Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3241/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 931/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.12.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Die am 1972 geborene Klägerin erlernte zunächst den Beruf der Maschinenbaumechanikerin, in welchem sie bis 2011 arbeitete; berufsbegleitend durchlief sie eine Ausbildung zur Tierheilpraktikerin. Seit 2011 ist sie als selbständige Tierheilpraktikerin in einem zeitlichen Umfang von vier Stunden täglich tätig.
Auf ihren Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente vom 29.12.2010 hin veranlasste die Beklagte zunächst eine internistische Begutachtung durch Dr. M ... Dieser diagnostizierte bei der Klägerin degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Sensibilitätsstörungen und der Lendenwirbelsäule mit belastungsabhängigen Beschwerden, Restbeschwerden nach Karpaltunneloperation rechts 2009 und Karpaltunnelsyndrom links sowie eine Dysthymie bei Arbeitsplatzkonflikt und sah bei der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von wenigstens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung von weiteren qualitativen Einschränkungen (keine einseitige Körperhaltung, keine Überkopfarbeiten, ohne dauernde höhere Ansprüche an die Feinmotorik). Mit Bescheid vom 22.02.2011 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hin veranlasste die Beklagte weitere Begutachtungen auf nervenärztlichem Gebiet durch Dr. E.-D. sowie auf orthopädischem-chirurgischem Gebiet durch Dr. R ... Dr. E.-D. diagnostizierte bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, Restbeschwerden nach Karpaltunnel-OP rechts und ein Karpaltunnelsyndrom links sowie einen von der Klägerin angegebenen phobischen Schwankschwindel. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechs Stunden und mehr unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen ausüben (ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Akkord, ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen). Dr. R. sah bei der Klägerin Zervicobrachialgien und Zervicocephalgien bei degenerativen HWS-Veränderungen und NPP C5/6 und C6/C7 ohne wesentliche Funktionseinschränkungen sowie leichte degenerative Lendenwirbelsäulenveränderungen ohne wesentliche Beschwerden oder Funktionseinschränkung. Er bestätigte ein Leistungsvermögen der Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne dauerhaft starke Belastung des rechten Armes im zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.
Das hiergegen am 29.09.2011 angerufene Sozialgericht Ulm hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. B. hat aus rein orthopädischer Sicht die Klägerin für imstande erachtet, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuführen. Der Dipl.-Psychologe und Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat u. a. von Beschwerden und Schmerzen der Halswirbelsäule, einem Karpaltunnelsyndrom mit Operation sowie einer depressiver Verstimmung berichtet und ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden angenommen. Zuletzt hat der Dipl. Psychologe H. bei von ihm angenommener mittelgradiger depressiver Störung gleichfalls ein vollschichtiges Leistungsvermögen verneint.
Das Sozialgericht hat ferner eine Begutachtung durch den Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in H. und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z. auf psychiatrischem Gebiet veranlasst. Dr. Z. hat bei der Klägerin auf Grundlage einer ambulanten Untersuchung im Februar 2012 eine leichtgradige depressive Episode diagnostiziert. Für eine somatoforme Schmerzstörung seien die Diagnosekriterien nicht erfüllt. Aus rein psychiatrischer Sicht sei eine Tätigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von wenigstens sechs Stunden täglich ohne weitere qualitative Einschränkungen möglich. In einer ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige an seiner Einschätzung festgehalten. Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das Sozialgericht weiterhin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. S. , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat die Diagnose einer leichten depressiven Störung bestätigt und zusätzlich eine leichte bis mittelschwere anhaltende somatoforme Schmerzstörung angenommen. Daneben hat er bei der Klägerin einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule festgestellt, der jedoch nicht mit objektivierbaren neurologischen Ausfallserscheinungen einhergehe. Er hat die Klägerin im Stande gesehen, leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen (keine Nachtarbeit, keine Akkordarbeit, keine Arbeiten unter hohem Zeitdruck und ständigem Publikumsverkehr) ohne zeitliche Einschränkungen, also mindestens sechs Stunden täglich, auszuüben.
