L 6 U 1082/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 677/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1082/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind zuletzt noch die Feststellung einer toxischen Encephalopathie sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Unfallfolgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 29. April 2000 streitig.

Der am 7. Juli 1957 geborene Kläger betrieb zum Unfallzeitpunkt selbständig einen bei der Beklagten unfallversicherten landwirtschaftlichen Betrieb. Sein Nachbar hatte, während sich der Kläger eigenen Angaben zufolge am Unfalltag zwischen 17.00 Uhr und 17.30 Uhr und nochmals zwischen 20.30 Uhr und 22.30 Uhr in unmittelbarer Nähe zum Schweinefüttern aufhielt, gegen 18:00 Uhr ein Feuer entfacht und nach dessen Angaben vom 07.05.2004 Reisig, zwei Autoreifen, Altholz, das evtl. mit Karbolineum gestrichen war, mehrere Blechkanister mit Holzschutzlasur Xyladekor und Xylaprotekt sowie Farb- und Lackdosen verbrannt (Amtsgerichts Sinsheim 12 Cs 15 Js 16301/00-AK 95/00). Dr. M. vom Gesundheitsamt R. bemängelte in seinem Arztbrief vom 21. August 2002 die fehlenden aktuellen toxikologischen Untersuchungen am Schadenstag. Die vier Monate nach dem Schadensereignis gemessene Toluolkonzentration sei kein sicherer Hinweis auf eine toxisch relevante Schadensexposition. Selbst wenn also die Grenzwerte für Toluol, 2-Methylpentan oder Thiodiglykolsäure überschritten worden seien, so handele es sich doch um auffällige flüchtige Substanzen, die schnell metabolisiert und toxikologisch ohne weitere Bedeutung seien. Bereits wenige Stunden nach dem Schadensereignis habe wahrscheinlich kein toxikologisch-gesundheitliches Risiko mehr bestanden. Dass ein solches Schadensereignis psychosomatisch überlagert werde, sei bekannt. Der Nachweis, dass das fortbestehende Beschwerdebild ursächlich mit einer Intoxikation durch Rauchgas in Verbindung stehe, sei nicht mehr zu erbringen (Bl. 179 ff. V-Akte).

Direkt nach dem Brandereignis litt der Kläger an Schleimhautreizungen der Augen, Reizungen der Mundschleimhaut und der Bronchien, Übelkeit und Brechreiz. Er begab sich deswegen am folgenden Tag, dem 30. April 2000, in ambulante Notfallbehandlung bei dem Internisten Dr. K. (Notfall-Vertretungsschein, Bl. 163 V-Akte), der bei Verdacht auf eine Rauchgasinhalation und unauffälliger Pulmo und Cor ein Dosier-Aerosol verordnete. Dr. K. stellte die Diagnose ICD-10T 59.9 (toxische Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches, nicht näher bezeichnet).

Die Weiterbehandlung wurde u.a. in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allerologie des Klinikums M. durchgeführt. Die vom Kläger geäußerten Beschwerden ließen sich dort mit den anamnestischen Angaben des Klägers zu dem Brandzwischenfall umweltmedizinisch nicht eindeutig erklären. Die aufgrund der Anamnese in Frage kommenden umweltmedizinisch relevanten Substanzen wie Pestizide hätten Normwerte gezeigt. Auch das bei Gummiverbrennungen teilweise freiwerdende Barium sei unauffällig gewesen. Im Bereich der Lösemittel habe sich zunächst ein erhöhter Wert von Toluol im Blut gezeigt, welcher bei der Kontrolle rückläufig gewesen sei. Aufgrund der Anamnese und der leichten Flüchtigkeit der Substanzen könnten keine klaren Rückschlüsse auf die beschriebene Symptomatik gezogen werden. (Arztbericht vom 22. Februar 2001, Bl. 143 f. V-Akte). Der Internist Dr. D. konnte bei anhaltender Schmerz- und Beschwerdesymptomatik keinen richtungsweisenden Befund feststellen, eine organische Ursache war nicht nachweisbar (Bericht vom 6. Februar 2001, Bl. 41 V-Akte).

Über den weiterbehandelnden Allgemeinmediziner Dr. P. zeigte der Kläger am 6. Juni 2000 das Unfallereignis vom 29. April 2000 bei der Beklagten an.

Nach Beiziehung der ärztlichen Unterlagen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, unter Würdigung aller vorliegenden Berichte der ärztlichen Sachverständigen habe sie sich nicht davon überzeugen können, dass die von dem Kläger geklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 29. April 2000 zurückzuführen seien.

