L 10 R 5152/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 805/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5152/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1959 geborene Kläger blieb ohne Berufsausbildung und arbeitete als Tankwart, Möbelpacker und zuletzt als Gebäudereiniger. Seit 2002 ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos und bezieht zwischenzeitlich Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II).

Im Jahr 2010 erkrankte der Kläger an einem Prostata-Karzinom (Erstdiagnose 3/2010), woraufhin die Beklagte bei noch laufender Bestrahlungs- und Chemotherapie eine Erwerbsminderungsrente bis einschließlich Juni 2011 bewilligte und diese im Wege der Abhilfe im Widerspruchsverfahren bis Juni 2012 weiter bewilligte.

Den Weiterzahlungsantrag vom 29.04.2012 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.06.2012 auf der Grundlage vom Kläger vorgelegter Befundberichte der behandelnden Ärzte (im Rahmen strahlentherapeutischer Nachsorge wurde ein sehr guter Allgemein- und Ernährungszustand beschrieben, orthopädischerseits eine Arthrose des rechten Hand- und Kniegelenks) und einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. (leichte bis mittelschwere Arbeiten seien täglich sechs Stunden und mehr möglich, zu vermeiden seien häufiges Knien/Hocken, Klettern/Steigen und besondere Belastungen durch Kälte und Nässe) ab. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch Dr. S. , der nach Untersuchung des Klägers im Dezember 2012 im Wesentlichen seine bisherige Beurteilung bestätigte. Zusätzlich seien auf Grund der Handgelenksarthrose Tätigkeiten mit besonderem Anspruch an Geschicklichkeit und Kraft beider Hände nicht mehr möglich. Mit am 06.02.2013 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 01.02.2013 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Das hiergegen am 05.03.2013 angerufene Sozialgericht Mannheim hat zur Aufklärung des Sachverhalts die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Chirurg Dr. H. ist bei seit 2011 deutlich verschlechterter Knie- und Handgelenksarthrose von einem Leistungsvermögen für leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten im Überwachungsbereich von sechs Stunden täglich, für sonstige Tätigkeiten von unter sechs Stunden täglich ausgegangen. Der behandelnde Nervenfacharzt Dr. S. hat über Eintragungen in seinem Computer berichtet, so über die frühere, zwischenzeitlich wieder entfernte Diagnose Rentenneurose, und die zwischenzeitlich eingetragenen Diagnosen, u.a mittelgradige Depression und chronisches Schmerzsyndrom, und hat Zweifel am Bestehen eines Leistungsvermögens des Klägers für sechs Stunden und mehr geäußert. Dr. R. , Facharzt für Urologie, hat berichtet, der Kläger habe ihm gegenüber keine wesentlichen Beschwerden angegeben. Tumorrezidive bzw. Tumorhinweise hätten sich nicht gefunden. Er hat seiner Stellungnahme einen Bericht der radioonkologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Heidelberg vom September 2012 beigefügt, in welchem unter Hinweis auf den unverändert guten Allgemein- und Ernährungszustand des Klägers von einer erfreulichen Nachsorge ohne Hinweis auf Rezidivgeschehen berichtet wurde.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, wie den Bekundungen der behandelnden Ärzte des Klägers zu entnehmen sei. Soweit Dr. S. aus der jahrelangen Abstinenz des Klägers vom Berufsleben und dessen Rentenbegehren schließe, dass eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht mehr möglich sei und diesem deshalb eine Rente gewährt werden müsse, könne dem nicht gefolgt werden. Eine Erkrankung, die auch bei zumutbarer Willensanspannung die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich generell verhindern würde, sei auch auf nervenärztlichem Gebiet nicht nachgewiesen. Nachdem der Kläger auf Grund seiner Berufsbiographie sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne, komme auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht.

