Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2739/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2142/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung - BKV - (Lärmschwerhörigkeit).
Der am 25.03.1957 geborene Kläger ist seit dem 07.11.1988 bei der Firma E. AG in der Produktion beschäftigt. Vorher hatte er in der Türkei den Wehrdienst abgeleistet, wo er in der Küche eingesetzt war, und war anschließend (Bl. 23 R Verwaltungsakte -VV-) in einer Getränke-Firma an einer Pack- und Füllmaschine (1979 bis 1984; allgemeiner Geräuschpegel 85 dB; Bl. 50 VV); später als Hilfsarbeiter in einer Aluminiumgießerei, als Kassenhilfe in einem Schnellrestaurant, als Hilfsarbeiter in der Kabelverlegung und in der Fahrzeugherstellung beschäftigt. Bei Eternit arbeitete er bis Ende April 1989 als Lagerist und Monteurhelfer für das Verkaufsbüro 140. Seine Aufgabe war das Zusammenstellen von Produkten und Bauteilen, die für die Herstellung von Präsentationen aus dem Bereich Hochbauartikel benötigt wurden. Hierzu musste der Kläger einen Kleintransporter beladen und beim Kunden wieder entladen. Ab Mai 1989 war er für 13 Monate in der Formerei 1 tätig und arbeitete zur Herstellung von Hochbauteilen und Gartenartikeln häufig mit Druckluftsägen und Druckluftklopfern. Von Juni 1990 bis zum 31.12.2000 war er in der Rohr- und Kupplungsbearbeitung beschäftigt, bis Ende 1992 in stetem Wechsel an den verschiedenen Bearbeitungsmaschinen und danach für ca. vier Jahre als Staplerfahrer; ab 1996 in 80 % der Arbeitszeit an der CNC-Maschine "Petra", in den übrigen 20 % wechselnd an anderen Bearbeitungsmaschinen (Bericht des Messtechnischen Dienstes des Technischen Aufsichtsdienstes -TAD- H., Dipl.-Ing. H. vom 18.12.2000; Bl. 55 ff VV). Ab 01.01.2001 arbeitete er in der Plattenbearbeitung (Sägeabteilung der Plattenfabrik), wo er ca. 50 % der Arbeitszeit als Maschinenführer an der neuen Sägeanlage Mayer und ansonsten an einer der übrigen Sägen bzw. Arbeitsplätze tätig war, ab 2008 zu ca. 80 % an der Sägeanlage Mayer. Der Kläger trug durchgehend Gehörschutz, zunächst in Form von Gehörschutzwatte, später Gehörschutzkapseln bzw. -stöpsel (Bl. 159 VV; Bl. 75 R VV). Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt 37,5 Stunden (Messbericht des Geschäftsbereichs Prävention der Beklagten, Dipl.-Ing. H. vom 29.10.2010, Bl. 201 f VV).
Am 29.06.2000 zeigte Dr. M., Betriebsarzt der E. AG, unter Vorlage der Tonaudiogramme vom 29.06.1999 und 08.06.2000 bei der Beklagten erstmals den Verdacht auf eine Berufskrankheit an, am 29.01.2001 der behandelnde Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. S ... Die Beklagte zog über den Arbeitgeber des Klägers die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen von 1991, 1994, 1997 und 1998 bei Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) Dr. S. (Bl. 4 ff VV) und den "Lärm I-Untersuchungsbogen der Werksambulanz vom 25.10 1988 bei. Dr. S. stellte am 14.09.1998 die Diagnose einer leichtgradigen Hochtonschwerhörigkeit, nicht typisch für Lärmschaden.
Die Lärmermittlungen am Arbeitsplatz ergaben für den Zeitraum 07.11.1988 bis 30.04.1989 ) 84 dB(A), vom 01.05.1989 bis 31.05.1989 88 dB(A), vom 01.06.1989 bis ca. Ende 1992 94 dB(A), von ca. 1993 bis Ende 1996 91 dB(A), von Ende 1996 bis Ende 2000 88 dB(A) - Bericht Dipl.-Ing. H., Bl. 56 VA- von 2001 bis 2007 86 dB(A) und ab 2008 85 dB(A) - Bericht Dipl.-Ing. H. vom 28.10.2010, Bl. 202 VV.
Die Beklagte holte bei Facharzt für HNO Dr. S. das Gutachten vom 19.02.2001 ein. Darin kam dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 15.02.2001 zum Ergebnis, dass nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser (1973) ein prozentualer Hörverlust von 20 v. H., entsprechend einer geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits bestehe, rechts mit einer Schalleitungskomponente von 10 dB behaftet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das vernarbte Trommelfell verursacht werde und bei der Gesamtbeurteilung keine wesentliche Rolle spiele. Die Innenohrschwerhörigkeit habe ihr Maximum bei 2000 bis 3000 Hz, erstrecke sich aber auch auf den niedrigen und mittleren Frequenzbereich. Ausweislich des "Lärm I"-Untersuchungsbogens habe bereits bei der Einstellung in den Betrieb eine geringgradige Hochtonschwerhörigkeit vorgelegen, die 1991 und 1994 gefertigten Audiogramme ähnelten dem aktuell angefertigten stark. Überschwellige Hörprüfmethoden, wie SISI-Test und Langenbeck-Prüfung sprächen gegen einen reinen Haarzellschaden. Aufgrund der erhobenen Befunde, insbesondere der topodiagnostischen überschwelligen Tests und der Entwicklung der Schwerhörigkeit könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es sich hier um eine durch Lärm am Arbeitsplatz verursachte Innenohrschwerhörigkeit handele.
Die Beklagte lehnte daraufhin das Vorliegen einer Berufskrankheit ab (Bescheid vom 07.06.2001; Widerspruchsbescheid vom 09.10.2001). Die vorliegende geringgradige Innen-ohrschwerhörigkeit auch in mittleren und niedrigen Frequenzen sei ein lärmuntypischer Befund. Die am rechten Ohr bestehende Schall-Leitungskomponente sei ebenfalls nicht durch beruflichen Lärmeinfluss, sondern durch das vernarbte Trommelfell verursacht. Das Vorliegen einer Berufskrankheit müsse daher abgelehnt werden. Das Klageverfahren war erfolglos (Sozialgericht Mannheim - SG -, Gerichtsbescheid vom 04.12.2002 - S 2 U 2759/01; Berufungsrücknahme am 27.08.2003 - L 7 U 122/03).
Am 16.04.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit, wobei er geltend machte, dass eine Verschlimmerung eingetreten sei.
