Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 VG 5114/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 5315/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. November 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Versorgungsleistungen nach § 2 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten - Opferentschädigungsgesetz - (OEG).
Die am 27.06.1963 geborene Klägerin hat eigenen Angaben zufolge nach einer schwierigen Kindheit im Alter von 20 Jahren einen Suizidversuch unternommen, damals auch Kokain und Heroin konsumiert. Sie ist wegen Drogenbesitz in Frankreich zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Ihre Mutter ist aufgrund eines Suizids verstorben. Nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau hat sie einen Abschluss in Polizeiarbeit und Kriminologie gemacht und danach 10 Jahre für die Polizei der US-Army und den Zoll der USA, aber auch als Lehrerin gearbeitet. Sie ist geschieden, ihr Sohn lebt weiterhin in den USA. 2008 hat sie nach zahlreichen Anstellungen durch das Arbeitsamt mit einem Gründungszuschuss gefördert im Marketing gearbeitet. Im Februar 2009 hat sie eine Tätigkeit als selbständige Versicherungsmaklerin aufgenommen, diese von ihr als belastend empfundene Arbeit (weite Fahrstrecken, Mobbing durch Kollegin) hat sie im Juli 2010 verloren. Seit 2012 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und hat aktuell einen Ehemann, mit dem sie nach wie vor in der Maisonettewohnung lebt, in der sich der tätliche Angriff ereignete. Sie hat als Kind 7 Jahre Judo trainiert und eine Abtreibung sowie eine Fehlgeburt hinter sich (Entlassungsbericht PD Dr. F., M. Klinik an der L., vom 31.03.2010, Gutachten Prof. Dr. E. vom 06.07.2012, Protokoll des Senatstermins).
Sie stellte bei dem Beklagten am 04.09.2009 wegen einer am 28.06.2008 erlittenen schweren Körperverletzung einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Der Beklagte zog die strafrechtliche Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft O. bei. Wie sich aus dem Vorkommnisbericht des POM W. vom 28.06.2008 ergibt, waren POM W. und POM S. von Frau B. M. wegen einer Streitigkeit am 28.06.2008 gegen 03:56 Uhr benachrichtigt worden. Frau M. teilte den Beamten mit, dass in der Wohnung über ihr Geschrei von einer Frau zu hören gewesen sei, welches nach Einschätzung der Nachbarin S. schon längere Zeit so gegangen sei. Des Weiteren habe sie das Umfallen von Möbeln gehört. Zum weiteren Sachverhalt wird in dem Bericht mitgeteilt, die Klägerin habe Geburtstag gefeiert. Dabei sei es zum Streit zwischen dem derzeitigen Lebensabschnittsgefährten, dem am 09.03.1971 geborenen irischen nicht vorbestraften Staatsangehörigen D. C. (im Folgenden: C), und ihrem Exfreund gekommen. Als Folge des Streits hätten sich auch die Lebensabschnittspartner gestritten. Die Klägerin habe behauptet, von C gewürgt und geschlagen worden zu sein. Hautveränderungen hätten jedoch nicht festgestellt werden können. Aufgrund des durchgeführten Alkomattests sei bei C um 4.42 Uhr eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,71 mg/l (1,42 Promille) und bei der Klägerin um 4.52 Uhr eine AAK von 1,00 mg/l (2,00 Promille) festgestellt worden. Die Klägerin habe noch nicht gewusst, ob sie Anzeige erstatten wolle. Der Einbestellung zur weiteren Anzeigenaufnahme nach Erlangung der Nüchternheit ist die Klägerin zum vereinbarten Zeitpunkt nicht gefolgt (Bl. 8 f. Ermittlungsakte). Dem Schlussvermerk des PK W. vom 07.07.2008 ist zu entnehmen, dass C nach dem Vorfall zur Erlangung der Nüchternheit auf eigenen Wunsch in der Gewahrsamseinrichtung untergebracht worden sei. Eine Beschuldigtenvernehmung sei jedoch aufgrund des noch nicht vorhandenen Anzeigewillens der Klägerin nicht durchgeführt worden (Bl. 10 f. Ermittlungsakte).
Am 02.07.2008 stellte die Klägerin sodann Strafantrag und gab im Rahmen der Geschädigtenvernehmung zu Protokoll, C im Dezember 2006 kennengelernt zu haben. Im März 2007 sei er nach Deutschland umgezogen und mit der Klägerin zusammen in die Wohnung K. in K. gezogen. Nach einer kurzzeitigen Trennung hätten sie sich am 22.09.2007 verlobt. Am 27.06.2008 habe sie mit ca. 12 bis 14 Freunden bei sich zuhause Geburtstag gefeiert. Es sei zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ihrem Exfreund S. B. und C gekommen, woraufhin C schreiend nach oben in das Computerzimmer gelaufen sei. Sie habe S. B. gebeten, die Feier zu verlassen, und habe im anschließenden Gespräch C beruhigen können. Dieser sei dann wieder zu den anderen Gästen hinzugekommen. Nachdem alle Gäste die Feier verlassen hätten, habe sie mit C, der völlig entspannt gewirkt habe, noch ein alkoholisches Getränk zu sich genommen. Plötzlich sei C wieder auf die Auseinandersetzung mit S. B. zurückgekommen und habe ihr die Schuld gegeben, ihren Exfreund eingeladen zu haben. Sie habe zunächst versucht, C zu beruhigen, der dann nach oben ins Computerzimmer gegangen sei. Sie selbst habe die Wohnung verlassen, Zigaretten geholt und sei nach ca. 10 bis 15 Minuten in die Wohnung zurückgekehrt. C habe vor dem Computer gesessen und Poker gespielt. Sie selbst habe sich bettfertig gemacht und nochmal nach C geschaut, der immer noch Poker gespielt habe. Plötzlich habe er sie wieder auf den Vorfall mit S. B. bereits mit einem aggressiven Ton angesprochen. Sie selbst sei es jetzt auch leid gewesen, ihn zu beruhigen, und sie habe ebenfalls verbal sehr aggressiv reagiert und ihm vorgeworfen, dass er ihr nicht vorzuschreiben habe, wen sie zu ihrem Geburtstag einlade. Plötzlich sei C aufgesprungen, habe sie an beiden Oberarmen gepackt und sie regelrecht nach hinten gegen den Kleiderschrank im Flur geworfen. Dadurch sei eine Schranktür aus den Angeln gehoben und die andere Schranktür stark beschädigt worden. Sie habe versucht zu fliehen, sei unter C hindurch getaucht und ins Schlafzimmer gerannt. C sei sofort hinterher gerannt und habe sie mit dem Rücken aufs Bett geworfen. Er habe sich über sie gebeugt und mehrfach mit der flachen Hand in ihr Gesicht geschlagen. Mit der anderen Hand habe er sie gewürgt. Er habe sie so stark gewürgt, dass sie keine Luft mehr bekommen habe. Sie habe Todesangst gehabt und nur noch geröchelt. Als er den Griff etwas gelockert habe, habe sie ihn gebeten, sie los- und vor allen Dingen am Leben zu lassen. Er habe hierauf erwidert, dass sie sowieso nur die Polizei hole, wenn er sie jetzt loslasse. In einem günstigen Augenblick, vielleicht habe sie sich auch gewehrt und nach ihm getreten, habe er sie losgelassen und sie sei vom Bett gerollt, sofort aufgestanden und in die untere Etage gerannt, wo sie ihr Handy mitgenommen habe. Anschließend habe sie umgehend die Wohnung verlassen und sei vom zweiten Stock hinunter und vor das Haus gerannt. Dort hätten sich bereits ihre Nachbarin Frau M., die ihr mitgeteilt habe, die Polizei bereits verständigt zu haben, und Frau S. befunden. Noch am selben Tag habe sie sich nachmittags im O. K. vorgestellt. Sie habe multiple Hämatome am rechten Oberarm, am rechten Oberschenkel und Schwellungen im Gesicht sowie Schmerzen am Hals und am Brustbein gehabt. Die im O. festgestellte Fraktur am Zeh stamme nicht von der Auseinandersetzung, sondern von einem früheren Unfall. C habe die Bundesrepublik Deutschland am 01.07.2008 verlassen. Er habe in Deutschland bei der Firma I. gearbeitet (Bl. 5 ff. Ermittlungsakte).
Auf telefonische Anfrage durch PK W. am 03.07.2008 bestätigte die Firma I., dass C bei ihnen seit ca. einem Jahr beschäftigt sei, am Dienstag, den 01.07.2008, jedoch angerufen und mitgeteilt habe, für eine Woche nach Irland zu müssen, weil anscheinend etwas mit seiner Mutter sei. Ungewöhnlich sei dies nicht, er habe jedoch einen Tag zuvor bei einem Kunden seine gesamten Lernmaterialien und Arbeitsunterlagen abgegeben (Bl. 10 Ermittlungsakte).
Im Befundbericht des O. K. vom 28.06.2008 wird ausgeführt, die Klägerin sei angeblich Opfer häuslicher Gewalt geworden. Sie habe angegeben, vom Freund letzte Nacht verprügelt worden zu sein und Schläge ins Gesicht erhalten zu haben, gewürgt und am Arm festgehalten sowie gegen einen Schrank geworfen worden zu sein. Als Befund wird genannt: Patientin heiser, Schwellung der linken Wange, Hämatome am rechten Oberarm und rechten Oberschenkel und am Kleinzeh rechts. Diagnostiziert wurden eine Kleinzehenendgliedfraktur rechts (schädigungsunabhängig) sowie multiple Hämatome (Bl. 12 Ermittlungsakte). Im ärztlichen Attest vom 03.07.2008 berichtet Dr. K., Facharzt für Allgemeinmedizin, es finde sich bei der Klägerin eine ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung mit schwerer Schlafstörung, situationsbezogenen Ängsten und Phobien sowie häufige quälende flash-back-Erlebnisse vor allem in Bezug auf die Todesangst während des Würgens. Die ausgedehnten Hämatome an Oberschenkel, Beckenkamm und Oberarm seien heute noch deutlicher zu sehen, der Druckschmerz dort, über Brustbein und Rippen links oben habe etwas nachgelassen, der anfangs etwas diffuse Druckschmerz am Hals sei jetzt auf den Kieferwinkel beidseits beschränkt (Bl. 13 Ermittlungsakte).
In ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 04.07.2008 gab Frau B. M. an, direkt unterhalb der Wohnung der Klägerin in einer Zwei-Zimmer-Wohnung zu wohnen. In der Nacht von Freitag auf Samstag habe sie bereits gegen 20 Uhr bemerkt, dass bei der Klägerin eine Party stattfinde. In der Nacht sei sie dann durch Frauenschreie und durch Trampeln und Schritte direkt über ihr, das heiße aus der Wohnung der Klägerin, aufgewacht. Sie habe eine Frau schreien hören, wisse aber nicht genau, um wen es sich gehandelt habe, doch es seien Angstschreie gewesen und habe sich angehört, wie wenn eine Frau um ihr Leben renne. Eine weitere Person habe sie nicht wahrgenommen. Sie sei dann aufgestanden und eine Treppe runter zur Wohnung von Frau S. gelaufen, die auch bereits wach gewesen sei und ihr mitgeteilt habe, dass dieses Geschrei bereits längere Zeit andauere. Sie selbst sei dann wieder zurück in ihre Wohnung gegangen und habe die Polizei verständigt. Anschließend sei sie wieder zur Wohnung von Frau S. gegangen. Kurze Zeit später sei plötzlich die Treppenhausbeleuchtung eingeschaltet worden und die Klägerin sei barfuß das Treppenhaus nach unten gerannt und habe das Gebäude verlassen. Sie sei ihr entgegen gelaufen, habe sie angehalten und versucht, sie zu beruhigen. Sie habe keine sichtbaren Verletzungen bei der Klägerin erkennen können. Sie sei jedoch völlig aufgelöst gewesen und habe ständig geweint. Sie habe mitgeteilt, gewürgt und gegen einen Schrank geworfen worden zu sein. Sie selbst wohne bereits seit 18 Jahren im Kahllachweg, kenne die Klägerin aber nicht näher (Bl. 3 f. Ermittlungsakte).
