L 9 R 1420/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1420/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. April 2014 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger gewährten Altersrente für langjährig Versicherte, insbesondere die rentenrechtliche Berücksichtigung der vom Kläger in Kroatien zurückgelegten Versicherungszeiten streitig.

Der 1947 in Kroatien geborene Kläger hat dort bis März 1991 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Seit Juni 1991 lebt er in Deutschland; zwischenzeitlich ist er deutscher Staatsangehöriger.

Aufgrund seines Rentenantrags vom 16.02.2012 leitete die Beklagte ein zwischenstaatliches Verfahren nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit ein.

Der kroatische Versicherungsträger teilte der Beklagten unter dem 24.07.2012 mit, der Kläger habe in Kroatien in der Zeit vom 20.08.1969 bis 30.09.1969, vom 14.10.1969 bis 11.05.1970, vom 23.12.1972 bis 25.08.1983 und vom 15.05.1986 bis 16.03.1991 Versicherungszeiten nach kroatischem Recht in Form von Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.

Mit Bescheid vom 09.08.2012 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01.06.2012 in Höhe von monatlich 449,74 EUR netto (500,54 EUR brutto). Der Bescheid enthält den Hinweis, dass die Rente unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit vom 24.11.1997 (AbkSozSich Kroatien) festgestellt worden sei. Bei der Rentenberechnung nach dem deutsch-kroatischen Abkommen sei die Einbeziehung der ausländischen Versicherungszeiten nicht möglich. Die Rente sei allein aus den nach deutschen Rechtsvorschriften anrechenbaren Zeiten zu berechnen. In dem als Anlage 2 beigefügten Versicherungsverlauf werden die durch den kroatischen Versicherungsträger mitgeteilten Zeiten als "Pflichtbeitragszeit (nur für den Anspruch)" vermerkt.

Seinen hiergegen am 06.09.2012 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Rentenhöhe im Hinblick auf sein 20-jähriges Arbeitsleben in Deutschland zu niedrig sei. Er habe ferner bis 1992 in Kroatien gearbeitet. Insofern werde ein Antrag auf Kontenklärung bezüglich der in Kroatien zurückgelegten Zeiten gestellt und auf das AbkSozSich Kroatien verwiesen. Im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens gab der Kläger an, in der Zeit vom 20.08.1969 bis 16.03.1991 in Kroatien Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt zu haben. Vom 01.09.1962 bis zum 01.07.1964 habe er eine Berufsausbildung in der Gastronomie absolviert. Nachweise hierüber lägen nicht mehr vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück mit der Begründung, die dem Kläger bewilligte Altersrente für langjährig Versicherte sei in richtiger Höhe festgestellt worden. Weitere rentenrechtliche Zeiten oder Tatbestände mit Auswirkung auf die Summe der Entgeltpunkte lägen nicht vor. Mit den vom Kläger bis zum Rentenbeginn insgesamt zurückgelegten 17,8318 persönlichen Entgeltpunkten ergebe sich die ihm gewährte monatliche Bruttorente in Höhe von 500,54 EUR. Die vom Kläger in Kroatien zurückgelegten Versicherungszeiten seien gemäß Art. 25 Abs. 4, Art. 26 Abs. 1 AbkSozSich Kroatien nicht rentenerhöhend zu berücksichtigen, sondern allein im Hinblick auf die Erfüllung der Wartezeit nach Art. 25 Abs. 1 AbkSozSich Kroatien relevant.