Die Beklagte ließ zunächst durch den Geschäftsbereich Prävention, Dipl.-Ing H., eine Arbeitsplatzlärmanalyse ab 2001 durchführen (Messbericht vom 29.10.2010) unter Heranziehung des Messberichts des TAD vom 18.12.2000 (Bl. 159/193 VV). Danach habe von 2001 bis 2007 eine Lärmdisposition von 86 dB und ab 2008 von 85 dB bestanden. Der Kläger habe seit 2001 ständig mit Gehörschutz gearbeitet. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Facharzt für HNO Dr. Z. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dr. Z. stellte in seinem Gutachten vom 17.02.2011 (Bl. 234/248 VV) aufgrund der Untersuchung vom 15.02.2011 unter Zusammenfassung aller überschwelligen und objektiven Hörtests bei dem mit Hörgeräten versorgten Kläger einen sensorischen und Haarzellschaden fest, wie für eine Lärmschwerhörigkeit zu fordern. Er gehe gutachterlich jedoch nicht von einer im Wesentlichen lärmbedingten Hörverminderung oder lärmbedingten Verschlechterung aus. Zum einen sei die geklagte Hörverschlechterung einseitig, nämlich links, was aber nicht mit einer lärmbedingten Ursache zu vereinbaren sei, da lärmbedingte Schwerhörigkeit symmetrisch auftrete. Gewisse Asymmetrien seien möglich, sollten jedoch nicht einen Schwerhörigkeitsgrad überschreiten und nicht - wie beim Kläger - in unterschiedlichen Frequenzbereichen liegen. Die Hörschwelle zeige linksseitig eine Tieftonsenke mit schlechteren Werten bei 125 bis 500 Hz gegenüber 1 Hz. Dies spreche gegen eine lärmbedingte Verschlechterung, da diese selten in den Tieftonbereich fortschreite. Eine Lärmschwerhörigkeit überspringe auch keine Frequenzen. Schlechtere Werte im Tieftonbereich gegenüber dem Mitteltonbereich sprächen per se gegen eine im Wesentlichen lärmbedingte Hörverminderung. Die Hörschwelle rechts im Hochtonbereich (auch links) zeige eine Konfiguration, die für eine Lärmschwerhörigkeit typisch sein könne. Lärmuntypisch sei aber die signifikante Beteiligung des Tief- und mittleren Frequenzbereichs, plateauförmig zwischen 125 und 1500 Hz. Eine Beteiligung von 50 dB im Tief- und Mitteltonbereich sei mit einer Lärmschwerhörigkeit nicht zu vereinbaren. Potentiell gehörschädigender Lärm von 85 bzw. 86 dB sei nicht ausreichend, um eine signifikante Beteiligung des Tief- und Mitteltonbereichs zu bewirken, zumal asymmetrisch. Nach dem Sprachaudiogramm bestehe ein Hörverlust gemäß Tabelle Boenninghaus und Röser von 70 v. H., was mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit vereinbar sei, mit einer geschätzten MdE von 50 v. H ... Dies sei für eine reine Lärmschwerhörigkeit untypisch, insbesondere wegen der Hörschwellenkonfiguration und nicht bei einem Lärmpegel von 85/86 dB. Laut Tabelle Röser 1980 sei ein Hörverlust von 45 v. H. ermittelbar. Bei Anwendung der Kurve zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm bei unregelmäßigem Verlauf der Hörkurve ergebe sich ein Hörverlust rechts von 69 v. H., was am ehesten dem Sprachaudiogramm entspreche, und links von 68 v. H., was mit einer MdE von 50 v. H. abschätzbar sei. Aufgrund dieser audiologischer Kriterien, des Hörschwellenverlaufs und der einwirkenden Lärmpegel gehe er nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit von einer im Wesentlichen lärmbedingten Hörverminderung oder Verschlechterung aus. Gemäß der Theorie der wesentlichen Bedingung spreche wesentlich mehr gegen als für eine lärmbedingte Ursache, bzw. Verschlechterung. Eine lärmbedingte Teilursache sei nicht sicher auszuschließen, aber nicht exakt abgrenzbar und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich. Auch bezüglich des geklagten Tinnitus sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer berufsunabhängigen Genese auszugehen. Es handele sich um einen Nachschaden, der nicht sozialrechtlich mitversichert sei.
Mit Bescheid vom 10.05.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Hörstörung als Berufskrankheit ab. Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Dr. Z. hätten sich weiterhin keine für eine Lärmschwerhörigkeit typischen Befunde gefunden. Es bestünden auch erhebliche Hörverluste in dem als lärmresistent geltenden Mittelton- und Tieftonbereich. Ein Übergreifen in diesen Bereich sei nach arbeitsmedizinischen Erkenntnissen erst nach jahrzehntelanger und intensiver Lärmbelastung überhaupt denkbar. Die beim Kläger stattgehabte Lärmexposition bei vergleichsweise niedrigen Lärmpegeln lasse eine derart schwerwiegende Schwerhörigkeit, wie sie bei ihm vorliege, nicht erwarten. Auch die beim Kläger vorliegenden schlechteren Werte im Tieftonbereich gegenüber dem Mitteltonbereich seien lärmuntypisch, da eine Lärmschwerhörigkeit keine Frequenzen überspringe, sondern - wenn überhaupt - vom Hochton- in den Mitteltonton-, selten in den Tieftonbereich fortschreite. Weiter sei die geklagte linksseitige Hörverschlechterung nicht mit einer lärmbedingten Ursache vereinbar, weil die lärmbedingte Hörverschlechterung immer seitengleich ausgeprägt sei. Daher müsse erneut ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Lärmeinwirkung und der bestehenden Hörstörung abgelehnt werden. Der hiergegen erhobene nicht begründete Widerspruch wurde von dem bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2011 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 08.08 2011 hat der Kläger Klage beim SG erhoben. Er könne der Auffassung des Gutachters einer berufsunabhängigen Genese der Schwerhörigkeit nicht folgen. Erkrankungen, die berufsunabhängig zu einer Schwerhörigkeit führen könnten, lägen nicht vor. 2001 sei eine lärmbedingte Schwerhörigkeit festgestellt worden, diese habe sich nunmehr in rentenrelevantem Ausmaß verschlimmert. Bekanntermaßen könne auch Tinnitus durch Lärm entstehen. Er hat einen Arztbrief der Pneumologen Dres. I. und J. vom 07.11.2011 und einen nicht datierten Auszug eines Arztbriefs der Radiologen Prof. Dr. R./ Dr. S., beide betreffend eine Computertomographie der Lunge vom 02.11.2011, vorgelegt.
Das SG hat die Klage nach Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 07.05.2012 abgewiesen. Es fehle an einem mit Wahrscheinlichkeit vorliegenden wesentlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Schwerhörigkeit einschließlich des Tinnitus des Klägers, was sich aus dem Gutachten von Dr. Z. vom 17.02.2011 in Übereinstimmung mit dem im vorangegangenen Verfahren von Dr. S. am 19.02.2001 erstatteten Gutachten auf der Grundlage der Ergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten ergebe. Insbesondere sprächen die einseitige Verschlechterung auf der linken Seite und die linksseitig schlechteren Werte im Tieftonbereich gegenüber dem Mitteltonbereich gegen eine lärmbedingte Verschlechterung. Zudem sei der lediglich potentiell gehörschädigende Lärm von 85 bzw. 86 dB(A) nicht ausreichend, um eine signifikante Beteiligung des Tief- und Mitteltonbereichs zu bewirken.
Der Kläger hat am 23.05.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Mai 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Lärmschwerhörigkeit nach BK 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend und bezieht sich im Übrigen auf den Akteninhalt.
