L 12 AS 2927/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 105/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2927/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2014 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der für 2013 nachgeforderten Stromkosten in Höhe von 40,69 EUR sowie der monatlichen Stromabschläge ab Januar 2014 in Höhe von 39,00 EUR.

Die 1955 geborene Klägerin bezieht nach dem Bezug von Arbeitslosenhilfe seit dem 1. Januar 2005 durchgängig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie bewohnt eine 38 m² große Wohnung in Pforzheim, bei der es sich um einen 1990 erfolgten Ausbau handelt. Die Kaltmiete beträgt 286,30 EUR, hinzu kamen im streitgegenständlichen Zeitraum eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 32 EUR sowie Kosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 70 EUR. Außerdem hat die Klägerin für ihren Stromverbrauch einen Abschlag von monatlich 39,00 EUR an die Stadtwerke P. zu zahlen und für ihren Kabelanschluss an Kabel BW 18,42 EUR.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 771,13 EUR für Dezember 2013 und für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2014 in Höhe von 744,10 EUR (Regelleistung 382,00 EUR, Kaltmiete 260,10 EUR, Nebenkosten 32,00 EUR sowie Heizung von 70,00 EUR – für Dezember 2013 zusätzlich Müllgebühren in Höhe von 27,03 EUR). Nicht berücksichtigt wurde der Abschlag für Strom in Höhe von 39,00 EUR sowie die Kabelgebühren in Höhe von 18,42 EUR. Mit Schreiben vom 4. November 2013 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Bewilligung. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2013 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) (S 8 AS 105/14) und legte nach deren Abweisung Berufung ein (LSG Baden-Württemberg L 12 AS 1999/14).

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 beantragte die Klägerin die Übernahme der nachgeforderten Stromkosten in Höhe von 40,69 EUR, die im Abrechnungszeitraum 10. November 2012 bis 18. November 2013 entstanden waren, sowie die Übernahme der monatlichen Stromabschlagszahlungen ab 31. Januar 2014 in Höhe von 39,00 EUR. Beigefügt war eine Rechnung der Stadtwerke Pforzheim vom 12. Dezember 2013, worin der Abschlag für das künftige Abschlagsjahr auf 39 EUR monatlich festgesetzt wurde, erster Fälligkeitstag sei der 31. Januar 2014, letzter der 30. November 2014.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Stromkosten ab, da diese bereits mit der Regelleistung abgegolten seien.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 24. Dezember 2013 Widerspruch. Die Regelleistung stelle eine statistisch festgelegte Größe dar, aus der nichts herausgerechnet werden dürfe. Da sie somit einen Anspruch habe, rüge sie die Verletzung von Artikel 14 des Grundgesetzes (GG). Im Übrigen verwies sie auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG).

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Regelbedarf umfasse Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile. Die Klägerin begehre lediglich die Erstattung der Kosten für Haushaltsenergie, so dass diese nicht erstattet werden könnten.

Die am 8. Januar 2014 beim SG erhobene Klage hat die Klägerin dahingehend begründet, dass es sich bei den Stromkosten um Aufwendungen für die Unterkunft handele, außerdem rüge sie die Zuständigkeitsvorschriften. Die Klägerin hat in diesem Verfahren beantragt: "1. Der Ablehnungsbescheid vom 19. Dezember 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 2013 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den Betrag von 40,69 EUR aus der Turnusrechnung vom 12. Dezember 2012 der SWP und die ab 31. Januar 2014 fälligen Abschläge in Höhe von 39,00 EUR monatlich zu bewilligen und zu bezahlen. 2. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die unter Ziffer 1 benannten Beträge als Schadensersatz zu leisten."

Die Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 7. Juli 2014 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der geforderten Stromkosten. Es sei nicht zu beanstanden, dass derselbe Sachbearbeiter über den Antrag und den Widerspruch entschieden habe. Über Ansprüche aus Amtshaftung habe das Gericht nicht zu entscheiden, da hierfür das Landgericht zuständig sei.