Hiergegen hat der Kläger am 03.12.2012 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die dargelegte rechtliche Würdigung der Beklagten übersehe die Ausnahmetatbestände der §§ 70 Abs. 3a und 262 SGB VI. Somit sei die beim Kläger unstreitig vorliegende Voraussetzung einer 25- bzw. 35-jährigen Versicherungszeit unter Zusammenrechnung der deutschen mit den kroatischen Versicherungszeiten erfüllt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 19.02.2014 die Klage abgewiesen. Die vom Kläger in Kroatien zurückgelegten Versicherungszeiten wirkten sich nicht auf die Höhe der ihm mit den angefochtenen Bescheiden gewährten Regelaltersrente aus. Diesbezüglich verweise die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 28.11.2012 zutreffend auf Art. 25 Abs. 4 und 26 Abs. 1 des am 01.12.1998 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Bunderepublik Deutschland und der Republik Kroatien vom 24.11.1997 (BGBl II 1998, 2034) (AbkSozSich Kroatien), ratifiziert durch das Gesetz zu dem Abkommen vom 24.11.1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit vom 25.08.1998 (BGBL II 1998, S. 2032), das durch Art. 2 Nr. 12 des Gesetzes vom 27.04.2002 (BGBl I, S. 1464) geändert worden sei. Nach Art. 25 Abs. 1 AbkSozSich Kroatien würden für den Leistungsanspruch nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften zwar auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die für einen Leistungsanspruch nach Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats anrechenbar seien und nicht auf dieselbe Zeit entfielen. Die Berechnung der Rente richte sich gemäß Art. 25 Abs. 4 AbkSozSich Kroatien jedoch nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften des jeweiligen Vertragsstaates, soweit in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt sei. Art. 26 Abs. 1 AbkSozSich Kroatien bestimme insoweit aber gerade, dass Grundlage für die Ermittlung persönlicher Entgeltpunkte die Entgeltpunkte seien, die sich nach den deutschen Rechtsvorschriften ergäben. Deren Berücksichtigung im Rahmen des mit der Klage verfolgten Ziels einer höheren Rentengewährung komme daher nicht in Betracht. Die §§ 70 Abs. 3a und 262 SGB VI kämen ebenfalls nicht zur Anwendung. Die Anwendbarkeit des § 262 SGB VI scheitere bereits daran, dass der Kläger ausweislich des insoweit unbestrittenen Versicherungsverlaufs erst ab dem 11.03.1992 Pflichtversicherungszeiten in Deutschland zurückgelegt habe. Die vom Kläger begehrte Rechtsfolge des § 262 SGB VI mit der Zuordnung zusätzlicher Entgeltpunkte vor dem 01.01.1992 gehe für ihn folglich ins Leere. Dies gelte im Falle des Klägers auch für § 70 Abs. 3 SGB VI. Bei dem Kläger fehle es nach dem Jahr 1991 unstreitig an Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines pflegebedürftigen Kindes bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Eine zusätzliche Zuordnung von Entgeltpunkten sei somit ebenfalls nicht in Betracht zu ziehen.

Gegen den ihm am 25.02.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.03.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, durch den EU-Beitritt Kroatiens zum 01.07.2013 würden die in Kroatien zurückgelegten Zeiten in die deutsche Rentenberechnung einbezogen, was zu einer höheren Rente führe. Die zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderung sei durch das SG nicht berücksichtigt worden.

Mit Bescheid vom 02.04.2014 hat die Beklagte aufgrund eines Antrags des Klägers auf Neuberechnung vom 28.03.2014 die Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.06.2012 neu festgestellt. Für die Zeit ab dem 01.04.2014 werden laufend monatlich 456,24 EUR netto (508,34 EUR brutto) gezahlt. Für die Zeit vom 01.07.2013 bis zum 31.03.2014 ist dem Kläger eine Nachzahlung in Höhe 53,01 EUR gewährt worden. Die Rente wurde ab 01.07.2013 neu festgestellt, weil zu diesem Zeitpunkt die Verordnungen (EG) Nr. 883/2014 und Nr. 987/2009 für Kroatien in Kraft getreten sind.

Der Kläger hat erklärt, eine Rücknahme der Berufung komme auch nach Erlass des Bescheides vom 02.04.2014 nicht in Betracht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2012 und Abänderung des Bescheids vom 2. April 2014 zu verpflichten, ihm ab dem 1. Juni 2012 eine höhere Altersrente für langjährig Versicherte unter Einbeziehung der in Kroatien zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Klägervertreter hat sich mit Schriftsatz vom 13.08.2014, die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.08.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch der Bescheid vom 02.04.2014, mit dem die Beklagte die dem Kläger gewährte Altersrente für langjährig Versicherte ab Rentenbeginn (01.06.2012) neu festgestellt hat. Dieser Bescheid ersetzt den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 09.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2012 vollständig, weshalb er gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des schon seit dem 25.03.2014 anhängigen Berufungsverfahren geworden. Anders als im durch das Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Rechtsstreit (Urteil vom 10.10.1978, 7 Rar 65/77, Juris) ist der Kläger durch den Bescheid vom 02.04.2014 nicht vollständig klaglos gestellt, so dass § 96 SGG Anwendung findet. Hierüber entscheidet der Senat auf Klage (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 11. Aufl., § 96 Rdnr. 7, m.w.N.). Bei einem im Laufe des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid, der die mit der Klage angefochtenen Bescheide vollumfänglich ersetzt, bleibt lediglich der Ersetzungsbescheid Gegenstand des Verfahrens, während das Urteil des SG sowie die Berufung wirkungslos werden (BSG, Urteil vom 21.09.2000, B 11 AL 7/00 R, SozR 3-4300 § 147a Nr. 3 und Juris; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2009, L 13 R 1631/08, und vom 23.03.2006, L 10 R 5066/02, Juris).