Mit Urteil vom 06.12.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich dabei zur Begründung auf die Gutachten der Dres. Z. und R. , welche durch die Gutachten der Dres. E.-D. , M. und S. bestätigt würden, gestützt. Danach würden bei der Klägerin weder auf orthopädischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen vorliegen, die zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führten. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme von vorherein nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen das ihr am 23.01.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.02.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen, insbesondere auf orthopädischem Gebiet sowie die vorliegende Depressionserkrankung würden durch die gerichtlichen Gutachten nicht hinreichend gewürdigt. Ihr Gesundheitszustand habe sich insbesondere im Hinblick auf die Halswirbelsäule weiter verschlimmert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.12.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 22.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit ab 01.12.2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat Dr. B. sowie den Orthopäden Dr. D. als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. B. hat mitgeteilt, er habe die Klägerin zuletzt im Dezember 2011 behandelt. Dr. D. hat bei der Klägerin bei von ihm diagnostizierten Hals- und Wirbelsäulenschmerzen bei Fehlstatik und myostatischer Dysbalance mit Funktions- und Belastungsdefizit bei polysegmentaler Blockierungssymptomatik und Bandscheibenvorfall C5/6 ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten von sechs Stunden täglich (ohne schweres Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel, ohne Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, häufige Überkopfarbeiten sowie häufiges Bücken) bestätigt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Lediglich ergänzend sind noch folgende Ausführungen veranlasst: Eine quantitative Leistungseinschränkung resultiert vorliegend auch nicht aus der von Dr. S. diagnostizierten leichten bis mittelschweren anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Eine solche somatoforme Schmerzstörung haben auch Dr. M. und Dr. E.-D. angenommen, wohingegen Dr. Z. die Voraussetzungen nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (sog. ICD-10) hierfür nicht erfüllt gesehen hat. Maßgeblich ist indes weniger die korrekte diagnostische Verortung der Erkrankung nach ICD-10 sondern vielmehr die hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigung, für deren Beurteilung bei fehlendem organischen Korrelat der Konsistenzprüfung entscheidende Bedeutung zukommt. Diese wiederum stützt sich maßgeblich auf den Aspekt der Verhaltensbeobachtung, den Aspekt der Plausibilität, den weiteren inhaltlichen Kontext und den psychopathologischen Befund. Dr. S. hat zunächst schon kein Schmerz- oder Schonverhalten im Rahmen der umfangreichen Exploration als Indiz für eine belangvolle Schmerzerkrankung feststellen können. Dr. E.-D. berichtete von einem motorisch unauffälligen zügigen Bewegungsbild; Gleiches berichtete sie bezüglich des An- und Auskleidens. Auch eine schmerztherapeutische Behandlung im eigentlichen Sinne ist - s.o. - bislang nicht erfolgt und von der Klägerin auch nicht als notwendig erachtet worden. Auch die Alltagsgestaltung - so übernimmt sie für ihre Mutter die Einkäufe, begleitet diese gelegentlich, hilft dieser beim Putzen und führt noch ihren Haushalt alleine (vgl. hierzu die Schilderung im Gutachten von Dr. S. sowie im Erörterungstermin am 22.07.2014) - wie auch ihre freiberufliche Tätigkeit als Tierheilpraktikerin in einem arbeitstäglichen Umfang von vier Stunden täglich sprechen gegen eine derart belangvolle Schmerzerkrankung, dass diese selbst leichten Arbeiten in einem täglichen Umfang von sechs Stunden an fünf Wochentagen entgegenstehen könnte. Soweit die Sachverständigen überhaupt eine Schmerzerkrankung angenommen haben, sind diese dementsprechend übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin auch unter Berücksichtigung dieser keine quantitative Leistungseinschränkungen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vorliegt.
