaufen, die subluxierte Linse sei kryoextrahiert worden. Der Fremdkörper liege intravitreal; eine totale Vitrektomie solle diskutiert werden.
Im Bericht vom 14.11.1975 (Bl. 29 Verw.-Akte der Beklagten - VA) teilte die Fachärztin für Augenkrankheiten Dr. N. mit, in der Universitäts-Augenklinik B. sei das zerstörte Irisgewebe entfernt worden, die gequollenen Linsenmassen seien weitestgehend entfernt worden. Der Splitter habe trotz vielfacher Versuche nicht extrahiert werden können, eine Glaskörperblutung habe behandelt werden müssen. Es handle sich inzwischen um ein äußerlich reizfreies Auge, allerdings seien die intraokularen Entzündungs- bzw. Heilungsvorgänge noch nicht abgeschlossen, weshalb das Auge ein Jahr lang kontrolliert und medikamentös versorgt werden müsse. Das Sehvermögen am rechten Auge betrage Lichtschein vor dem Auge mit defekter Projektion. Mit einer Besserung in Bezug auf das Sehvermögen sei nicht zu rechnen.
Mit ärztlichem Zeugnis vom 10.06.1976 bestätigte die Universitäts-Augenklinik B. dem Kläger, dass er in Folge eines Augenunfalls rechts nur noch Lichtschein erkenne, praktisch Einäuger sei und deshalb über kein Tiefensehen mehr verfüge. Auch sein Gesichtsfeld sei eingeengt, weshalb er den Kopf viel stärker als Normalsehende drehen müsse, um rechts so viel wie links zu sehen. Deshalb werde eine Umschulung empfohlen.
Am 27.10.1976 erstattete der ärztliche Direktor der Universitäts-Augenklinik T., Prof. Dr. N., ein augenfachärztliches Gutachten über den Kläger. Dieser habe angegebenen, mit dem rechten Auge jetzt gar nicht mehr zu sehen. Das Auge sei nie ganz beschwerdefrei, fast regelmäßig verspüre er Stiche. Wegen stärkerer Schmerzen mit Rötung des Auges sei vor etwa einer Woche eine zusätzliche medikamentöse Behandlung durchgeführt worden. Prof. Dr. N. stellte die Diagnose eines Zustandes nach schwerer durchbohrender Verletzung mit Linsenlosigkeit und Fremdkörper im Augeninnern. Am linken Auge beschrieb er das Fehlen sowohl unfallbedingter als auch unfallunabhängiger Veränderungen. Als unfallbedingte Veränderungen am rechten Augen bezeichnete er eine Auswärtsschielstellung, einen röntgenologisch und echographisch nachweisbaren Metallfremdkörper im Augeninnern, ausgedehnte, alle Schichten durchsetzende Hornhautnarben im schläfenwärts oberen Quadranten, eine Verlegung des schläfenwärtigen Kammerwinkelanteiles mit Narbenzustand nach Strahlenkörperabriss schläfenwärts oben, einen totalen Regenbogenhautausschnitt oben, das Fehlen der Linse bis auf eine derbe Nachstarplatte, eine Glaskörpertrübung und Verwachsungen mit der Hornhautnarbe, die Herabsetzung der Sehschärfe auf das Erkennen von Lichtschein bei Verwendung von starkem Grünlicht, ein praktisch erloschenes Gesichtsfeld und den Verlust des weitäugigen Sehens. Den Grad der MdE schätzte er mit 25 v. H. ein und führte zur Begründung aus, die schwere durchbohrende Verletzung habe zu einem praktisch vollständigen Funktionsverlust des rechten Auges geführt. Da am verletzten Auge immer wieder Reizzustände mit Beschwerden aufträten, die einer ständigen medikamentösen Behandlung bedürften, sei das Auge zur Zeit eher hinderlich als nützlich. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei das rechte Auge reizfrei und eine medikamentöse Therapie nicht erforderlich gewesen. Dieser Befund sei nach unmittelbar vorausgegangener systemischer und lokaler Cortison-Therapie für die Entscheidung über erforderliche medikamentöse Behandlungsmaßnahmen nicht repräsentativ. Diese Entscheidung müsse Frau Dr. N., die wie der Kläger über immer wieder auftretende Reizzustände berichtet habe, überlassen werden.
