L 8 SB 1364/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3368/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1364/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 06.02.2014 abgeändert. Der Bescheid des Landratsamts R.-N.-K. vom 24.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 18.09.2012 wird insoweit aufgehoben, als der GdB von 70 auf 60 herabgesetzt wurde. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger 1/3 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, den dem Kläger ab 24.07.2009 zuerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 70 ab dem 27.05.2012 auf 60 herabzusetzen und das zuerkannte Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) zu entziehen.

Der 1964 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger, zog sich bei einem Leitersturz am 06.06.2008 einen Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers sowie eine Femurfraktur zu, die operativ versorgt wurden (u.a. Spondylodese Th12-L2).

Das Landratsamt des R.-N.-K. (LRA) stellte mit Bescheid vom 05.11.2008 einen GdB von 50 seit 09.07.2008 fest (Blatt 28/21 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Gebrauchseinschränkungen des linken Beines bei operierter Oberschenkelfraktur, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten bei Wirbelbruch LWK-1: Teil-GdB 40; Schlafapnoe-Syndrom: Teil-GdB 20, zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 15/17 der Beklagtenakte). Der hiergegen erhobene Widerspruch war nicht erfolgreich (Widerspruchsbescheid vom 09.03.2009, Blatt 43/46 der Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 04.11.2009 (Blatt 62/63 der Beklagtenakte zu den zugrundeliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 02.09.2009 (Dr. R.) vgl., Blatt 56 der Beklagtenakte, und vom 30.10.2009 (Dr. M.) vgl. Blatt 60/61 der Beklagtenakte) stellte das LRA einen GdB von 70 seit 24.07.2009 sowie das Merkzeichen "G" fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Gebrauchseinschränkung des linken Beines bei operierter Oberschenkelfraktur, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten bei Wirbelbruch LWK 1, chronisches Schmerzsyndrom: Teil-GdB 50; Schlafapnoe-Syndrom: Teil-GdB 20; Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks: Teil-GdB 10; Bluthochdruck: Teil-GdB 10; Sehminderung beidseitig: Teil-GdB 30).

Auf Veranlassung des LRA (Blatt 67 der Beklagtenakte) reichte der Kläger im eingeleiteten Nachprüfungsverfahren am 27.10.2012 das Formular "Änderungsantrag" ein (Blatt 68/69 der Beklagtenakte), in dem er auf ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Hypertonie, eine Schlaf-Apnoe, ein Cervicalsyndrom C4/5, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine sonstige Spondylose im Lumbalbereich verwies. Der Kläger legte Befundberichte (Blatt 70/80 der Beklagtenakte), insbesondere den Bericht von Prof. Dr. S., Universitätsklinikum H., vom 03.01.2011 (Blatt 73/76 der Beklagtenakte) vor, aus dem sich ergibt, dass der Kläger ein flüssiges Gangbild ohne Hinken gezeigt habe.

Der Versorgungsarzt Dr. M. kam in seiner Beurteilung vom 17.11.2011 (Blatt 81 der Beklagtenakte) zu der Einschätzung des GdB mit 70 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Gebrauchseinschränkung des linken Beines, bei operierter Oberschenkelfraktur, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke: Teil-GdB 30; Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Verheilter Wirbelbruch, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten, chronisches Schmerzsyndrom: Teil-GdB 30; Sehminderung beidseitig: Teil-GdB 30; Schlafapnoe-Syndrom: Teil-GdB 20; Bluthochdruck: Teil-GdB 10); eine wesentliche Besserung des Gehvermögens sei eingetreten, Unterarmgehstützen würden offensichtlich nicht mehr benötigt, Merkzeichen "G" stehe nicht weiter zu. Das Referat für Schwerbehindertenangelegenheiten des LRA (Blatt 82/83) nahm an, der GdB sei auf 60 festzustellen.

Mit Schreiben vom 30.11.2011 hörte das LRA den Kläger zur Herabsetzung des GdB auf 60 und zur Entziehung des Merkzeichens "G" an; es sei eine wesentliche Änderung eingetreten, als sich die Funktionsbeeinträchtigung "Funktionseinschränkung des linken Beines, bei operierter Oberschenkelfraktur" zwischenzeitlich gebessert habe und aus dem Bericht des Universitätsklinikums H. vom 03.01.2011 ein "flüssiges Gangbild ohne Hinken" zu entnehmen sei, Unterarmgehstützen würden offensichtlich nicht mehr benötigt.

Der Kläger gab daraufhin mit Schreiben vom 27.12.2011 (Blatt 86 der Beklagtenakte) an, der Bericht stamme aus einer einmonatigen ambulanten Reha, in der er sich vollständig auf seine Therapie konzentriert habe und seinem Beruf nicht nachgegangen sei. Durch die alltägliche Belastung habe sich dies jedoch verschlechtert. Er habe permanent Schmerzen und Probleme beim Gehen und Tragen. Das Gehvermögen sei eingeschränkt. Er habe z.B. morgens Schwierigkeiten, beim Aufstehen und beim Treppensteigen. Durch die körperliche Belastung im Beruf würden die Schmerzen über den Tag stärker, sodass er nach größerer Belastung wieder hinke und auf Schmerzmittel angewiesen sei (zu den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen vgl. Blatt 87/96 der Beklagtenakte).