Mit Schreiben vom 03.09.2008 an die Staatsanwaltschaft O. teilte die Rechtsanwältin von C mit, dieser habe sich per E-Mail zu dem Vorfall geäußert. Er sei auf der Geburtstagsfeier der Klägerin von deren früheren Freund ca. um Mitternacht wegen der verweigerten Zustimmung der Iren zum Europäischen Vertrag provoziert worden. Zu diesem Zeitpunkt seien noch viele Gäste auf der Party gewesen, so dass er sich nicht mit S. B. habe auseinandersetzen müssen. Nachdem die meisten Gäste gegangen seien, sei er mit S. B. alleine im Wohnzimmer geblieben, der wieder schlecht über die Iren geredet und ihn provoziert habe. Er habe die Klägerin nochmals gebeten, S. B. zu veranlassen zu gehen, was dieser jedoch nicht getan habe. Die Party sei dann noch weiter gegangen. Um 3.00 Uhr seien schließlich alle Gäste gegangen und er sei mit der Klägerin alleine im Wohnzimmer gewesen. Er habe sie gefragt, warum sie nichts dagegen unternommen habe, wenn ihr Exfreund sich ihm gegenüber aggressiv und beleidigend verhalte. Sie hätten eine Weile diskutiert. Dann sei er nach unten in die untere Etage gegangen, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Er habe noch einiges an Alkohol getrunken und ca. 30 Minuten im Internet Poker gespielt. Während dessen sei sie zu ihm ins Zimmer gekommen und habe angefangen, ihn zu beschimpfen und zu verfluchen. Als sie ihn immer weiter beschimpft habe, habe er sie gebeten, den Raum zu verlassen. Da sie jedoch geblieben sei und ihn weiter beschimpft habe, habe er den Raum verlassen wollen. Als er die Tür geöffnet habe, habe sie ihm einen Stoß gegeben, ihn getreten und gekratzt. In diesem Moment sei seine Brille kaputt gegangen. Er habe sie zurückgestoßen und sie seien gegen einen Schrank gefallen. Die Klägerin habe nicht aufgehört zu treten und ihn zu attackieren, weshalb er sie auf das Bett geworfen und insbesondere am Nacken festgehalten und ihr gesagt habe, dass sie endlich aufhören solle. Dies habe sie dann auch getan. Der Kampf habe nicht mehr als zwei Minuten gedauert. Die Klägerin habe zeitweise als Türsteherin gearbeitet und habe ein Kampftraining absolviert. Sie habe dann die Wohnung verlassen und die Polizei gerufen, die festgestellt habe, dass sie beide sehr betrunken gewesen seien. Er habe die Nacht im Gefängnis verbracht, da er morgens um 4 Uhr niemanden habe anrufen und fragen wollen, ob er dort übernachten könne. Er habe am nächsten Tag seine Sachen geholt und sei am 30.06.2008 ganz normal zur Arbeit gegangen. Dort habe ihn seine Mutter sehr aufgebracht angerufen und ihm erzählt, dass die Klägerin mit ihr telefoniert und erklärt habe, er habe versucht sie umzubringen. Er habe ihr versprochen nach Hause zu kommen. Da er keine Wohnung und auch kein Geld zur Anmietung einer neuen Wohnung gehabt habe, habe er einen Flug gebucht und sei nach Irland geflogen. Bis dahin habe er bei I. als Englischlehrer gearbeitet. Als er nach einer Woche habe zurückkommen wollen, habe die Klägerin seinem Arbeitgeber I. mitgeteilt, dass er versucht habe, sie umzubringen; dieselbe Geschichte habe sie auch bei seinem anderen Arbeitgeber, einer Bar in Straßburg, erzählt. Beide Jobs habe er auf diese Art verloren. Zwischenzeitlich habe die Klägerin das restliche Geld in Höhe von 732 EUR, das noch auf seinem Konto gewesen sei, auf ihr eigenes Konto überwiesen. Außerdem habe sie auf sein irisches Bankkonto zugegriffen. Sie seien beide sehr betrunken gewesen und er wisse nicht genau, welchen Schaden die Klägerin durch ihn erlitten habe. Die Klägerin habe ihm zwischenzeitlich einige E-Mails geschickt und ihm erklärt, dass sie kein Geld mehr habe. Er habe ihr 500 EUR als Schadensersatz überwiesen (Bl. 18 ff. Ermittlungsakte). Mit weiterem Schreiben vom 25.11.2008 teilte die Rechtsanwältin von C mit, C habe nicht nur 500 EUR, sondern noch zwei Mal jeweils 1200 EUR an die Klägerin überwiesen. Dies habe er getan, da die Klägerin ihn per E-Mail heftig unter Druck gesetzt und ihm erklärt habe, zivilrechtlich gegen ihn vorzugehen und weitaus größere Summen an Schmerzensgeld zu fordern, wenn er nicht freiwillig diese Beträge überweise (Bl. 23 f. Ermittlungsakte).
Mit Verfügung von 04.12.2008 stellte die Staatsanwaltschaft O. das Verfahren gegen C gemäß § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ein, da C nicht vorbestraft sei, die Klägerin keine erheblichen Verletzungen erlitten habe, es zu dem Vorfall im Streit gekommen sei, beide Beteiligte nicht unerheblich alkoholisiert gewesen seien und C der Geschädigten Geldbeträge zur Wiedergutmachung überwiesen habe (Bl. 30 Ermittlungsakte).
Der Beklagte zog bei mehreren Krankenkassen die Klägerin betreffende Vorerkrankungsverzeichnisse bei und lehnte sodann mit Bescheid vom 11.03.2010 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Zur Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass die Klägerin zwar Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei, Leistungen jedoch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG zu versagen seien, weil das Verhalten der Klägerin annähernd gleichwertige Bedingung für den Eintritt der Schädigung gewesen sei. Denn die Klägerin habe sich am 28.06.2008 gegenüber C provozierend und aggressiv verhalten. Unter den gegebenen Umständen (fortgeschrittene Stunde, vorangegangener Streit, erheblicher Alkoholkonsum) habe es nicht außerhalb des Vorhersehbaren gelegen, dass C auf ihr Verhalten mit Tätlichkeiten reagieren würde. Durch ihr Verhalten habe sie sich leichtfertig der Gefahr einer tätlichen Reaktion durch C ausgesetzt. Somit habe sie eine wesentliche Bedingung für die nachfolgende Schädigung gesetzt.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, C habe sie geschlagen und gewürgt, bis sie keine Luft mehr bekommen habe. Dieses Verhalten stehe in keinem Verhältnis zu einer alleine von C so wahrgenommenen Provokation durch die Klägerin. Da es in der Vergangenheit zu keinerlei körperlichen Angriffen durch C ihr gegenüber gekommen sei, habe sie auch nicht mit einem physischen Angriff durch C rechnen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2010 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, selbst wenn keine Versagungsgründe vorlägen, liege kein dauerhafter Grad der Schädigungsfolgen (GdS) in einem rentenberechtigenden Grad vor. Im Übrigen stehe nach dem Inhalt der Ermittlungsakte Aussage gegen Aussage, so dass letztendlich der Beweis für eine Vorsatztat nicht erbracht sei. Die Anwältin von C habe sogar Notwehr geltend gemacht.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2010 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei unvermittelt durch ihren ehemaligen Lebensgefährten angegriffen, von diesem geschlagen, getreten und gewürgt worden. Selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Tat betrunken gewesen sein sollte, was nicht der Fall gewesen sei, würde dies nicht zu einer Mitverursachung durch die Klägerin führen. Das Verhalten der Klägerin sei nicht demjenigen von C gleichwertig gewesen. Soweit C geltend mache, er selbst habe in Notwehr gehandelt und die Klägerin habe als Türsteherin Krafttraining absolviert, handele es sich um reine Schutzbehauptungen, die nicht den Tatsachen entsprächen. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, es läge ein rentenberechtigender Grad der Schädigung vor. Es gehe vielmehr darum, dass die Folgen der von der Klägerin erlittenen Straftat anerkannt würden.
Das SG hat Dr. K. und Dr. L., M. Klinik an der L., O., als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen.
Dr. K. hat mit Schreiben vom 30.01.2011 die erhobenen Befunde seit 28.06.2008 (u.a. histrionische Persönlichkeitsstörung) und weiter mitgeteilt, Facharzt für Allgemeinmedizin und kein Psychotherapeut zu sein. Er habe die Klägerin wegen der psychischen Probleme im Anschluss an das Ereignis vom 28.06.2008 nur kurz selbst behandelt und wegen der Komplexität der Sachlage sofort, nämlich schon am 03.07.2008 an einen Psychotherapeuten überwiesen, der sie in der Folge intensiv behandelt habe. Die Klägerin habe auch schon früher mehrfach unter Erschöpfungszuständen gelitten. Vom 25.05. bis 30.07.2009 habe er der Klägerin wegen einer Depression Arbeitsunfähigkeit attestiert, sie aber auch damals rasch in fachpsychiatrische Behandlung überwiesen. Er habe am 30.06.2008 die Blauverfärbungen am rechten Oberschenkel und rechten Oberarm gesehen, die Klägerin habe über einen Druckschmerz unter dem Kieferwinkel beidseits berichtet, wo nichts mehr zu sehen gewesen sei. Außerdem habe ein Hämatom an den Unterarmen nahe dem Handgelenk, rechts größer als links bestanden und ein diffuser erheblicher Druckschmerz über dem Sternum oben und links parasternal 1. - 3. Rippe.
Dr. L., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, hat mit Schreiben vom 01.02.2011 ausgeführt, die Klägerin seit dem 10.07.2009 zu behandeln. Beim Notfallerstkontakt am 10.07.2009 habe die gezielte Angst vor dem ehemaligen Partner im Vordergrund gestanden. Er habe im Juni 2008 vergeblich versucht, die Klägerin zu erwürgen. Im April 2009 habe sie erfahren, dass er in K. gesehen worden sei. Seitdem habe sich zunehmend das Bild einer Traumafolgestörung mit Alpträumen und Hyperarousal entwickelt, zusätzlich sei es zu einem schweren depressiven Syndrom mit passiven Todeswünschen, Antriebsstörung, Entscheidungsunfähigkeit und reduzierter Belastbarkeit gekommen. Es bestehe eine posttraumatische Belastungsstörung und eine rezidivierende, derzeit schwere depressive Störung. Beide Diagnosen bestünden seit Beginn der Behandlung im Juli 2009 und hätten bislang soweit gebessert werden können, dass inzwischen eine Teilremission habe erreicht werden können. Sie führe die Traumastörung darauf zurück, dass der Partner im Juni 2008 versucht habe, die Klägerin zu erwürgen und im Folgejahr dann wieder in K. gesehen worden sei. Die Depression könne als Folgestörung der Traumastörung verstanden werden. Bei der Klägerin habe es in der Vorgeschichte ihren Angaben zufolge mehrere depressive Episoden gegeben, aber keinen diesbezüglichen stationären Aufenthalt. Die Klägerin sei seit dem 10.07.2009 in ihrer Behandlung und seitdem arbeitsunfähig.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.07.2011 selbst angefertigte Lichtbilder unbekannten Datums in Kopie vorgelegt und angegeben, es handele sich hierbei um die Verletzungen durch C. Die vor der Tat möglicherweise bereits bestehende Depression habe bis zum Tatzeitpunkt keinerlei stationäre Klinikaufenthalte erforderlich gemacht, so dass von einer Verschlimmerung einer bestehenden Symptomatik auszugehen sei. Sie leide bis heute unter Angstzuständen, Panikattacken und Flash-Backs.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.03.2012 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, es habe bei der Geburtstagsfeier am 27.06.2008 spät abends oder schon nach Mitternacht im Wohnzimmer "Trara" gegeben, als sie in der Küche gewesen sei. C habe wohl etwas rumgebrüllt, sie selbst habe S. B. gebeten, doch bitte zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt sei C schon nach oben ins Computerzimmer gestürmt gewesen. Nachdem S. B. gegangen gewesen sei, sei C dann wieder runter gekommen. Als alle Gäste gegangen gewesen seien, hätten sie sich im Wohnzimmer noch hingesetzt und was getrunken, eigentlich sei die Stimmung dann wieder ganz normal und ruhig gewesen. Auf einmal sei C sehr aggressiv geworden, habe rumgebrüllt, sich nicht in seinem eigenen Haus beleidigen zu lassen. Sie habe dann versucht, ihn zu beruhigen, und sei erst mal Zigaretten holen gegangen. Als sie nach fünf oder zehn Minuten wieder gekommen sei, sei C im Computerzimmer gewesen. Sie selbst sei ins Schlafzimmer, das neben dem Computerzimmer liege, gegangen und habe sich bettfertig gemacht. C habe dann auch schon wieder angefangen, im Computerzimmer rumzutoben und sie zu beschimpfen. Dann sei sie raus auf den Flur und habe zu ihm gesagt, dass es jetzt endlich reiche, schließlich sei dies noch immer ihre Wohnung. Sie sei dann sicherlich auch nicht mehr ruhig gewesen, aber habe zu ihm nur gesagt, dass es jetzt endlich reiche. Er habe sie mit Worten wie "Hure" oder sonstiges beschimpft. Dann sei er völlig unvermittelt aufgesprungen, habe sie gepackt und über den Flur geworfen. Er habe sie gegen einen Schrank geworfen, so hart, dass die Schranktür raus gebrochen und scheppernd auf den Boden gefallen sei. Die andere Tür habe noch in den Angeln gehangen, gegen diese habe er sie ja gedrückt. Da habe er sie auch schon geschlagen und habe sie auch schon am Hals gehabt. Sie sei dann unter seinem Arm durch getaucht und ins Schlafzimmer gerannt, er sei hinter ihr her gerannt und habe sie auf das Bett geworfen. Er habe sie geschlagen und irgend wann sei er dann über ihr gewesen und habe zugedrückt. Sie wisse noch, dass er sie ins Gesicht geschlagen habe auf die linke Seite. Sie habe ihn dann angebettelt, er solle sie leben lassen. Er habe gesagt, wenn er jetzt aufhöre, hole sie eh nur die Polizei, dann habe er richtig zugedrückt. Sie müsse irgendwie getreten und ihn getroffen haben, er sei dann in eine Ecke vom Zimmer geflogen. Dann sei sie nur noch gerannt, habe ihr Handy geschnappt und sei aus der Wohnung raus. Dort hätten Nachbarn gestanden, die schon die Polizei geholt hätten. Vor diesem Tag sei C zwar gelegentlich verbal ausfällig, aber nie körperlich aggressiv geworden. Sie sei wie gelähmt gewesen, als er sie angegriffen habe. Sie habe ja eigentlich sieben Jahre Judo gemacht, aber in dem Moment habe sie sich nicht wehren können. Sie selbst sei gegenüber C nicht handgreiflich geworden. Sie habe dann zwar versucht, sich gegen ihn zu wehren, als er sie gepackt habe, aber von ihr selbst sei keine Aggression ausgegangen. Sein ganzes Körpergewicht habe auf ihrem Hals gelegen, sie habe extreme Rötungen und auch extreme Schmerzen am Beginn des Brustbeins gehabt. Wie lange das Würgen gedauert habe, wisse sie nicht mehr genau, es müsse aber schon eine Weile gewesen sein. Sie habe immer noch flash-backs wegen der Ereignisse mit C, dabei reiche es schon aus, dass ihr ein ähnlicher Typ wie C begegne. Es sei dann, als ob sie an einen Stromzaun fasse, sie habe Panikattacken, könne nicht mehr unter Menschen. Es vergehe kein Tag, an dem sie nicht das Gefühl habe, dass C gleich um die Ecke komme. Die vorgelegten Fotos habe sie selbst unmittelbar nach dem Vorfall oder ein paar Tage danach gemacht. Sie habe auch mit dem Arbeitgeber von C gesprochen, wisse aber nicht mehr aus welchem Anlass dies geschehen sei. Sie habe vom Konto von C Geld abgebucht, da er ihr für die Lebenshaltungskosten Geld geschuldet habe. Die bei ihr gemessene Alkoholkonzentration von 2,0 Promille habe sie total geschockt. Sie habe an dem Abend nachweislich nicht mehr als vier dünne Weinschorle getrunken, lediglich als sie mit C noch zusammengesessen habe, habe sie den letzten Schluck Wodka mit Bitterlemon getrunken. Auch die Nachbarin, die sich dann um sie gekümmert habe, habe ihr bestätigt, dass sie einen nüchternen Eindruck gemacht habe.