Mit Bescheid vom 10.12.1976 erkannte die T.-B. als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) das Ereignis vom 08.07.1975 als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles Verletztenrente nach einer MdE um 25 v. H. ab dem 01.01.1976 als vorläufige Rente. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie einen Funktionsverlust des rechten Auges nach schwerer durchbohrender Verletzung mit Linsenlosigkeit und Metallfremdkörper im Augeninnern, wodurch der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit um 25 v. H. beeinträchtigt werde, an.
Eine gesonderte Erteilung eines Bescheides über eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit erfolgte nicht. Nachdem Prof. Dr. N. die Höhe der MdE unter Dauerrentengesichtspunkten im Gutachten vom 24.06.1977 weiterhin auf 25 v.H. beziffert hatte, ließ die Beklagte die Frist, in welcher eine Entscheidung über die Gewährung einer Verletztenrente als Dauerrente möglich gewesen wäre, verstreichen, so dass sich die vorläufige Rente kraft Gesetzes in eine Dauerrente umwandelte (§ 622 Abs. 2 i.V.m. § 1585 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung - RVO).
Mit Fax vom 29.04.2010 beantragte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten sinngemäß die Überprüfung des Bescheides vom 10.12.1976, indem er die Richtigkeit der MdE für die Augenverletzung, festgestellt mit 25 v. H., anzweifelte. Es sei eine vollständige Blindheit gegeben und der Metallfremdkörper befinde sich noch immer im Augeninnern. Eine MdE von 30 v. H. sei durchaus zu rechtfertigen.
Die Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2010, nochmals detailliert zu begründen, weshalb er von einer MdE von 30 v. H. ausgehe, blieb unbeantwortet. Mit Schreiben vom 26.10.2010 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, sie halte ihre Entscheidung im Bescheid vom 10.12.1976 weiterhin für zutreffend, da eine MdE-Bewertung von 25 v. H. bereits einen Funktionsverlust bei Linsenlosigkeit bei liegendem Metallkörper einschließe, dies bei der MdE-Schätzung berücksichtigt worden sei und entsprechende Unfallfolgen bescheidmäßig anerkannt seien. Die Beklagte gehe daher davon aus, dass der Antrag auf Änderung der MdE nicht aufrecht erhalten werde.
Dem widersprach der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 01.04.2011. Der Kläger "ist und war" auf dem Auge so gut wie blind. Die MdE hätte von Anfang an bei 30 v. H. liegen müssen. Vor dem Hintergrund noch anderer laufender Verfahren im Hinblick auf Berufskrankheiten halte er eine Streitigkeit um 5 v. H. für zulässig, zumal er die Rechtsprechung für unzutreffend erachte. Er wandte sich gegen die Festsetzung der MdE auf 25 v. H., nachdem bei ganz klarer Sachlage eine MdE von 30 v. H. zu vergeben gewesen wäre.
Mit Bescheid vom 19.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10.12.1976 nach § 44 SGB X ab. Da keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien, könne sie sich ohne Sachprüfung auf die Bindungswirkung der früheren Entscheidung berufen. In der MdE-Bewertung von 25 v. H. sei bereits ein Funktionsverlust bei Linsenlosigkeit bei liegendem Metallkörper eingeschlossen und bei der MdE-Schätzung berücksichtigt worden.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25.05.2011 Widerspruch und führte aus, es gehe nicht um den Vortrag neuer Sachverhalte, sondern darum, dass die Beklagte den Sachverhalt seinerzeit falsch beurteilt und das Recht unrichtig angewandt habe. Von Anfang an hätte eine MdE von wenigstens 30 v. H. anerkannt werden müssen. Eine Verschlechterung der Verhältnisse sei nie behauptet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie könne sich ohne erneute Sachprüfung auf die Bindungswirkung des vorangegangenen Bescheides berufen, da den Ausführungen des Klägers weder neue Tatsachen noch Beweismittel entnommen werden könnten. Zudem wiederhole er lediglich die bereits anerkannten Unfallfolgen und gebe keine Gründe an, weshalb die hierfür angesetzte MdE von 25 v. H. von Anfang an zu niedrig eingeschätzt worden sein solle.