In seiner Stellungnahme vom 15.04.2012 führte der Versorgungsarzt K. (Blatt 97/98 der Beklagtenakte) aus, - die Gebrauchseinschränkung des linken Beines, bei operierter Oberschenkelfraktur, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sei mit einem GdB von 30, - die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Verheilter Wirbelbruch, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten, chronisches Schmerzsyndrom mit einem GdB von 30, - die Sehminderung beidseitig mit einem GdB von 30, - das Schlafapnoe-Syndrom mit einem GdB von 30 und - der Bluthochdruck mit einem GdB von 10 zu bewerten (Gesamt-GdB 60).

Mit Bescheid vom 24.05.2012 (Blatt 99/101 der Beklagtenakte) hob das LRA den "Bescheid vom [kein Bescheid genannt]" gemäß § 48 SGB X auf. Es lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: - Gebrauchseinschränkung des linken Beines, bei operierter Oberschenkelfraktur, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, - degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Verheilter Wirbelbruch, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten, chronisches Schmerzsyndrom, - Sehminderung beidseitig, - Schlafapnoe-Syndrom, chronische Bronchitis und - Bluthochdruck. Der GdB betrage 60 ab dem 27.05.2012. Die Voraussetzungen für die Feststellung des gesundheitlichen Merkzeichens "G" lägen nicht mehr vor.

Der Kläger machte mit seinem am 25.06.2012 eingegangenen Widerspruch (Blatt 103 der Beklagtenakte) geltend, sein Gehvermögen sei noch immer stark eingeschränkt. Er sei weiterhin in orthopädischer Behandlung und müsse regelmäßig zum Schmerztherapeuten und Neurologen. Die Lendenwirbelsäule sei mit zwei Klammern versteift, in seiner Hüfte befinde sich ein Eisenstab (zu den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Berichten des Orthopäden H. und der Anästhesistin Dr. R. vgl. Blatt 104/105 der Beklagtenakte).

Nachdem der Versorgungsarzt Dr. W. (Blatt 106 der Beklagtenakte) angegeben hatte, die anerkannten Gesundheitsstörungen seien zutreffend und ausreichend bewertet, bei endgradiger schmerzhafter Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks und mäßigen Lumbalbeschwerden seien die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nicht erfüllt, eine psychische Begleitsymptomatik sei nicht auszuschließen, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers durch das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012, Blatt 108/110 der Beklagtenakte).

Der Kläger hat am 16.10.2012 beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage erhoben. Er hat vorgelegt - eine vom Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie H. verfasste Übersicht über Behandlungsdaten und Diagnosen vom 26.10.2012 (Blatt 18 der SG-Akte), - eine Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie H. vom 12.10.2012 (Blatt 20 der SG-Akte), - einen Bericht von Prof. Dr. S. vom Orthopädisch-Unfallchirurgischen Zentrum der Universitätsmedizin M. (Blatt 21/22 der SG-Akte).