Gegen den seinem damaligen Bevollmächtigten am 21.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.11.2013 Berufung eingelegt und diese damit begründet, sein psychischer sowie körperlicher Zustand, insbesondere die ständige depressive Verfassung, die Schweißausbrüche, der fehlende Schlaf, Schmerzen der Arthrose sowie Bandscheibenvorfälle schlössen aus, dass er am normalen Arbeitsleben teilnehmen könne. Er hat zur Untermauerung seines Vorbringens Arztberichte des Dr. S. vom Januar 2014 und von dessen Praxisvertreterin, Dr. B. , vom Juli 2014 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.10.2013 und den Bescheid vom 19.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung über den Juni 2012 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat von Amts wegen eine Begutachtung durch Dr. C. , Facharzt für Orthopädie und Chirotherapie, veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten, beruhend auf einer Untersuchung des Klägers im Mai 2014, bei diesem u. a. Hinweise auf eine Läsion der rechten Rotatorenmanschette ohne Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks mit leichter Muskelschwäche am rechten Oberarm, eine Funktionseinschränkung beider Handgelenke nach Kahnbeinfrakturen und wiederholten operativen Eingriffen, eine Langfingerpolyarthrose beidseits mit Funktionseinschränkung vor allem beider Zeige- und des linken Mittelfingers, daneben eine Rhizarthrose beidseits mit Minderung der Handkraft rechts mehr als links, eine Kniegelenkstotalendoprothese links mit Beugeeinschränkung des linken Kniegelenks sowie eine unvollständig kompensierte Innenband- und kompensierte Außenbandlockerung und eine endgradige vordere Kreuzbandlockerung mit Muskelschwäche am linken Oberschenkel festgestellt. Der Kläger sei damit noch in der Lage, leichte, in Spitzenbelastungen kurzfristig auch mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, zeitweilig auch im Stehen oder Gehen mit gelegentlichem, nicht ständigem Heben und Tragen von Lasten bis fünf Kilogramm, mit gelegentlichem Treppen gehen, mit Bücken, vorübergehend in nach vorn gebeugter Rumpfhaltung sowie in Armvorhalte oder Überkopfarbeit, an Büromaschinen, mit und an laufenden Maschinen, in Schicht- und Nachtarbeit, und bei Berücksichtigung der Funktionseinschränkung der Handgelenke und Beeinträchtigung der Feinmotorik der Finger auch im Akkord, in temperierten Räumen und witterungsabhängig auch im Freien sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Arbeiten die eine uneingeschränkte Einsetzbarkeit der Handgelenke, der Hände oder der Finger einschließlich der Handkraft voraussetzten sowie solche, die mit häufiger Exposition an Kälte, Nässe oder Zugluft verbunden sind, seien zu vermeiden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 i.V.m. 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Zutreffend hat es im Übrigen ausgeführt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gleichfalls ausscheidet, weil der Kläger nach seinem beruflichen Werdegang - er kann allenfalls als angelernter Arbeiter im unteren Bereich eingestuft werden - auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann, ohne dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt dieses Ergebnis. So ist auch der Sachverständige Dr. C. in seinem Gutachten vom Mai 2014 auf orthopädischem Gebiet zu einem Leistungsvermögen von wenigstens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gelangt. Der Sachverständige hat bei dem Kläger Hinweise auf eine Läsion der rechten Rotatorenmanschette ohne Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks, eine Funktionseinschränkung beider Handgelenke nach Kahnbeinfrakturen, eine Langfingerpolyarthrose beiderseits mit Funktionseinschränkung vor allem beider Zeige- und des linken Mittelfingers sowie eine Rhizarthrose beidseits mit Weichteilschwellung über dem rechten Daumensattelgelenk, eine kompensierte mediale Kollateralbandlockerung am rechten Kniegelenk mit Hinweis auf eine beginnende Gonarthrose/Femoropatellararthrose ohne Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks, eine Kniegelenks-TEP links mit Beugeeinschränkung des linken Kniegelenks bei unvollständig kompensierter Innenband-, kompensierter Außenband- und vorderer Kreuzbandlockerung sowie einen mäßigen Spreizfuß, einen leichten Hallux valgus und beginnende Hammerzehen beiderseits ohne Beeinträchtigung der Steh- und Gehfähigkeit festgestellt. Für den Senat nachvollziehbar hat der Sachverständige aus diesen Gesundheitsstörungen auf lediglich qualitative Funktionseinschränkungen geschlossen: Danach können dem Kläger keine schweren und ständig mittelschweren Arbeiten, Arbeiten ausschließlich im Sitzen, überwiegend im Stehen oder Gehen, mit häufigem Treppengehen, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, in ständig nach vorne gebeugter Rumpfhaltung, häufig in Armvorhalte oder Überkopfarbeiten, im Knien, in der Hocke, Arbeiten die eine uneingeschränkte Einsetzbarkeit der Handgelenke, Hände und Finger einschließlich Handkraft voraussetzen sowie Arbeiten unter häufiger Exposition gegenüber Kälte, Nässe oder Zugluft abverlangt werden. Gleichermaßen schlüssig und nachvollziehbar ist der Sachverständige aber unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen von einem zeitlichen Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausgegangen.