Mit der am 19.07.2011 dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, sein rechtes Auge sei mit Funktionsverlust versehen, das heißt blind. Dies rechtfertige eine MdE von 30 v. H., nachdem sogar zum Zeitpunkt der MdE-Festsetzung gutachterlich festgestellt worden sei, dass zusätzlich Reizzustände bei dem Auge bestanden hätten. Es bestünden sogar Komplikationen. Die gutachterlichen Feststellungen seien fehlerhaft, denn sie stellten auf eine MdE ab, die hypothetisch durch operative Maßnahmen eine Verbesserungsmöglichkeit sehe. Der Gesamtzustand habe sich nicht verändert.
Die Beklagte hat ausgeführt, die MdE von 25 v. H. stehe in Übereinstimmung mit der wissenschaftlichen Literatur.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Stehe im Streit, ob das Recht unrichtig angewandt worden sei, könne es auf den Vortrag von Tatsachen oder die Benennung von Beweismitteln nicht ankommen. Es handele sich dann um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, welche letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen müsse. Allerdings müsse auch in diesen Fällen eine erneute Sachprüfung erst stattfinden, wenn der vorgebrachte Einwand seiner Art nach geeignet sei, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts darzutun und wenn dieser Einwand eine tatsächliche Grundlage habe. Hiernach habe die Beklagte den Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt. Die vom Kläger geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen seien allesamt bereits in der zu überprüfenden Entscheidung (Bescheid vom 10.12.1976) berücksichtigt worden. Die Einschätzung der Höhe der MdE entspreche der wissenschaftlichen Meinung. Nach Schönberger/Merthens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, S. 293, betrage die MdE bei unkomplizierter einseitiger Erblindung und uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges 25 v. H. Für eine MdE von 30 v. H. seien Komplikationen und die zumindest wahrscheinliche Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich. Im Übrigen sei selbst bei Annahme einer MdE von 30 v. H. eine abweichende gerichtliche Entscheidung verwehrt, da die Rechtsprechung des BSG eine Abweichung von 5 v. H. oder weniger von der Schätzung durch den Unfallversicherungsträger nicht zulasse, nachdem einer Schätzung immer eine natürliche Schwankungsbreite zu eigen sei, die mit 5 v. H. angenommen werde.
Gegen den dem Bevollmächtigten des Klägers am 01.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18.06.2013 Berufung eingelegt und diese trotz Aufforderung nicht weiter begründet.
Der Kläger beantragt – sachdienlich gefasst –,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.05.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.12.1976 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 14.10.2013 gemäß § 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Fristsetzung (14.11.2013) aufgefordert, die Tatsachen anzugeben und Beweismittel zu benennen, auf die er seine Berufung stützt. Auch hierauf hat er nicht reagiert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, welche vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Der Bescheid vom 10.12.1976 ist rechtmäßig; die Bemessung der MdE für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.07.1975 mit 25 v.H. ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Richtige Klageart ist vorliegend die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in allen Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X nicht. Mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid kann zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-) Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (BSG, 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Abänderung des Bescheides vom 10.12.1976 zu seinen Gunsten ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, 28.01.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, 25.09.2006 - B 2 U 24/05 R = BSGE 97, 54, juris, Rn. 12 m.w.N.). § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X führt zwei Alternativen an, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel an, woran sich ggf. ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse – Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind – Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat – neue Entscheidung) anschließt (BSG v. 25.09.2006, a.a.O., Rn. 13). Bei der ersten Alternative handelt es sich demgegenüber um eine rein juristische Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen zu erfolgen hat. Vorliegend hat der Kläger neue Tatsachen und Erkenntnisse nicht benannt. Sein Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, dass bereits die im Jahr 1976 vorliegenden Unfallfolgen mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten gewesen seien, womit er sich ausschließlich gegen die aus seiner Sicht zu niedrige Bemessung des Grades der MdE durch die Beklagte gewandt hat. Diese konnte sich mangels neuer Tatsachen und/oder Erkenntnisse auf eine Überprüfung ihrer Entscheidung über die Höhe der MdE auf der Grundlage der aktenkundig vorliegenden Informationen beschränken.