Das SG hat unter der Auflage, die Angaben der Klägerin als wahr zu unterstellen, bei Prof. Dr. E. das psychiatrische Gutachten vom 06.07.2012 eingeholt. Anlässlich der ambulanten Untersuchung am 15.06.2012 durch den Sachverständigen hat die Klägerin Fragen nach psychischen Störungen vor dem Angriff 2008 verneint. Auf der Geburtstagsfeier habe es Streit mit ihrem damaligen Partner gegeben. Er habe gesagt, dass er sich nicht beleidigen lasse, sie habe ihn beruhigen wollen. Nachdem er dann Zigaretten geholt habe, hätten sie sich weiter verbal auseinandergesetzt. Sie sei aufgesprungen, er habe sie über den Flur geschubst, geschlagen, am Hals gepackt und gewürgt. Sie habe zunächst flüchten können, er habe sich dann auf sie gestürzt und sie habe erkannt, dass es blutiger Ernst werde. Er habe ihr gesagt, wenn er sie loslasse, rufe sie sowieso nur die Polizei, und habe zugedrückt. Sie habe ihn getreten und sich gewehrt und habe irgendwie entkommen können. Die Nachbarn hätten die Polizei gerufen. Im Mai 2009 sei sie zusammengebrochen, sie sei nur noch heulend und zitternd da gesessen, habe keine Energie mehr gehabt, sei deprimiert gewesen. Solch eine Phase habe sie früher nie gehabt. In den ersten drei Wochen nach dem Überfall habe sie ständig Angst und Panik vor dem Täter gehabt, dass er wieder komme, und sei ständig mit erhöhtem Puls herum gelaufen. Sie habe nicht mehr ein- und durchschlafen können. Nach dem Zusammenbruch 2009, zu dem noch andere Beschwerden hinzu gekommen seien, sei sie stationär behandelt worden. 2010 habe sie eine Reha absolviert, 2011 sei sie in der psychiatrischen Ambulanz der Klinik in O. und später bei Dr. B. in Kehl behandelt worden. Sie habe bereits früher einmal nach einer Fehlgeburt eine Phase mit Deprimiertheit und Niedergestimmtheit erlebt und einen Suizidversuch unternommen. Prof. Dr. E. hat eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert, die posttraumatische Belastungsstörung als leicht bis mittelschwer, die rezidivierende depressive Störung als mittelschwer eingeschätzt und den Grad der Behinderung (GdB) für die posttraumatische Belastungsstörung auf 30, den GdB für die Depression auf 40 und den Gesamt-GdB auf 40 eingeschätzt. Nur die posttraumatische Belastungsstörung sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Ereignisse des 27.06.2008 im Sinne der Hervorrufung zurückzuführen. Der GdB durch die posttraumatische Belastungsstörung, die auf die Ereignisse des 27.06.2008 als wesentliche Ursache zurückzuführen sei, werde auf 20 eingeschätzt.
Der Beklagte ist dem Gutachten unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. entgegen getreten. Das SG habe dem Gutachter vorgegeben, die Angaben der Klägerin als wahr zu unterstellen. Die Darstellungen der Klägerin seien jedoch nicht nachgewiesen, insbesondere die Behauptung der Klägerin, sie sei durch das Würgen in eine lebensbedrohliche Situation gekommen. Dass es zu Körperverletzungen gekommen sei, was nicht bestritten werde, genüge für das Entstehen einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht. Die Klägerin habe, wie in der polizeilichen Vernehmung eingeräumt, durch massive verbale Beleidigungen wesentlich zu dem Verlauf beigetragen. Trotz des behaupteten massiven Würgens seien keine Verletzungen am Hals feststellbar gewesen. Beide Beteiligten hätten zu der Eskalation der Auseinandersetzung beigetragen.
Das SG hat außerdem bei dem Pathologen Prof. Dr. P., Universitätsklinikum F., Institut für Rechtsmedizin, dass Gutachten nach Aktenlage vom 11.12.2012 eingeholt. Dieser hat den handschriftlichen Bericht über die Notfallbehandlung im O. K. vom 28.06.2008, das ärztliche Attest des Dr. K. vom 03.07.2008 sowie die von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder ausgewertet. Der von der Klägerin geschilderte Ablauf erscheine bei Berücksichtigung der dokumentierten Befunde aus medizinischer Sicht plausibel. Die Verletzungen ließen sich durch Schlagen, Anstoßen, Festhalten und Halskompression erklären. Die rundlichen Hämatomverfärbungen am linken Vorderhals seien im Befundbericht des O. K. nicht erwähnt. Dies schließe einen Zusammenhang mit dem berichteten Vorfall jedoch nicht aus, da Läsionen in tieferen Schichten des Weichgewebes mitunter erst nach einer zeitlichen Latenz von mehreren Stunden oder wenigen Tagen äußerlich als Hämatomverfärbung sichtbar würden. Die Hämatome am linken Vorderhals seien durch örtliche Druckwirkung bedingt. Sie könnten im Hinblick auf die Form, Lage und Größe im Zuge einer manuellen Halskompression durch Fingerkuppen hervorgerufen worden sein. Die im Befundbericht erwähnte Heiserkeit stelle ein typisches Symptom nach Halskompression dar. Eine Behinderung des venösen Blutabflusses mit konsekutiver Blutstauung des Kopfes, wie sie bei fortgeschrittenen Halsangriffen vorkomme, könne nicht belegt werden, da der Befundbericht keine Stauungsblutaustritte im Bereich des Gesichts erwähne.
Hierzu hat der Beklagte mit Schreiben vom 04.02.2013 ausgeführt, es könne dem Gutachten nicht entnommen werden, ob durch die Hämatome am linken Vorderhals der von der Klägerin behauptete lebensbedrohliche Zustand eingetreten sei. Körperverletzungen sowie der gesamte Ablauf der Auseinandersetzung seien vom Beklagten im Übrigen nie bestritten worden. Nach wie vor beurteile er den Sachverhalt als Prügelei zweier unter erheblichem Alkoholeinfluss stehender Personen.
Im weiteren Verhandlungstermin vom 14.11.2013 hat der Beklagte nochmals bestätigt, in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.03.2010 davon auszugehen, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff vorliege und streitentscheidend allein sei, ob Versagensgründe im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG vorlägen.
Wie von der Klägerin beantragt, hat das SG mit Urteil vom 14.11.2013 festgestellt, dass hinsichtlich des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs vom 28.06.2008 keine Versagensgründe nach § 2 Abs. 1 OEG vorliegen, und den Bescheid vom 11.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG dargelegt, dass Versagungsgründe nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG, für deren Vorliegen den Beklagten die objektive Beweislast treffe, nicht nachgewiesen seien. Einen ähnlich schweren Verstoß gegen die Rechtsordnung wie der angreifende Täter könne man der Klägerin nicht vorwerfen. Zum einen sei nicht hinreichend sicher, dass die Klägerin C verbal und auch körperlich angegriffen habe. Wäre dies der Fall gewesen und hätte C hierdurch sichtbare Verletzungen davongetragen, hätte es nahegelegen, diese ärztlich zu dokumentieren, zumal C sich unmittelbar einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt gesehen habe. Selbst wenn man aber unterstelle, dass der von C geschilderte Ablauf der Wahrheit entspräche, so wäre dieser Verstoß der erheblichen Körperverletzung durch einen Würgeangriff jedenfalls nicht gleichzusetzen. Auch eine bewusste Provokation des Angriffs des C durch die Klägerin sei nicht nachweisbar. Insoweit sei insbesondere der Schluss des Beklagten, dass es angesichts der massiven Eskalation des zuvor verbalen Streits eine vergleichbare Aktion der Klägerin gegeben haben müsse, nicht zulässig. Denn dies stelle eine Folgerung von der Wirkung auf eine Ursache dar, die gerade nicht möglich sei. Vielmehr müsse die Ursache feststehen. Die Klägerin habe die Gefahr eines tätlichen Angriffs auch nicht leichtfertig herbeigeführt. Hierfür genüge eine nicht unerhebliche Alkoholisierung der Klägerin und des C nicht. Denn eine Alkoholisierung der beteiligten Personen führe ohne Hinzutreten besonderer Umstände allein nicht dazu, dass einer der Beteiligten mit einem körperlichen Angriff rechnen müsse. Auch eine Eskalation eines Streits zwischen der Klägerin und C könne nicht eine leichtfertige Herbeiführung des Angriffs begründen. Zum einen wichen die Schilderungen der Klägerin und des C insoweit von einander ab, als die Klägerin einen lediglich - wenn auch heftigen - verbalen Streit geschildert habe, während C einen körperlichen Angriff durch die Klägerin behauptet habe. Dieser sei jedoch nicht nachgewiesen. Zum anderen würde, selbst wenn man die Schilderung des C als wahr unterstelle, eine solche körperliche Auseinandersetzung nicht dazu führen, dass einer der Beteiligten mit einem derart massiven Angriff habe rechnen müssen, zumal frühere körperliche Angriffe durch C gerade nicht vorgekommen seien.
Gegen das dem Beklagten am 02.12.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 12.12.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung dargelegt, die Klägerin habe zu dem vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff in wesentlichem Umfang mit beigetragen. Die bei der Klägerin nach der Tat gemessene AAK sei wesentlich höher als beim C gewesen. Zudem habe die Klägerin in ihrer Vernehmung eingeräumt, zumindest verbal sehr aggressiv reagiert zu haben. Dass eine derartige Auseinandersetzung bis zu Tätlichkeiten eskaliere, sei nicht ungewöhnlich. Der Tatverlauf lasse sich ohne weiteres auch mit der Darstellung des C in Einklang bringen. Dass die Klägerin durch den Angriff in "Todesgefahr" gekommen sei, sei nach wie vor nicht nachgewiesen. Es sei lediglich von gegenseitigen Tätlichkeiten auszugehen, wofür der jeweilige Verursachungsbeitrag gleichwertig gewesen sei. Auch das Verhalten der Klägerin unmittelbar nach der Tat lasse sich mit der von ihr behaupteten "Todesgefahr" nicht in Einklang bringen. Denn sie sei im Anschluss in die untere Etage gerannt und habe ihr Handy geholt und sodann das Haus verlassen. Ihr Vorbringen, in den ersten drei Wochen nach dem Überfall ständig mit erhöhtem Puls herumgelaufen zu sein und ständig Angst und Panik vor dem Täter gehabt zu haben, sei nicht nachvollziehbar, da es keine Anzeichen gegeben habe, dass sich eine solche Situation im nüchternen Zustand wiederholen könne. Zudem habe sie gewusst, dass der Täter nach Irland geflogen sei. Zumindest habe sie dies auch nicht davon abgehalten, zwei Tage nach der Tat die Mutter und die Arbeitgeber des C anzurufen und in der Folgezeit nicht unbeträchtliche Geldzahlungen zu verlangen. Nach wie vor gehe der Beklagte davon aus, dass sich die Auseinandersetzung im Rahmen einer Schlägerei gehalten habe, deren jetzt geltend gemachten Folgen nicht von der Allgemeinheit zu entschädigen seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die aus ihrer Sicht zutreffende Entscheidung des SG Bezug genommen.
Der Senat hat die Klägerin noch einmal ausführlich zu den Vorgängen am 27./28.06.2008 befragt. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschrift vom 12.08.2014 verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Das SG hat zu Unrecht festgestellt, das Versagensgründe nach § 2 Abs. 1 OEG nicht vorliegen.
Zutreffend hat das SG den im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.11.2013 vorgenommenen Wechsel von der Leistungs- zur Feststellungklage in Kombination mit der Anfechtungsklage für zulässig erachtet. Zwar gilt grundsätzlich auch ohne entsprechende gesetzliche Festschreibung im SGG (anders in § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung) nach allgemeiner Auffassung auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 55 Rdnr. 19 m. w. N.). Danach kann eine Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos, insbesondere greift er nicht in den Fällen, in denen die Feststellungklage einen weitergehenden Rechtsschutz ermöglicht (BSGE 88, 146). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Der Beklagte hat mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 11.03.2010 den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung abgelehnt. Der weitere Regelungsgehalt dieses Bescheides ergibt sich aus dessen Begründungsteil, der außer dem Verfügungssatz für die gebotene Auslegung des Inhaltes eines Verwaltungsaktes von maßgeblicher Bedeutung ist. Hier hat der Beklagte eindeutig und zweifelsfrei festgestellt, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist (II. Ziff. 4 Satz 1 des Bescheides). Zwar hat der Beklagte in den Gründen des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 das Vorliegen einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat in Zweifel gezogen. Ob es sich hierbei um eine unzulässige Abänderung des Bescheides zum Nachteil der Widerspruchsführerin (Verbot der reformatio in peius) gehandelt hat (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig, a. a. O., § 85 Rdnr. 5), kann offen bleiben, nachdem der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.11.2013 nochmals bestätigt hat, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff vorliegt, und damit etwaige entgegenstehende Regelungen im Widerspruchsbescheid aufgehoben hat. Die Klägerin könnte somit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sämtliche der in § 9 BVG genannten Leistungen unter den dort geregelten weiteren Voraussetzungen in Anspruch nehmen, wenn der Beklagte nicht Leistungen allgemein nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG versagt hätte (II. Ziff. 4 Satz 2 ff. des Bescheides vom 11.03.2010). Durch die begehrte Feststellung, dass entsprechende Versagungsgründe vorliegend nicht gegeben sind, wird somit hinsichtlich aller in Frage kommender Leistungsarten (z. B. Heil- und Krankenbehandlung, Beschädigtenrente) der Streit über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG abschließend geklärt. Jedenfalls in solchen Fällen, in denen - wie hier - kein konkretes Leistungsverlangen erkennbar und nicht auszuschließen ist, dass künftig unterschiedliche Leistungen in Form von Geld- oder Sachleistungen beantragt werden können, kann nach Feststellung der Voraussetzungen des § 1 OEG die Feststellung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 2 OEG (negative Feststellungsklage) zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. auch Senatsurteil vom 21.03.2013 - L 6 VG 4354/12 - juris). Die Klageänderung von der Leistungs- zur Feststellungsklage begegnet schon deshalb keinen rechtlichen Bedenken, da der Beklagte durch rügelose Einlassung in die Klageänderung eingewilligt hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG) und die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage außer den oben genannten keinen weitergehenden Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegt.