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 25/30, 31/56, 57/58, 59, 60/67 und 68/71 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. hat in seiner Auskunft vom 22.11.2012 ausgeführt, auf seinem Fachgebiet sei bezüglich des Schlafapnoe-Syndroms und der chronischen Bronchitis der GdB mit 30 sachgerecht festgestellt. Aufgrund der Erkrankungen seines Fachgebiets sei die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Dr. F., Arzt für Allgemeinmedizin und Urologie, hat dem SG unter dem Datum des 26.11.2012 geschrieben, der Kläger sei ein chronischer Schmerzpatient. Daneben seien eine Hypertonie und eine Pollinose diagnostiziert. Das chronische Schmerzsyndrom halte er mit einem Teil-GdB von 30 für unterbewertet. Eine wesentliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sehe er nicht. Dr. S., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, hat am 28.11.2012 ausgeführt, im Februar 2010 die Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms gestellt zu haben. Im September 2011 sei eine Depression diagnostiziert worden. Die Diagnose sei ab Oktober 2012 auf die einer Dysthymie geändert worden, da eine überdauernde depressive Grundhaltung zu erkennen gewesen sei. Diese sei mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Zwar sei der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt. Erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren seien durch die Einschränkung des Gehvermögens jedoch nicht zu befürchten. Die Ärztin für Anästhesie Dr. R. hat im Schreiben vom 11.12.2012 angegeben, dass beim Kläger ein chronifiziertes Schmerzsyndrom Grad III nach Gerbershagen bestehe. Insoweit sei ein zusätzlicher Teil-GdB von 30 zuzuerkennen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. G. hat unter dem 29.11.2012 mitgeteilt, den Kläger regelmäßig, teils mehrfach im Monat zu behandeln. An den Hüftgelenken habe er beidseits am 20.12.2012 allenfalls endgradige Bewegungseinschränkungen gefunden. Den GdB für die unteren Extremitäten beurteile er mit 20, die Behinderung der Wirbelsäule und das Schmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 40. Die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr sei derzeit sicherlich erheblich eingeschränkt. Er sei in seinem Leiden fixiert. Eine Gehstrecke von 2 km könne er nicht innerhalb von 30 Minuten zurücklegen. Die Fachärztin für Augenheilkunde Dr. T. hat in ihrer Stellunganhme vom 26.11.2012 eine einseitige Sehminderung (Refraktionsambylopie) rechts mit einem Teil-GdB von 25 bewertet.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten beim Facharzt für Orthopädie Dr. T. und bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H ... Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 05.09.2013 (Blatt 79/109 der SG-.Akte) beim Kläger eine beginnende Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule mit endgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, eine Spondylodese Th 12-L 2 bei Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers mit verbleibenden Restbeschwerden und endgradiger Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, eine köchern konsolidierte pertochantere Femurfraktur links mit einliegendem Osteosynthesematerial und angegebenen Restbeschwerden und allenfalls endgradiger Funktionseinschränkung des Hüftgelenks, eine arterielle Hypertonie (medikamentös behandelt), ein Schlafapnoe-Syndrom (operative Therapie 2008, aktuell ohne Behandlung) und eine Sehminderung beidseits festgestellt. Den Teil-GdB für die auf seinem Fachgebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen hat er mit 40 bewertet. Insgesamt ergebe sich Gesamt-GdB von 60. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G lägen nicht vor. Dr. H. hat in ihrem Gutachten vom 10.12.2013 (Blatt 116/140 der SG-Akte) ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt. Es lägen auf ihrem Fachgebiet keine eigenständigen Erkrankungen vor, für die ein Teil-GdB zu vergeben sei. Auch sei aus nervenärztlicher Sicht die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht gerechtfertigt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2014 abgewiesen. Zu Recht habe der Beklagte durch die streitigen Bescheide den GdB auf 60 reduziert und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht mehr vorlägen. Unter integrierender Betrachtung könne für die Funktionssysteme der Wirbelsäule und der Hüftgelenke ein Teil-GdB von 40 als sachgerecht angesehen werden. Für die Augenerkrankung sei bei stabilem Befund ein Teil-GdB von 25 anzunehmen, für das lungenfachärztliche Gebiet ein Teil-GdB von 30 und für die arterielle Hypertonie ein Teil-GdB von 10. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sei deutlich, dass eine wesentliche Änderung im Vergleich zum Bescheid vom 04.11.2009 vorliege. Zu Recht habe der Beklagte auch festgestellt, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nicht mehr erfüllt seien. Es sei hinsichtlich der Gehfähigkeit durch eine schmerztherapeutische Behandlung bei Prof. Dr. S. eine Besserung eingetreten.

Der Kläger hat dem SG am 07.02.2014 (Blatt 151/157 der SG-Akte) weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 20.02.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.03.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der GdB sei mit mindestens 70 zu bemessen. Sein Gehvermögen sei zudem außergewöhnlich eingeschränkt. Entgegen dem Gutachten Dr. T. seien die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" erfüllt. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, weshalb von einem Teil-GdB von 40 auszugehen sei. Für die Beeinträchtigung der Wirbelsäule und der Hüftgelenke sei ein höherer Teil-GdB als 40 zuzuerkennen. Sein Gesundheitszustand habe sich im Vergleich zum Bescheid vom 04.11.2009 auch nicht wesentlich verändert. Seine mögliche Gehstrecke habe sich nicht wesentlich erweitert. Auch die schmerztherapeutische Behandlung habe zu keiner wesentlichen Verbesserung der Schmerzsymptomatik geführt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheims vom 07.02.2014 sowie den Bescheid des Landratsamts R.-N.-K. vom 24.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Berufungsbegründung seien keinerlei neue Tatsachen oder Gesichtspunkte zu entnehmen. Zutreffend habe das SG feststellt, im Vergleich zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vom 04.11.2009 sei eine wesentliche Änderung insoweit eingetreten, als nach schmerztherapeutischer Behandlung eine wesentliche Besserung eingetreten sei, wie dies Prof. Dr. S. bestätigt habe. Insoweit seien noch im Befundbericht des Dr. G. vom 27.04.2010 deutlich schlechtere Bewegungsparameter mitgeteilt worden. Insgesamt sei von einer wesentlichen Besserung und einem Gesamt-GdB von 60 ab 27.05.2012 auszugehen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 32, 33/34 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die beigezogene Akte des SG sowie des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Der Senat hat den vom Kläger gestellten Antrag sachdienlich dahingehend verstanden, dass sich dieser gegen den Bescheid des LRA vom 24.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 wendet, mit dem ausschließlich über eine Herabsetzung des GdB von 70 auf 60 sowie eine Entziehung des Merkzeichens "G" entschieden wurde. Eine (ablehnende) Entscheidung über die Zuerkennung eines höheren GdB als 70 hat weder das LRA noch der Beklagte getroffen, weshalb eine darauf gerichtete Klage bereits unzulässig wäre. Nach dem vom Senat richtig verstandenen Klägervortrag wollte der Kläger dies aber nicht, sondern sich vielmehr gegen die Herabsetzung bzw. Entziehung wehren. Hierfür ist die isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs.1 Satz 1 SGG die statthafte Klageart.

