L 10 R 4811/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1456/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4811/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.

Der am 1953 geborene Kläger absolvierte von 1970 bis 1974 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser. Seinen Angaben zu Folge war er anschließend bis 1998 in seinem Ausbildungsberuf tätig und sodann von 1999 bis 2001 als LKW-Beifahrer. Zuletzt war der Kläger vom 02.09. bis 20.12.2002 und vom 03. bis 07.02.2003 als Wartungshelfer (Reinigung von Maschinen) bzw. Hilfsarbeiter (Reinigungsarbeiten) beschäftigt (vgl. Arbeitgeberauskunft der Firma W. bzw. der Firma V. , Bl. 47/54 VerwA). Seither ist der Kläger ohne Beschäftigung.

Im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme wurde der Kläger vom 20.01. bis 08.02.2011 in der T. Bad K. unter den Diagnosen arterielle Hypertonie, gelegentlich Angina pectoris-Beschwerden, behandelt. Ausweislich des entsprechenden Entlassungsberichts erachteten die behandelnden Ärzte den Kläger sowohl in seinem Ausbildungsberuf als auch für leichte bis mittelschwere berufliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden und mehr leistungsfähig.

Im Februar 2011 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Seinen Antrag begründete er mit einer arteriellen Hypertonie, orthopädischen Einschränkungen sowie einem Hörschaden beidseits. Nach Auswertung des Entlassungsberichts der T. Bad K. lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 04.04.2011 ab und führte zur Begründung aus, mit seinem Leistungsvermögen könne er sowohl in seinem Beruf als Maschinenschlosser als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest sechs Stunden täglich tätig sein, weshalb weder volle noch teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliege. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, sein Leistungsvermögen liege wegen Herzproblemen unter drei Stunden täglich. Er legte das Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin W. vom 30.08.2011 vor, wonach verminderte Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit vorliege (insbesondere Schmerzen in verschiedenen Gelenken hinderten den Kläger bei der Fortbewegung und an Maßnahmen des täglichen Lebens). Die Beklagte holte Auskünfte der letzten Arbeitgeber des Klägers ein und veranlasste ein Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. , die den Kläger im Februar 2012 untersuchte. Die Gutachterin diagnostizierte einen arteriellen Bluthochdruck (medikamentös behandelt) mit rezidivierend auftretenden pectanginösen Beschwerden, eine Fehlstatik des Achsenskeletts mit leichtgradiger Bewegungs- und Funktionseinschränkung des Kopfes sowie eine Schwerhörigkeit beidseits (Versorgung mittels Hörgeräten) und erachtete den Kläger lediglich noch für fähig, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung auszuüben. Zu vermeiden seien Nachtschicht, häufig wechselnde Arbeitszeiten, hohe Anforderungen an das Konzentrations,- Reaktions-, Umstellungs-, Anpassungs- und Hörvermögen, Zwangshaltungen für die Wirbelsäule, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, extrem schwankende Temperaturen und Arbeiten in großer Hitze. Derartige Tätigkeiten seien in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr möglich. Die Tätigkeit als Maschinenschlosser sei nicht mehr leidensgerecht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2012 wurde der Widerspruch mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, dass zwar eine Tätigkeit als Maschinenschlosser nicht mehr zumutbar sei, teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit jedoch gleichwohl nicht vorliege, weil als bisheriger Beruf auf die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Wartungshelfer/Reinigungshelfer abzustellen sei und nicht auf den Ausbildungsberuf des Maschinenschlossers. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei im Übrigen noch vollschichtig möglich.

Mit seiner am 16.04.2012 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er könne selbst in der Tätigkeit als Wartungshelfer/Reinigungshelfer nicht mehr drei Stunden täglich tätig sein. Im Übrigen liege Berufsunfähigkeit vor, da maßgeblicher Bezugsberuf die Tätigkeit des Maschinenschlossers sei, die er rund 25 Jahre versicherungspflichtig verrichtet habe, zuletzt bis Ende der 1990er-Jahre bei der Firma W. in Gaggenau. Tätigkeiten als Wartungshelfer bzw. Reinigungshelfer habe er lediglich vorübergehend ausgeübt.