Ohnedies geht auch der von der Klägerin beauftragte Sachverständige Dr. S. - wie bereits Dr. Z. - davon aus, dass die Klägerin die Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet bei adäquater Behandlung in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten weitestgehend überwinden kann. Er hält weitergehend die Klägerin sogar für im Stande, ihre Beschwerden bei zumutbarer Willensanstrengung aus eigener Kraft zumindest teilweise zu überwinden. Die durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit muss aber voraussichtlich auf längere Dauer, d.h. für länger als sechs Monate vorliegen. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG a.a.O.).
Soweit die Klägerin in der Berufung eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands auf orthopädischem Gebiet, insbesondere im Hinblick auf den Bereich der Halswirbelsäule vorgetragen hat, hat sich dies im Rahmen der vom Senat durchgeführten Sachaufklärung nicht bestätigt. So hat die Klägerin Dr. B. nach seiner letzten Stellungnahme gegenüber den Sozialgericht nicht mehr aufgesucht. Dem Befund von Dr. D. (Hals- und Wirbelsäulenschmerzen bei Fehlstatik und myostatischer Dysbalance mit Funktions- und Belastungsdefizit bei polysegmentaler Blockierungssymptomatik und Bandscheibenvorfall C5/6) lässt sich gleichfalls keine relevante Verschlechterung entnehmen. Dies bestätigt sich auch in der Leistungseinschätzung durch Dr. D ... Dieser schließt auf Grund des bestehenden Bandscheibenvorfalls und der Fehlstatik schweres Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel, Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, häufiges Überkopfarbeiten sowie häufiges Bücken aus. Damit befindet er sich mit der Leistungseinschätzung der Sachverständigen im Einklang, wonach der Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen unter Berücksichtigung von weiteren qualitativen Einschränkungen (Vermeidung von Nachtarbeit, Akkordarbeit, Arbeit unter hohem Zeitdruck und mit ständigem Publikumsverkehr, Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen, dauerhaft starker Belastung des rechten Armes und besondere Anforderungen an die Feinmotorik, schwerem Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmitteln sowie häufigem Bücken) zumutbar sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Die am 1972 geborene Klägerin erlernte zunächst den Beruf der Maschinenbaumechanikerin, in welchem sie bis 2011 arbeitete; berufsbegleitend durchlief sie eine Ausbildung zur Tierheilpraktikerin. Seit 2011 ist sie als selbständige Tierheilpraktikerin in einem zeitlichen Umfang von vier Stunden täglich tätig.
Auf ihren Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente vom 29.12.2010 hin veranlasste die Beklagte zunächst eine internistische Begutachtung durch Dr. M ... Dieser diagnostizierte bei der Klägerin degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Sensibilitätsstörungen und der Lendenwirbelsäule mit belastungsabhängigen Beschwerden, Restbeschwerden nach Karpaltunneloperation rechts 2009 und Karpaltunnelsyndrom links sowie eine Dysthymie bei Arbeitsplatzkonflikt und sah bei der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von wenigstens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung von weiteren qualitativen Einschränkungen (keine einseitige Körperhaltung, keine Überkopfarbeiten, ohne dauernde höhere Ansprüche an die Feinmotorik). Mit Bescheid vom 22.02.2011 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hin veranlasste die Beklagte weitere Begutachtungen auf nervenärztlichem Gebiet durch Dr. E.-D. sowie auf orthopädischem-chirurgischem Gebiet durch Dr. R ... Dr. E.-D. diagnostizierte bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, Restbeschwerden nach Karpaltunnel-OP rechts und ein Karpaltunnelsyndrom links sowie einen von der Klägerin angegebenen phobischen Schwankschwindel. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechs Stunden und mehr unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen ausüben (ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Akkord, ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen). Dr. R. sah bei der Klägerin Zervicobrachialgien und Zervicocephalgien bei degenerativen HWS-Veränderungen und NPP C5/6 und C6/C7 ohne wesentliche Funktionseinschränkungen sowie leichte degenerative Lendenwirbelsäulenveränderungen ohne wesentliche Beschwerden oder Funktionseinschränkung. Er bestätigte ein Leistungsvermögen der Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne dauerhaft starke Belastung des rechten Armes im zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.