Die so verstandene, gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 24.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 18.09.2012 ist teilweise rechtswidrig (Herabsetzung des GdB) und verletzt den Kläger in seinen Rechten; im Übrigen (Entziehung des Merkzeichens "G") ist der Bescheid nicht rechtswidrig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids des LRA vom 24.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 18.09.2012 ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. 1.

Eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt und die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Merkzeichen entfallen sind. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 27.01.2012 – L 8 SB 1808/11 – juris). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5). Maßgeblich ist dabei hinsichtlich des GdB der dem Bescheid vom 04.11.2009 zugrunde liegende Behinderungszustand des Klägers, da mit diesem Bescheid ein GdB von 70 zuerkannt wurde.

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der vom Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - SozR 3-3870 § 3 Nr. 7). Hierüber wäre im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens wegen Verschlimmerung zu befinden, was aber nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist.

Hiervon ausgehend konnte der Senat eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Hinblick auf die Bemessung des GdB nicht feststellen. Im Ergebnis resultiert die Herabsetzung des GdB beim Kläger aus dem Umstand, dass das LRA die Funktionsbehinderung "Gebrauchseinschränkung des linken Beines bei operierter Oberschenkelfraktur, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke" am 18.09.2012 nur noch mit einem GdB von 30 statt bisher mit einem GdB von 50 bewertet hat.

Gegen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse spricht zunächst die Bewertung des Versorgungsarztes Dr. K. vom 15.04.2012, der die Gebrauchseinschränkung des linken Beines, bei operierter Oberschenkelfraktur, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mit einem GdB von 30, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Verheilter Wirbelbruch, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten, chronisches Schmerzsyndrom mit einem GdB von 30, die Sehminderung beidseitig mit einem GdB von 30, das Schlafapnoe-Syndrom mit einem GdB von 30 und den Bluthochdruck mit einem GdB von 10 bewertet hatte, was auch unter Berücksichtigung der gewissen Überschneidung der Schmerzen in der LWS und der Hüfte im Ergebnis für einen GdB von eher 70 als 60 sprechen dürfte. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass der Versorgungsarzt Dr. M. am 17.11.2011 lediglich eine wesentliche Besserung des Gehvermögens feststellen konnte, jedoch keine Besserung der sonstigen Funktionsbehinderungen oder gar der zugrundeliegenden Erkrankungen darstellen konnte und am Gesamt-GdB von 70 festgehalten hat. Dr. K. hat des Weiteren in seiner Stellungnahme vom 10.04.2012 ausgeführt: "Die medizinische Voraussetzung für MZ G liegen nicht vor. GdB weiterhin zutreffend bewertet." Daraus ist abzuleiten, dass er eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse lediglich im Hinblick auf die Gehfähigkeit gesehen hatte.

Aber auch unter eigener Prüfung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass es bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 18.09.2012 gegenüber den Verhältnisses, wie sie zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 04.11.2009 vorgelegen haben, zu keiner wesentlichen Änderung in den Verhältnissen gekommen war, die zu einer Herabsetzung des GdB berechtigt. Denn der Senat ist - bezogen auf den Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 - zu der Überzeugung gelangt, dass der GdB immer noch mit 70 zu bemessen war.

Zunächst konnte der Senat feststellen, dass bis zum 18.09.2012 weder neue Funktionsbehinderungen hinzugetreten sind noch solche komplett entfallen sind. Aber auch von einer GdB-relevanten Besserung der Erkrankungen, Befunde und Funktionsbeeinträchtigungen konnte sich der Senat nicht überzeugen.

Im Funktionssystem Herz-Kreislauf (zu den Funktionssystemen vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) besteht eine Hypertonie (Bluthochdruck), die angesichts der Vorgaben von B Nr. 9.3 VG mit einem Einzel-GdB von 10 ausreichend und zutreffend bewertet war. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an.

Im Funktionssystem der Atmung besteht ein Schlafapnoe-Syndrom sowie eine chronische Bronchitis, die sowohl vom Beklagten als auch dem behandelnden Lungenfacharzt Dr. B. mit einem angesichts der Vorgaben von B Nr. 8.7 und 8.2 zutreffend bemessenen, integrierenden Einzel-GdB von 30 bewertet wurden. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an.

Im Funktionssystem der Augen besteht eine Refraktionsambylopie bei einer Sehschärfe von 0,05 rechts und 1,0 links. Diese ist mit einem Einzel-GdB von 25 (B Nr. 4.3 VG) zu bewerten, was der aufgerundeten Bewertung von 30 durch den Beklagten entspricht, der der Senat zustimmt.

Im Funktionssystem des Rumpfs, zu dem der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, liegen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Schulter-Arm-Syndrom, ein verheilter Wirbelbruch sowie eine Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten vor. Dazu ist das chronische Schmerzsyndrom in diesem Funktionssystem mitzuberücksichtigen, da dessen Auswirkungen gerade in diesem Funktionssystem auftreten. Lediglich dann, wenn sich die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund des Schmerzsyndroms nicht mehr einem Funktionssystem zuordnen lassen, kommt eine Berücksichtigung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche in Betracht.

Aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen des Zeitraums Ende 2011 bis September 2012 lässt sich erkennen, dass damals ein Cervikalsyndrom C4/5, eine Spondylodese im Lumbalbereich und der Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bestanden hatte (Dr. H., Blatt 93 der Beklagtenakte). Dr. H. hat am 19.12.2011 noch über Bewegungsschmerzen lumbal und eine schmerzbedingt eingeschränkte Mobilität berichtet. Am 23.03.2012 hat er (Blatt 94/95 der Beklagtenakte) multifokale linksbetonte Beschwerden berichtet und eine rezidivierende Lumbago beschrieben. Am 23.03.2012 (Blatt 96 der Beklagtenakte) hat Dr. G. eine LWS ohne wesentliche Formveränderung bei deutlicher Einschränkung der Beweglichkeit, einem FBA von 30 cm, einer um 2/3 eingeschränkten Reklination und deutlichen Schmerzen bei Inklination und Reklination berichtet. Im Bericht vom 31.05.2012 (Blatt 104 der Beklagtenakte) berichten Dr. H. und Dr. G. noch immer über lumbale Bewegungsschmerzen und dem Erfordernis, die Medikation durch die Schmerztherapie neu einzustellen. Im Bericht vom 24.09.2012 über die Untersuchung des Klägers vom 10.09.2012, mithin in nächstem zeitlichem Zusammenhang mit dem Erlass der Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012, berichtet Prof. Dr. S. (Blatt 21/22 der SG-Akte) zwar über reizlose Narbenverhältnisse an der LWS, aber auch von Druckschmerz über dem Implantatlager sowie ausgeprägten Schmerzen bei Reklination über der mittleren bis unteren LWS. Er hat über nicht rückgängig zu machende sekundäre Veränderungen in den an die Spondylodese angrenzenden Funktionssegmenten berichtet und geäußert, dass auch eine Materialentfernung wenig Auswirkungen auf die Schmerzsituation habe. Dazu passt auch, dass die Schmerztherapeutin Dr. R. im Juni 2012 (Blatt 49 der SG-Akte) über Dauerschmerzen der LWS beidseits nach rechts zum Oberschenkel ausstrahlend und Dr. H. am 19.08.2012 (Blatt 50 der SG-Akten) noch über weiter starke Beschwerden an der OP-Stelle der LWS berichtet haben. Vor diesem Hintergrund ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass - wie auch das SG angenommen hat - schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bestehen, die nach B Nr. 18.9 VG mit einem Teil-GdB von 30 zu bemessen waren. Dabei hat der Senat - worauf das SG auch zutreffend hingewiesen hat - auch das chronische Schmerzsyndrom mitzuberücksichtigt, das jedoch, wie den ärztlichen Berichten zu entnehmen war (vgl. insbesondere Prof. Dr. S. vom 04.03.2012 (Blatt 44/45 der SG-Akte)), insgesamt gebessert werden konnte (Dr. T. und das SG haben hier später die Funktionsbehinderung mit einem Teil-GdB von 40 bewertet, vgl. Blatt 101 der SG-Akte = Seite 23 des Gutachtens). Zwar konnten die Ärzte im Jahr 2012 insgesamt von einer gebesserten Schmerzproblematik berichten, doch konnte der Senat die Funktionsbehinderung auch unter Berücksichtigung der geringeren Schmerzen noch immer mit einem Einzel-GdB von 30 bewerten.

Die von Dr. T. festgestellte beginnende degenerative Verschleißerkrankung der HWS (Blatt 99 der SG-Akte = Seite 21 des Gutachtens) konnte der Senat zum hiermaßgeblichen Zeitpunkt am 18.09.2012 noch nicht GdB-relevant feststellen.

Im Funktionssystem der Beine, wozu auch die Hüften zählen, besteht eine Gebrauchseinschränkung des linken Beines bei operierter Oberschenkelfraktur sowie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke. Dem zum Erlass des Widerspruchsbescheids am 18.09.2012 zeitnächsten Bericht von Prof. Dr. S. vom 24.09.2012 über eine Untersuchung des Klägers vom 10.09.2012 (Blatt 63/64 der SG-Akte) ist zu entnehmen, dass am linken Hüftgelenk eine Extension/Flexion von 0-0-95 - damit keine Befundänderung gegenüber dem Bericht von Dr. D. vom 05.05.2009 (0/10/95, IRO/ARO:20/0/30) - und am rechten Kniegelenk von 0-0-90 bei 1. bis 2. gradiger Coxarthrose besteht. Links war im Bereich des Vastus lateralis und im Bereich des Zugangs Schmerzhaftigkeit vorhanden, ebenso ein deutlicher Irritationsschmerz am distalen Verriegelungsbolzen. Der Kläger hatte auch von Schmerzen in der rechten Hüfte berichtet. Im Hinblick auf die links die Schwelle von 0-10-90 (B Nr. 18.14 VG) erreichenden, rechts annähernd gleich bewegungseinschränkenden insgesamt schmerzhaften Verhältnissen an der Hüfte und den begleitenden Einschränkungen der Dreh- und Spreizfähigkeit konnte sich der Senat der Beurteilung des Einzel-GdB von 30 durch den Beklagten anschließen. Soweit Dr. T. bei seiner Begutachtung im Jahr 2013 eine Besserung (Bewegungsmaße Hüfte, Streckung/Beugung von jeweils 0-0-120, Blatt 109 der SG-Akte, Messblatt für untere Gliedmaßen) gefunden hat, mag dies auf einer späteren Veränderung beruhen; jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt konnte der Senat diese von Dr. T. gemessenen Bewegungsmaße noch nicht nachvollziehen.