Das SG hat die Allgemeinmedizinerin W. schriftlich als sachverständige Zeugin angehört. Diese hat von sporadischen Vorstellungen des Klägers seit Oktober 2009 zumeist wegen sozialmedizinischer Sorgen, wegen einer Erkältung und einer Check-up-Untersuchung sowie darüber berichtet, dass sie den Kläger zwar mehrmals zu Fachärzten überwiesen habe, dieser sich dort ihres Wissens jedoch - mit Ausnahme einer hno-ärztlichen Vorstellung (Diagnose: Schwerhörigkeit) - nie vorgestellt habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2013 hat das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, auf Grund der im Vordergrund der Beeinträchtigungen des Klägers stehenden kardiologischen Erkrankung (arterieller Bluthochdruck mit wiederkehrend auftretenden pectanginösen Beschwerden) sei er zwar in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt und könne nur noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen verrichten, jedoch begründe dies bei einem Leistungsvermögen von zumindest sechs Stunden täglich weder volle noch teilweise Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Denn ausgehend von seinem beruflichen Werdegang habe sich der Kläger von seinem Beruf als Maschinenschlosser gelöst. So habe er seit dem Jahr 1998 keine Tätigkeit als Maschinenschlosser mehr ausgeübt, statt dessen sei er etwa zwei Jahre als LKW-Beifahrer tätig gewesen und habe nachfolgend überwiegend Reinigungs- oder Wartungsarbeiten ausgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass er die Tätigkeit als Maschinenschlosser aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, bestünden nicht.