Die Klägerin kann die begehrte Feststellung indessen nicht beanspruchen, da ein Leistungsausschluss nach § 2 OEG vorliegt. Der Bescheid des Beklagten vom 31.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Leistungen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat (1. Alternative) oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (2. Alternative). Die in § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OEG aufgezählten Versagungsgründe sind vorliegend einschlägig.
Bei der in § 2 Abs. 1 OEG genannten 1. Alternative handelt es sich um einen Sonderfall der in der 2. Alternative genannten Unbilligkeit; sie ist daher stets zuerst zu prüfen (BSG, Urteil vom 06.12.1989 - 9 RVg 2/89 - Rz. 11, zitiert nach juris). Sie regelt abschließend, wann die unmittelbare Tatbeteiligung des Geschädigten Leistungen ausschließt (BSG, Urteil vom 21.10.1998 - B 9 VG 6/97 R - Rz. 18, zitiert nach juris, m. w. N.). Eine Mitverursachung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 OEG kann nur angenommen werden, wenn der Tatbeitrag des Opfers nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren Theorie von der wesentlichen Bedingung nicht nur ein nicht hinweg zu denkender Teil der Ursachenkette, sondern wesentlich, d. h. eine annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers ist (BSG, Urteil. vom 20.10.1999 - B 9 VG 2/98 R - juris; Urteil vom 21.10.1998 - B 9 VG 6/97 R - juris, m. w. N.). Auf dem Gebiet des OEG führt bereits eine etwa gleichwertige Mitverursachung zur Versagung der Entschädigung. Nicht erforderlich ist, wie etwa im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, ein deutlich überwiegendes selbst geschaffenes Risiko (BSG, Urteil vom 06.12.1989 - 9 RVg 2/89 - juris).
Ein Leistungsausschluss ist unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung vor allem dann gerechtfertigt, wenn das Opfer in der konkreten Situation - wobei subjektive Gesichtspunkte nicht außer Betracht gelassen werden dürfen - in ähnlich schwerer Weise wie der Täter gegen die Rechtsordnung verstoßen hat (BSG, Urteil vom 25.03.1999 - B 9 VG 1/98 R - juris), z. B. eine Straftat begangen hat, die ähnlich schwer wie die des Täters mit Strafe bedroht ist (vgl. z. B. BSGE 79, 87; BSG SozR 3-3800 § 2 Nr. 7).
Aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1 StPO wegen geringer Schuld steht fest, dass eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht vorliegt, wobei der Senat insoweit berücksichtigt hat, dass die Beweislast des Staates im Strafverfahren der Beweislast der Klägerin im Sozialgerichtsverfahren entspricht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.10.2012 - L 11 VG 7/12 - juris; Urteile des Senats vom 29.04.2014 - L 6 VG 4507/13 und L 6 VG 4545/13). Somit steht allein im Raum, dass die Klägerin Opfer einer einfachen Körperverletzung geworden ist, wie dies auch der Beklagte so festgestellt hat. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht aus Sicht des Senats zum einen, dass sie anlässlich der Behandlung vom 10.07.2009 selbst zeitnah angegeben hat, sie sei nur "nahezu gewürgt worden" (Bericht vom 30.03.2010, Bl. 48 SG-Akte), also nicht gewürgt worden. Für einen fortgeschrittenen Halsangriff, wie er beim von der Klägerin behaupteten Erwürgen zu erwarten ist, bestanden keinerlei Anhaltspunkte, da der Befundbericht des O.-Klinikums K. vom 18.06.2008 keine Stauungsblutaustritte im Bereich des Gesichts erwähnt hat, worauf auch der Sachverständige Prof. Dr. P. zu Recht hingewiesen hat. Auch Hämatome im Halsbereich konnten dort nicht festgestellt werden. Damit einhergehend haben weder die Polizeibeamten noch die allein angehörte Zeugin Müller entsprechende Verletzungen bestätigen können. Die Klägerin wirkte vielmehr völlig unverletzt. Diesen Befund am Hals bzw. Kiefer hat zuletzt der behandelnde Hausarzt Dr. K. bestätigt, dem selbst 2 Tage nach den stattgehabten Verletzungen keinerlei Befunde am Hals oder Kiefer auffielen, es war vielmehr dort nichts zu sehen, was der Senat seiner sachverständigen Zeugenaussage entnimmt. Dem stehen auch die von ihr angefertigten Lichtbildaufnahmen nicht entgegen, denn sie können keinen Beweis dafür führen, dass die Hämatome am Hals tatsächlich von der Verletzung vom 28.06.2008 herrühren, weil sie nicht erkennungsdienstlich erfasst worden sind und auch das Datum der Anfertigung der Aufnahmen völlig unklar ist. Sie hat diese Aufnahme auch erst 3 Jahre nach der Tat, also noch nicht einmal zeitnah, vorgelegt. Schließlich spricht gegen das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung auch das Verhalten der Klägerin nach der Tat, was sich mit einer todesbedrohlichen Gefahrenlage nicht in Einklang bringen lässt. So hat sie, nachdem sie sich eigener Darstellung zufolge befreien konnte, nicht sofort die Wohnung verlassen, sondern zunächst ihr Handy im darunter liegenden Wohnzimmer gesucht und noch von der Wohnung aus die Polizei angerufen, die sie dann erst aufgefordert hat, die Wohnung zu verlassen. Sie hat nach Eintreffen der Polizei zunächst von einer Strafanzeige abgesehen und ist auch zu dem vereinbarten Termin mit der Polizei nicht erschienen, sondern hat stattdessen am Folgetag gegenüber den Arbeitgebern des C wie auch dessen Mutter behauptet, der C habe sie umbringen wollen, was zu dessen fristloser Kündigung geführt hat. Sie hat eingeräumt, danach sich von den Konten des C bedient und auch Schadensersatzforderungen an ihn gestellt zu haben. Das spricht eher dafür, dass im Vordergrund der später gestellten Strafanzeige die Durchsetzung dieser Geldforderungen stand. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin eine histrionische Persönlichkeitsstruktur besteht, die durch egozentrisches und theatralisches Verhalten gekennzeichnet ist, was der Senat dem Bericht der W.-Klinik vom 19.01.2011 (Bl. 41 SG-Akte) wie auch dem Arztbericht des Dr. K. entnimmt, und erklärt, warum die Klägerin zeitweise sogar gegenüber Dritten (Arbeitgeber, Mutter des C) behauptet hat, C habe sie umbringen wollen.
All diese Momente rechtfertigen in Zusammenschau, dass der Beklagte lediglich festgestellt hat, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs in Form einer einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB geworden ist. Dabei hat der Beklagte wie auch die Staatsanwaltschaft zugrunde gelegt, dass die Körperverletzung des C nicht durch einen vorangegangenen körperlichen Angriff der Klägerin im Sinne einer Notwehrhandlung nach § 32 StGB gerechtfertigt gewesen ist, denn ansonsten hätte er nicht festgestellt, dass die Klägerin Opfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist.
Zugrunde gelegt, dass die zum Tatzeitpunkt stark alkoholisierte Klägerin nur Opfer einer einfachen Körperverletzung geworden ist, hat sie sich aus Sicht des Senats leichtfertig in eine Gefahrensituation mit dem ebenfalls stark alkoholisierten C begeben, indem sie ihn nach beendetem Streit weiter provoziert hat.
Eine solche Mitverursachung kann nämlich in der schuldhaften Herausforderung eines Angriffs, z. B. durch eine schuldhafte Herausforderung (Provokation) liegen. Eine Provokation des Täters durch das Opfer kann den Entschädigungsanspruch ausschließen, wenn das Opfer die Schädigung bewusst angestrebt oder billigend in Kauf genommen oder sich zumindest leichtfertig in die Gefahr einer solchen Schädigung begeben hat (BSG, Urteil vom 15.08.1996 - 9 RVg 6/94 - juris). Eine Mitverursachung kann ebenfalls angenommen werden, wenn sich das Opfer einer konkret erkannten Gefahr leichtfertig nicht entzogen hat, obwohl ihm dies zumutbar und möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 R - juris). Ein Hauptzweck des § 2 Abs. 1 Alternative 1 OEG ist es gerade, diejenigen von der Versorgung auszuschließen, die sich selbst bewusst oder leichtfertig in hohem Maße gefährden und dadurch einen Schaden erleiden. Wer bewusst oder leichtfertig ein hohes Risiko eingeht, hat die Folgen selbst zu tragen; das Opferentschädigungsrecht schützt ihn dann nicht. Das BSG hat im Opferentschädigungsrecht die bewusste oder leichtfertige Selbstgefährdung in Fällen einer hohen Gefahr immer als Leistungsausschlussgrund beurteilt. Eine leichtfertige Selbstgefährdung in diesem Sinne setzt nach der Rechtsprechung des BSG einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit voraus, der etwa der groben Fahrlässigkeit im Sinne des bürgerlichen Rechtes entspricht (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 - juris, m. w. N.). Es gilt jedoch im Gegensatz zum bürgerlichen Recht nicht der objektive Sorgfaltsmaßstab des § 267 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern ein individueller Maßstab, der auf die persönlichen Fähigkeiten des Opfers abstellt (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 - juris, m. w. N.). Voraussetzung ist, dass das Opfer in hohem Maße vernunftswidrig gehandelt und es in grob fährlässiger Weise unterlassen hat, einer höchstwahrscheinlich zu erwartenden Gefahr auszuweichen (BSG, Urteil vom 21.10.1998 - B 9 VG 4/97 - juris). Zu prüfen ist danach, ob sich das Opfer auch hätte anders verhalten können oder müssen und ob es sich der erkannten oder grob fahrlässig nicht erkannten Gefahr nicht entzogen hat, obwohl dies ihm zumutbar gewesen wäre. Dafür ist die gesamte tatnahe Situation, wie sie sich nach natürlicher Betrachtungsweise darstellt, zu würdigen (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 - juris, m. w. N.).
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hält der Senat einen Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 (Alternative 1) OEG für gegeben. Die Klägerin hat sich bewusst und leichtfertig, d. h. grob fahrlässig durch ein schwerwiegendes vorwerfbares Verhalten der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt und sich dadurch selbst gefährdet, nämlich den Angriff des C schuldhaft herausgefordert.
Sie hat, nachdem der eigentliche Streit beendet war, was der Senat insbesondere dem Umstand entnimmt, dass der C zunächst Zigaretten geholt (so die Angabe der Klägerin bei Prof. Dr. E.) und sich dann an seinen Computer zu einem Spiel gesetzt hat, den Streit erneut verbal sehr aggressiv wiederaufgenommen und ist dabei den C hart angegangen, demgegenüber sie sich auf ihr Hausrecht berufen hat, obwohl sie gerade aus der vorangegangenen Auseinandersetzung wusste, dass C leicht zu provozieren ist. Dass dieser Streit im Wesentlichen von der Klägerin ausging, entnimmt der Senat der Tatsache, dass die Nachbarinnen nur eine schreiende Frauenstimme und das über längere Zeit gehört haben, und ist auch damit vereinbar, dass die Klägerin eine histrionische Persönlichkeitsstruktur aufweist und C eines versuchten Tötungsdelikts gegenüber Dritten beschuldigt hat. Selbst wenn der C bislang nicht als tätlich oder körperlich aggressiv der Klägerin bekannt war, so musste sie doch angesichts der vorangegangenen Provokation, nämlich der nicht kommunizierten Einladung ihres früheren Freundes mit nachfolgendem Vorführen des C durch diesen vor allen Gästen mit einer entsprechenden Reaktion ihres damaligen Verlobten C rechnen, da dieser überraschend vor Tatsachen gestellt worden ist, die ihm nicht gefallen haben können und nicht gefallen haben. Dennoch ist es zunächst zu einer Aussöhnung der beiden in der Form gekommen, dass sie nach Beendigung der Feier weiter gemeinsam große Mengen Alkohol konsumiert haben, so dass die Klägerin eine Atemalkoholkonzentration von immerhin 1,00 mg/l auswies. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang selbst eingeräumt, dass sie wenn dann bis zu schweren Rauschzuständen Alkohol konsumiert, was der Senat dem Entlassungsbericht vom 31.03.2010 entnimmt. Im Zustand dieser unzweifelhaften Enthemmung hat sie nach beendetem Konflikt selbst aggressiv wieder den Streit aufgenommen und dadurch selbst eine potenziell gewaltgeneigte oder gefahrerhöhte Situation geschaffen. Die Gewaltneigung und Gefahrerhöhung liegt aus Sicht des Senats dabei nicht allein in dem beiderseitigen übermäßigen Alkoholkonsum, also einen Streit zwischen Betrunkenen, sondern auch darin, dass die Klägerin dem C gegenüber außerordentlich aggressiv war, was sie zumindest eingeräumt hat. In Folge dessen ist es dann zu der körperlichen Auseinandersetzung gekommen, wobei der Senat berücksichtigt hat, dass die kampferfahrene Klägerin, die nicht nur über 10 Jahre in der Polizei- und insbesondere Zollarbeit tätig war, sondern auch 7 Jahre Judotraining absolviert hat, durchaus in der Lage ist, sich gegen einen Angreifer zu wehren, und sich letztlich auch von dem C hat erfolgreich befreien können. In Anbetracht dessen wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, eine weitere Auseinandersetzung mit dem C zu vermeiden, jedenfalls den Streit nicht wiederaufzunehmen. Ihre Verbalattacke hat eine gleichwertige Relevanz bei der Tat, wie es so auch die Staatsanwaltschaft O. gesehen, nämlich den Vorfall als streitbedingt eingestuft und dabei berücksichtigt hat, dass beide Beteiligte nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sind, so dass kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestand. Dabei spielt der Umstand, dass der C der Klägerin erhebliche Geldbeträge zur Wiedergutmachung überwiesen hat, keine Rolle und ist insbesondere nicht als Schuldeingeständnis zu werten, dies ist nur von strafrechtlicher Relevanz.