Hiergegen erhob der Kläger am 29. November 2005 erstmals Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG - S 2 U 3483/05 -). Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts holte das SG ein Gutachten auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. H., Internist, Nephrologe und Umweltmediziner, vom 10. November 2006, ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass, da es sich bei dem Brand um ein einmaliges Ereignis gehandelt habe, deswegen keine Langzeitbelastung durch Toluol vorliege. Auch die toxisch-relevante Substanz Methylpentan neutralisiere sich rasch und überdies liege die nachgewiesene Belastung deutlich niedriger als der angegebene Grenzwert, so dass auch insoweit die Belastung ohnehin nicht toxisch gewesen sei. Der Grenzwert für eine Thiodiglykol-Belastung werde ebenfalls nicht erreicht, zumal die damit einhergehenden immunologischen Veränderungen im Sinne vermehrter Entzündungszeichen und Verminderung der Abwehrlage nicht nachgewiesen seien. Insgesamt könne das Schadensereignis nicht mehr rekonstruiert und eine gesundheitliche Gefährdung, in der sich der Kläger vorübergehend befunden habe, nachträglich nicht mehr eingeschätzt werden. Die persistierende thorakale Schmerzsymptomatik müsse auf eine Borrelien-Infektion zurückgeführt werden. Lediglich die Symptome Augenbrennen, Schleimhautreizungen der Mundschleimhaut und Bronchien sowie der Brechreiz direkt nach dem Brand seien auf das Brandereignis zurückzuführen. Für die thorakalen Schmerzen und das Nachlassen der muskulären Kraft gelte dies indessen nicht (Gutachten vom 10. November 2006). Die ebenfalls nach § 109 SGG beauftragte Sachverständige Dr. G., Ärztin für Psychiatrie und Neurologie, gab den Gutachtensauftrag unerledigt mit der Begründung zurück, eine relevante schädigende Exposition könne nicht im Sinne des Vollbeweises gesichert werden und habe sich auch nicht aus einer sehr umfangreichen Exploration des Klägers im psychiatrischen Untersuchungsgang ergeben. Der behandelnde Internist Dr. K. führte in seiner sachverständigen Zeugenaussage aus, er habe eine mitochondriale Cytopathie mit im Vordergrund stehenden Hirnleistungsstörungen diagnostiziert. Von der Wahrscheinlichkeit her hätten die Beschwerden nach Exposition zu den Rauchgasen begonnen, denn es sei allgemein anerkannte Tatsache, dass bei Verbrennungen von Kunststoffen toxische Zyanverbindungen entstünden, die wiederum die Mitochondrien-Funktion hemmten, worauf deren tödliche Wirkung beruhe. Allerdings sei ein Nachweis der konkreten Rauchgassubstanzen nicht erfolgt und dem Kläger auch nicht möglich gewesen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe eine Mischbelastung von Substanzen vorgelegen, die synergetisch, wenn nicht gar potenzierend auf den Organismus gewirkt hätten. Diese bestünden aus Kohlenmonoxid, Halogenkohlenwasserstoffen und Zyanverbindungen (Bl. 258 f. SG-Akte). Der Kläger legte noch den Bericht über die Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Untersuchung vom 15. Dezember 2006 des Dr. H. vor, wonach eine großvolumige Reduktion der Glukoseaufnahme im gesamten Cerebellum mit mäßiger Ausprägung nachweisbar sei, was am ehesten mit einer Neuropathie oder einer Encephalopathie vereinbar sei, wofür auch der enge zeitliche Zusammenhang des Auftretens der Beschwerden spreche. Die Gesamtkörper-PET sei hingegen ohne Anhalt für eine relevante Entzündungsreaktion unauffällig gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2008 (S 2 U 3483/05) schlossen die Beteiligten folgenden verfahrensbeendenden

V e r g l e i c h:

"1. Die Beklagte anerkennt, dass der Kläger am 29.04.2000 einen Arbeitsunfall erlitten hat und dass die danach auftretenden Schleimhautreizungen der Augen, Reizungen der Mundschleimhaut und der Bronchien, Übelkeit und Brechreiz, die direkt nach dem Brandereignis aufgetreten sind, Folge dieses Arbeitsunfalls sind.

