Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1880/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2337/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.05.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Untätigkeit des Beklagten auf einen Antrag vom 23.02.2011 hin.
Der 1956 geborene Kläger beantragte nach dem Bezug von Sozialhilfe im Oktober 2004 erstmals Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er pflegte seine pflegebedürftige Mutter in A. (GdB 100, Merkzeichen G, aG und B) bis zu ihrem Tod am 15.06.2014. Im Antrag gab er an, in R. zu wohnen. Mit Bescheid vom 22.12.2004 wurde erstmals Arbeitslosengeld II bewilligt. Auch für die Folgezeit wurden Leistungen bewilligt. Im August 2006 wurde dem Beklagten bekannt, dass der Kläger einen Zweitwohnsitz in A. hatte; trotzdem wurde mit Bescheid vom 21.09.2006 Arbeitslosengeld II bis 31.03.2007 gewährt, diese Bewilligung wurde mit Bescheid vom 18.10.2006 ab 01.11.2006 ganz aufgehoben, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten habe. Mit Bescheid vom 22.11.2006 hob der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.01.2005 ganz auf und forderte insgesamt 15.418,90 EUR zurück; dieser Bescheid wurde auf Klage und Berufung aufgehoben, d.h. der Kläger erhielt im Ergebnis vom Beklagten Leistungen bis 31.10.2006 ( Urteile des Sozialgerichts - SG - Reutlingen vom 20.01.2010 - S 9 AS 3585/08 - und des Landessozialgerichts - LSG - Baden Württemberg vom 08.11.2012 - L 12 AS 1292/10 -).
Mit Schreiben vom 28.11.2006 beantragte der Kläger Leistungen, die der Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2006 ablehnte. Mit Schreiben vom 12.12.2006 leitete der Beklagte den Antrag des Klägers an die A. Z. weiter. Nach Widerspruchsverfahren und klagabweisenden Urteil (zunächst: S 9 AS 3637/08, später verbunden zu S 9 AS 3585/08) war dieser Bescheid – wie auch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide – Gegenstand des Verfahrens L 12 AS 1292/10 vor dem LSG Baden-Württemberg, das mit Urteil vom 08.11.2012 endete. Im Berufungsverfahren hatte der Kläger u.a. beantragt, "den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2008 zu verurteilen, ihm ab 01.12.2006 fortlaufend bis auf Weiteres Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren." Das LSG entschied in seinem Urteil u.a., dass der Kläger für die Zeit vom 01.11.2006 bis 31.03.2007 und darüber hinaus keinen Anspruch auf Leistungen gegen den Beklagten hatte, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt habe.
Zum 31.05.2007 meldete sich der Kläger aus R. ab und in A. an.
Mit Schreiben vom 17.07.2008 beantragte der Kläger nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung der Bescheide, die mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.11.2006 aufgehoben worden waren. Mit Schreiben vom 29.09.2009 erweiterte er den Überprüfungsantrag auf alle Bewilligungs- und Änderungsbescheide, die "im Zeitraum vom 22.12.2004 bis heute" erlassen wurden.
Mit Schreiben vom 20.02.2011 "aktualisierte" der Kläger seinen Antrag vom 28.11.2006, ihm seien für die Zeit bis Februar 2011 mindestens 35.000 EUR nachzuzahlen. Mit Schreiben vom 08.03.2011 lehnte der Beklagte eine Entscheidung in der Sache ab, da zunächst noch eine Entscheidung des LSG im Verfahren L 12 AS 1292/10 abzuwarten sei. Mit Schreiben vom gleichen Tag leitete der Beklagte den Antrag zuständigkeitshalber an das J ... Z. weiter.
Mit Schreiben vom 22.03.2011 erhob der Kläger Widerspruch. Bei dem Antrag vom 20.02.2011 handle es sich um einen neuen Antrag, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da der Zeitraum ab 01.11.2006 Gegenstand des Berufungsverfahrens L 12 AS 1292/10 sei.
Am 22.06.2011 hat der Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, da der Beklagte seiner Ansicht nach verpflichtet sei, über den Antrag zu entscheiden.
Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 05.05.2014 einen Anspruch auf Bescheidung des klägerischen Antrags vom 20.02.2011 abgelehnt, da keine vorwerfbare Untätigkeit des Beklagten vorgelegen habe. In der Weigerung einen Zweitbescheid zu erlassen liege keine Untätigkeit.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 24.05.2014. Der Senat verkenne in seinem Urteil im Verfahren L 12 AS 1292/10, dass A. von R. aus in 58 Minuten (einfache Fahrtstrecke) erreichbar sei. Deshalb habe er sich im orts- und zeitnahen Nahbereich aufgehalten, somit sei der Beklagte bis 31.05.2007 zuständig gewesen. Es sei bis heute nicht klar, was unter zeit- und ortsnahem Bereich zu verstehen sei. Eine Anmeldung in A. sei erst zum 31.05.2007 erfolgt.