Weitere GdB-relevante Erkrankungen und Funktionseinschränkungen, die einen Teil-GdB von wenigstens 10 bedingten, lagen am 18.09.2012 nicht vor.

Nach Überzeugung des Senats war bezogen auf den Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB mit 70, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 30 für die die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Beine (Knie, Hüfte), - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes (Wirbelsäule), - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Atmung (Schlafapnoe-Syndrom und chronische Bronchitis), - 25 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Augen und - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des herz-Kreislaufs - wobei Teil-GdB-Werte von 10 regemäßig nicht erhöhend wirken - zu bemessen. Insbesondere überlagern sich die Folgen der Funktionsbehinderungen in den Funktionssystemen der Beine und des Rumpfes (Hüfte und der LWS) und verstärken sich im Ergebnis im Hinblick auf die Beweglichkeit, Stabilisierungsfähigkeit, Ausgleichsfunktion und die Schmerzhaftigkeit, sodass aus den hierfür angenommenen Einzel-GdB-Werten von jeweils 30, anders als das SG, nicht auf einen integrierenden gemeinsamen Einzel-GdB von 40 geschlossen werden kann. Hinzu kommen die weiteren mit GdB-Werten von 25 und 30 bewerteten erheblichen Funktionsbehinderungen der Augen und der Atmung, die von den orthopädischen Behinderungen zu unterscheidende Funktionssysteme betreffen und sich auch in den Auswirkungen nicht mit diesen überschneiden.

Auch stellt nach den rechtlichen Vorgaben der VG die mit einem Einzel-GdB von 25 zu bewertende Funktionsbehinderung im Funktionssystem der Augen keine bloß leichte Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dar, die es vielfach nicht rechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (A Nr. 3 Buchst d) ee) VG). Vielmehr hat der Verordnungsgeber gerade mit einer höheren Bewertung als 20 aufgezeigt, dass er die Auswirkungen der Behinderung näher an demjenigen Bereich sieht, der es - wie beim GdB von 30 - grundsätzlich rechtfertigt, auf eine tatsächliche wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Da die seit Geburt bestehende Behinderung des rechten Auges unabhängig und neben die sonstigen Funktionsbehinderungen tritt, war es vorliegend gerechtfertigt, den Einzel-GdB erhöhend zu berücksichtigen.

War daher zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 noch immer ein Gesamt-GdB von 70 anzusetzen, ist jedenfalls im Hinblick auf § 48 SGB X eine die GdB-Herabsetzung rechtfertigende wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht eingetreten.

2.

Dagegen ist hinsichtlich des Merkzeichens "G" nach Überzeugung des Senats - bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 – im Verhältnis zum Bescheid vom 04.11.2009 eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten (zur Auslegung von § 48 SGB X siehe oben).

Nach §§ 145 Abs. 1, 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Personen in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wenn sie infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermögen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

Zwar enthalten die seit 01.01.2009 an die Stelle der AHP getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) Regelungen zum Merkzeichen "G". Doch kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 02.10.2012 – L 8 SB 1914/10 – juris) der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht hierauf berufen. Denn eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG (jetzt: Abs. 16), der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 8 SB 1914/10 – juris; Senatsurteile vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 – und vom 14.08.2009- L 8 SB 1691/08 - beide veröffentlicht in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de) und dem ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständigen 6. Senat des LSG Baden-Württemberg (vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 -, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 - L 3 SB 523/12 - unveröffentlicht). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze.

Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 02.10.2012, a.a.O.) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).

In Anbetracht dieser Bestimmung ist der Senat zunächst der Überzeugung, dass der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 04.11.2009 tatsächlich in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt war, weshalb der Beklagte dem Kläger zu Recht das Merkzeichen "G" zuerkannt hatte. Dabei hatte - wie sich aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 30.10.2009 (Blatt 60 der Beklagtenakte "G aufgrund Bl 53") in Zusammenschau mit dem Attest von Dr. D. vom 05.05.2009 (Blatt 52/53 der Beklagtenakte) ergibt - gerade eine besondere Schmerzbelastung und das Erfordernis von Gehhilfen im Vordergrund der Gehstreckeneinschränkung gestanden. In Folge des 2008 erlittenen Unfalles mit Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers und der Femur links und der nachfolgend bestehenden Schmerzproblematik war es für den Senat nachvollziehbar, dass der Kläger damals nicht in der Lage war, eine Wegstrecke von zwei km innerhalb einer Zeit von ca. einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen.

Nach der Rechtsprechung des Senats war – entgegen der Annahme des SG und des Beklagten - die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht an die in den VG benannten Merkmale geknüpft, sodass nicht der Wegfall eines Einzel-GdB von 50 (dazu siehe oben) für die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule (vgl. D Nr. 1 Buchst. d) VG), sondern nur die Wiedererlangung der Fähigkeit, eine Wegstrecke von zwei km in ca. einer halben Stunde zurückzulegen, für den Eintritt einer wesentlichen Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X von Bedeutung ist.