Der ehemalige Berichterstatter hat am 13.02.2014 den Rechtsstreit in nichtöffentlicher Sitzung mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat zunächst die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG beantragt, innerhalb gesetzter Frist aber keinen zur Erstattung des Gutachten bereiten Arzt benannt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (2 Bände), die SG-Akte und die Senatsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der die Anerkennung einer Berufskrankheit ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Schwerhörigkeit des Klägers auf einer beruflich bedingten Lärmexposition beruht.
Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, da der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist keinen anderen Sachverständigen nach § 109 SGG benannt hat, nachdem der zuerst benannte Gutachter den Gutachtensauftrag zurückgegeben hat, weil er ihn nicht innerhalb angemessener Frist erledigen konnte (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 109 Rn. 4, 5b).
Der Kläger begehrt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Anerkennung einer Berufskrankheit ablehnenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit.
Ein Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV besteht nicht. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als BK 2301 enthalten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04. 2009 - B 2 U 9/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 14). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Dabei muss Art und Ausmaß der Hörschädigung als rechtserhebliche Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen. Für die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris; zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2109 Nr. 1).
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).
In Bezug auf die Beurteilung einer Lärmschwerhörigkeit bedeutet dies, dass bei einer nicht sicher möglichen Abgrenzung eines lärmunabhängigen Anteils der Schwerhörigkeit nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung entschieden werden muss, ob die berufliche Lärmeinwirkung oder ein anderer Faktor die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Schwerhörigkeit war (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 26.04.2001 - L 18 U 431/98 - juris). Nur diese Bedingung gilt dann versicherungsrechtlich als Ursache der gesamten medizinisch nicht näher abgrenzbaren Schwerhörigkeit (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 11.03.2003 - L 2 U 61/00 - juris).
Das Bemessen der durch eine Schwerhörigkeit verursachten MdE setzt ein genaues Beurteilen der Funktionseinbuße des Gehörs voraus, die als prozentualer Hörverlust angegeben wird. Mit den im "Königsteiner Merkblatt" bzw. jetzt in der "Königsteiner Empfehlung" erläuterten Richtlinien wird eine weitgehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt (Urteil des Senats vom 22.05.2014 - L 6 U 3003/13; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.10.2013 - L 5 U 25/09 - juris). Deren Anwendung dient zugleich der Rechtssicherheit. Sie sind geeignet, die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis zu bilden. Ferner stützt sich der Senat hinsichtlich des Krankheitsbildes einer Lärmschwerhörigkeit auf das "Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung: Lärmschwerhörigkeit" vom 01.07.2008 (Merkblatt zu Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV; siehe Mehrtens/Brandenburg, M 2301, S. 1 ff.).
Danach ist die Lärmschwerhörigkeit eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, das heißt eine Innenohrschwerhörigkeit, und keine Schallleitungsstörung. Zunächst ist die Wahrnehmung der höheren, später erst die der mittleren und eventuell der tieferen Töne beeinträchtigt. Die chronische Schwerhörigkeit durch Lärm tritt immer doppelseitig auf, sie muss aber nicht streng symmetrisch ausgebildet sein. Schon die beginnende Gehörschädigung durch Lärm kann mittels Tonaudiogramm durch typischen pathognomonischen Hörverlust im Frequenzbereich um 4 kHz festgestellt werden. Dabei handelt es sich um die sogenannte c5-Senke. Auch später ist noch für längere Zeit ein Überwiegen der Hochtonstörung feststellbar. Aus der Hochtonsenke kann ein Hochtonabfall werden. Der Hauptsprachbereich zwischen 0,5 und 2 kHz wird erst spät beeinträchtigt. Ein Lautheitsausgleich (Recruitment), möglichst durch mehrere überschwellige Prüfmethoden bestätigt, spricht für eine Schädigung der Sinneszellen des Corti-Organs durch Lärm. Neben dem Recruitment ist vor allem die Form des Tonaudiogramms von Bedeutung. Nur der basocochleäre Typ spricht für Schwerhörigkeit durch Lärm, während mediocochleäre Typen für eine andere Lokalisation im Schneckenwindungssystem entweder im Sinne einer erblichen oder einer Hörnerven¬schwerhörigkeit sprechen. Pancochleäre Formen deuten eher auf eine lärmfremde Ursache hin (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301, S. 1 ff.). In der "Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301) - Königsteiner Empfehlung" (Königsteiner Empfehlung) wird ausgeführt, dass es für die Annahme einer Lärmschädigung spricht, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit (Hörstörung der Sinneszellen des Innenohres) mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen (c5-Senke) handelt und wenn das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung im adäquaten Verhältnis zur Lärmeinwirkung stehen. Leichte Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich sind erst nach jahre- beziehungsweise jahrzehntelanger und erheblicher Lärmbelastung als lärmbedingt denkbar. Bei einem nachgewiesenen negativen Recruitment ist die Verursachung durch Lärm unwahrscheinlich. Andererseits ist ein positives Recruitment kein Beweis dafür, dass Lärm die Ursache des Haarzellschadens ist (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten¬verordnung, M 2301, S. 8 ff., 28 f.). Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Berufslärm meist nur zu geringgradiger Schwerhörigkeit führt, die sich auf die hohen Frequenzen beschränkt. Eine mittelgradige Schwerhörigkeit durch berufliche Lärmeinwirkung stellt den seltenen Einzelfall dar. Hochgradige Innenohr-schwerhörigkeit allein durch Lärmeinwirkung ist nahezu ausgeschlossen. Übereinstimmung besteht, dass Ertaubung durch chronische Lärmeinwirkung nicht entsteht (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 326). Schwerhörigkeit kann trotz jahrelanger erheblicher beruflicher Lärmbelastung auch andere Ursachen aufweisen. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem 8-Stunden Tag über viele Arbeitsjahre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 324; Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, 6. Auflage, 2006, S. 210).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Zwar war der Kläger an seiner Arbeitsstelle Lärmeinwirkungen im Zeitraum 07.11.1988 bis 30.04.1989 von ) 84 dB(A), vom 01.05.1989 bis 31.05.1989 88 dB(A), vom 01.06.1989 bis ca. Ende 1992 94 dB(A), von ca. 1993 bis Ende 1996 91 dB(A), von Ende 1996 bis Ende 2000 88 dB(A), von 2001 bis 2007 86 dB(A) und ab 2008 85 dB(A) und damit über Jahre einem Lärm ausgesetzt, der mit über 85 dB(A) geeignet ist, gehörschädigend zu wirken. Seit 2000 hat der Kläger bei der Arbeit Gehörschutz getragen, der das gehörschädigende Ausmaß der Lärmeinwirkung verringern sollte. Ein geeigneter Gehörschutz bewirkt auch, dass die Lärmbelastung das Innenohr nicht mehr oder nur abgeschwächt erreicht. Innenohrschädigungen können allerdings, z.B. bei nicht optimaler Anpassung des Gehörschutzes bzw. wenn dieser nicht richtig getragen wird, dennoch auftreten. Nach langjähriger gehörschädigender Einwirkung und Vereinbarkeit des audiometrischen Bildes und der Erkrankung kann daher allein aus dem Vorbringen, Gehörschutz ordnungsgemäß getragen zu haben, eine Lärmschwerhörigkeit nicht ohne Weiteres verneint werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 330).