Auf die Berufung des Beklagten ist daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht einschlägig sind.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Versorgungsleistungen nach § 2 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten - Opferentschädigungsgesetz - (OEG).
Die am 27.06.1963 geborene Klägerin hat eigenen Angaben zufolge nach einer schwierigen Kindheit im Alter von 20 Jahren einen Suizidversuch unternommen, damals auch Kokain und Heroin konsumiert. Sie ist wegen Drogenbesitz in Frankreich zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Ihre Mutter ist aufgrund eines Suizids verstorben. Nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau hat sie einen Abschluss in Polizeiarbeit und Kriminologie gemacht und danach 10 Jahre für die Polizei der US-Army und den Zoll der USA, aber auch als Lehrerin gearbeitet. Sie ist geschieden, ihr Sohn lebt weiterhin in den USA. 2008 hat sie nach zahlreichen Anstellungen durch das Arbeitsamt mit einem Gründungszuschuss gefördert im Marketing gearbeitet. Im Februar 2009 hat sie eine Tätigkeit als selbständige Versicherungsmaklerin aufgenommen, diese von ihr als belastend empfundene Arbeit (weite Fahrstrecken, Mobbing durch Kollegin) hat sie im Juli 2010 verloren. Seit 2012 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und hat aktuell einen Ehemann, mit dem sie nach wie vor in der Maisonettewohnung lebt, in der sich der tätliche Angriff ereignete. Sie hat als Kind 7 Jahre Judo trainiert und eine Abtreibung sowie eine Fehlgeburt hinter sich (Entlassungsbericht PD Dr. F., M. Klinik an der L., vom 31.03.2010, Gutachten Prof. Dr. E. vom 06.07.2012, Protokoll des Senatstermins).
Sie stellte bei dem Beklagten am 04.09.2009 wegen einer am 28.06.2008 erlittenen schweren Körperverletzung einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Der Beklagte zog die strafrechtliche Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft O. bei. Wie sich aus dem Vorkommnisbericht des POM W. vom 28.06.2008 ergibt, waren POM W. und POM S. von Frau B. M. wegen einer Streitigkeit am 28.06.2008 gegen 03:56 Uhr benachrichtigt worden. Frau M. teilte den Beamten mit, dass in der Wohnung über ihr Geschrei von einer Frau zu hören gewesen sei, welches nach Einschätzung der Nachbarin S. schon längere Zeit so gegangen sei. Des Weiteren habe sie das Umfallen von Möbeln gehört. Zum weiteren Sachverhalt wird in dem Bericht mitgeteilt, die Klägerin habe Geburtstag gefeiert. Dabei sei es zum Streit zwischen dem derzeitigen Lebensabschnittsgefährten, dem am 09.03.1971 geborenen irischen nicht vorbestraften Staatsangehörigen D. C. (im Folgenden: C), und ihrem Exfreund gekommen. Als Folge des Streits hätten sich auch die Lebensabschnittspartner gestritten. Die Klägerin habe behauptet, von C gewürgt und geschlagen worden zu sein. Hautveränderungen hätten jedoch nicht festgestellt werden können. Aufgrund des durchgeführten Alkomattests sei bei C um 4.42 Uhr eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,71 mg/l (1,42 Promille) und bei der Klägerin um 4.52 Uhr eine AAK von 1,00 mg/l (2,00 Promille) festgestellt worden. Die Klägerin habe noch nicht gewusst, ob sie Anzeige erstatten wolle. Der Einbestellung zur weiteren Anzeigenaufnahme nach Erlangung der Nüchternheit ist die Klägerin zum vereinbarten Zeitpunkt nicht gefolgt (Bl. 8 f. Ermittlungsakte). Dem Schlussvermerk des PK W. vom 07.07.2008 ist zu entnehmen, dass C nach dem Vorfall zur Erlangung der Nüchternheit auf eigenen Wunsch in der Gewahrsamseinrichtung untergebracht worden sei. Eine Beschuldigtenvernehmung sei jedoch aufgrund des noch nicht vorhandenen Anzeigewillens der Klägerin nicht durchgeführt worden (Bl. 10 f. Ermittlungsakte).
Am 02.07.2008 stellte die Klägerin sodann Strafantrag und gab im Rahmen der Geschädigtenvernehmung zu Protokoll, C im Dezember 2006 kennengelernt zu haben. Im März 2007 sei er nach Deutschland umgezogen und mit der Klägerin zusammen in die Wohnung K. in K. gezogen. Nach einer kurzzeitigen Trennung hätten sie sich am 22.09.2007 verlobt. Am 27.06.2008 habe sie mit ca. 12 bis 14 Freunden bei sich zuhause Geburtstag gefeiert. Es sei zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ihrem Exfreund S. B. und C gekommen, woraufhin C schreiend nach oben in das Computerzimmer gelaufen sei. Sie habe S. B. gebeten, die Feier zu verlassen, und habe im anschließenden Gespräch C beruhigen können. Dieser sei dann wieder zu den anderen Gästen hinzugekommen. Nachdem alle Gäste die Feier verlassen hätten, habe sie mit C, der völlig entspannt gewirkt habe, noch ein alkoholisches Getränk zu sich genommen. Plötzlich sei C wieder auf die Auseinandersetzung mit S. B. zurückgekommen und habe ihr die Schuld gegeben, ihren Exfreund eingeladen zu haben. Sie habe zunächst versucht, C zu beruhigen, der dann nach oben ins Computerzimmer gegangen sei. Sie selbst habe die Wohnung verlassen, Zigaretten geholt und sei nach ca. 10 bis 15 Minuten in die Wohnung zurückgekehrt. C habe vor dem Computer gesessen und Poker gespielt. Sie selbst habe sich bettfertig gemacht und nochmal nach C geschaut, der immer noch Poker gespielt habe. Plötzlich habe er sie wieder auf den Vorfall mit S. B. bereits mit einem aggressiven Ton angesprochen. Sie selbst sei es jetzt auch leid gewesen, ihn zu beruhigen, und sie habe ebenfalls verbal sehr aggressiv reagiert und ihm vorgeworfen, dass er ihr nicht vorzuschreiben habe, wen sie zu ihrem Geburtstag einlade. Plötzlich sei C aufgesprungen, habe sie an beiden Oberarmen gepackt und sie regelrecht nach hinten gegen den Kleiderschrank im Flur geworfen. Dadurch sei eine Schranktür aus den Angeln gehoben und die andere Schranktür stark beschädigt worden. Sie habe versucht zu fliehen, sei unter C hindurch getaucht und ins Schlafzimmer gerannt. C sei sofort hinterher gerannt und habe sie mit dem Rücken aufs Bett geworfen. Er habe sich über sie gebeugt und mehrfach mit der flachen Hand in ihr Gesicht geschlagen. Mit der anderen Hand habe er sie gewürgt. Er habe sie so stark gewürgt, dass sie keine Luft mehr bekommen habe. Sie habe Todesangst gehabt und nur noch geröchelt. Als er den Griff etwas gelockert habe, habe sie ihn gebeten, sie los- und vor allen Dingen am Leben zu lassen. Er habe hierauf erwidert, dass sie sowieso nur die Polizei hole, wenn er sie jetzt loslasse. In einem günstigen Augenblick, vielleicht habe sie sich auch gewehrt und nach ihm getreten, habe er sie losgelassen und sie sei vom Bett gerollt, sofort aufgestanden und in die untere Etage gerannt, wo sie ihr Handy mitgenommen habe. Anschließend habe sie umgehend die Wohnung verlassen und sei vom zweiten Stock hinunter und vor das Haus gerannt. Dort hätten sich bereits ihre Nachbarin Frau M., die ihr mitgeteilt habe, die Polizei bereits verständigt zu haben, und Frau S. befunden. Noch am selben Tag habe sie sich nachmittags im O. K. vorgestellt. Sie habe multiple Hämatome am rechten Oberarm, am rechten Oberschenkel und Schwellungen im Gesicht sowie Schmerzen am Hals und am Brustbein gehabt. Die im O. festgestellte Fraktur am Zeh stamme nicht von der Auseinandersetzung, sondern von einem früheren Unfall. C habe die Bundesrepublik Deutschland am 01.07.2008 verlassen. Er habe in Deutschland bei der Firma I. gearbeitet (Bl. 5 ff. Ermittlungsakte).
Auf telefonische Anfrage durch PK W. am 03.07.2008 bestätigte die Firma I., dass C bei ihnen seit ca. einem Jahr beschäftigt sei, am Dienstag, den 01.07.2008, jedoch angerufen und mitgeteilt habe, für eine Woche nach Irland zu müssen, weil anscheinend etwas mit seiner Mutter sei. Ungewöhnlich sei dies nicht, er habe jedoch einen Tag zuvor bei einem Kunden seine gesamten Lernmaterialien und Arbeitsunterlagen abgegeben (Bl. 10 Ermittlungsakte).
Im Befundbericht des O. K. vom 28.06.2008 wird ausgeführt, die Klägerin sei angeblich Opfer häuslicher Gewalt geworden. Sie habe angegeben, vom Freund letzte Nacht verprügelt worden zu sein und Schläge ins Gesicht erhalten zu haben, gewürgt und am Arm festgehalten sowie gegen einen Schrank geworfen worden zu sein. Als Befund wird genannt: Patientin heiser, Schwellung der linken Wange, Hämatome am rechten Oberarm und rechten Oberschenkel und am Kleinzeh rechts. Diagnostiziert wurden eine Kleinzehenendgliedfraktur rechts (schädigungsunabhängig) sowie multiple Hämatome (Bl. 12 Ermittlungsakte). Im ärztlichen Attest vom 03.07.2008 berichtet Dr. K., Facharzt für Allgemeinmedizin, es finde sich bei der Klägerin eine ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung mit schwerer Schlafstörung, situationsbezogenen Ängsten und Phobien sowie häufige quälende flash-back-Erlebnisse vor allem in Bezug auf die Todesangst während des Würgens. Die ausgedehnten Hämatome an Oberschenkel, Beckenkamm und Oberarm seien heute noch deutlicher zu sehen, der Druckschmerz dort, über Brustbein und Rippen links oben habe etwas nachgelassen, der anfangs etwas diffuse Druckschmerz am Hals sei jetzt auf den Kieferwinkel beidseits beschränkt (Bl. 13 Ermittlungsakte).
In ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 04.07.2008 gab Frau B. M. an, direkt unterhalb der Wohnung der Klägerin in einer Zwei-Zimmer-Wohnung zu wohnen. In der Nacht von Freitag auf Samstag habe sie bereits gegen 20 Uhr bemerkt, dass bei der Klägerin eine Party stattfinde. In der Nacht sei sie dann durch Frauenschreie und durch Trampeln und Schritte direkt über ihr, das heiße aus der Wohnung der Klägerin, aufgewacht. Sie habe eine Frau schreien hören, wisse aber nicht genau, um wen es sich gehandelt habe, doch es seien Angstschreie gewesen und habe sich angehört, wie wenn eine Frau um ihr Leben renne. Eine weitere Person habe sie nicht wahrgenommen. Sie sei dann aufgestanden und eine Treppe runter zur Wohnung von Frau S. gelaufen, die auch bereits wach gewesen sei und ihr mitgeteilt habe, dass dieses Geschrei bereits längere Zeit andauere. Sie selbst sei dann wieder zurück in ihre Wohnung gegangen und habe die Polizei verständigt. Anschließend sei sie wieder zur Wohnung von Frau S. gegangen. Kurze Zeit später sei plötzlich die Treppenhausbeleuchtung eingeschaltet worden und die Klägerin sei barfuß das Treppenhaus nach unten gerannt und habe das Gebäude verlassen. Sie sei ihr entgegen gelaufen, habe sie angehalten und versucht, sie zu beruhigen. Sie habe keine sichtbaren Verletzungen bei der Klägerin erkennen können. Sie sei jedoch völlig aufgelöst gewesen und habe ständig geweint. Sie habe mitgeteilt, gewürgt und gegen einen Schrank geworfen worden zu sein. Sie selbst wohne bereits seit 18 Jahren im Kahllachweg, kenne die Klägerin aber nicht näher (Bl. 3 f. Ermittlungsakte).