Die Klage gegen den Bescheid vom 02.04.2014 ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente für langjährig Versicherte hat.

Wegen der Berechnung der Rentenhöhe für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.06.2013, gegen die durch den Kläger im Berufungsverfahren keine substantiierten Einwände vorgebracht worden sind, schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den Ausführungen des SG an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab.

Die Berücksichtigung der in Kroatien zurückgelegten Zeiten richtet sich bis zur Geltung der Verordnungen (VO) EG Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 durch den EU-Beitritt Kroatiens zum 01.07.2013 nach dem am 01.12.1998 in Kraft getretenen Abkommen zwischen der Bunderepublik Deutschland und der Republik Kroatien vom 24.11.1997 (BGBl II 1998, 2034) (AbkSozSich Kroatien), ratifiziert durch das Gesetz zu dem Abkommen vom 24.11.1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit vom 25.08.1998 (BGBl II 1998, S. 2032), das durch Art. 2 Nr. 12 des Gesetzes vom 27.04.2002 (BGBl I, S. 1464) geändert worden ist.

Dieses Abkommen ist auf den Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, nach Art. 3 Ziff. 1 a AbkSozSich Kroatien anwendbar.

Nach den Regelungen dieses Abkommens führen in Kroatien zurückgelegte Beitragszeiten nicht zu einer höheren in der Bundesrepublik Deutschland bezogenen Altersrente für langjährig Versicherte. Denn gemäß Art. 26 Abs. 1 AbkSozSich Kroatien sind Grundlage für die Ermittlung persönlicher Entgeltpunkte die Entgeltpunkte, die sich nach den deutschen Rechtsvorschriften ergeben. Die persönlichen Entgeltpunkte werden daher nur aus den rentenrechtlichen Zeiten ermittelt, die nach den deutschen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind. Damit sind die in Kroatien zurückgelegten Beitragszeiten bei der Ermittlung der Entgeltpunkte nicht einzustellen und wirken sich auch nicht rentenerhöhend aus (vgl. Senatsbeschluss v. 23.05.2012, L 9 R 4574/10). Die Beklagte hat für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.06.2013 die Rentenhöhe zutreffend ohne Berücksichtigung der in Kroatien zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten berechnet.

Hinsichtlich der Rentenberechnung ab dem 01.07.2013, die unter Berücksichtigung der in Kroatien zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten erfolgt ist, sind keine Einwände vorgebracht worden und für den Senat auch nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger sich auf §§ 70 Abs. 3a und 262 SGB VI beruft, hat das SG bereits zutreffend ausgeführt, dass diese Vorschriften ebenfalls nicht zur Anwendung kommen. Auch insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

Nach alledem war der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.04.2014 nicht zu beanstanden. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens hat der Senat berücksichtigt, dass der ursprünglich angefochtene Bescheid vom 09.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2012 bis zum EU-Beitritt Kroatiens am 01.07.2013 und damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 03.12.2012 nicht zu beanstanden war. Die Beklagte hat keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben und der Änderung der Rechtslage zum 01.07.2013 mit Erlass des Bescheides vom 02.04.2014 Rechnung getragen. Gründe für das Festhalten an dem Rechtsstreit auch nach Erlass des Bescheides vom 02.04.2014 sind nicht dargetan worden. Die Bruttorente des Klägers hat sich um 7,80 EUR und damit lediglich um rund 1,6 % erhöht, so dass dessen Obsiegen insgesamt als geringfügig anzusehen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG)
Rechtskraft
Aus
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