Gegen den Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei nicht statthaft und willkürlich. Auch werde § 96 SGG missachtet, da ein enger Zusammenhang mit den im Antrag genannten Bescheiden bestehe. Der Sachbearbeiter sei bei der Bearbeitung des Widerspruchs befangen gewesen, da er die neueste Rechtsprechung und neue Gesetze nicht beachtet habe. Ihre Ausführungen zu den Zuständigkeitsvorschriften und zur Regelleistung seien nicht beachtet worden, hierin liege ein Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

Die Klägerin beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2014 aufzuheben, 2. die Bewilligungsbescheide • vom 29. Oktober 2012 der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2012, • vom 14. Mai 2013 mit Änderungsbescheid vom 28. Mai 2013 (Zeitraum 1. Juni 2013 bis 30. November 2013) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2013 und • vom 30. Oktober 2013 (Zeitraum 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014) mit Änderungsbescheid vom 19. Mai 2014 (Zeitraum Mai 2014) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Regelbedarf in voller Höhe und die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der anfallenden tatsächlichen Kosten, also die Leistungen des SGB II in gesetzlicher Höhe, zu bewilligen; 3. hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Schadensersatz in Höhe des an den tatsächlichen Leistungen der Grundsicherung fehlenden Betrages von 40,69 EUR plus monatlich 39,00 EUR ab 1. Januar 2014 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen der Bewilligungsbescheid ist nicht statthaft.

Nach § 144 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (vgl. BSG, Beschluss vom 27 Juli 2004 – B 7 AL 104/03 RSozR 4-1500 § 144 Nr. 2 Rn. 5, juris; BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013, B 13 R 437/12 B –, juris). Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Absatz 1 Satz 2 SGG).

Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht (1); hieran vermag auch die Erweiterung des Antrags im Berufungsverfahren nichts zu ändern (2). Der Ausnahmetatbestand des § 144 Absatz 1 Satz 2 SGG liegt – entgegen den Ausführungen im Gerichtsbescheid – nicht vor (3).

1. Beschwerdewert

Gegenstand des Klageverfahrens S 8 AS 105/14 war der Bescheid vom 19. Dezember 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 2013. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt: Abschlagszahlungen 11 x 39,00 EUR 429,00 EUR Nachzahlung für 2013 40,69 EUR Gesamt: 469,69 EUR

Auch die hilfsweise Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in gleicher Höhe führt nicht zur Statthaftigkeit der Berufung. Das SG hat über sozialrechtliche Schadensersatzansprüche, soweit diese geltend gemacht wurden, entschieden. Dafür ist ausreichend, dass das Gericht den Vortrag der Klägerin zur Kenntnis nimmt und in seine Erwägungen mit einbezieht (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 62 Rn. 7). Hier hat sich das Gericht mit den Schadensersatzansprüchen der Klägerin auseinandergesetzt und, da keine solchen im Sozialrecht ersichtlich sind, explizit lediglich zu den Ansprüchen aus Amtshaftung Stellung genommen. Grundsätzlich werden mehrere Ansprüche auf Geld- und Sachleistungen entsprechend § 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) zusammengerechnet (BSG, Urteil vom 25. Februar 1966 – 3 RK 9/63 –, BSGE 24, 260 = SozR Nr. 13 zu § 149 SGG; BSG, Urteil vom 5. Februar 1998 – B 11 AL 19/97 R –, SozR 3-4100 § 65 Nr. 3; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 16). Dies ist auch bei Haupt- und Hilfsantrag nicht ausgeschlossen (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 17). Eine Zusammenrechnung erfolgt jedoch nur, wenn die Ansprüche nicht auf dasselbe wirtschaftliche Ziel gerichtet sind oder dasselbe wirtschaftliche Interesse verfolgen (BSG, Beschluss vom 31. Januar 2006 – B 11a AL 177/05 B –, SozR 4-1500 § 144 Nr. 3; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 18). Wird neben einem Anspruch ein anderer geltend gemacht, der nur aus diesem folgt oder auf dasselbe Interesse ausgerichtet ist oder nur den Zweck verfolgt, ihn zu rechtfertigen oder ihm als Voraussetzung oder Begründung zu dienen, so liegt nur das Begehren einer einheitlichen Leistung vor (Herget, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 5 Rn. 8). So liegt der Fall hier. Die Klägerin macht mit ihrem Hilfsantrag den wirtschaftlich selben Gegenstand geltend, nämlich den " fehlenden Betrages von 40,69 EUR plus monatlich 39,00 EUR ab 1. Januar 2014".