2. Die Beklagte erklärt sich bereit, über ggf. dauerhaft vorliegende weitere gesundheitliche Folgen einen neuen, rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen. "

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 anerkannte die Beklagte daraufhin den Unfall vom 29. April 2000 als Versicherungsfall, wodurch der Kläger Schleimhautreizungen der Augen, Reizungen der Mundschleimhaut und der Bronchien sowie Übelkeit und Brechreiz direkt nach dem Brandereignis erlitten habe, wobei unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht eingetreten sei. Die Ermittlungen, auch die eingeholten Gutachten des SG, hätten ergeben, dass sämtliche weiter geklagten Beschwerden nicht mit der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Beweisanforderung ursächlich auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten. Geldleistungen wie Verletztengeld oder Rente stünden dem Kläger daher nicht zu.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er leide seit dem Unfallereignis an zahlreichen Beschwerden, insbesondere Störungen des zentralen Nervensystems, Gleichgewichtsstörungen, Auswurf von Sputum, Ausschlag im Hals- und Brustbereich sowie Brennen der Augenbrauen. Er sei zwar weiterhin selbständiger Landwirt, habe aber seine Tiere auch nach dem Unfall versorgen müssen. Aus dem Umstand, dass keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliege, könne daher nicht geschlossen werden, dass Arbeitsfähigkeit bestanden habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, aufgrund der getätigten Ermittlungen stehe eindeutig fest, dass die geklagten Beschwerden nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Folge des Unfallereignisses vom 29. April 2000 anerkannt werden könnten.

Hiergegen hat der Kläger am 4. März 2009 die streitgegenständliche Klage beim SG erhoben und zur Begründung im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er hat noch den neurologischen Befundbericht des Universitätsklinikums Würzburg über eine Untersuchung vom März 2007 (zentrale Gleichgewichtsstörung) sowie die letzten Arztberichte des Internisten Dr. D. vom März 2007 (zwischenzeitlich beschwerdearme Intervalle bei ordentlicher Leistungsfähigkeit; zuletzt Lungenfunktionswerte im hochnormalen Bereich bei normalem Blutgasaustausch, keine medikamentöse Therapieintervention) vorgelegt. Schließlich gelangte das Ergebnis über die in 2009 durchgeführte Atemluft-Analyse von Prof. Dr. B. (Stickstoffmonoxid, Ammoniak, Ethanol, Methanol und Schwefeldioxid) zu den Akten.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2010, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 11. Januar 2010, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. H. ergebe sich, dass lediglich die direkt nach dem Brandereignis aufgetretenen Symptome auf den Arbeitsunfall zurückzuführen und weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht ursächlich dadurch hervorgerufen worden seien. Für die Richtigkeit dieser Feststellungen spreche, dass eine eventuelle Toluol-Belastung erst vier Monate nach dem Brandereignis nachgewiesen worden sei und sich das toxisch relevante Schadensereignis diesbezüglich nicht mehr rekonstruieren lasse. Außerdem seien größtenteils die Grenzwerte für toxische Belastungen nicht erreicht worden. Auch Dr. K. sei deswegen davon ausgegangen, dass die geklagten Gesundheitsschädigungen nicht aus der Belastung mit Schadstoffen im Rahmen des Unfallereignisses vom 29. April 2000, sondern aus dem unversicherten Bereich stammten. Denn Dr. K. habe ausgeführt, dass eine mitochondriale Schädigung sich aufgrund einer etwaigen Toluol-Konzentration nicht erklären lasse und Methylpentan nur im niedrigtoxikologischen Bereich gemessen worden sei, welches nicht geeignet sei, eine mitochondriale irreversible Schädigung zu verursachen. Auch der Bericht des Radiologen Dr. Hörr vom 19. Dezember 2006 belege lediglich ein unauffälliges Gesamtkörper-PET ohne Anhalt für eine relevante Entzündungsreaktion. Aus welchen Gründen nach Auffassung von Dr. H. dies einer Neuropathie oder Encephalopathie entsprechen könne, lasse sich aus den mitgeteilten Befunden in keiner Weise schlüssig und nachvollziehbar ableiten. Schließlich habe Dr. D. bei den Lungenfunktionswerten im hochnormalen Bereich keinen krankhaften Befund geschildert. Die Atemluft-Analyse von Prof. Dr. B. habe nur einen Nachweis verschiedener Stoffe ergeben, die eigentliche Auswertung sei durch Dr. K. erfolgt, dessen zeitnähere Stellungnahme bereits vorliege.