Nach § 44 Abs. 4 SGB X sind zu Unrecht nicht erbrachte Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der auf die Rücknahme gerichteten Antragstellung, d.h. ausgehend von dem im April 2010 gestellten Antrag frühestens ab dem 01.01.2006 zu erbringen, was nicht auf Einrede, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen ist, weshalb Ansprüche auf höhere Verletztenrente des Klägers vor dem 01.01.2006 von vornherein ausgeschlossen sind.
Der vom Kläger erhobene Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der streitbefangene Arbeitsunfall am 08.07.1975, und damit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII), und Verletztenrente erstmals ebenfalls vor Inkrafttreten des SGB VII, gemäß Bescheid vom 10.12.1976 ab dem 01.01.1976, festzusetzen war (§ 214 Abs. 3 SGB VII).
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente ist § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO. Danach wird dem Verletzten als Verletztenrente der Teil der Vollrente (§ 581 Abs. 1 Nr. 1 RVO) gewährt, der dem Grade der MdE entspricht, solange seine Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 1/5 (20 v. H.) gemindert ist und dies über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO).
Die Bemessung des Grades der MdE, also die aufgrund des § 581 Abs. 1 RVO durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeit auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (zur neuen Rechtslage, die insoweit keine wesentliche Änderung gegenüber dem Recht der RVO begründet hat: § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII; vgl. auch BSGE 63, 207, 209 = SozR 2200 § 581 Nr. 28 m.w.N., sowie BT-Drucks 13/2204 S. 90), ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. etwa Urteil des BSG, 18.03.2003 – B 2 U 31/02 R –, juris, dort Rn. 17). Die Bemessung der MdE hängt dabei von zwei Faktoren ab: den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSGE 6, 267, 268 = SozR Nr. 25 zu § 128 SGG; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 m.w.N.; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII Stand: Januar 2004, § 56 Rn. 67 ff.). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (vgl. zum Ganzen Urteil des BSG, 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R –, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 m.w.N.).
Nach der auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache und Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie alle wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinne. Die untere Grenze der Wesentlichkeit einzelner Bedingungen im Vergleich zu anderen Mitbedingungen liegt dort, wo der Anteil der einzelnen entscheidenden Bedingung im Verhältnis zu dem Gesamtbündel der übrigen (nicht anspruchsbegründenden) Mitbedingungen nicht mehr als wesentlich bewertet werden kann (BSG, 12.02.1998, B 8 Kn 3/96 UR). Ein mitwirkender Faktor ist dann rechtlich unwesentlich, wenn er von der einen oder anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen an ursächlicher Bedeutung, wenn sie bei vernünftiger lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsschadens darstellen, das Unfallereignis deshalb völlig zurückdrängen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 26).
Des vollen Beweises bedarf im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Sachverhalt, der gesetzliche Tatbestandsmerkmale verwirklichen soll; für den kausalen Zusammenhang zwischen Tatsachen genügt dagegen hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 1, 10; 45, 285, 286). Die "gute Möglichkeit" eines Zusammenhangs reicht nicht aus (BSG v. 24.02.1988, USK 8825, 113). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG 31.07.1962, Breithaupt 1963, 60, 61). Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache sind von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 m.w.N.). Hinsichtlich anspruchsbegründener Voraussetzungen trifft die Beweislosigkeit denjenigen, der Ansprüche geltend macht oder für den sie geltend gemacht werden. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Antragsteller die objektive Beweislast trägt, gehört auch die Kausalität zwischen Tatsachen, die den Anspruch im Übrigen begründen (st. Rechtspr., vgl. nur BSGE 30, 278, 281; 35, 216, 218).