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 – so ist der Senat überzeugt – war der Kläger wieder in der Lage, im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegte Wegstrecke i.S.d. § 146 Abs 1 Satz 1 SGB IX – mithin Wegstrecken von zwei km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten (oder Treppensteigen) – zu Fuß zurückzulegen. Insoweit ist gegenüber den zuvor bestehenden Umständen eine wesentliche Änderung eingetreten.

Der Senat konnte sich davon überzeugen, dass insoweit die die Gehfähigkeit beeinträchtigende Schmerzhaftigkeit gebessert werden konnte als auch, dass der Kläger wieder ohne Gehhilfen gehen konnte.

So konnte Dr. G. in seinem Befundbericht vom 27.04.2010 (Blatt 70 der Beklagten-Akte) noch darüber berichten, dass der Kläger den Hacken- und Zehenspitzenstand nicht durchführen konnte. Der Einbeinstand rechts war unter Festhaltung des rechten Beines ansatzweise möglich, am linken Bein konnte ein Einbeinstand gar nicht durchgeführt werden. Auch konnte Dr. G. bei Coxarthrose über einen Belastungs- und Bewegungsschmerz bei noch ausreichendem Bewegungsausmaß berichten. Dagegen hat Prof. Dr. S. (Blatt 73/76 der Beklagtenakte, Bericht vom 03.01.2011) nach einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme zwar weiterhin über ein chronisches Schmerzsyndrom berichtet. Doch konnte er auch darstellen, dass der Kläger ein flüssiges Gangbild aufweist, ohne Hinken. Die verschiedenen Gang- und Standarten (Zehen-, Einbein-, Hackenstand) waren gut demonstrierbar. Das Einnehmen der tiefen Hocke bereitete keine Probleme. Knie- und Sprunggelenke waren gut beweglich. Lasègue und Bragard waren negativ, ein Nervendehnungszeichen lag nicht vor. Im Rahmen von Physiotherapie konnte der Kläger Bewegungs-, Dehnungs- und Entspannungstechniken erlernen, durch regelmäßiges Gehtraining und tägliches Belastungstraining im Gelände konnte eine physikalische Rekonditionierung erreicht werden. Auch hat der Kläger mit Erfolg an der Nordic-Walking-Therapie teilgenommen. Am 04.03.2011 (Blatt 44/45 der SG-Akte) berichtet Prof. Dr. S. darüber, dass der Kläger ihm berichtet habe "im Winter sei er regelmäßig spazieren gegangen oder Rad gefahren". Auch hat Prof. Dr. S. über eine bessere Bewältigung der Schmerzen berichtet. Dr. H. hat am 22.06.2011 (Blatt 37 der SG-Akte) die Weiterführung des Rehasports und zusätzlich Walking empfohlen. Dr. H. (Blatt 95 der Beklagtenakte) hat am 21.03.2012 darüber berichtet, dass die rechte Hüfte gut beweglich sei, links bestünde eine Beschwerdeprovokation in IRO. An der LWS hat er von Hyperextensionsbeschwerden mäßiger Ausprägung berichtet. Am 23.03.2012 hat Dr. G. (Blatt 96 der Beklagtenakte) berichtet, es bestehe ein ausgeprägter Morgen- und Anlaufschmerz. Die Gehstrecke betrage 250 bis 300 Meter, dann träten starke Schmerzen auf. An der LWS hat er keine wesentlichen Formveränderungen festgestellt, jedoch eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit. Am 31.05.2012 hat Dr. G. (Blatt 104 der Beklagtenakte) über noch bestehende Bewegungsschmerzen lumbal berichtet, die Anästhesistin Dr. R. am 13.06.2012 (Blatt 105 der Beklagtenakte) über eine kurze Wegstrecke von 100 Metern ohne Schmerzangabe. Dr. H. hat am 19.08.2012 (Blatt 50) über eine mäßige Einschränkung des linken Hüftgelenks, deutlich schmerzhaft am Trochanter, berichtet. Prof. Dr. S. hat am 24.09.2012 (Blatt 21/22 der SG-Akte) über eine Untersuchung des Klägers vom 10.09.2012 angegeben, dieser übe seinen Beruf als Flugzeugbodenbelagverleger wieder vollschichtig aus, wobei er viel knien, in gebückter Haltung arbeiten und schwere Gegenstände tragen müsse. Das linke Hüftgelenk sei (Extension/Flexion) 0-0-95 bei proximal geringer Schmerzhaftigkeit beweglich, das rechte bei 0-0-90 bei typischem Innenrotationsschmerz. Am 29.11.2012 (wohl 29.12.2012?) hat Dr. G. (Blatt 60/62 der SG-Akte) gegenüber dem SG als sachverständiger Zeuge angegeben, am 20.12.2012 habe der Kläger endgradige Bewegungseinschränkungen des linken Hüftgelenks aufgezeigt bei Druckschmerz über dem Trochanter. Rechts lagen endgradige Bewegungseinschränkungen vor. Die Kniegelenke waren unauffällig. Er hat berichtet, dass der Kläger ein kleinschrittiges, ausgeprägt links schonend hinkendes Gangbild im Untersuchungszimmer gezeigt habe und über ausgeprägte Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule mit Ausstrahlung in die Beine geklagt habe. "Nach dem Verlassen der Praxis", so Dr. G., "und unbeobachtet zeigte der Patient ein leicht links schonend hinkendes Gangbild, jedoch einen flotten und raumgreifenden Schritt. Das Einsteigen in den ca. 50 Meter vor dem Praxiseingang geparkten PKW erfolgt ohne Zögern und ohne Abstützen des Oberkörpers mit den Armen." Insgesamt konnte der Senat bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 eine deutliche Besserung der Schmerzsymptomatik feststellen.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr wesentlich gebessert hat, insbesondere eine die Gehfähigkeit wesentlich einschränkende Schmerzhaftigkeit sowie das Angewiesensein auf Gehhilfen nicht mehr vorliegt, und er nunmehr wieder in der Lage ist, die zuvor beschriebenen ortsüblichen Gehstrecken zu Fuß zurückzulegen. Befunde, die eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit bedingen, liegen - trotz der GdB-relevanten Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und der Hüfte - weder an der Wirbelsäule noch an den Hüften, den Kniegelenken oder den Sprunggelenken/Füßen vor. Auch ist für den Senat nicht ersichtlich, dass die zwar noch immer bestehende (zur Berücksichtigung bei der GdB-Bemessung vgl. oben), aber gebesserte Schmerzssymptomatik zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 die Zurücklegung der geforderten Wegstrecke nicht mehr ausschloss.