Hiergegen hat der Kläger am 26. Januar 2010 Berufung eingelegt, mit der er geltend macht, das SG habe sich auf medizinische Gutachten aus dem Vorprozess gestützt, die nicht ansatzweise ausreichten, um den strittigen Sachverhalt zu klären. Seine Dauerschäden seien typisch für eine Brandgasbelastung, dies gelte insbesondere für die chronische Encephalopathie.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Januar 2010 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 21. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 festzustellen, dass die toxische Encephalopathie sowie eine posttraumatische Belastungsstörung weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. April 2000 sind, hilfsweise den Kläger nach § 109 Sozialgerichtsgesetz bei Dr. med. Dipl.- Psych G. begutachten zu lassen zur Frage ob eine posttraumatische Belastungsstörung Unfallfolge ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Gerichtsbescheid schlüssig und zutreffend sei.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der (vormalig zuständige) Senat die Arztberichte von Dr. D. angefordert (u. a. Bericht vom 21. Juni 2001: Diagnose - bronchiale Hyperreagibilität von klinischer Relevanz ohne Anhalt für exogen allergische Ursache; zwischenzeitlich häufige umweltmedizinische Beratungen, bislang ohne eindeutigen richtungsweisenden Befund; Bl. 60 Senatsakte).

Der Kläger hat eine ärztliche Bescheinigung des Dr. S. vom 7. November 2011 über die stattgehabte schmerztherapeutische Behandlung vom 12. September 2003 bis 11. Juli 2007 vorgelegt, wonach unter anderem die Diagnose eines algogenen Psychosyndroms gestellt worden ist (Bl. 64 Senatsakte).

Ferner hat der damalige Senat die Unterlagen über die im September 2011 durchgeführte Tumoroperation am Blasenboden und der rechten Seitenwand der S.-Kliniken H. beigezogen (Bl. 67 ff. Senatsakte).

Schließlich hat der damalige Senat den Kläger neurologisch/neuropsychologisch bei Prof. Dr. A., Chefarzt der Fachkliniken H., begutachten lassen. Dieser hat eine mitochondriale Zytopathie mit Beteiligung des zentralen Nervensystems ebenso wie eine Polyneuropathie oder Myopathie ausgeschlossen, da sich dafür klinisch-neurologisch keinerlei Hinweise fänden. Es habe sich lediglich um Verdachtsdiagnosen gehandelt, die sich ausschließlich auf eine erhöhte Pyruvat-Konzentration im Blut bzw. in der Ausatemluft bei normalem Serum-Laktat-Spiegel gestützt hätten. Nach den Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zufolge könne hierdurch die Diagnose einer mitochondrialen Erkrankung aber nicht gestellt werden, es handle sich noch nicht einmal um eine notwendige Bedingung der Diagnose. Die in der Radiologischen Praxis Dr. H. erhobenen Befunde der P. des zentralen Nervensystems vom 15. Dezember 2006 belegten keine Nervenschädigung des zentralen Nervensystems. Vielmehr falle auf, dass die beobachtete reduzierte Glukoseaufnahme sich praktisch auf das gesamte Gehirn erstrecke und nicht nur präfrontale und partielle Areale betreffe, wie dies bei einer neurodegenerativen Erkrankung mit kognitiven Störungen zu erwarten sei. Diese Befundkonstellation sei mit keiner Erkrankung, die zur Erklärung der testpsychologisch dokumentierte neuropsychologischen Defizite herangezogen werden könnte, in Einklang zu bringen, sondern sei am ehesten als Normierungs-Artefakt zu werden, z. B. als Folge eines fehlenden Augenschlusses während der Untersuchung. Der Kläger habe berichtet, dass sich seine "Lungenbeschwerden" aufgrund der Brandverletzung vollständig zurückgebildet hätten und auch das Denken durch die homöopathischen Mittel wieder viel klarer geworden sei. Er sei während des Unfallereignisses etwa eine halbe Stunde der relevanten Rauchexposition ausgesetzt gewesen. Später habe sich der Rauch im gesamten Wohnhaus ausgebreitet und er sei nach der Nacht mit heftiger Übelkeit ohne Erbrechen aufgewacht und habe einen "salzigen Belag" im Mund verspürt. Der Kläger habe sich in athletischer Konstitution in altersentsprechendem Allgemein- und Ernährungszustand befunden. Die Nasenatmung sei frei, die Reflexe seien seitengleich normal auslösbar und die Muskulatur sei allseits kräftig ohne sichere umschriebene Verschmächtigungen ausgebildet gewesen. Die Oberflächensensibilität habe sich allseits ungestört bei leichter Feinmotorik-Störung der Hände gezeigt. Die Untersuchung des Bluts sowie des Urins habe keinen pathologischen Befund gezeigt. Bei der neuropsychologischen Untersuchung sei eine im unteren Normbereich liegende Bearbeitungsgeschwindigkeit für einfache Konzentrationsaufgaben festgestellt worden, so dass kognitive Teilleistungsstörungen am ehesten reaktiver Ursache vorlägen. Ein Zusammenhang mit der Rauchgasinhalation könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Eine zentrale Gleichgewichtsstörung oder eine depressive Episode lägen aktuell nicht vor. Somit habe die Rauchgasinhalation lediglich zu vorübergehenden, aber nicht persistierenden Gesundheitsstörungen geführt. Dies ergebe sich vor allem daraus, dass nach dem Brandereignis eine weitgehend normale Konzentration der relevanten Belastungsstoffe im Blut vorgelegen habe.