Mit Schreiben vom 03.09.2008 an die Staatsanwaltschaft O. teilte die Rechtsanwältin von C mit, dieser habe sich per E-Mail zu dem Vorfall geäußert. Er sei auf der Geburtstagsfeier der Klägerin von deren früheren Freund ca. um Mitternacht wegen der verweigerten Zustimmung der Iren zum Europäischen Vertrag provoziert worden. Zu diesem Zeitpunkt seien noch viele Gäste auf der Party gewesen, so dass er sich nicht mit S. B. habe auseinandersetzen müssen. Nachdem die meisten Gäste gegangen seien, sei er mit S. B. alleine im Wohnzimmer geblieben, der wieder schlecht über die Iren geredet und ihn provoziert habe. Er habe die Klägerin nochmals gebeten, S. B. zu veranlassen zu gehen, was dieser jedoch nicht getan habe. Die Party sei dann noch weiter gegangen. Um 3.00 Uhr seien schließlich alle Gäste gegangen und er sei mit der Klägerin alleine im Wohnzimmer gewesen. Er habe sie gefragt, warum sie nichts dagegen unternommen habe, wenn ihr Exfreund sich ihm gegenüber aggressiv und beleidigend verhalte. Sie hätten eine Weile diskutiert. Dann sei er nach unten in die untere Etage gegangen, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Er habe noch einiges an Alkohol getrunken und ca. 30 Minuten im Internet Poker gespielt. Während dessen sei sie zu ihm ins Zimmer gekommen und habe angefangen, ihn zu beschimpfen und zu verfluchen. Als sie ihn immer weiter beschimpft habe, habe er sie gebeten, den Raum zu verlassen. Da sie jedoch geblieben sei und ihn weiter beschimpft habe, habe er den Raum verlassen wollen. Als er die Tür geöffnet habe, habe sie ihm einen Stoß gegeben, ihn getreten und gekratzt. In diesem Moment sei seine Brille kaputt gegangen. Er habe sie zurückgestoßen und sie seien gegen einen Schrank gefallen. Die Klägerin habe nicht aufgehört zu treten und ihn zu attackieren, weshalb er sie auf das Bett geworfen und insbesondere am Nacken festgehalten und ihr gesagt habe, dass sie endlich aufhören solle. Dies habe sie dann auch getan. Der Kampf habe nicht mehr als zwei Minuten gedauert. Die Klägerin habe zeitweise als Türsteherin gearbeitet und habe ein Kampftraining absolviert. Sie habe dann die Wohnung verlassen und die Polizei gerufen, die festgestellt habe, dass sie beide sehr betrunken gewesen seien. Er habe die Nacht im Gefängnis verbracht, da er morgens um 4 Uhr niemanden habe anrufen und fragen wollen, ob er dort übernachten könne. Er habe am nächsten Tag seine Sachen geholt und sei am 30.06.2008 ganz normal zur Arbeit gegangen. Dort habe ihn seine Mutter sehr aufgebracht angerufen und ihm erzählt, dass die Klägerin mit ihr telefoniert und erklärt habe, er habe versucht sie umzubringen. Er habe ihr versprochen nach Hause zu kommen. Da er keine Wohnung und auch kein Geld zur Anmietung einer neuen Wohnung gehabt habe, habe er einen Flug gebucht und sei nach Irland geflogen. Bis dahin habe er bei I. als Englischlehrer gearbeitet. Als er nach einer Woche habe zurückkommen wollen, habe die Klägerin seinem Arbeitgeber I. mitgeteilt, dass er versucht habe, sie umzubringen; dieselbe Geschichte habe sie auch bei seinem anderen Arbeitgeber, einer Bar in Straßburg, erzählt. Beide Jobs habe er auf diese Art verloren. Zwischenzeitlich habe die Klägerin das restliche Geld in Höhe von 732 EUR, das noch auf seinem Konto gewesen sei, auf ihr eigenes Konto überwiesen. Außerdem habe sie auf sein irisches Bankkonto zugegriffen. Sie seien beide sehr betrunken gewesen und er wisse nicht genau, welchen Schaden die Klägerin durch ihn erlitten habe. Die Klägerin habe ihm zwischenzeitlich einige E-Mails geschickt und ihm erklärt, dass sie kein Geld mehr habe. Er habe ihr 500 EUR als Schadensersatz überwiesen (Bl. 18 ff. Ermittlungsakte). Mit weiterem Schreiben vom 25.11.2008 teilte die Rechtsanwältin von C mit, C habe nicht nur 500 EUR, sondern noch zwei Mal jeweils 1200 EUR an die Klägerin überwiesen. Dies habe er getan, da die Klägerin ihn per E-Mail heftig unter Druck gesetzt und ihm erklärt habe, zivilrechtlich gegen ihn vorzugehen und weitaus größere Summen an Schmerzensgeld zu fordern, wenn er nicht freiwillig diese Beträge überweise (Bl. 23 f. Ermittlungsakte).
Mit Verfügung von 04.12.2008 stellte die Staatsanwaltschaft O. das Verfahren gegen C gemäß § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ein, da C nicht vorbestraft sei, die Klägerin keine erheblichen Verletzungen erlitten habe, es zu dem Vorfall im Streit gekommen sei, beide Beteiligte nicht unerheblich alkoholisiert gewesen seien und C der Geschädigten Geldbeträge zur Wiedergutmachung überwiesen habe (Bl. 30 Ermittlungsakte).
Der Beklagte zog bei mehreren Krankenkassen die Klägerin betreffende Vorerkrankungsverzeichnisse bei und lehnte sodann mit Bescheid vom 11.03.2010 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Zur Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass die Klägerin zwar Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei, Leistungen jedoch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG zu versagen seien, weil das Verhalten der Klägerin annähernd gleichwertige Bedingung für den Eintritt der Schädigung gewesen sei. Denn die Klägerin habe sich am 28.06.2008 gegenüber C provozierend und aggressiv verhalten. Unter den gegebenen Umständen (fortgeschrittene Stunde, vorangegangener Streit, erheblicher Alkoholkonsum) habe es nicht außerhalb des Vorhersehbaren gelegen, dass C auf ihr Verhalten mit Tätlichkeiten reagieren würde. Durch ihr Verhalten habe sie sich leichtfertig der Gefahr einer tätlichen Reaktion durch C ausgesetzt. Somit habe sie eine wesentliche Bedingung für die nachfolgende Schädigung gesetzt.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, C habe sie geschlagen und gewürgt, bis sie keine Luft mehr bekommen habe. Dieses Verhalten stehe in keinem Verhältnis zu einer alleine von C so wahrgenommenen Provokation durch die Klägerin. Da es in der Vergangenheit zu keinerlei körperlichen Angriffen durch C ihr gegenüber gekommen sei, habe sie auch nicht mit einem physischen Angriff durch C rechnen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2010 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, selbst wenn keine Versagungsgründe vorlägen, liege kein dauerhafter Grad der Schädigungsfolgen (GdS) in einem rentenberechtigenden Grad vor. Im Übrigen stehe nach dem Inhalt der Ermittlungsakte Aussage gegen Aussage, so dass letztendlich der Beweis für eine Vorsatztat nicht erbracht sei. Die Anwältin von C habe sogar Notwehr geltend gemacht.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2010 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei unvermittelt durch ihren ehemaligen Lebensgefährten angegriffen, von diesem geschlagen, getreten und gewürgt worden. Selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Tat betrunken gewesen sein sollte, was nicht der Fall gewesen sei, würde dies nicht zu einer Mitverursachung durch die Klägerin führen. Das Verhalten der Klägerin sei nicht demjenigen von C gleichwertig gewesen. Soweit C geltend mache, er selbst habe in Notwehr gehandelt und die Klägerin habe als Türsteherin Krafttraining absolviert, handele es sich um reine Schutzbehauptungen, die nicht den Tatsachen entsprächen. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, es läge ein rentenberechtigender Grad der Schädigung vor. Es gehe vielmehr darum, dass die Folgen der von der Klägerin erlittenen Straftat anerkannt würden.
Das SG hat Dr. K. und Dr. L., M. Klinik an der L., O., als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen.
Dr. K. hat mit Schreiben vom 30.01.2011 die erhobenen Befunde seit 28.06.2008 (u.a. histrionische Persönlichkeitsstörung) und weiter mitgeteilt, Facharzt für Allgemeinmedizin und kein Psychotherapeut zu sein. Er habe die Klägerin wegen der psychischen Probleme im Anschluss an das Ereignis vom 28.06.2008 nur kurz selbst behandelt und wegen der Komplexität der Sachlage sofort, nämlich schon am 03.07.2008 an einen Psychotherapeuten überwiesen, der sie in der Folge intensiv behandelt habe. Die Klägerin habe auch schon früher mehrfach unter Erschöpfungszuständen gelitten. Vom 25.05. bis 30.07.2009 habe er der Klägerin wegen einer Depression Arbeitsunfähigkeit attestiert, sie aber auch damals rasch in fachpsychiatrische Behandlung überwiesen. Er habe am 30.06.2008 die Blauverfärbungen am rechten Oberschenkel und rechten Oberarm gesehen, die Klägerin habe über einen Druckschmerz unter dem Kieferwinkel beidseits berichtet, wo nichts mehr zu sehen gewesen sei. Außerdem habe ein Hämatom an den Unterarmen nahe dem Handgelenk, rechts größer als links bestanden und ein diffuser erheblicher Druckschmerz über dem Sternum oben und links parasternal 1. - 3. Rippe.
Dr. L., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, hat mit Schreiben vom 01.02.2011 ausgeführt, die Klägerin seit dem 10.07.2009 zu behandeln. Beim Notfallerstkontakt am 10.07.2009 habe die gezielte Angst vor dem ehemaligen Partner im Vordergrund gestanden. Er habe im Juni 2008 vergeblich versucht, die Klägerin zu erwürgen. Im April 2009 habe sie erfahren, dass er in K. gesehen worden sei. Seitdem habe sich zunehmend das Bild einer Traumafolgestörung mit Alpträumen und Hyperarousal entwickelt, zusätzlich sei es zu einem schweren depressiven Syndrom mit passiven Todeswünschen, Antriebsstörung, Entscheidungsunfähigkeit und reduzierter Belastbarkeit gekommen. Es bestehe eine posttraumatische Belastungsstörung und eine rezidivierende, derzeit schwere depressive Störung. Beide Diagnosen bestünden seit Beginn der Behandlung im Juli 2009 und hätten bislang soweit gebessert werden können, dass inzwischen eine Teilremission habe erreicht werden können. Sie führe die Traumastörung darauf zurück, dass der Partner im Juni 2008 versucht habe, die Klägerin zu erwürgen und im Folgejahr dann wieder in K. gesehen worden sei. Die Depression könne als Folgestörung der Traumastörung verstanden werden. Bei der Klägerin habe es in der Vorgeschichte ihren Angaben zufolge mehrere depressive Episoden gegeben, aber keinen diesbezüglichen stationären Aufenthalt. Die Klägerin sei seit dem 10.07.2009 in ihrer Behandlung und seitdem arbeitsunfähig.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.07.2011 selbst angefertigte Lichtbilder unbekannten Datums in Kopie vorgelegt und angegeben, es handele sich hierbei um die Verletzungen durch C. Die vor der Tat möglicherweise bereits bestehende Depression habe bis zum Tatzeitpunkt keinerlei stationäre Klinikaufenthalte erforderlich gemacht, so dass von einer Verschlimmerung einer bestehenden Symptomatik auszugehen sei. Sie leide bis heute unter Angstzuständen, Panikattacken und Flash-Backs.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.03.2012 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, es habe bei der Geburtstagsfeier am 27.06.2008 spät abends oder schon nach Mitternacht im Wohnzimmer "Trara" gegeben, als sie in der Küche gewesen sei. C habe wohl etwas rumgebrüllt, sie selbst habe S. B. gebeten, doch bitte zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt sei C schon nach oben ins Computerzimmer gestürmt gewesen. Nachdem S. B. gegangen gewesen sei, sei C dann wieder runter gekommen. Als alle Gäste gegangen gewesen seien, hätten sie sich im Wohnzimmer noch hingesetzt und was getrunken, eigentlich sei die Stimmung dann wieder ganz normal und ruhig gewesen. Auf einmal sei C sehr aggressiv geworden, habe rumgebrüllt, sich nicht in seinem eigenen Haus beleidigen zu lassen. Sie habe dann versucht, ihn zu beruhigen, und sei erst mal Zigaretten holen gegangen. Als sie nach fünf oder zehn Minuten wieder gekommen sei, sei C im Computerzimmer gewesen. Sie selbst sei ins Schlafzimmer, das neben dem Computerzimmer liege, gegangen und habe sich bettfertig gemacht. C habe dann auch schon wieder angefangen, im Computerzimmer rumzutoben und sie zu beschimpfen. Dann sei sie raus auf den Flur und habe zu ihm gesagt, dass es jetzt endlich reiche, schließlich sei dies noch immer ihre Wohnung. Sie sei dann sicherlich auch nicht mehr ruhig gewesen, aber habe zu ihm nur gesagt, dass es jetzt endlich reiche. Er habe sie mit Worten wie "Hure" oder sonstiges beschimpft. Dann sei er völlig unvermittelt aufgesprungen, habe sie gepackt und über den Flur geworfen. Er habe sie gegen einen Schrank geworfen, so hart, dass die Schranktür raus gebrochen und scheppernd auf den Boden gefallen sei. Die andere Tür habe noch in den Angeln gehangen, gegen diese habe er sie ja gedrückt. Da habe er sie auch schon geschlagen und habe sie auch schon am Hals gehabt. Sie sei dann unter seinem Arm durch getaucht und ins Schlafzimmer gerannt, er sei hinter ihr her gerannt und habe sie auf das Bett geworfen. Er habe sie geschlagen und irgend wann sei er dann über ihr gewesen und habe zugedrückt. Sie wisse noch, dass er sie ins Gesicht geschlagen habe auf die linke Seite. Sie habe ihn dann angebettelt, er solle sie leben lassen. Er habe gesagt, wenn er jetzt aufhöre, hole sie eh nur die Polizei, dann habe er richtig zugedrückt. Sie müsse irgendwie getreten und ihn getroffen haben, er sei dann in eine Ecke vom Zimmer geflogen. Dann sei sie nur noch gerannt, habe ihr Handy geschnappt und sei aus der Wohnung raus. Dort hätten Nachbarn gestanden, die schon die Polizei geholt hätten. Vor diesem Tag sei C zwar gelegentlich verbal ausfällig, aber nie körperlich aggressiv geworden. Sie sei wie gelähmt gewesen, als er sie angegriffen habe. Sie habe ja eigentlich sieben Jahre Judo gemacht, aber in dem Moment habe sie sich nicht wehren können. Sie selbst sei gegenüber C nicht handgreiflich geworden. Sie habe dann zwar versucht, sich gegen ihn zu wehren, als er sie gepackt habe, aber von ihr selbst sei keine Aggression ausgegangen. Sein ganzes Körpergewicht habe auf ihrem Hals gelegen, sie habe extreme Rötungen und auch extreme Schmerzen am Beginn des Brustbeins gehabt. Wie lange das Würgen gedauert habe, wisse sie nicht mehr genau, es müsse aber schon eine Weile gewesen sein. Sie habe immer noch flash-backs wegen der Ereignisse mit C, dabei reiche es schon aus, dass ihr ein ähnlicher Typ wie C begegne. Es sei dann, als ob sie an einen Stromzaun fasse, sie habe Panikattacken, könne nicht mehr unter Menschen. Es vergehe kein Tag, an dem sie nicht das Gefühl habe, dass C gleich um die Ecke komme. Die vorgelegten Fotos habe sie selbst unmittelbar nach dem Vorfall oder ein paar Tage danach gemacht. Sie habe auch mit dem Arbeitgeber von C gesprochen, wisse aber nicht mehr aus welchem Anlass dies geschehen sei. Sie habe vom Konto von C Geld abgebucht, da er ihr für die Lebenshaltungskosten Geld geschuldet habe. Die bei ihr gemessene Alkoholkonzentration von 2,0 Promille habe sie total geschockt. Sie habe an dem Abend nachweislich nicht mehr als vier dünne Weinschorle getrunken, lediglich als sie mit C noch zusammengesessen habe, habe sie den letzten Schluck Wodka mit Bitterlemon getrunken. Auch die Nachbarin, die sich dann um sie gekümmert habe, habe ihr bestätigt, dass sie einen nüchternen Eindruck gemacht habe.