Dem stehen auch die Angaben von Dr. R. und dem Kläger selbst nicht entgegen. Denn soweit Dr. R. angibt, nach 250 bis 300 Meter träten Schmerzen auf, bedeutet dies nicht, dass dadurch die Zurücklegung der Wegstrecke von zwei km innerhalb einer halben Stunde nicht wieder möglich wäre. Dass der Kläger dazu in der Lage ist, hat Dr. F. am 26.11.2009, auf Grundlage seiner letzten Untersuchungen am 17.09.2012, 18.09.2012, 02.10.2012 und 29.10.2012, also in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 bestätigt (Blatt 31/32 der SG-Akte). Soweit der Kläger in seiner Anhörung und im Widerspruch angegeben hatte, er habe permanent Schmerzen und Probleme beim Gehen und Tragen, er habe z.B. morgens Schwierigkeiten, beim Aufstehen und beim Treppensteigen, durch körperliche Belastung im Beruf würden die Schmerzen über den Tag stärker, sodass er nach größerer Belastung wieder hinke und auf Schmerzmittel angewiesen sei, weiterhin in orthopädischer Behandlung sei und regelmäßig zum Schmerztherapeuten und Neurologen müsse, bedeutet dies nur, dass der Kläger beim Gehen ggf. Schmerzen verspürt, nicht jedoch, dass die zu Fuß zurückzulegende abstrakte Wegstrecke ohne Beeinflussung durch geografische Besonderheiten, Treppensteigen, durch Tragen von Gewichten usw. auf weniger als zwei km in einer halben Stunde vermindert wäre. Insoweit spricht auch die von Dr. T. erhobene seitengleiche kräftige Beschwielung der Füße (Blatt 89 der SG-Akte = Seite 11 des Gutachtens) für eine regelmäßige, gleichmäßige und nicht ungewöhnlich eingeschränkte Benutzung der Füße zum Gehen.

Der Senat kann Dr. G. nicht folgen, als er trotz eines beobachteten leicht links schonend hinkenden Gangbildes bei flottem und raumgreifendem Schritt gegenüber dem SG eine Einschränkung der Gehstrecke auf weniger als zwei km in einer halben Stunde angenommen hatte. Nachvollziehbare Gründe hat er nicht mitgeteilt. Der Hinweis auf körperliche und seelische Ursachen und eine psychosomatische Evaluation genügt nicht. Insoweit konnte nämlich weder der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. S. als auch später die Gutachterin Dr. H. neurologische oder psychiatrische Ursachen für eine entsprechend eingeschränkte Wegefähigkeit darstellen.

Damit ist – bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 - eine wesentliche Änderung gegenüber den beim Erlass des Bescheids vom 04.11.2009 vorliegenden Verhältnissen eingetreten, weshalb der Beklagte unter Einhaltung der Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 SGB X) das Merkzeichen "G" mit Wirkung für die Zukunft, mithin ab Wirksamwerden des Bescheids vom 24.05.2012 am 27.05.2012, entziehen durfte.

3.

Nach der Überzeugung des Senat ist damit im Verhältnis zu dem bis dahin maßgeblichen Bescheid vom 04.11.2009 eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lediglich insoweit eingetreten, als zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2012 die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nicht mehr vorlagen und dieses deshalb entzogen werden durfte.

Damit war der Gerichtsbescheid des SG sowie der Bescheid des LRA in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 18.09.2012 abzuändern, im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass das Behaltendürfen des Merkzeichens "G" für den Kläger insgesamt auch wirtschaftlich von größerer Bedeutung ist als die Beibehaltung des GdB von 70.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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