Da es für die Erwerbsfähigkeit weniger auf die Flüster-, sondern in hohem Maße auf die Umgangssprache ankommt, hat Vorrang der aus der Sprachaudiometrie gewonnene prozentuale Hörverlust. Dieser ist entscheidende Grundlage für das quantitative Bestimmen des Hörschadens. Danach richtet sich im Wesentlichen die Höhe der MdE. Das Tonaudiogramm wird für das Beurteilen an der Grenze zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit zugezogen, wenn das Sprachaudiogramm normal ist, aber ein erheblicher Tongehörverlust in den hohen Frequenzen besteht, wobei der Stellenwert der Tonaudiometrie schwächer ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 344). Der prozentuale Hörverlust berechnet sich nach Nr. 4.3.1 der Königsteiner Empfehlung nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973. Dabei wird aus dem Hörverlust für Zahlwörter und dem Gesamtwortverstehen der prozentuale Hörverlust ermittelt. Der Hörverlust für Zahlwörter (A1-Wert) wird auf der Achse des 50%igen Verständnisses in dB bestimmt. Bei dem Gesamtwortverstehen werden die Verständnisquoten für Einsilber bei den Schallpegeln von 60, 80 und 100 dB addiert. Bei dem gewichteten Gesamtwortverstehen nach Feldmann wird die Verständnisquote 3x bei 60 dB, 2x bei 80 dB und 1x bei 100 dB addiert und diese Summe durch 2 dividiert. Durch diese Gewichtung werden die für die sprachliche Kommunikation besonders wichtigen Schallpegel von 60 und 80 dB stärker berücksichtigt. Nach Nr. 4.3.1 c) der Königsteiner Empfehlung soll bei prozentualen Hörverlusten bis zu einem Wert von 40 % das gewichtete Gesamtwortverstehen angewendet werden. Ergibt sich danach ein Hörverlust von mehr als 40 %, so ist er noch einmal unter Verwendung des einfachen Gesamtwortverstehens zu bestimmen und dieser Wert der Bemessung der MdE zugrunde zu legen.
Unter Anwendung der Königsteiner Empfehlung folgt aus der sprachaudiometrischen Untersuchung nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 durch Dr. Z. am 15.02.2011 ein Hörverlust von 70 v. H., eine hochgradige Schwerhörigkeit, vereinbar mit einer geschätzten MdE von 50 v. H ... Laut Tabelle Röser 1980 wäre ein Hörverlust von 55 v. H. bzw. 45 v. H. links ermittelbar; bei Anwendung der Kurve zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm bei unregelmäßigem Verlauf der Hörkurve ergibt sich ein Hörverlust rechts von 69 v. H., was am ehesten dem Sprachaudiogramm entspricht und ebenfalls mit einer geschätzten MdE von 50 v H. entspricht. Die Schwerhörigkeit hat - wie sich aus dem Vergleich der Befunde des Gutachters Dr. S. vom 19.02.2001 mit denen von Dr. Z. vom 15.02.2011 ergibt - erheblich zugenommen. 2001 noch bestand eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit, rechts mit einer nicht relevanten Schalleitungskomponente von 10 dB, die ihr Maximum beidseitig im Bereich von 2000 bis 3000 Hz hatte, sich aber auch auf den mittleren und niedrigen Frequenzbereich erstreckte. Der prozentuale Hörverlust lag bei 20 v. H. für das gewichtete Gesamtwortverstehen nach Feldmann, berechnet nach den Tabellen von Boenninghaus und Röser.
Die maßgebliche Erkrankung muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen und eine berufliche Verursachung hinreichend wahrscheinlich sein. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit, ist ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden.
Die beim Kläger bestehende hochgradige Schwerhörigkeit und der Tinnitus sind wie die zuvor bestehende geringgradige Schwerhörigkeit zur Überzeugung des Senats nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die beruflich bedingte Exposition zu Lärm zurückzuführen. Dies hat bereits das SG zutreffend festgestellt. Für die Veränderungen sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit endogene Schädigungsursachen verantwortlich. Dr. Z. hat ausgeführt, dass die berufliche Lärmexposition als Teilursache nicht sicher auszuschließen ist, sie ist jedoch nicht exakt abgrenzbar. Dies ergibt sich auch aus den Darlegungen des Gutachters Dr. S. im vorangegangenen Verwaltungsverfahren und wird durch die übrigen vorliegenden Audiogramme bestätigt. So bestand nach dem "Lärm I"-Untersuchungsbogen bereits bei der Einstellung des Klägers bei der Eternit AG im Jahr 1988 eine geringgradige Hochtonschwerhörigkeit. Auch die Audiogramme von 1991 und 1994 ähnelten dem von 2001 stark. Die topodiagnostischen überschwelligen Hörprüfmethoden, namentlich der SISI-Test und die Langenbeck-Prüfung, sprachen bereits 2001 gegen einen reinen Haarzellschaden, so dass bereits 2001 die damals geringgradige Innenohrschwerhörigkeit nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit durch Lärm am Arbeitsplatz verursacht war. Auch die seit 2001 eingetretene Verschlimmerung und die nunmehr bestehende hochgradige Innenohrschwerhörigkeit und der Tinnitus sind nicht wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht. Eine hochgradige Schwerhörigkeit allein durch Lärmeinwirkung ist nahezu ausgeschlossen. Darüber hinaus trat die schwerwiegende Hörstörung in dem Zeitraum ab 2001 ein, in dem der Kläger nur noch Lärm von 85 bis 86 dB ausgesetzt war. Erst Lärm über 85 dB ist überhaupt geeignet, gehörschädigend zu wirken. Eine Lärmschädigung tritt stets während der Lärmexposition ein. Bei Exposition von 85 dB/86 dB ist eine schwerwiegende Hörschädigung nicht zu erwarten. Lärm führt nicht zu einer signifikanten Beteiligung des Tief- und Mitteltonbereichs, insbesondere nicht asymmetrisch. Die Entwicklung der Hörstörung stand somit ab 2001 nicht in adäquatem Verhältnis zur Lärmeinwirkung. Auch ist die Verschlimmerung seit 2001 im Wesentlichen linksseitig, eine lärmbedingte Schwerhörigkeit tritt jedoch symmetrisch auf. Hier überschreiten die Unterschiede einen Schwerhörigkeitsgrad und liegen in unterschiedlichen Frequenzbereichen. Auch die bestehende Tieftonsenke linksseitig mit schlechteren Werten bei 125 bis 500 Hz gegenüber 1 Khz spricht gegen eine lärmbedingte Verschlechterung. Eine lärmbedingte Hörminderung weist keine schlechteren Werte im Tiefton- gegenüber dem Mitteltonbereich auf (so auch Urteil des Senats vom 27.03.2014 - L 6 U 4464/13 -).