Den vorrangigen Funktionsbeeinträchtigungen der Handgelenke und Langfinger mit verminderter Handkraft kann durch die genannten qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend begegnet werden, indem Arbeiten vermieden werden, die eine volle Einsetzbarkeit der Handgelenke bzw. der Hände erfordern. Gleiches gilt für die ebenfalls im Vordergrund stehende, nur teilkompensierte Bandinsuffizienz des linken Kniegelenks bei einliegender Endoprothese; diesbezüglich dürfen dem Kläger insbesondere keine Tätigkeiten im Knien, in der Hocke sowie Tätigkeiten mit häufigem Treppen gehen und Besteigen von Leitern und Gerüsten abverlangt werden. Erst recht begründen die weiteren orthopädischen Gesundheitsstörungen, bei denen der Sachverständige schon keine dadurch hervorgerufenen Funktionseinschränkungen hat feststellen können, keine quantitativen Leistungseinschränkungen.

Hieran ändert auch das von Dr. S. diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom nichts. Insoweit versorgt er den Kläger regelmäßig mit entsprechenden Schmerzmedikamenten (zunächst mit Ibuprofen, so nach der sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem Sozialgericht mit dem Hinweis, sonstige Schmerzmittel habe der Kläger nicht haben wollen, zwischenzeitlich mit Diclofenac, so in dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht) und es ist nicht erkennbar, dass diese Medikation für eine Behandlung der Schmerzustände nicht ausreicht. Auch insoweit folgt der Senat der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen, der die zu den Schmerzzuständen führenden orthopädischen Störungen entsprechend gewürdigt hat.

Die Richtigkeit der vom Sachverständigen vorgenommenen Leistungsbeurteilung wird im Übrigen durch das vom Kläger berichtete Alltags- und Freizeitverhalten bestätigt. So hindern die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich beider Hände den Kläger nach eigenen Angaben nicht daran, teilweise ganztägig PC-Spiele zu machen und im Internet zu surfen. Auch ist der Kläger ungeachtet seiner Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet nicht daran gehindert, den Haushalt alleine, ohne fremde Unterstützung, zu führen. Dies beinhaltet nach seinen Darstellungen gegenüber dem Sachverständigen u. a. auch Staubsaugen, Fenster putzen, Wäsche waschen, und Geschirrspülen von Hand. Zu Recht weist der Sachverständige in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Hausarbeit sozialmedizinisch als mittelschwere Arbeit einzustufen ist. Letztlich hat sich der Kläger in der Untersuchung auch ohne auffällige Schwierigkeiten ent- und bekleiden können. Zusammenfassend hat das Ergebnis der Begutachtung das bereits von Dr. S. festgestellte und auch vom sachverständigen Zeugen Dr. H. - jedenfalls für leichte sitzende Tätigkeiten - angenommene Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich bestätigt.

Eine rentenrelevante Leistungseinschränkung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger beklagten psychischen Beschwerden. Zwar hat Dr. S. in seiner zeugenschaftlichen Stellungnahme gegenüber dem Sozialgericht insoweit und zuletzt von einer mittelgradigen depressiven Episode berichtet und auch in seinem vom Kläger vorgelegten Befundbericht eine depressive Stimmungslage angegeben. Dr. B. hat ebenfalls von einem depressiven Syndrom berichtet, das sie im Zusammenhang mit dem Prostata-Karzinom sieht. Einen entsprechenden Befund, der die Ausprägung des Krankheitsbildes erkennen und die gestellte Diagnose nachvollziehbar machen würde, haben aber weder Dr. S. noch Dr. B. mitgeteilt. Vor allem aber hat Dr. S. auch nicht ansatzweise eine Behandlung im Hinblick auf eine depressive Erkrankung eingeleitet. Vielmehr hat er dem Kläger lediglich Schmerzmittel verschrieben. Der Verzicht auf jegliche medikamentöse Therapie lässt sich aber nicht in Einklang mit einer depressiven Erkrankung solchen Ausmaßes bringen, welche eine Leistungsminderung rechtfertigen könnte. Nichts anderes gilt in Bezug auf vom Kläger angegebene Schlafstörungen. Auch hierzu hat Dr. S. dem Sozialgericht mitgeteilt, der Kläger habe kein Schlafmittel haben wollen.