Das SG hat unter der Auflage, die Angaben der Klägerin als wahr zu unterstellen, bei Prof. Dr. E. das psychiatrische Gutachten vom 06.07.2012 eingeholt. Anlässlich der ambulanten Untersuchung am 15.06.2012 durch den Sachverständigen hat die Klägerin Fragen nach psychischen Störungen vor dem Angriff 2008 verneint. Auf der Geburtstagsfeier habe es Streit mit ihrem damaligen Partner gegeben. Er habe gesagt, dass er sich nicht beleidigen lasse, sie habe ihn beruhigen wollen. Nachdem er dann Zigaretten geholt habe, hätten sie sich weiter verbal auseinandergesetzt. Sie sei aufgesprungen, er habe sie über den Flur geschubst, geschlagen, am Hals gepackt und gewürgt. Sie habe zunächst flüchten können, er habe sich dann auf sie gestürzt und sie habe erkannt, dass es blutiger Ernst werde. Er habe ihr gesagt, wenn er sie loslasse, rufe sie sowieso nur die Polizei, und habe zugedrückt. Sie habe ihn getreten und sich gewehrt und habe irgendwie entkommen können. Die Nachbarn hätten die Polizei gerufen. Im Mai 2009 sei sie zusammengebrochen, sie sei nur noch heulend und zitternd da gesessen, habe keine Energie mehr gehabt, sei deprimiert gewesen. Solch eine Phase habe sie früher nie gehabt. In den ersten drei Wochen nach dem Überfall habe sie ständig Angst und Panik vor dem Täter gehabt, dass er wieder komme, und sei ständig mit erhöhtem Puls herum gelaufen. Sie habe nicht mehr ein- und durchschlafen können. Nach dem Zusammenbruch 2009, zu dem noch andere Beschwerden hinzu gekommen seien, sei sie stationär behandelt worden. 2010 habe sie eine Reha absolviert, 2011 sei sie in der psychiatrischen Ambulanz der Klinik in O. und später bei Dr. B. in Kehl behandelt worden. Sie habe bereits früher einmal nach einer Fehlgeburt eine Phase mit Deprimiertheit und Niedergestimmtheit erlebt und einen Suizidversuch unternommen. Prof. Dr. E. hat eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert, die posttraumatische Belastungsstörung als leicht bis mittelschwer, die rezidivierende depressive Störung als mittelschwer eingeschätzt und den Grad der Behinderung (GdB) für die posttraumatische Belastungsstörung auf 30, den GdB für die Depression auf 40 und den Gesamt-GdB auf 40 eingeschätzt. Nur die posttraumatische Belastungsstörung sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Ereignisse des 27.06.2008 im Sinne der Hervorrufung zurückzuführen. Der GdB durch die posttraumatische Belastungsstörung, die auf die Ereignisse des 27.06.2008 als wesentliche Ursache zurückzuführen sei, werde auf 20 eingeschätzt.
Der Beklagte ist dem Gutachten unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. entgegen getreten. Das SG habe dem Gutachter vorgegeben, die Angaben der Klägerin als wahr zu unterstellen. Die Darstellungen der Klägerin seien jedoch nicht nachgewiesen, insbesondere die Behauptung der Klägerin, sie sei durch das Würgen in eine lebensbedrohliche Situation gekommen. Dass es zu Körperverletzungen gekommen sei, was nicht bestritten werde, genüge für das Entstehen einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht. Die Klägerin habe, wie in der polizeilichen Vernehmung eingeräumt, durch massive verbale Beleidigungen wesentlich zu dem Verlauf beigetragen. Trotz des behaupteten massiven Würgens seien keine Verletzungen am Hals feststellbar gewesen. Beide Beteiligten hätten zu der Eskalation der Auseinandersetzung beigetragen.
Das SG hat außerdem bei dem Pathologen Prof. Dr. P., Universitätsklinikum F., Institut für Rechtsmedizin, dass Gutachten nach Aktenlage vom 11.12.2012 eingeholt. Dieser hat den handschriftlichen Bericht über die Notfallbehandlung im O. K. vom 28.06.2008, das ärztliche Attest des Dr. K. vom 03.07.2008 sowie die von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder ausgewertet. Der von der Klägerin geschilderte Ablauf erscheine bei Berücksichtigung der dokumentierten Befunde aus medizinischer Sicht plausibel. Die Verletzungen ließen sich durch Schlagen, Anstoßen, Festhalten und Halskompression erklären. Die rundlichen Hämatomverfärbungen am linken Vorderhals seien im Befundbericht des O. K. nicht erwähnt. Dies schließe einen Zusammenhang mit dem berichteten Vorfall jedoch nicht aus, da Läsionen in tieferen Schichten des Weichgewebes mitunter erst nach einer zeitlichen Latenz von mehreren Stunden oder wenigen Tagen äußerlich als Hämatomverfärbung sichtbar würden. Die Hämatome am linken Vorderhals seien durch örtliche Druckwirkung bedingt. Sie könnten im Hinblick auf die Form, Lage und Größe im Zuge einer manuellen Halskompression durch Fingerkuppen hervorgerufen worden sein. Die im Befundbericht erwähnte Heiserkeit stelle ein typisches Symptom nach Halskompression dar. Eine Behinderung des venösen Blutabflusses mit konsekutiver Blutstauung des Kopfes, wie sie bei fortgeschrittenen Halsangriffen vorkomme, könne nicht belegt werden, da der Befundbericht keine Stauungsblutaustritte im Bereich des Gesichts erwähne.
Hierzu hat der Beklagte mit Schreiben vom 04.02.2013 ausgeführt, es könne dem Gutachten nicht entnommen werden, ob durch die Hämatome am linken Vorderhals der von der Klägerin behauptete lebensbedrohliche Zustand eingetreten sei. Körperverletzungen sowie der gesamte Ablauf der Auseinandersetzung seien vom Beklagten im Übrigen nie bestritten worden. Nach wie vor beurteile er den Sachverhalt als Prügelei zweier unter erheblichem Alkoholeinfluss stehender Personen.
Im weiteren Verhandlungstermin vom 14.11.2013 hat der Beklagte nochmals bestätigt, in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.03.2010 davon auszugehen, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff vorliege und streitentscheidend allein sei, ob Versagensgründe im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG vorlägen.
Wie von der Klägerin beantragt, hat das SG mit Urteil vom 14.11.2013 festgestellt, dass hinsichtlich des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs vom 28.06.2008 keine Versagensgründe nach § 2 Abs. 1 OEG vorliegen, und den Bescheid vom 11.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG dargelegt, dass Versagungsgründe nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG, für deren Vorliegen den Beklagten die objektive Beweislast treffe, nicht nachgewiesen seien. Einen ähnlich schweren Verstoß gegen die Rechtsordnung wie der angreifende Täter könne man der Klägerin nicht vorwerfen. Zum einen sei nicht hinreichend sicher, dass die Klägerin C verbal und auch körperlich angegriffen habe. Wäre dies der Fall gewesen und hätte C hierdurch sichtbare Verletzungen davongetragen, hätte es nahegelegen, diese ärztlich zu dokumentieren, zumal C sich unmittelbar einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt gesehen habe. Selbst wenn man aber unterstelle, dass der von C geschilderte Ablauf der Wahrheit entspräche, so wäre dieser Verstoß der erheblichen Körperverletzung durch einen Würgeangriff jedenfalls nicht gleichzusetzen. Auch eine bewusste Provokation des Angriffs des C durch die Klägerin sei nicht nachweisbar. Insoweit sei insbesondere der Schluss des Beklagten, dass es angesichts der massiven Eskalation des zuvor verbalen Streits eine vergleichbare Aktion der Klägerin gegeben haben müsse, nicht zulässig. Denn dies stelle eine Folgerung von der Wirkung auf eine Ursache dar, die gerade nicht möglich sei. Vielmehr müsse die Ursache feststehen. Die Klägerin habe die Gefahr eines tätlichen Angriffs auch nicht leichtfertig herbeigeführt. Hierfür genüge eine nicht unerhebliche Alkoholisierung der Klägerin und des C nicht. Denn eine Alkoholisierung der beteiligten Personen führe ohne Hinzutreten besonderer Umstände allein nicht dazu, dass einer der Beteiligten mit einem körperlichen Angriff rechnen müsse. Auch eine Eskalation eines Streits zwischen der Klägerin und C könne nicht eine leichtfertige Herbeiführung des Angriffs begründen. Zum einen wichen die Schilderungen der Klägerin und des C insoweit von einander ab, als die Klägerin einen lediglich - wenn auch heftigen - verbalen Streit geschildert habe, während C einen körperlichen Angriff durch die Klägerin behauptet habe. Dieser sei jedoch nicht nachgewiesen. Zum anderen würde, selbst wenn man die Schilderung des C als wahr unterstelle, eine solche körperliche Auseinandersetzung nicht dazu führen, dass einer der Beteiligten mit einem derart massiven Angriff habe rechnen müssen, zumal frühere körperliche Angriffe durch C gerade nicht vorgekommen seien.
Gegen das dem Beklagten am 02.12.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 12.12.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung dargelegt, die Klägerin habe zu dem vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff in wesentlichem Umfang mit beigetragen. Die bei der Klägerin nach der Tat gemessene AAK sei wesentlich höher als beim C gewesen. Zudem habe die Klägerin in ihrer Vernehmung eingeräumt, zumindest verbal sehr aggressiv reagiert zu haben. Dass eine derartige Auseinandersetzung bis zu Tätlichkeiten eskaliere, sei nicht ungewöhnlich. Der Tatverlauf lasse sich ohne weiteres auch mit der Darstellung des C in Einklang bringen. Dass die Klägerin durch den Angriff in "Todesgefahr" gekommen sei, sei nach wie vor nicht nachgewiesen. Es sei lediglich von gegenseitigen Tätlichkeiten auszugehen, wofür der jeweilige Verursachungsbeitrag gleichwertig gewesen sei. Auch das Verhalten der Klägerin unmittelbar nach der Tat lasse sich mit der von ihr behaupteten "Todesgefahr" nicht in Einklang bringen. Denn sie sei im Anschluss in die untere Etage gerannt und habe ihr Handy geholt und sodann das Haus verlassen. Ihr Vorbringen, in den ersten drei Wochen nach dem Überfall ständig mit erhöhtem Puls herumgelaufen zu sein und ständig Angst und Panik vor dem Täter gehabt zu haben, sei nicht nachvollziehbar, da es keine Anzeichen gegeben habe, dass sich eine solche Situation im nüchternen Zustand wiederholen könne. Zudem habe sie gewusst, dass der Täter nach Irland geflogen sei. Zumindest habe sie dies auch nicht davon abgehalten, zwei Tage nach der Tat die Mutter und die Arbeitgeber des C anzurufen und in der Folgezeit nicht unbeträchtliche Geldzahlungen zu verlangen. Nach wie vor gehe der Beklagte davon aus, dass sich die Auseinandersetzung im Rahmen einer Schlägerei gehalten habe, deren jetzt geltend gemachten Folgen nicht von der Allgemeinheit zu entschädigen seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die aus ihrer Sicht zutreffende Entscheidung des SG Bezug genommen.
Der Senat hat die Klägerin noch einmal ausführlich zu den Vorgängen am 27./28.06.2008 befragt. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschrift vom 12.08.2014 verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Das SG hat zu Unrecht festgestellt, das Versagensgründe nach § 2 Abs. 1 OEG nicht vorliegen.
Zutreffend hat das SG den im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.11.2013 vorgenommenen Wechsel von der Leistungs- zur Feststellungklage in Kombination mit der Anfechtungsklage für zulässig erachtet. Zwar gilt grundsätzlich auch ohne entsprechende gesetzliche Festschreibung im SGG (anders in § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung) nach allgemeiner Auffassung auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 55 Rdnr. 19 m. w. N.). Danach kann eine Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos, insbesondere greift er nicht in den Fällen, in denen die Feststellungklage einen weitergehenden Rechtsschutz ermöglicht (BSGE 88, 146). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Der Beklagte hat mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 11.03.2010 den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung abgelehnt. Der weitere Regelungsgehalt dieses Bescheides ergibt sich aus dessen Begründungsteil, der außer dem Verfügungssatz für die gebotene Auslegung des Inhaltes eines Verwaltungsaktes von maßgeblicher Bedeutung ist. Hier hat der Beklagte eindeutig und zweifelsfrei festgestellt, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist (II. Ziff. 4 Satz 1 des Bescheides). Zwar hat der Beklagte in den Gründen des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 das Vorliegen einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat in Zweifel gezogen. Ob es sich hierbei um eine unzulässige Abänderung des Bescheides zum Nachteil der Widerspruchsführerin (Verbot der reformatio in peius) gehandelt hat (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig, a. a. O., § 85 Rdnr. 5), kann offen bleiben, nachdem der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.11.2013 nochmals bestätigt hat, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff vorliegt, und damit etwaige entgegenstehende Regelungen im Widerspruchsbescheid aufgehoben hat. Die Klägerin könnte somit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sämtliche der in § 9 BVG genannten Leistungen unter den dort geregelten weiteren Voraussetzungen in Anspruch nehmen, wenn der Beklagte nicht Leistungen allgemein nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG versagt hätte (II. Ziff. 4 Satz 2 ff. des Bescheides vom 11.03.2010). Durch die begehrte Feststellung, dass entsprechende Versagungsgründe vorliegend nicht gegeben sind, wird somit hinsichtlich aller in Frage kommender Leistungsarten (z. B. Heil- und Krankenbehandlung, Beschädigtenrente) der Streit über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG abschließend geklärt. Jedenfalls in solchen Fällen, in denen - wie hier - kein konkretes Leistungsverlangen erkennbar und nicht auszuschließen ist, dass künftig unterschiedliche Leistungen in Form von Geld- oder Sachleistungen beantragt werden können, kann nach Feststellung der Voraussetzungen des § 1 OEG die Feststellung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 2 OEG (negative Feststellungsklage) zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. auch Senatsurteil vom 21.03.2013 - L 6 VG 4354/12 - juris). Die Klageänderung von der Leistungs- zur Feststellungsklage begegnet schon deshalb keinen rechtlichen Bedenken, da der Beklagte durch rügelose Einlassung in die Klageänderung eingewilligt hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG) und die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage außer den oben genannten keinen weitergehenden Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegt.