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung - BKV - (Lärmschwerhörigkeit).
Der am 25.03.1957 geborene Kläger ist seit dem 07.11.1988 bei der Firma E. AG in der Produktion beschäftigt. Vorher hatte er in der Türkei den Wehrdienst abgeleistet, wo er in der Küche eingesetzt war, und war anschließend (Bl. 23 R Verwaltungsakte -VV-) in einer Getränke-Firma an einer Pack- und Füllmaschine (1979 bis 1984; allgemeiner Geräuschpegel 85 dB; Bl. 50 VV); später als Hilfsarbeiter in einer Aluminiumgießerei, als Kassenhilfe in einem Schnellrestaurant, als Hilfsarbeiter in der Kabelverlegung und in der Fahrzeugherstellung beschäftigt. Bei Eternit arbeitete er bis Ende April 1989 als Lagerist und Monteurhelfer für das Verkaufsbüro 140. Seine Aufgabe war das Zusammenstellen von Produkten und Bauteilen, die für die Herstellung von Präsentationen aus dem Bereich Hochbauartikel benötigt wurden. Hierzu musste der Kläger einen Kleintransporter beladen und beim Kunden wieder entladen. Ab Mai 1989 war er für 13 Monate in der Formerei 1 tätig und arbeitete zur Herstellung von Hochbauteilen und Gartenartikeln häufig mit Druckluftsägen und Druckluftklopfern. Von Juni 1990 bis zum 31.12.2000 war er in der Rohr- und Kupplungsbearbeitung beschäftigt, bis Ende 1992 in stetem Wechsel an den verschiedenen Bearbeitungsmaschinen und danach für ca. vier Jahre als Staplerfahrer; ab 1996 in 80 % der Arbeitszeit an der CNC-Maschine "Petra", in den übrigen 20 % wechselnd an anderen Bearbeitungsmaschinen (Bericht des Messtechnischen Dienstes des Technischen Aufsichtsdienstes -TAD- H., Dipl.-Ing. H. vom 18.12.2000; Bl. 55 ff VV). Ab 01.01.2001 arbeitete er in der Plattenbearbeitung (Sägeabteilung der Plattenfabrik), wo er ca. 50 % der Arbeitszeit als Maschinenführer an der neuen Sägeanlage Mayer und ansonsten an einer der übrigen Sägen bzw. Arbeitsplätze tätig war, ab 2008 zu ca. 80 % an der Sägeanlage Mayer. Der Kläger trug durchgehend Gehörschutz, zunächst in Form von Gehörschutzwatte, später Gehörschutzkapseln bzw. -stöpsel (Bl. 159 VV; Bl. 75 R VV). Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt 37,5 Stunden (Messbericht des Geschäftsbereichs Prävention der Beklagten, Dipl.-Ing. H. vom 29.10.2010, Bl. 201 f VV).
Am 29.06.2000 zeigte Dr. M., Betriebsarzt der E. AG, unter Vorlage der Tonaudiogramme vom 29.06.1999 und 08.06.2000 bei der Beklagten erstmals den Verdacht auf eine Berufskrankheit an, am 29.01.2001 der behandelnde Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. S ... Die Beklagte zog über den Arbeitgeber des Klägers die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen von 1991, 1994, 1997 und 1998 bei Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) Dr. S. (Bl. 4 ff VV) und den "Lärm I-Untersuchungsbogen der Werksambulanz vom 25.10 1988 bei. Dr. S. stellte am 14.09.1998 die Diagnose einer leichtgradigen Hochtonschwerhörigkeit, nicht typisch für Lärmschaden.
Die Lärmermittlungen am Arbeitsplatz ergaben für den Zeitraum 07.11.1988 bis 30.04.1989 ) 84 dB(A), vom 01.05.1989 bis 31.05.1989 88 dB(A), vom 01.06.1989 bis ca. Ende 1992 94 dB(A), von ca. 1993 bis Ende 1996 91 dB(A), von Ende 1996 bis Ende 2000 88 dB(A) - Bericht Dipl.-Ing. H., Bl. 56 VA- von 2001 bis 2007 86 dB(A) und ab 2008 85 dB(A) - Bericht Dipl.-Ing. H. vom 28.10.2010, Bl. 202 VV.
Die Beklagte holte bei Facharzt für HNO Dr. S. das Gutachten vom 19.02.2001 ein. Darin kam dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 15.02.2001 zum Ergebnis, dass nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser (1973) ein prozentualer Hörverlust von 20 v. H., entsprechend einer geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits bestehe, rechts mit einer Schalleitungskomponente von 10 dB behaftet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das vernarbte Trommelfell verursacht werde und bei der Gesamtbeurteilung keine wesentliche Rolle spiele. Die Innenohrschwerhörigkeit habe ihr Maximum bei 2000 bis 3000 Hz, erstrecke sich aber auch auf den niedrigen und mittleren Frequenzbereich. Ausweislich des "Lärm I"-Untersuchungsbogens habe bereits bei der Einstellung in den Betrieb eine geringgradige Hochtonschwerhörigkeit vorgelegen, die 1991 und 1994 gefertigten Audiogramme ähnelten dem aktuell angefertigten stark. Überschwellige Hörprüfmethoden, wie SISI-Test und Langenbeck-Prüfung sprächen gegen einen reinen Haarzellschaden. Aufgrund der erhobenen Befunde, insbesondere der topodiagnostischen überschwelligen Tests und der Entwicklung der Schwerhörigkeit könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es sich hier um eine durch Lärm am Arbeitsplatz verursachte Innenohrschwerhörigkeit handele.
Die Beklagte lehnte daraufhin das Vorliegen einer Berufskrankheit ab (Bescheid vom 07.06.2001; Widerspruchsbescheid vom 09.10.2001). Die vorliegende geringgradige Innen-ohrschwerhörigkeit auch in mittleren und niedrigen Frequenzen sei ein lärmuntypischer Befund. Die am rechten Ohr bestehende Schall-Leitungskomponente sei ebenfalls nicht durch beruflichen Lärmeinfluss, sondern durch das vernarbte Trommelfell verursacht. Das Vorliegen einer Berufskrankheit müsse daher abgelehnt werden. Das Klageverfahren war erfolglos (Sozialgericht Mannheim - SG -, Gerichtsbescheid vom 04.12.2002 - S 2 U 2759/01; Berufungsrücknahme am 27.08.2003 - L 7 U 122/03).
Am 16.04.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit, wobei er geltend machte, dass eine Verschlimmerung eingetreten sei.