2. Erweiterung der Klage

Die Klägerin hat in der Berufung neben den bislang geltend gemachten Ansprüchen auf Übernahme der Stromkosten auch beantragt, "die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Regelbedarf in voller Höhe und die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der anfallenden tatsächlichen Kosten, also die Leistungen des SGB II in gesetzlicher Höhe" zu gewähren. Hierbei handelt es sich unabhängig von der Frage, ob die angesprochenen Bescheide nicht bereits Gegenstand anderer Verfahren sind, um eine Klageerweiterung nach § 99 i.V.m. § 153 SGG. Unabhängig davon, ob die Beklagte einer Klageerweiterung zugestimmt hat oder diese sachdienlich ist, führt sie jedenfalls nicht dazu, dass sich der Beschwerdewert erhöht und damit die Berifung statthaft wird, da maßgeblicher Zeitpunkt die Einlegung der Berufung ist (BSG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 7 RAr 33/84 –, BSGE 58, 291 = SozR 1500 § 144 Nr. 30; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 19).

3. Ausnahmetatbestand des § 144 Absatz 1 Satz 2 SGG

Der Ausnahmetatbestand des § 144 Absatz 1 Satz 2 SGG ist nicht einschlägig. Aus der mit dem Antrag auf Übernahme der Stromkosten eingereichten Abrechnung der Stadtwerke Pforzheim ergibt sich, dass dort nur die Abschläge für das künftige Abschlagsjahr und nicht für einen Zeitraum von über einem Jahr festgesetzt wurden. Auch die Fälligkeitsdaten – erstmals 31. Januar 2014, letztmals 30. November 2014 – lassen keinen anderen Schluss zu, als dass hier ein Zeitraum von höchstens einem Jahr umfasst ist. Entsprechend ist auch der Antrag der Klägerin auszulegen, die eine Übernahme der Kosten aus dieser Abrechnung gefordert hatte. Auch dass sie monatlich 39,00 EUR fordert, spricht dafür, dass auf diese Abrechnung Bezug genommen wird. Andernfalls hätte sie eine Übernahme der Anschläge in der jeweils anfallenden Höhe gefordert, da ihr die Abschläge für das nächste Abrechnungsjahr nicht bekannt sein konnten.

Nach alldem ist der Beschwerdewert nicht erreicht. Die Berufung ist auch nicht durch das SG zugelassen worden. Hierzu ist eine ausdrückliche Zulassungsentscheidung des SG notwendig. Das Gericht muss sie entweder im Tenor oder in den Gründen aufnehmen. Dies ist hier nicht geschehen. Das SG hat zur Frage der Zulässigkeit der Berufung sowohl im Tenor als auch in den Entscheidungsgründen geschwiegen. Somit ist die Berufung durch das SG nicht zugelassen worden. Die Rechtsmittelbelehrung des SG, nach der das Urteil mit der Berufung angefochten werden kann, ist daher fehlerhaft. Eine derartige Rechtsmittelbelehrung ersetzt aber nicht die Zulassung der Berufung (ständige Rechtsprechung; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 40, 45, m.w.N.). Die Klägerin hätte daher die Nichtzulassung der Berufung durch das SG mit der Beschwerde anfechten müssen. Sie hat aber mit ihrem Schriftsatz keine Beschwerde erhoben, sondern ausdrücklich Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt. Der Senat ist nicht berechtigt, diese nicht statthafte Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten (BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 25/01 R –, SozR 4-1500 § 158 Nr 1 = SozR 4-1500 § 145 Nr. 1; BSG, Beschluss vom 10. November 2011 – B 8 SO 12/11 B –, juris; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 14).

Die Berufung ist daher nicht statthaft und somit zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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