Auf Antrag des Klägers wurde Prof. Dr. H. erneut als Sachverständiger nach § 109 SGG beauftragt und das Verfahren auf Antrag der Beteiligten durch Beschluss des vormaligen Senats vom 23.11.2012 zum Ruhen gebracht. Nach Eingang des Gutachtens vom 24.02.2014 am 04.03.2014 beim Landessozialgericht ist das Verfahren vom inzwischen zuständig gewordenen erkennenden Senat von Amts wegen wiederangerufen worden. Prof. Dr. H. hat einen reduzierten Allgemeinzustand des Klägers beschrieben. Die Atmung sei mit ausreichend tiefen Atemexkursionen erfolgt. Der Reflexstatus sei unauffällig gewesen. Er hat die Diagnose einer toxischen Encephalopathie, einer sekundären mitochondrialen Zytopathie, zentraler Gleichgewichtsstörungen und Bronchitis gestellt. Es bestehe eine Persistenz der Gesundheitsstörungen, da die mitochondriale Zytopathie bereits durch Dr. K. 2007 nachgewiesen worden sei. Insoweit weiche er von seinem Erstgutachten aus 2006 ab. Im neuropsychologischen Zusatzgutachten ist Dipl.-Psych. Dr. phil. V. zu dem Ergebnis gelangt, dass die kognitive Leistungsfähigkeit des Klägers im Vergleich zur Leistung gesunder Gleichaltriger in den Funktionsbereichen Aufmerksamkeit und Mnestik auffällig beeinträchtigt sei. Die Fachärztin für Neurologie/Neurophysiologie Dr. G. hat in ihrem neurologischen Zusatzgutachten ausgeführt, dass eine toxische Enzephalopathie bedingt durch akute inhalative Rauchintoxikation durch das Brandereignis vom 29.04.2000 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Grund für die heute bestehenden Beschwerden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die beigezogenen Gerichtsakten S 2 U 3483/05 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung des Klägers (§§ 143, 144 SGG) ist zulässig.

Der Kläger begehrt - so sein zuletzt gestellter Antrag - im Wege der kombinierten (Teil-)Anfech-tungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der das Vorliegen weiterer Unfallfolgen und das Bestehen von Leistungsansprüchen ablehnenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens derselben. So hätte schon das SG das prozessuale Begehren (§ 123 SGG) des Klägers bewerten müssen. Der Verfügungssatz des Ausgangsbescheides enthält zwar die Aussage, dass eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt werde. Welche Leistungen damit gemeint sein sollen, ergibt sich aus dem Bescheid jedoch nicht, sodass es insoweit an einer inhaltlich hinreichend bestimmten Regelung fehlt (vgl. §§ 31 Satz 1, 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Damit kann lediglich davon ausgegangen werden, dass die Beklagte allein über das Vorliegen der Unfallfolgen entscheiden wollte (so in einem vergleichbaren Fall auch BSG, Urteil vom 16. November 2005 - B 2 U 28/04 R - Juris). Da über die Gewährung von Sozialleistungen vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden ist, wäre auch eine auf die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Heilbehandlung gerichtete Klage unzulässig (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5).

Mit diesem entsprechenden Begehren ist die Berufung zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat deswegen die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Beklagte hat in dem (teilweise) angefochtenen Bescheid vom 21. Oktober 2008 dem gerichtlichen Vergleich folgend einen Arbeitsunfall des Klägers vom 29. April 2000 festgestellt und als Unfallfolge Schleimhautreizungen der Augen, Reizungen der Mundschleimhaut und der Bronchien, Übelkeit und Brechreiz anerkannt. Mit der erhobenen Verpflichtungsklage kann der Kläger seinen Anspruch auf Feststellung von weiteren Unfallfolgen durchsetzen.

Nach §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909; Senatsurteil vom 27. März 2014 - L 6 U 4426/13 -).

Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, aus-reichend, aber auch erforderlich (vgl. zum Folgenden: Urteil des BSG vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 - SozR 4-2700 § 1 Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusam-menhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Ent-scheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ur-sachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzu-rufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezoge-nen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhält-nis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuel-len wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.

Ob der geltend gemachte Gesundheitsschaden (hier: toxische Encephalopathie und posttraumatische Belastungsstörung) dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls (hier: Schleimhautreizungen der Augen, Reizungen der Mundschleimhaut und der Bronchien, Übelkeit und Brechreiz) als Unfallfolge im engeren Sinne zuzurechnen ist (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingungen. Während der Gesundheitsschaden dabei zunächst sicher feststehen muss (Vollbeweis), erfolgt die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und dem - hier als Arbeitsunfall anerkannten - Unfallereignis nach der Theorie der wesentlichen Bedingung.

Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist, wobei insoweit jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i. S. der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hinsichtlich des Überzeugungsmaßstabs genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr, z. B. BSG, Urteile vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38 - und 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - SozR 2200 § 555a Nr. 1).

Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, aus-reichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusam-menhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Ent-scheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ur-sachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzu-rufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezoge-nen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhält-nis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuel-len wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt we-sentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auf-fassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Er-folgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich we-sentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzuset-zen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg recht-lich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von über-ragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, ein-schließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Be-rücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Ver-letzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Er-eignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 29. April 2000 dauerhafte Gesundheitsschäden bei dem Kläger hervorgerufen hat. Das hat bereits Dr. M. vom Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises in Auswertung der Untersuchungsbefunde zutreffend dargelegt, da keinerlei Nachweis einer konkreten Schadstoffbelastung für die verbrannten Substanzen besteht und die wahrscheinlich toxikologisch relevanten Chemikalien schnell vom Organismus metabolisiert und ausgeschieden werden, so dass sie bereits nach kurzer Zeit nicht mehr in relevanten Mengen nachweisbar sind. Auch Dr. K. ist zutreffenderweise von einem fehlenden Nachweis einer Schadstoffbelastung ausgegangen und hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass die vier Wochen (gemeint Monate) später nachgewiesenen Substanzen Toluol, Methylpentan und Thiodiglykol nicht geeignet sind, die geltend gemachten Erkrankungen zu erklären (Schriftsatz vom 11. Oktober 2011). Dies hat auch Prof. Dr. H. zunächst in seinem Gutachten aus 2006 so gesehen und in seinem neuen Gutachten in keiner Weise begründet, warum nun etwas Anderes gelten soll und insbesondere warum Diagnosen aufrechterhalten werden, die noch nicht einmal mit seinen Untersuchungsbefunden übereinstimmen. Vielmehr hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. A. für den Senat schlüssig und plausibel dargelegt, dass es lediglich zu vorübergehenden, von der Beklagten bereits anerkannten, Gesundheitsstörungen im Sinne eines Gesundheitserstschadens gekommen ist, aber die allein noch bestehenden kognitiven Einschränkungen am ehesten Verhaltensänderungen im Rahmen eines psychischen Prozesses bei langwierigen Auseinandersetzungen mit Nachbarn und Gerichtsbarkeiten sind.

Hierbei ist auch zu beachten, dass selbst nach den ursprünglichen Befunden im Erstgutachten von Prof. Dr. H. grenzwertige toxische Belastungen nicht erreicht worden sind, die möglichen Substanzen flüchtigen Charakter haben, die erforderlichen Grenzwerte für eine toxische Belastung überhaupt nicht erreicht wurden und der Kläger zuletzt bei Prof. Dr. A. eingeräumt hat, berufsbedingt nur maximal eine halbe Stunde der Rauchgasentwicklung ausgesetzt gewesen zu sein. Somit kann eine beruflich bedingte toxische Belastung durch den Arbeitsunfall denknotwendig ausgeschlossen werden, was der Senat zusätzlich dem Arztbrief des Dr. M. vom Gesundheitsamt des R.-Kreises entnimmt. Dies gilt umso mehr, als die berufliche Belastung nur zeitlich kurz war, nämlich zwischen einer halben und zweieinhalb Stunden, während die Hauptexposition nachts nicht beruflich bedingt war. Da sich Dr. G. mit diesen Fakten in ihrem neurologischen Zusatzgutachten in keiner Weise auseinander gesetzt hat, vermag deren Annahme einer unfallbedingten toxischen Enzephalopathie nicht zu überzeugen, zumal sie zurecht darauf hinweist, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Landwirt einer Vielzahl von Herbiziden und Pestiziden ausgesetzt war, deswegen das Unfallereignis ihrer Einschätzung nach nur zu einer Dekompensation geführt "haben mag", sie dann aber die anteilige Kausalität nicht wie erforderlich bewertet.