Die Beklagte ließ zunächst durch den Geschäftsbereich Prävention, Dipl.-Ing H., eine Arbeitsplatzlärmanalyse ab 2001 durchführen (Messbericht vom 29.10.2010) unter Heranziehung des Messberichts des TAD vom 18.12.2000 (Bl. 159/193 VV). Danach habe von 2001 bis 2007 eine Lärmdisposition von 86 dB und ab 2008 von 85 dB bestanden. Der Kläger habe seit 2001 ständig mit Gehörschutz gearbeitet. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Facharzt für HNO Dr. Z. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dr. Z. stellte in seinem Gutachten vom 17.02.2011 (Bl. 234/248 VV) aufgrund der Untersuchung vom 15.02.2011 unter Zusammenfassung aller überschwelligen und objektiven Hörtests bei dem mit Hörgeräten versorgten Kläger einen sensorischen und Haarzellschaden fest, wie für eine Lärmschwerhörigkeit zu fordern. Er gehe gutachterlich jedoch nicht von einer im Wesentlichen lärmbedingten Hörverminderung oder lärmbedingten Verschlechterung aus. Zum einen sei die geklagte Hörverschlechterung einseitig, nämlich links, was aber nicht mit einer lärmbedingten Ursache zu vereinbaren sei, da lärmbedingte Schwerhörigkeit symmetrisch auftrete. Gewisse Asymmetrien seien möglich, sollten jedoch nicht einen Schwerhörigkeitsgrad überschreiten und nicht - wie beim Kläger - in unterschiedlichen Frequenzbereichen liegen. Die Hörschwelle zeige linksseitig eine Tieftonsenke mit schlechteren Werten bei 125 bis 500 Hz gegenüber 1 Hz. Dies spreche gegen eine lärmbedingte Verschlechterung, da diese selten in den Tieftonbereich fortschreite. Eine Lärmschwerhörigkeit überspringe auch keine Frequenzen. Schlechtere Werte im Tieftonbereich gegenüber dem Mitteltonbereich sprächen per se gegen eine im Wesentlichen lärmbedingte Hörverminderung. Die Hörschwelle rechts im Hochtonbereich (auch links) zeige eine Konfiguration, die für eine Lärmschwerhörigkeit typisch sein könne. Lärmuntypisch sei aber die signifikante Beteiligung des Tief- und mittleren Frequenzbereichs, plateauförmig zwischen 125 und 1500 Hz. Eine Beteiligung von 50 dB im Tief- und Mitteltonbereich sei mit einer Lärmschwerhörigkeit nicht zu vereinbaren. Potentiell gehörschädigender Lärm von 85 bzw. 86 dB sei nicht ausreichend, um eine signifikante Beteiligung des Tief- und Mitteltonbereichs zu bewirken, zumal asymmetrisch. Nach dem Sprachaudiogramm bestehe ein Hörverlust gemäß Tabelle Boenninghaus und Röser von 70 v. H., was mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit vereinbar sei, mit einer geschätzten MdE von 50 v. H ... Dies sei für eine reine Lärmschwerhörigkeit untypisch, insbesondere wegen der Hörschwellenkonfiguration und nicht bei einem Lärmpegel von 85/86 dB. Laut Tabelle Röser 1980 sei ein Hörverlust von 45 v. H. ermittelbar. Bei Anwendung der Kurve zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm bei unregelmäßigem Verlauf der Hörkurve ergebe sich ein Hörverlust rechts von 69 v. H., was am ehesten dem Sprachaudiogramm entspreche, und links von 68 v. H., was mit einer MdE von 50 v. H. abschätzbar sei. Aufgrund dieser audiologischer Kriterien, des Hörschwellenverlaufs und der einwirkenden Lärmpegel gehe er nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit von einer im Wesentlichen lärmbedingten Hörverminderung oder Verschlechterung aus. Gemäß der Theorie der wesentlichen Bedingung spreche wesentlich mehr gegen als für eine lärmbedingte Ursache, bzw. Verschlechterung. Eine lärmbedingte Teilursache sei nicht sicher auszuschließen, aber nicht exakt abgrenzbar und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich. Auch bezüglich des geklagten Tinnitus sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer berufsunabhängigen Genese auszugehen. Es handele sich um einen Nachschaden, der nicht sozialrechtlich mitversichert sei.
Mit Bescheid vom 10.05.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Hörstörung als Berufskrankheit ab. Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Dr. Z. hätten sich weiterhin keine für eine Lärmschwerhörigkeit typischen Befunde gefunden. Es bestünden auch erhebliche Hörverluste in dem als lärmresistent geltenden Mittelton- und Tieftonbereich. Ein Übergreifen in diesen Bereich sei nach arbeitsmedizinischen Erkenntnissen erst nach jahrzehntelanger und intensiver Lärmbelastung überhaupt denkbar. Die beim Kläger stattgehabte Lärmexposition bei vergleichsweise niedrigen Lärmpegeln lasse eine derart schwerwiegende Schwerhörigkeit, wie sie bei ihm vorliege, nicht erwarten. Auch die beim Kläger vorliegenden schlechteren Werte im Tieftonbereich gegenüber dem Mitteltonbereich seien lärmuntypisch, da eine Lärmschwerhörigkeit keine Frequenzen überspringe, sondern - wenn überhaupt - vom Hochton- in den Mitteltonton-, selten in den Tieftonbereich fortschreite. Weiter sei die geklagte linksseitige Hörverschlechterung nicht mit einer lärmbedingten Ursache vereinbar, weil die lärmbedingte Hörverschlechterung immer seitengleich ausgeprägt sei. Daher müsse erneut ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Lärmeinwirkung und der bestehenden Hörstörung abgelehnt werden. Der hiergegen erhobene nicht begründete Widerspruch wurde von dem bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2011 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 08.08 2011 hat der Kläger Klage beim SG erhoben. Er könne der Auffassung des Gutachters einer berufsunabhängigen Genese der Schwerhörigkeit nicht folgen. Erkrankungen, die berufsunabhängig zu einer Schwerhörigkeit führen könnten, lägen nicht vor. 2001 sei eine lärmbedingte Schwerhörigkeit festgestellt worden, diese habe sich nunmehr in rentenrelevantem Ausmaß verschlimmert. Bekanntermaßen könne auch Tinnitus durch Lärm entstehen. Er hat einen Arztbrief der Pneumologen Dres. I. und J. vom 07.11.2011 und einen nicht datierten Auszug eines Arztbriefs der Radiologen Prof. Dr. R./ Dr. S., beide betreffend eine Computertomographie der Lunge vom 02.11.2011, vorgelegt.
Das SG hat die Klage nach Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 07.05.2012 abgewiesen. Es fehle an einem mit Wahrscheinlichkeit vorliegenden wesentlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Schwerhörigkeit einschließlich des Tinnitus des Klägers, was sich aus dem Gutachten von Dr. Z. vom 17.02.2011 in Übereinstimmung mit dem im vorangegangenen Verfahren von Dr. S. am 19.02.2001 erstatteten Gutachten auf der Grundlage der Ergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten ergebe. Insbesondere sprächen die einseitige Verschlechterung auf der linken Seite und die linksseitig schlechteren Werte im Tieftonbereich gegenüber dem Mitteltonbereich gegen eine lärmbedingte Verschlechterung. Zudem sei der lediglich potentiell gehörschädigende Lärm von 85 bzw. 86 dB(A) nicht ausreichend, um eine signifikante Beteiligung des Tief- und Mitteltonbereichs zu bewirken.
Der Kläger hat am 23.05.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Mai 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Lärmschwerhörigkeit nach BK 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend und bezieht sich im Übrigen auf den Akteninhalt.