Ohnehin hat Dr. S. in seiner zeugenschaftlichen Stellungnahme seine Empfehlung für eine Berentung des Klägers auch nicht mit einer depressiven Erkrankung oder einem chronischen Schmerzsyndrom begründet, sondern vielmehr auf seine - nach seinen eigenen Angaben anfangs gestellte, zwischenzeitlich allerdings wieder entfernte - Diagnose einer Rentenneurose verwiesen. Der Kläger habe bei seinen vier Vorsprachen im Wesentlichen stets sein Unverständnis vorgetragen, dass Rente bislang abgelehnt worden sei. Er gehe davon aus, dass es "um den Patienten mental umzuprogrammieren", der Gestalt, dass er wieder für den Arbeitsprozess bereit wäre, einer erheblichen Anstrengung bedürfe, vor der er selbst kapituliert habe. Der Kläger habe ihm gegenüber keinen Zweifel gelassen, dass er keine drei Stunden arbeitsfähig sei. Er, Dr. S. , garantiere, dass der Kläger jede Arbeit nach zwei bis drei Tagen abbrechen werde. Selbst wenn mit Dr. S. angenommen wird, dass mit einer Rentenneurose durchaus ein schweres Krankheitsbild einhergehen kann, so fehlen aber im vorliegenden Falle bereits nach den Feststellungen von Dr. S. die entsprechenden seelischen oder körperlichen Beschwerden, in welchen sich die Rentenneurose manifestiert haben könnte. Insoweit ist es für den Senat folgerichtig, wenn Dr. S. die anfangs diagnostizierte Rentenneurose aus der Diagnoseliste im Computer wieder entfernte. Auch Dr. S. sieht die dauerhafte Abkehr des Klägers vom Erwerbsleben ganz offensichtlich nicht in einer krankhaften Antriebsminderung, für die es auch sonst keinerlei Belege gibt. Vielmehr hat der Kläger gegenüber Dr. B. eingeräumt, Gelegenheitsarbeiten, wenn auch unter drei Stunden auszuüben. Dies und die gegenüber Dr. C. dargestellte und oben beschriebene Alltagsgestaltung des Klägers schließen die Annahme einer Antriebsminderung aus.

Es mag sein, dass - hiervon gehen sowohl Dr. S. als auch Dr. B. aus - sich der Kläger in seiner weitgehenden Abwendung vom Erwerbsleben eingerichtet hat. Entsprechend hat Dr. S. in seinem Arztbrief vom Januar 2014 seine ungünstige Prognose für künftige Erwerbstätigkeiten auch nicht etwa mit Gesundheitsstörungen begründet, sondern vielmehr auf die lange Arbeitslosigkeit und den lang andauernden SGB-II-Leistungsbezug gestützt. Dr. B. hat sich in ihrer vom Kläger vorgelegten Stellungnahme der Einschätzung Dr. S. s angeschlossen. Auch sie hat von einer ungenügenden Therapiemotivation berichtet. Der Kläger hat sich danach in seinem jetzigen Zustand eingerichtet. Eine bloße Arbeitsentwöhnung über einen längeren Zeitraum kann aber keine Erwerbsminderung rechtfertigen. Nichts anderes gilt für die - von Dr. S. wiederholt dargestellte - Einschätzung des Klägers, keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen zu können. Denn diese Einschätzung von sich haben nahezu alle Versicherten, die Rente wegen Erwerbsminderung beantragen.

Soweit Dr. B. erstmalig von einem seit 25 Jahren andauernden Cannabisabusus berichtet, ergibt sich hieraus kein neuer Gesichtspunkt. Über etwaige weitergreifende psychische oder neurologische Schädigungen infolge des Cannabisabusus hat sie gerade nicht berichtet. Der Marihuanakonsum hat den Kläger im Übrigen auch in der Vergangenheit nicht von einem geregelten Erwerbsleben abgehalten.

Der Umstand, dass beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft und darüber hinaus ein Grad der Behinderung von 100, befristet bis Mai 2015 anerkannt ist, ist für das vorliegende Verfahren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne entscheidende Bedeutung. Denn die Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht besitzt für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung keine anspruchsbegründende Bedeutung (BSG, Beschluss vom 09.12.1987, 5b BJ 156/87, veröffentlicht in Juris) und die Voraussetzungen für die Beurteilung des Grades der Behinderung unterscheiden sich maßgeblich (vgl. § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch: Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft) von jenen für die Beurteilung einer Erwerbsminderung (vgl. z.B. § 43 Abs. 3 SGB VI: Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten). Im Übrigen ist zu beachten, dass nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen bei Entfernung eines malignen Prostatatumors eine Heilungsgewährung abzuwarten ist, wofür alleine schon ein GdB von 50 zu gewähren ist (vgl. versorgungsmedizinischen Grundsätze, Teil B Ziffer 13.6). Demnach wird alleinig auf Grund des Umstandes einer Erkrankung an einem malignen Prostatatumor für die Dauer von fünf Jahren ein Einzel-GdB von 50 ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Ausmaßes der Krebserkrankung und deren Auswirkungen auf die Alltagsgestaltung gewährt. Die Übertragung einer solchen generalisierten Betrachtungsweise auf die hier zu klärende Frage der konkreten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit verbietet sich von vornherein.

Der Kläger kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. C. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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