Die richtungsweisende testpsychologische Untersuchung hat zwar insoweit kognitive Teilleistungsstörungen erbracht, die nach Einschätzung des dafür allein kompetenten Sachverständigen Prof. Dr. A. vor allem den Bereich der Exekutivfunktionen betreffen, wozu insbesondere das Arbeitsgedächtnis und die Aufmerksamkeitsregulation zählen. Diese Hirnleistungsstörung könnte zwar mit diffusen hirnorganischen Veränderungen in Einklang zu bringen sein, dies ist aber allenfalls möglich und nicht - wie erforderlich - wahrscheinlich zu machen, zumal weder die klinisch-neurologischen Untersuchungen noch die durchgeführte Blutanalyse oder die PET-Untersuchung (dazu siehe unten) irgendwelche Auffälligkeiten zeigten. Somit fehlt es am Nachweis einer zentral-nervösen Erkrankung, so dass die Schlussfolgerung des Sachverständigen Prof. Dr. A., dass die Einschränkungen am ehesten Verhaltensänderungen im Rahmen eines psychischen Prozesses bei langwierigen Auseinandersetzungen mit Nachbarn und Gerichtsbarkeiten zuzuschreiben sind, für den Senat gut nachvollziehbar ist. Demgegenüber hat Dr. G. keine Hinweise auf Denkstörungen gefunden, den Kläger als wach und allseits orientiert beschrieben, aber dann kognitive Leistungsstörungen festgehalten, die sie als unfallbedingt eingestuft hat, ohne sich in irgendeiner Weise mit dem Gutachten des Prof. Dr. A. auseinanderzusetzen, was zumindest widersprüchlich ist. Als Beginn der reduzierten Gedächtnisleistung ist nach Aktenlage ohnehin der Zeitraum nach 2007, d.h. sieben Jahre nach dem stattgehabten Unfall, belegt, so dass noch nicht einmal ein zeitlicher Zusammenhang, der ohnehin nicht ausreichend wäre, mit dem Unfallereignis besteht.

Prof. Dr. A. hat in Auswertung seiner ausführlichen Untersuchung auch des Blutes, des Urins des Klägers wie der Elektrocephalographie bzw. der testpsychologischen Evaluation und in der erforderlichen Auseinandersetzung mit den anderen Arztbefunden weiter plausibel dargelegt, dass eine Polyneuropathie oder eine Myopathie ebenso wie eine mitochondriale Zytopathie ausgeschlossen werden können, weil dafür keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Bei Prof. Dr. A. war nämlich der Reflexstatus bei unauffälligem Gang und ungestörter Motorik der Beine unauffällig, sämtliche Eigenreflexe waren seitengleich normal auslösbar, so dass auch aus diesem Grund kein Anhalt für eine Polyneuropathie besteht. Auch Prof. Dr. H. wie Dr. G. befanden einen unauffälligen Reflexstatus, Prof. Dr. H. hat dann aber einen nicht auslösbaren PSR beschrieben, schließlich wiederum die Diagnose einer Polyneuropathie gerade nicht gestellt, sich also mehrfach widersprochen, während Dr. G. ohne richtungsweisenden Befund eine Polyneuropathie diagnostiziert hat. Die allein von Dr. H. beschriebene reduzierte Glukoseaufnahme in der PET-Untersuchung erstreckt sich auf das gesamte Gehirn und nicht auf einzelne Areale, wie es bei einer neurodegenerativen Erkrankung mit kognitiven Störungen zu erwarten ist, was mit keinerlei Erkrankung, die zur Erklärung der testpsychologisch dokumentierten neuropsychologischen Defizite herangezogen werden könnte, in Einklang zu bringen ist. Der Sachverständige Prof. Dr. A. hat deswegen auch für den Senat nachvollziehbar die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich am ehesten um einen Normierungsartefakt handelt, z. B. als mögliche Folge eines fehlenden Augenschlusses während der Untersuchung. Insoweit kann die von Dr. Hörr gestellte bloße Verdachtsdiagnose einer toxischen Encephalopathie, die Prof. Dr H. fachfremd als Diagnose übernommen hat, durch nichts gestützt werden, zumal er sich mit der anderslautenden Begründung von Prof. Dr. A. überhaupt nicht auseinander gesetzt hat. Auch der behandelnde Internist Dr. D. hat insofern eine exogene Ursache der Beschwerden ausgeschlossen und trotz häufiger umweltmedizinischer Beratungen keinen eindeutigen richtungsweisenden Befund gestellt, was der Senat seinem Bericht vom 21. Juni 2001 entnimmt.