Das hiergegen am 29.09.2011 angerufene Sozialgericht Ulm hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. B. hat aus rein orthopädischer Sicht die Klägerin für imstande erachtet, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuführen. Der Dipl.-Psychologe und Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat u. a. von Beschwerden und Schmerzen der Halswirbelsäule, einem Karpaltunnelsyndrom mit Operation sowie einer depressiver Verstimmung berichtet und ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden angenommen. Zuletzt hat der Dipl. Psychologe H. bei von ihm angenommener mittelgradiger depressiver Störung gleichfalls ein vollschichtiges Leistungsvermögen verneint.
Das Sozialgericht hat ferner eine Begutachtung durch den Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in H. und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z. auf psychiatrischem Gebiet veranlasst. Dr. Z. hat bei der Klägerin auf Grundlage einer ambulanten Untersuchung im Februar 2012 eine leichtgradige depressive Episode diagnostiziert. Für eine somatoforme Schmerzstörung seien die Diagnosekriterien nicht erfüllt. Aus rein psychiatrischer Sicht sei eine Tätigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von wenigstens sechs Stunden täglich ohne weitere qualitative Einschränkungen möglich. In einer ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige an seiner Einschätzung festgehalten. Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das Sozialgericht weiterhin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. S. , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat die Diagnose einer leichten depressiven Störung bestätigt und zusätzlich eine leichte bis mittelschwere anhaltende somatoforme Schmerzstörung angenommen. Daneben hat er bei der Klägerin einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule festgestellt, der jedoch nicht mit objektivierbaren neurologischen Ausfallserscheinungen einhergehe. Er hat die Klägerin im Stande gesehen, leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen (keine Nachtarbeit, keine Akkordarbeit, keine Arbeiten unter hohem Zeitdruck und ständigem Publikumsverkehr) ohne zeitliche Einschränkungen, also mindestens sechs Stunden täglich, auszuüben.
Mit Urteil vom 06.12.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich dabei zur Begründung auf die Gutachten der Dres. Z. und R. , welche durch die Gutachten der Dres. E.-D. , M. und S. bestätigt würden, gestützt. Danach würden bei der Klägerin weder auf orthopädischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen vorliegen, die zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führten. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme von vorherein nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen das ihr am 23.01.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.02.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen, insbesondere auf orthopädischem Gebiet sowie die vorliegende Depressionserkrankung würden durch die gerichtlichen Gutachten nicht hinreichend gewürdigt. Ihr Gesundheitszustand habe sich insbesondere im Hinblick auf die Halswirbelsäule weiter verschlimmert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.12.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 22.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit ab 01.12.2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat Dr. B. sowie den Orthopäden Dr. D. als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. B. hat mitgeteilt, er habe die Klägerin zuletzt im Dezember 2011 behandelt. Dr. D. hat bei der Klägerin bei von ihm diagnostizierten Hals- und Wirbelsäulenschmerzen bei Fehlstatik und myostatischer Dysbalance mit Funktions- und Belastungsdefizit bei polysegmentaler Blockierungssymptomatik und Bandscheibenvorfall C5/6 ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten von sechs Stunden täglich (ohne schweres Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel, ohne Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, häufige Überkopfarbeiten sowie häufiges Bücken) bestätigt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Lediglich ergänzend sind noch folgende Ausführungen veranlasst: Eine quantitative Leistungseinschränkung resultiert vorliegend auch nicht aus der von Dr. S. diagnostizierten leichten bis mittelschweren anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Eine solche somatoforme Schmerzstörung haben auch Dr. M. und Dr. E.