Legt man diese rechtlichen Grundsätze zugrunde, begegnet der Bescheid der Beklagten vom 10.12.1976, insbesondere die in diesem Bescheid enthaltene Festsetzung der Höhe der MdE auf 25 v.H., keinen rechtlichen Bedenken, weshalb weder ein Anspruch auf Änderung dieses Bescheides zugunsten des Klägers noch auf Gewährung höherer Verletztenrente besteht. Wie bereits das SG in seinen Entscheidungsgründen zutreffend dargelegt hat, wird die MdE bei unkomplizierter einseitiger Erblindung und uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges allgemein mit 25 v. H. eingeschätzt (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 293; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Auflage 2012, S. 152; erst kürzlich bestätigt vom BSG im Urteil vom 19.12.2013 – B 2 U 17/12 R –, NZS 2014, 342-345, juris, Rn. 17 m.w.N.). Der Kläger ist bei einschränkungslos erhaltener Sehfähigkeit links infolge des Unfalls vom 08.07.1975 rechts funktionell erblindet; er erkennt mit dem verletzten Auge nur noch starken Lichtschein. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten des Prof. Dr. N. vom 27.10.1976, der als einzige weitere funktionell bedeutsame Einschränkung immer wieder auftretende Reizzustände am verletzten Auge mit Beschwerden angeführt hat, welche einer medikamentösen Behandlung bedürfen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um Komplikationen, welche ihrer Art und Schwere nach eine höhere MdE zu begründen geeignet wären. Keine potentiell MdE-erhöhenden Komplikationen sind nach der maßgeblichen unfallmedizinischen Literatur (Schönberger u.a., a.a.O.) etwa das Tragen eines Kunstauges oder das Absondern klebriger Flüssigkeit. Als beispielhaft für MdE-erhöhende Komplikationen aufgeführt werden demgegenüber eine chronische Eiterung der Augenhöhle, Gesichtsentstellung und die Unverträglichkeit, eine Prothese zu tragen. Die beim Kläger beschriebenen Reizzustände am verletzten Auge sind, nachdem sie nicht ständig bestehen, sondern nur "immer wieder" auftreten, nicht als eiternd beschrieben worden sind und zudem einer medikamentösen Behandlung zugänglich sind – Prof. Dr. N. vermochte bei seiner Untersuchung nach kurz zuvor erfolgter medikamentöser Behandlung keinen Reizzustand festzustellen – lediglich den erstgenannten Einschränkungen vergleichbar, stellen mithin keine MdE-erhöhenden Komplikationen dar.
Prof. Dr. N. hat, anders als der Kläger meint, bei der MdE-Bemessung in seinem Gutachten vom 27.10.1976 auch nicht in unzulässiger Weise den Ist-Zustand mit prognostischen Überlegungen vermischt, sondern, was er auch durch eine entsprechende Gliederung seiner Ausführungen mit Textabsätzen zum Ausdruck gebracht hat, zunächst ausgehend vom Ist-Zustand die MdE-Höhe eingeschätzt, um dann in einem gesonderten Textabschnitt die weiteren medizinischen (operativen) Möglichkeiten darzustellen, deren Wahrnehmung er nur für den hypothetischen Fall einer drohenden vollständigen Erblindung angeraten hat.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man, anders als vorliegend der Senat, zu dem Ergebnis käme, dass tatsächlich eine MdE von 30 v. H. bestanden hätte, einer Änderung des Bescheides vom 10.12.1976 die ständige Rechtsprechung des BSG entgegen stünde, nach der eine Abweichung von bis zu 5 v. H. als innerhalb der zwangsläufig bei der MdE-Bemessung eintretenden Schwankungsbreite liegend eine Rechtswidrigkeit im allgemeinen nicht zu begründen vermag (Urteile vom 02.03.1971 – 2 RU 300/68 – und – 2 RU 39/70 –, BSGE 32, 245, ausdrücklich bestätigt im Urteil vom 19.12.2013 – B 2 U 17/12 R –, a.a.O., Rn. 23 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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