Dass die Bronchitis, die ohnehin nach Einschätzung von Dr. D. keine exogene Ursache hat, mittlerweile keine Beschwerden mehr verursacht, hat der Kläger selbst in der Untersuchung bei Prof. Dr. A. so eingeräumt und wird auch durch die vorgelegten Befunde von Dr. D. gestützt. Dieser hat zuletzt eine stabile bronchiale Situation beschrieben, die noch nicht einmal einer medikamentösen Intervention bedurfte (Arztbericht vom 4. Januar 2008, Bl. 51 Senatsakte). Insoweit ist die Annahme des Prof. Dr. H. einer Persistenz der Gesundheitsstörungen mit Behandlungsbedürftigkeit jedenfalls hinsichtlich der Bronchitis durch nichts gestützt. Zentrale Gleichgewichtsstörungen haben weder Prof. Dr. A. noch Prof. Dr. H. beschrieben, aus welchem Grund Prof. Dr. H. die Diagnose aufrecht erhalten hat, ist deswegen nicht nachvollziehbar.

Der Senat konnte sich dem von seinen eigenen Gutachten abweichenden neuen Gutachten von Prof. Dr. H. auch im Übrigen nicht anschließen, weil dieser ungeprüft bloße Verdachtsdiagnosen aus 2007 übernommen hat, die bereits Prof. Dr. A. zutreffend widerlegt hat. So stützt er sich auf die PET-Untersuchung durch Dr. H., die aber - wie oben ausgeführt - keinerlei Aussagewert hat. Inwieweit die Hirnleistungseinbußen Hinweis auf eine toxische Encephalopathie mit sekundärer mitochondriale Zytopathie geben, hat Prof. Dr. H. in keiner Weise dargelegt und begründet. Er hat die Diagnose offenbar einerseits mit Hirnleistungseinbußen, andererseits mit chronischer Reizung der Schleimhäute im Mund und in den Bronchien in Übereinstimmung gebracht, Beschwerden, deren Anhalten vom Kläger selbst nicht mehr aufrechterhalten werden. Den Umstand, dass der Vorgutachter Prof. Dr. A. kognitive Einbußen beschrieben hat, hat er schlicht übernommen und als These für seine Diagnose einer toxischen Encephalopathie genommen, ohne weiter zu begründen, warum diese in Abweichung vom Vorgutachter Prof. Dr. A. nunmehr unfallbedingt sein soll, zumal es nach seinem eigenen Vorgutachten ohnehin am Nachweis einer toxikologischen Belastung fehlt. Insgesamt gesehen fehlt es seinem Gutachten an der erforderlichen Darlegung, warum es zu diesen Abweichungen kommt, diese werden schlicht beschrieben, aber nicht erklärt. Das Gutachten des Prof. Dr. H. sowie die Zusatzgutachten von Dipl.-Psych. Dr. V. und Dr. G. sind aus all diesen Gründen daher für den Senat unschlüssig und zum Nachweis weiterer Gesundheitsstörungen nicht geeignet gewesen.

Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsschäden als Unfallfolge.

Den erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens lehnt der Senat nach § 109 Abs. 2 SGG ab, da sich durch die Einholung eines weiteren Gutachtens die Erledigung des seit 26. Januar 2010 anhängigen und entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern würde und zur Überzeugung des Gerichts der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher gestellt worden ist (siehe dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 109 Rz. 11), zumal keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten zum Vorliegen einer solchen Gesundheitsstörung vorliegt. Zum anderen ist das Antragsrecht nach § 109 SGG durch die Einholung des Gutachtens des Prof. Dr. Huber nach der ständigen Rspr. des Senats (zuletzt Urteil vom 24. Juli 2014 - L 6 U 5183/11 - mit weiteren Nachweisen; so auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. § 109 Rz. 10b) bereits verbraucht. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es für die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach dem Diagnoseschlüssel (ICD-10 F43.1 bzw. DSM-IV-TR 309.8) bereits am sogenannten A-Kriterium fehlt, wofür eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung und katstrophenartigen Ausmaßes, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, erforderlich ist, so dass es nach der ständigen Senatsrechtsprechung hinaus nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.

Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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