Der ehemalige Berichterstatter hat am 13.02.2014 den Rechtsstreit in nichtöffentlicher Sitzung mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat zunächst die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG beantragt, innerhalb gesetzter Frist aber keinen zur Erstattung des Gutachten bereiten Arzt benannt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (2 Bände), die SG-Akte und die Senatsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der die Anerkennung einer Berufskrankheit ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Schwerhörigkeit des Klägers auf einer beruflich bedingten Lärmexposition beruht.
Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, da der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist keinen anderen Sachverständigen nach § 109 SGG benannt hat, nachdem der zuerst benannte Gutachter den Gutachtensauftrag zurückgegeben hat, weil er ihn nicht innerhalb angemessener Frist erledigen konnte (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 109 Rn. 4, 5b).
Der Kläger begehrt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Anerkennung einer Berufskrankheit ablehnenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit.
Ein Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV besteht nicht. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als BK 2301 enthalten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04. 2009 - B 2 U 9/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 14). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Dabei muss Art und Ausmaß der Hörschädigung als rechtserhebliche Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen. Für die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris; zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2109 Nr. 1).
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).
In Bezug auf die Beurteilung einer Lärmschwerhörigkeit bedeutet dies, dass bei einer nicht sicher möglichen Abgrenzung eines lärmunabhängigen Anteils der Schwerhörigkeit nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung entschieden werden muss, ob die berufliche Lärmeinwirkung oder ein anderer Faktor die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Schwerhörigkeit war (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 26.04.2001 - L 18 U 431/98 - juris). Nur diese Bedingung gilt dann versicherungsrechtlich als Ursache der gesamten medizinisch nicht näher abgrenzbaren Schwerhörigkeit (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 11.03.2003 - L 2 U 61/00 - juris).
Das Bemessen der durch eine Schwerhörigkeit verursachten MdE setzt ein genaues Beurteilen der Funktionseinbuße des Gehörs voraus, die als prozentualer Hörverlust angegeben wird. Mit den im "Königsteiner Merkblatt" bzw. jetzt in der "Königsteiner Empfehlung" erläuterten Richtlinien wird eine weitgehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt (Urteil des Senats vom 22.05.2014 - L 6 U 3003/13; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.10.2013 - L 5 U 25/09 - juris). Deren Anwendung dient zugleich der Rechtssicherheit. Sie sind geeignet, die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis zu bilden. Ferner stützt sich der Senat hinsichtlich des Krankheitsbildes einer Lärmschwerhörigkeit auf das "Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung: Lärmschwerhörigkeit" vom 01.07.2008 (Merkblatt zu Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV; siehe Mehrtens/Brandenburg, M 2301, S. 1 ff.).
Danach ist die Lärmschwerhörigkeit eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, das heißt eine Innenohrschwerhörigkeit, und keine Schallleitungsstörung. Zunächst ist die Wahrnehmung der höheren, später erst die der mittleren und eventuell der tieferen Töne beeinträchtigt. Die chronische Schwerhörigkeit durch Lärm tritt immer doppelseitig auf, sie muss aber nicht streng symmetrisch ausgebildet sein. Schon die beginnende Gehörschädigung durch Lärm kann mittels Tonaudiogramm durch typischen pathognomonischen Hörverlust im Frequenzbereich um 4 kHz festgestellt werden. Dabei handelt es sich um die sogenannte c5-Senke. Auch später ist noch für längere Zeit ein Überwiegen der Hochtonstörung feststellbar. Aus der Hochtonsenke kann ein Hochtonabfall werden. Der Hauptsprachbereich zwischen 0,5 und 2 kHz wird erst spät beeinträchtigt. Ein Lautheitsausgleich (Recruitment), möglichst durch mehrere überschwellige Prüfmethoden bestätigt, spricht für eine Schädigung der Sinneszellen des Corti-Organs durch Lärm. Neben dem Recruitment ist vor allem die Form des Tonaudiogramms von Bedeutung. Nur der basocochleäre Typ spricht für Schwerhörigkeit durch Lärm, während mediocochleäre Typen für eine andere Lokalisation im Schneckenwindungssystem entweder im Sinne einer erblichen oder einer Hörnerven¬schwerhörigkeit sprechen. Pancochleäre Formen deuten eher auf eine lärmfremde Ursache hin (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301, S. 1 ff.). In der "Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301) - Königsteiner Empfehlung" (Königsteiner Empfehlung) wird ausgeführt, dass es für die Annahme einer Lärmschädigung spricht, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit (Hörstörung der Sinneszellen des Innenohres) mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen (c5-Senke) handelt und wenn das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung im adäquaten Verhältnis zur Lärmeinwirkung stehen. Leichte Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich sind erst nach jahre- beziehungsweise jahrzehntelanger und erheblicher Lärmbelastung als lärmbedingt denkbar. Bei einem nachgewiesenen negativen Recruitment ist die Verursachung durch Lärm unwahrscheinlich. Andererseits ist ein positives Recruitment kein Beweis dafür, dass Lärm die Ursache des Haarzellschadens ist (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten¬verordnung, M 2301, S. 8 ff., 28 f.). Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Berufslärm meist nur zu geringgradiger Schwerhörigkeit führt, die sich auf die hohen Frequenzen beschränkt. Eine mittelgradige Schwerhörigkeit durch berufliche Lärmeinwirkung stellt den seltenen Einzelfall dar. Hochgradige Innenohr-schwerhörigkeit allein durch Lärmeinwirkung ist nahezu ausgeschlossen. Übereinstimmung besteht, dass Ertaubung durch chronische Lärmeinwirkung nicht entsteht (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 326). Schwerhörigkeit kann trotz jahrelanger erheblicher beruflicher Lärmbelastung auch andere Ursachen aufweisen. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem 8-Stunden Tag über viele Arbeitsjahre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 324; Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, 6. Auflage, 2006, S. 210).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Zwar war der Kläger an seiner Arbeitsstelle Lärmeinwirkungen im Zeitraum 07.11.1988 bis 30.04.1989 von ) 84 dB(A), vom 01.05.1989 bis 31.05.1989 88 dB(A), vom 01.06.1989 bis ca. Ende 1992 94 dB(A), von ca. 1993 bis Ende 1996 91 dB(A), von Ende 1996 bis Ende 2000 88 dB(A), von 2001 bis 2007 86 dB(A) und ab 2008 85 dB(A) und damit über Jahre einem Lärm ausgesetzt, der mit über 85 dB(A) geeignet ist, gehörschädigend zu wirken. Seit 2000 hat der Kläger bei der Arbeit Gehörschutz getragen, der das gehörschädigende Ausmaß der Lärmeinwirkung verringern sollte. Ein geeigneter Gehörschutz bewirkt auch, dass die Lärmbelastung das Innenohr nicht mehr oder nur abgeschwächt erreicht. Innenohrschädigungen können allerdings, z.B. bei nicht optimaler Anpassung des Gehörschutzes bzw. wenn dieser nicht richtig getragen wird, dennoch auftreten. Nach langjähriger gehörschädigender Einwirkung und Vereinbarkeit des audiometrischen Bildes und der Erkrankung kann daher allein aus dem Vorbringen, Gehörschutz ordnungsgemäß getragen zu haben, eine Lärmschwerhörigkeit nicht ohne Weiteres verneint werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 330).