Am 08.11.2013 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe zu Unrecht den von ihm benannten behandelnden Arzt Dr. J. nicht als sachverständigen Zeugen angehört. Dort habe er sich nicht nur wegen Herzbeschwerden, sondern auch wegen Taubheitsgefühlen im gesamten linken Arm vorgestellt. Nach dessen Mitteilung habe er einen Schlaganfall erlitten. Eine Verschlechterung sei auch im Hinblick auf seine Lunge eingetreten. Zu Unrecht sei das SG im Übrigen davon ausgegangen, dass er sich von dem Beruf des Maschinenschlossers gelöst habe. Denn bei der Firma W. in G. habe er nicht nur Reinigungs- und Wartungsarbeiten, sondern auch Arbeiten als Maschinenschlosser ausgeführt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.10.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. J. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat von sporadischen Vorstellungen seit Juli 2013 insbesondere wegen Reizhusten, einer Bissverletzung im rechten Zeigefinger, Schmerzen im LWS-Bereich sowie einem Harnverhalt berichtet. Den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen hat er auf kardiologischem Fachgebiet gesehen. Zu einer Leistungsbeurteilung hat er sich nicht in der Lage gesehen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 04.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Ihm steht daher weder volle noch teilweise Rente wegen Erwerbsminderung zu.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen der geltend gemachten Ansprüche (§§ 43, 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt, weil ihm leichte körperliche Tätigkeiten im wechselnder Arbeitshaltung unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (keine Nachtschicht, keine hohen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, keine hohen Anforderungen an das Hörvermögen, keine Wirbelsäulenzwangshaltungen, keine häufigen Überkopfarbeiten, kein häufiges Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten bei extrem schwankenden Temperaturen und in großer Hitze) noch im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich zugemutet werden können und mit diesem Leistungsvermögen im Sinne der genannten gesetzlichen Regelungen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Im Hinblick auf die geltend gemachte Berufsunfähigkeit hat das SG gleichermaßen zutreffend die Grundsätze des von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass als bisheriger Beruf des Klägers im Sinne des Mehrstufenschemas nicht sein Ausbildungsberuf als Maschinenschlosser angesehen werden kann, weil er sich hiervon mit Ausübung der Beschäftigung als LKW-Beifahrer in der Zeit von 1999 bis 2001 löste und er anschließend lediglich noch ungelernte Tätigkeiten verrichtete, so dass er keinen Berufsschutz genießt und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann. Der Senat sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers und die vom Senat durchgeführten weiteren Ermittlungen darauf hinzuweisen, dass sich insbesondere die vom Kläger geltend gemachte Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nicht bestätigt hat. Soweit der Kläger vorgebracht hat, einen Schlaganfall erlitten zu haben, haben die von Dr. J. veranlassten neurologischen Untersuchungen - wie den von ihm vorgelegten Arztbriefen entnommen werden kann - Entsprechendes gerade nicht nachgewiesen. In Bezug auf das vom Kläger insoweit geltend gemachte Taubheitsgefühl im gesamten linken Arm hat der Facharzt für Neurologie Dr. H. ausweislich seines Arztbriefes vom 18.12.2013 anlässlich der am 11.12.2013 erfolgten neurologischen Untersuchungen nämlich keinen relevanten Befund erhoben. Auch von lungenfachärztlicher Seite ist keine Verschlechterung mit Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen ersichtlich. Insoweit ergibt sich aus dem von Dr. J. vorgelegten Arztbrief des Facharztes für Innere Medizin/Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. P. vom 26.02.2014 zwar, dass der Kläger Anfang Februar 2014 wegen Angst und schwerer Luftnot notärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, jedoch führt Dr. P. weiter aus, dass der Kläger seither konsequent eine inhalative Therapie durchführt und dadurch wieder Beschwerdefreiheit - selbst nachts - eingetreten ist. Dementsprechend hat Dr. J. auch ohne weiteres nachvollziehbar eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers seit Behandlungsbeginn im Juli 2013 verneint. Soweit Dr. J. den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen des Klägers auf kardiologischem Fachgebiet gesehen hat, steht dies in Einklang mit der Einschätzung der Beklagten und ihr folgend dem SG. Auch der Senat teilt die Auffassung, dass der Kläger in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit in erster Linie von kardiologischer Seite eingeschränkt ist und ihm im Hinblick auf die Herzerkrankung lediglich noch leichte berufliche Tätigkeiten zugemutet werden können. Für eine insoweit eingetretene Verschlimmerung finden sich weder in den von Dr. J. vorgelegten Karteikartenauszügen noch den dem Senat überlassenen Arztbriefen Anhaltspunkte. Entsprechendes hat im Übrigen auch der Kläger selbst nicht geltend gemacht. Soweit er sich zuletzt auf aktuelle und seinem Schriftsatz beigefügte Befunde berufen hat, ist darauf hinzuweisen, dass diese im Wesentlichen bereits der Auskunft des Dr. J. beigefügt waren und der darüber hinaus vorgelegte (weitere) Befundbericht der Notfallambulanz der Urologischen Klinik des Städtischen Klinikums K. über eine am 05.03.2014 erfolgte neuerliche Vorstellung (akuter Harnverhalt nach Katheterentfernung) eine Akutbehandlung betrifft, aus der sich keine rentenrelevanten Leistungseinschränkungen ableiten lassen.

Soweit der Kläger geltend macht, er habe sich von seinem Beruf als Maschinenschlosser nicht gelöst, weil er bei der Firma W. in G. neben Reinigungs- und Wartungsarbeiten auch Arbeiten als Maschinenschlosser ausgeführt habe, ist darauf hinzuweisen, dass das SG seiner Beurteilung bereits zu Grunde gelegt hat, dass der Kläger bis 1998 als Maschinenschlosser tätig war und eine Lösung vom Ausbildungsberuf nicht deshalb bejaht hat, weil der Kläger dort auch Reinigungsdienst verrichtete (so seine Angaben anlässlich der Antragstellung; Bl. 10 VerwA). Dem entsprechend bedarf es keiner weiteren Klärung, welche konkreten Tätigkeiten der Kläger bei der Firma W. "bis Ende der 90er-Jahre" (so die Angaben in der Klagebegründung) verrichtete. Eine Lösung vom Beruf des Maschinenschlossers erfolgte vielmehr auf Grund des Umstandes, dass der Kläger von 1999 bis 2001 eine ungelernte Tätigkeit als LKW-Beifahrer verrichtete und auch anschließend nicht mehr als Maschinenschlosser, sondern weiterhin lediglich noch als ungelernter Arbeiter tätig war, wie die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskünfte der letzten beiden Arbeitgeber des Klägers ausweisen (Firma W. und Firma V. ).

Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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