-D. angenommen, wohingegen Dr. Z. die Voraussetzungen nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (sog. ICD-10) hierfür nicht erfüllt gesehen hat. Maßgeblich ist indes weniger die korrekte diagnostische Verortung der Erkrankung nach ICD-10 sondern vielmehr die hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigung, für deren Beurteilung bei fehlendem organischen Korrelat der Konsistenzprüfung entscheidende Bedeutung zukommt. Diese wiederum stützt sich maßgeblich auf den Aspekt der Verhaltensbeobachtung, den Aspekt der Plausibilität, den weiteren inhaltlichen Kontext und den psychopathologischen Befund. Dr. S. hat zunächst schon kein Schmerz- oder Schonverhalten im Rahmen der umfangreichen Exploration als Indiz für eine belangvolle Schmerzerkrankung feststellen können. Dr. E.-D. berichtete von einem motorisch unauffälligen zügigen Bewegungsbild; Gleiches berichtete sie bezüglich des An- und Auskleidens. Auch eine schmerztherapeutische Behandlung im eigentlichen Sinne ist - s.o. - bislang nicht erfolgt und von der Klägerin auch nicht als notwendig erachtet worden. Auch die Alltagsgestaltung - so übernimmt sie für ihre Mutter die Einkäufe, begleitet diese gelegentlich, hilft dieser beim Putzen und führt noch ihren Haushalt alleine (vgl. hierzu die Schilderung im Gutachten von Dr. S. sowie im Erörterungstermin am 22.07.2014) - wie auch ihre freiberufliche Tätigkeit als Tierheilpraktikerin in einem arbeitstäglichen Umfang von vier Stunden täglich sprechen gegen eine derart belangvolle Schmerzerkrankung, dass diese selbst leichten Arbeiten in einem täglichen Umfang von sechs Stunden an fünf Wochentagen entgegenstehen könnte. Soweit die Sachverständigen überhaupt eine Schmerzerkrankung angenommen haben, sind diese dementsprechend übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin auch unter Berücksichtigung dieser keine quantitative Leistungseinschränkungen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vorliegt.
Ohnedies geht auch der von der Klägerin beauftragte Sachverständige Dr. S. - wie bereits Dr. Z. - davon aus, dass die Klägerin die Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet bei adäquater Behandlung in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten weitestgehend überwinden kann. Er hält weitergehend die Klägerin sogar für im Stande, ihre Beschwerden bei zumutbarer Willensanstrengung aus eigener Kraft zumindest teilweise zu überwinden. Die durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit muss aber voraussichtlich auf längere Dauer, d.h. für länger als sechs Monate vorliegen. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG a.a.O.).
Soweit die Klägerin in der Berufung eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands auf orthopädischem Gebiet, insbesondere im Hinblick auf den Bereich der Halswirbelsäule vorgetragen hat, hat sich dies im Rahmen der vom Senat durchgeführten Sachaufklärung nicht bestätigt. So hat die Klägerin Dr. B. nach seiner letzten Stellungnahme gegenüber den Sozialgericht nicht mehr aufgesucht. Dem Befund von Dr. D. (Hals- und Wirbelsäulenschmerzen bei Fehlstatik und myostatischer Dysbalance mit Funktions- und Belastungsdefizit bei polysegmentaler Blockierungssymptomatik und Bandscheibenvorfall C5/6) lässt sich gleichfalls keine relevante Verschlechterung entnehmen. Dies bestätigt sich auch in der Leistungseinschätzung durch Dr. D ... Dieser schließt auf Grund des bestehenden Bandscheibenvorfalls und der Fehlstatik schweres Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel, Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, häufiges Überkopfarbeiten sowie häufiges Bücken aus. Damit befindet er sich mit der Leistungseinschätzung der Sachverständigen im Einklang, wonach der Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen unter Berücksichtigung von weiteren qualitativen Einschränkungen (Vermeidung von Nachtarbeit, Akkordarbeit, Arbeit unter hohem Zeitdruck und mit ständigem Publikumsverkehr, Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen, dauerhaft starker Belastung des rechten Armes und besondere Anforderungen an die Feinmotorik, schwerem Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmitteln sowie häufigem Bücken) zumutbar sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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