Die Klägerin kann die begehrte Feststellung indessen nicht beanspruchen, da ein Leistungsausschluss nach § 2 OEG vorliegt. Der Bescheid des Beklagten vom 31.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Leistungen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat (1. Alternative) oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (2. Alternative). Die in § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OEG aufgezählten Versagungsgründe sind vorliegend einschlägig.
Bei der in § 2 Abs. 1 OEG genannten 1. Alternative handelt es sich um einen Sonderfall der in der 2. Alternative genannten Unbilligkeit; sie ist daher stets zuerst zu prüfen (BSG, Urteil vom 06.12.1989 - 9 RVg 2/89 - Rz. 11, zitiert nach juris). Sie regelt abschließend, wann die unmittelbare Tatbeteiligung des Geschädigten Leistungen ausschließt (BSG, Urteil vom 21.10.1998 - B 9 VG 6/97 R - Rz. 18, zitiert nach juris, m. w. N.). Eine Mitverursachung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 OEG kann nur angenommen werden, wenn der Tatbeitrag des Opfers nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren Theorie von der wesentlichen Bedingung nicht nur ein nicht hinweg zu denkender Teil der Ursachenkette, sondern wesentlich, d. h. eine annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers ist (BSG, Urteil. vom 20.10.1999 - B 9 VG 2/98 R - juris; Urteil vom 21.10.1998 - B 9 VG 6/97 R - juris, m. w. N.). Auf dem Gebiet des OEG führt bereits eine etwa gleichwertige Mitverursachung zur Versagung der Entschädigung. Nicht erforderlich ist, wie etwa im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, ein deutlich überwiegendes selbst geschaffenes Risiko (BSG, Urteil vom 06.12.1989 - 9 RVg 2/89 - juris).
Ein Leistungsausschluss ist unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung vor allem dann gerechtfertigt, wenn das Opfer in der konkreten Situation - wobei subjektive Gesichtspunkte nicht außer Betracht gelassen werden dürfen - in ähnlich schwerer Weise wie der Täter gegen die Rechtsordnung verstoßen hat (BSG, Urteil vom 25.03.1999 - B 9 VG 1/98 R - juris), z. B. eine Straftat begangen hat, die ähnlich schwer wie die des Täters mit Strafe bedroht ist (vgl. z. B. BSGE 79, 87; BSG SozR 3-3800 § 2 Nr. 7).
Aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1 StPO wegen geringer Schuld steht fest, dass eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht vorliegt, wobei der Senat insoweit berücksichtigt hat, dass die Beweislast des Staates im Strafverfahren der Beweislast der Klägerin im Sozialgerichtsverfahren entspricht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.10.2012 - L 11 VG 7/12 - juris; Urteile des Senats vom 29.04.2014 - L 6 VG 4507/13 und L 6 VG 4545/13). Somit steht allein im Raum, dass die Klägerin Opfer einer einfachen Körperverletzung geworden ist, wie dies auch der Beklagte so festgestellt hat. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht aus Sicht des Senats zum einen, dass sie anlässlich der Behandlung vom 10.07.2009 selbst zeitnah angegeben hat, sie sei nur "nahezu gewürgt worden" (Bericht vom 30.03.2010, Bl. 48 SG-Akte), also nicht gewürgt worden. Für einen fortgeschrittenen Halsangriff, wie er beim von der Klägerin behaupteten Erwürgen zu erwarten ist, bestanden keinerlei Anhaltspunkte, da der Befundbericht des O.-Klinikums K. vom 18.06.2008 keine Stauungsblutaustritte im Bereich des Gesichts erwähnt hat, worauf auch der Sachverständige Prof. Dr. P. zu Recht hingewiesen hat. Auch Hämatome im Halsbereich konnten dort nicht festgestellt werden. Damit einhergehend haben weder die Polizeibeamten noch die allein angehörte Zeugin Müller entsprechende Verletzungen bestätigen können. Die Klägerin wirkte vielmehr völlig unverletzt. Diesen Befund am Hals bzw. Kiefer hat zuletzt der behandelnde Hausarzt Dr. K. bestätigt, dem selbst 2 Tage nach den stattgehabten Verletzungen keinerlei Befunde am Hals oder Kiefer auffielen, es war vielmehr dort nichts zu sehen, was der Senat seiner sachverständigen Zeugenaussage entnimmt. Dem stehen auch die von ihr angefertigten Lichtbildaufnahmen nicht entgegen, denn sie können keinen Beweis dafür führen, dass die Hämatome am Hals tatsächlich von der Verletzung vom 28.06.2008 herrühren, weil sie nicht erkennungsdienstlich erfasst worden sind und auch das Datum der Anfertigung der Aufnahmen völlig unklar ist. Sie hat diese Aufnahme auch erst 3 Jahre nach der Tat, also noch nicht einmal zeitnah, vorgelegt. Schließlich spricht gegen das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung auch das Verhalten der Klägerin nach der Tat, was sich mit einer todesbedrohlichen Gefahrenlage nicht in Einklang bringen lässt. So hat sie, nachdem sie sich eigener Darstellung zufolge befreien konnte, nicht sofort die Wohnung verlassen, sondern zunächst ihr Handy im darunter liegenden Wohnzimmer gesucht und noch von der Wohnung aus die Polizei angerufen, die sie dann erst aufgefordert hat, die Wohnung zu verlassen. Sie hat nach Eintreffen der Polizei zunächst von einer Strafanzeige abgesehen und ist auch zu dem vereinbarten Termin mit der Polizei nicht erschienen, sondern hat stattdessen am Folgetag gegenüber den Arbeitgebern des C wie auch dessen Mutter behauptet, der C habe sie umbringen wollen, was zu dessen fristloser Kündigung geführt hat. Sie hat eingeräumt, danach sich von den Konten des C bedient und auch Schadensersatzforderungen an ihn gestellt zu haben. Das spricht eher dafür, dass im Vordergrund der später gestellten Strafanzeige die Durchsetzung dieser Geldforderungen stand. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin eine histrionische Persönlichkeitsstruktur besteht, die durch egozentrisches und theatralisches Verhalten gekennzeichnet ist, was der Senat dem Bericht der W.-Klinik vom 19.01.2011 (Bl. 41 SG-Akte) wie auch dem Arztbericht des Dr. K. entnimmt, und erklärt, warum die Klägerin zeitweise sogar gegenüber Dritten (Arbeitgeber, Mutter des C) behauptet hat, C habe sie umbringen wollen.
All diese Momente rechtfertigen in Zusammenschau, dass der Beklagte lediglich festgestellt hat, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs in Form einer einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB geworden ist. Dabei hat der Beklagte wie auch die Staatsanwaltschaft zugrunde gelegt, dass die Körperverletzung des C nicht durch einen vorangegangenen körperlichen Angriff der Klägerin im Sinne einer Notwehrhandlung nach § 32 StGB gerechtfertigt gewesen ist, denn ansonsten hätte er nicht festgestellt, dass die Klägerin Opfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist.
Zugrunde gelegt, dass die zum Tatzeitpunkt stark alkoholisierte Klägerin nur Opfer einer einfachen Körperverletzung geworden ist, hat sie sich aus Sicht des Senats leichtfertig in eine Gefahrensituation mit dem ebenfalls stark alkoholisierten C begeben, indem sie ihn nach beendetem Streit weiter provoziert hat.
Eine solche Mitverursachung kann nämlich in der schuldhaften Herausforderung eines Angriffs, z. B. durch eine schuldhafte Herausforderung (Provokation) liegen. Eine Provokation des Täters durch das Opfer kann den Entschädigungsanspruch ausschließen, wenn das Opfer die Schädigung bewusst angestrebt oder billigend in Kauf genommen oder sich zumindest leichtfertig in die Gefahr einer solchen Schädigung begeben hat (BSG, Urteil vom 15.08.1996 - 9 RVg 6/94 - juris). Eine Mitverursachung kann ebenfalls angenommen werden, wenn sich das Opfer einer konkret erkannten Gefahr leichtfertig nicht entzogen hat, obwohl ihm dies zumutbar und möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 R - juris). Ein Hauptzweck des § 2 Abs. 1 Alternative 1 OEG ist es gerade, diejenigen von der Versorgung auszuschließen, die sich selbst bewusst oder leichtfertig in hohem Maße gefährden und dadurch einen Schaden erleiden. Wer bewusst oder leichtfertig ein hohes Risiko eingeht, hat die Folgen selbst zu tragen; das Opferentschädigungsrecht schützt ihn dann nicht. Das BSG hat im Opferentschädigungsrecht die bewusste oder leichtfertige Selbstgefährdung in Fällen einer hohen Gefahr immer als Leistungsausschlussgrund beurteilt. Eine leichtfertige Selbstgefährdung in diesem Sinne setzt nach der Rechtsprechung des BSG einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit voraus, der etwa der groben Fahrlässigkeit im Sinne des bürgerlichen Rechtes entspricht (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 - juris, m. w. N.). Es gilt jedoch im Gegensatz zum bürgerlichen Recht nicht der objektive Sorgfaltsmaßstab des § 267 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern ein individueller Maßstab, der auf die persönlichen Fähigkeiten des Opfers abstellt (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 - juris, m. w. N.). Voraussetzung ist, dass das Opfer in hohem Maße vernunftswidrig gehandelt und es in grob fährlässiger Weise unterlassen hat, einer höchstwahrscheinlich zu erwartenden Gefahr auszuweichen (BSG, Urteil vom 21.10.1998 - B 9 VG 4/97 - juris). Zu prüfen ist danach, ob sich das Opfer auch hätte anders verhalten können oder müssen und ob es sich der erkannten oder grob fahrlässig nicht erkannten Gefahr nicht entzogen hat, obwohl dies ihm zumutbar gewesen wäre. Dafür ist die gesamte tatnahe Situation, wie sie sich nach natürlicher Betrachtungsweise darstellt, zu würdigen (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 3/00 - juris, m. w. N.).
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hält der Senat einen Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 (Alternative 1) OEG für gegeben. Die Klägerin hat sich bewusst und leichtfertig, d. h. grob fahrlässig durch ein schwerwiegendes vorwerfbares Verhalten der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt und sich dadurch selbst gefährdet, nämlich den Angriff des C schuldhaft herausgefordert.
Sie hat, nachdem der eigentliche Streit beendet war, was der Senat insbesondere dem Umstand entnimmt, dass der C zunächst Zigaretten geholt (so die Angabe der Klägerin bei Prof. Dr. E.) und sich dann an seinen Computer zu einem Spiel gesetzt hat, den Streit erneut verbal sehr aggressiv wiederaufgenommen und ist dabei den C hart angegangen, demgegenüber sie sich auf ihr Hausrecht berufen hat, obwohl sie gerade aus der vorangegangenen Auseinandersetzung wusste, dass C leicht zu provozieren ist. Dass dieser Streit im Wesentlichen von der Klägerin ausging, entnimmt der Senat der Tatsache, dass die Nachbarinnen nur eine schreiende Frauenstimme und das über längere Zeit gehört haben, und ist auch damit vereinbar, dass die Klägerin eine histrionische Persönlichkeitsstruktur aufweist und C eines versuchten Tötungsdelikts gegenüber Dritten beschuldigt hat. Selbst wenn der C bislang nicht als tätlich oder körperlich aggressiv der Klägerin bekannt war, so musste sie doch angesichts der vorangegangenen Provokation, nämlich der nicht kommunizierten Einladung ihres früheren Freundes mit nachfolgendem Vorführen des C durch diesen vor allen Gästen mit einer entsprechenden Reaktion ihres damaligen Verlobten C rechnen, da dieser überraschend vor Tatsachen gestellt worden ist, die ihm nicht gefallen haben können und nicht gefallen haben. Dennoch ist es zunächst zu einer Aussöhnung der beiden in der Form gekommen, dass sie nach Beendigung der Feier weiter gemeinsam große Mengen Alkohol konsumiert haben, so dass die Klägerin eine Atemalkoholkonzentration von immerhin 1,00 mg/l auswies. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang selbst eingeräumt, dass sie wenn dann bis zu schweren Rauschzuständen Alkohol konsumiert, was der Senat dem Entlassungsbericht vom 31.03.2010 entnimmt. Im Zustand dieser unzweifelhaften Enthemmung hat sie nach beendetem Konflikt selbst aggressiv wieder den Streit aufgenommen und dadurch selbst eine potenziell gewaltgeneigte oder gefahrerhöhte Situation geschaffen. Die Gewaltneigung und Gefahrerhöhung liegt aus Sicht des Senats dabei nicht allein in dem beiderseitigen übermäßigen Alkoholkonsum, also einen Streit zwischen Betrunkenen, sondern auch darin, dass die Klägerin dem C gegenüber außerordentlich aggressiv war, was sie zumindest eingeräumt hat. In Folge dessen ist es dann zu der körperlichen Auseinandersetzung gekommen, wobei der Senat berücksichtigt hat, dass die kampferfahrene Klägerin, die nicht nur über 10 Jahre in der Polizei- und insbesondere Zollarbeit tätig war, sondern auch 7 Jahre Judotraining absolviert hat, durchaus in der Lage ist, sich gegen einen Angreifer zu wehren, und sich letztlich auch von dem C hat erfolgreich befreien können. In Anbetracht dessen wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, eine weitere Auseinandersetzung mit dem C zu vermeiden, jedenfalls den Streit nicht wiederaufzunehmen. Ihre Verbalattacke hat eine gleichwertige Relevanz bei der Tat, wie es so auch die Staatsanwaltschaft O. gesehen, nämlich den Vorfall als streitbedingt eingestuft und dabei berücksichtigt hat, dass beide Beteiligte nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sind, so dass kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestand. Dabei spielt der Umstand, dass der C der Klägerin erhebliche Geldbeträge zur Wiedergutmachung überwiesen hat, keine Rolle und ist insbesondere nicht als Schuldeingeständnis zu werten, dies ist nur von strafrechtlicher Relevanz.
Auf die Berufung des Beklagten ist daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht einschlägig sind.
Rechtskraft
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