Da es für die Erwerbsfähigkeit weniger auf die Flüster-, sondern in hohem Maße auf die Umgangssprache ankommt, hat Vorrang der aus der Sprachaudiometrie gewonnene prozentuale Hörverlust. Dieser ist entscheidende Grundlage für das quantitative Bestimmen des Hörschadens. Danach richtet sich im Wesentlichen die Höhe der MdE. Das Tonaudiogramm wird für das Beurteilen an der Grenze zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit zugezogen, wenn das Sprachaudiogramm normal ist, aber ein erheblicher Tongehörverlust in den hohen Frequenzen besteht, wobei der Stellenwert der Tonaudiometrie schwächer ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 344). Der prozentuale Hörverlust berechnet sich nach Nr. 4.3.1 der Königsteiner Empfehlung nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973. Dabei wird aus dem Hörverlust für Zahlwörter und dem Gesamtwortverstehen der prozentuale Hörverlust ermittelt. Der Hörverlust für Zahlwörter (A1-Wert) wird auf der Achse des 50%igen Verständnisses in dB bestimmt. Bei dem Gesamtwortverstehen werden die Verständnisquoten für Einsilber bei den Schallpegeln von 60, 80 und 100 dB addiert. Bei dem gewichteten Gesamtwortverstehen nach Feldmann wird die Verständnisquote 3x bei 60 dB, 2x bei 80 dB und 1x bei 100 dB addiert und diese Summe durch 2 dividiert. Durch diese Gewichtung werden die für die sprachliche Kommunikation besonders wichtigen Schallpegel von 60 und 80 dB stärker berücksichtigt. Nach Nr. 4.3.1 c) der Königsteiner Empfehlung soll bei prozentualen Hörverlusten bis zu einem Wert von 40 % das gewichtete Gesamtwortverstehen angewendet werden. Ergibt sich danach ein Hörverlust von mehr als 40 %, so ist er noch einmal unter Verwendung des einfachen Gesamtwortverstehens zu bestimmen und dieser Wert der Bemessung der MdE zugrunde zu legen.
Unter Anwendung der Königsteiner Empfehlung folgt aus der sprachaudiometrischen Untersuchung nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 durch Dr. Z. am 15.02.2011 ein Hörverlust von 70 v. H., eine hochgradige Schwerhörigkeit, vereinbar mit einer geschätzten MdE von 50 v. H ... Laut Tabelle Röser 1980 wäre ein Hörverlust von 55 v. H. bzw. 45 v. H. links ermittelbar; bei Anwendung der Kurve zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm bei unregelmäßigem Verlauf der Hörkurve ergibt sich ein Hörverlust rechts von 69 v. H., was am ehesten dem Sprachaudiogramm entspricht und ebenfalls mit einer geschätzten MdE von 50 v H. entspricht. Die Schwerhörigkeit hat - wie sich aus dem Vergleich der Befunde des Gutachters Dr. S. vom 19.02.2001 mit denen von Dr. Z. vom 15.02.2011 ergibt - erheblich zugenommen. 2001 noch bestand eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit, rechts mit einer nicht relevanten Schalleitungskomponente von 10 dB, die ihr Maximum beidseitig im Bereich von 2000 bis 3000 Hz hatte, sich aber auch auf den mittleren und niedrigen Frequenzbereich erstreckte. Der prozentuale Hörverlust lag bei 20 v. H. für das gewichtete Gesamtwortverstehen nach Feldmann, berechnet nach den Tabellen von Boenninghaus und Röser.
Die maßgebliche Erkrankung muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen und eine berufliche Verursachung hinreichend wahrscheinlich sein. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit, ist ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden.
Die beim Kläger bestehende hochgradige Schwerhörigkeit und der Tinnitus sind wie die zuvor bestehende geringgradige Schwerhörigkeit zur Überzeugung des Senats nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die beruflich bedingte Exposition zu Lärm zurückzuführen. Dies hat bereits das SG zutreffend festgestellt. Für die Veränderungen sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit endogene Schädigungsursachen verantwortlich. Dr. Z. hat ausgeführt, dass die berufliche Lärmexposition als Teilursache nicht sicher auszuschließen ist, sie ist jedoch nicht exakt abgrenzbar. Dies ergibt sich auch aus den Darlegungen des Gutachters Dr. S. im vorangegangenen Verwaltungsverfahren und wird durch die übrigen vorliegenden Audiogramme bestätigt. So bestand nach dem "Lärm I"-Untersuchungsbogen bereits bei der Einstellung des Klägers bei der Eternit AG im Jahr 1988 eine geringgradige Hochtonschwerhörigkeit. Auch die Audiogramme von 1991 und 1994 ähnelten dem von 2001 stark. Die topodiagnostischen überschwelligen Hörprüfmethoden, namentlich der SISI-Test und die Langenbeck-Prüfung, sprachen bereits 2001 gegen einen reinen Haarzellschaden, so dass bereits 2001 die damals geringgradige Innenohrschwerhörigkeit nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit durch Lärm am Arbeitsplatz verursacht war. Auch die seit 2001 eingetretene Verschlimmerung und die nunmehr bestehende hochgradige Innenohrschwerhörigkeit und der Tinnitus sind nicht wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht. Eine hochgradige Schwerhörigkeit allein durch Lärmeinwirkung ist nahezu ausgeschlossen. Darüber hinaus trat die schwerwiegende Hörstörung in dem Zeitraum ab 2001 ein, in dem der Kläger nur noch Lärm von 85 bis 86 dB ausgesetzt war. Erst Lärm über 85 dB ist überhaupt geeignet, gehörschädigend zu wirken. Eine Lärmschädigung tritt stets während der Lärmexposition ein. Bei Exposition von 85 dB/86 dB ist eine schwerwiegende Hörschädigung nicht zu erwarten. Lärm führt nicht zu einer signifikanten Beteiligung des Tief- und Mitteltonbereichs, insbesondere nicht asymmetrisch. Die Entwicklung der Hörstörung stand somit ab 2001 nicht in adäquatem Verhältnis zur Lärmeinwirkung. Auch ist die Verschlimmerung seit 2001 im Wesentlichen linksseitig, eine lärmbedingte Schwerhörigkeit tritt jedoch symmetrisch auf. Hier überschreiten die Unterschiede einen Schwerhörigkeitsgrad und liegen in unterschiedlichen Frequenzbereichen. Auch die bestehende Tieftonsenke linksseitig mit schlechteren Werten bei 125 bis 500 Hz gegenüber 1 Khz spricht gegen eine lärmbedingte Verschlechterung. Eine lärmbedingte Hörminderung weist keine schlechteren Werte im Tiefton- gegenüber dem Mitteltonbereich auf (so auch Urteil des Senats vom 27.03.2014 - L 6 U 4464/13 -).
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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