Der Kläger beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.05.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2011 zu verurteilen, über seinen Antrag vom 20.02.2011 zu entscheiden, 2. gemäß § 109 SGG Beweis zu erheben durch Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme zu folgendem Beweisthema: A. Spricht mehr dafür als dagegen, dass sich der Kläger bis 31.05.2007 innerhalb des orts- und zeitnahen Bereichs des Zuständigkeitsbezirks des Beklagten aufgehalten hat? B. Spricht mehr dafür als dagegen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers bis 31.05.2007 in R. und nicht in A. war? 3. gemäß § 103 SGG festzustellen, ob der Beklagte den Leistungsantrag des Klägers vom 20.02.2011 an das (nach seiner Auffassung zuständige) J. Z. zeitnah weitergeleitet hat.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Absatz 1 Nummer 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag vom 28.11.2006, den er mit Schreiben vom 20.02.2011 "aktualisiert" hat. Das SG hat in seiner Entscheidung zutreffend eine vorwerfbare Untätigkeit des Beklagten verneint.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Frage, ob der Beklagte den Antrag des Klägers vom 28.11.2006, den der Kläger am 20.02.2011 aktualisiert hat, ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von sechs Monaten beschieden hat (§ 88 SGG). Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Beklagte die Leistungen des Klägers für die Zeit vom 01.11.2006 bis Februar 2011 zurecht abgelehnt hat, wofür die Frage entscheidend wäre, ob der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hatte. Diese Frage hatte der erkennende Senat im Verfahren L 12 AS 1292/10 zumindest für die Zeit ab 01.11.2006 verneint.
Über den Antrag des Klägers vom 28.11.2006 hat der Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2006 und Widerspruchsbescheid vom 29.09.2008 entschieden. Dieser Bescheid war, soweit er Leistungen bis 31.03.2007 betraf, auch Gegenstand des Berufungsverfahrens L 12 AS 1292/10. Mit dem Antrag vom 20.02.2011 hat der Kläger lediglich dargestellt, welche Beträge ihm – seiner Meinung nach – bis Februar 2011 vom Beklagten hätten bezahlt werden müssen. Für eine erneute Entscheidung über den Antrag bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten kein rechtliches Interesse des Klägers, da der vom Kläger inhaltlich geltend gemachte Anspruch bereits mit Bescheid vom 12.12.2006 abgelehnt worden war und dieser ablehnende Bescheid Gegenstand des damals laufenden Verfahrens L 12 AS 1292/10 war. Der Kläger musste insoweit auch nicht fürchten, dass durch den Zeitablauf seit der Ursprungsentscheidung vom 12.12.2012 Ansprüche verloren gingen, da sich der streitige Zeitraum im Fall ablehnender Verwaltungsentscheidungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG erstreckt (BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R – juris).
Auch nach der – für den Kläger insoweit negativen – Entscheidung des LSG bestand für den Beklagten keine Veranlassung über den am 28.11.2006 gestellten und vom Kläger am 20.02.2011 lediglich aktualisierten Antrag zu entscheiden, da der Kläger keine neuen Tatsachen vorgebracht hat, sondern lediglich die von ihm geforderten Beträge aktualisiert hat – auch für einen Zeitraum, als er schon nicht mehr in R. gemeldet war. Für den vom Kläger begehrten Zweitbescheid, der erneut den Rechtsweg eröffnen würde (BSG, Urteil vom 11.03.2009 – B 6 KA 15/08 R; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, nach § 54 Rn. 9a), ist hier – anders im Recht des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung – kein Raum, da § 44 SGB X eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide sogar nach Erlass eines rechtskräftigen Urteils ermöglicht (so im Ergebnis Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 82. EL 2014, SGB X, § 44 Rn. 18). Einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X hat der Kläger jedoch explizit nicht gestellt. Er hat lediglich seinen früheren Antrag aktualisiert. Auch ein konkludenter Antrag nach § 44 SGB X liegt nicht vor. Der Kläger hat, obwohl ihm § 44 SGB X bekannt war und er mehrfach entsprechende Anträge u.a. beim Beklagten gestellt hat, explizit nur seinen Antrag aktualisiert. Auch hat er im Antrag keinerlei neue Tatsachen vorgetragen, die einen Überprüfungsantrag nahelegen könnten, sondern nur die Höhe seiner Forderung gegen den Beklagten klargestellt.
Nach alldem lag keine vorwerfbare Untätigkeit des Beklagten vor, so dass der Beklagte nicht zu einer Bescheidung des aktualisierten Antrags zu verurteilen war.
Das vom Kläger beantragte Gutachten nach § 109 SGG, war nicht einzuholen. Nach § 109 Absatz 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Im vorliegenden Fall stehen weder medizinischen Fragen (Keller, a.a.O. § 109 Rn. 4) im Streit noch wurde ein bestimmter oder bestimmbarer Arzt genannt.
Weitere Gründe, den Sachverhalt von Amts wegen nach § 103 SGG zu erforschen, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger auf diesem Wege die "Feststellung" begehrt, ob der Beklagte den Leistungsantrag des Klägers vom 20.02.2011 an das (nach seiner Auffassung zuständige) J. Z. zeitnah weitergeleitet habe, so ist dies hier nicht streitgegenständlich und unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Untätigkeit des Beklagten auf einen Antrag vom 23.02.2011 hin.
Der 1956 geborene Kläger beantragte nach dem Bezug von Sozialhilfe im Oktober 2004 erstmals Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er pflegte seine pflegebedürftige Mutter in A. (GdB 100, Merkzeichen G, aG und B) bis zu ihrem Tod am 15.06.2014. Im Antrag gab er an, in R. zu wohnen. Mit Bescheid vom 22.12.2004 wurde erstmals Arbeitslosengeld II bewilligt. Auch für die Folgezeit wurden Leistungen bewilligt. Im August 2006 wurde dem Beklagten bekannt, dass der Kläger einen Zweitwohnsitz in A. hatte; trotzdem wurde mit Bescheid vom 21.09.2006 Arbeitslosengeld II bis 31.03.2007 gewährt, diese Bewilligung wurde mit Bescheid vom 18.10.2006 ab 01.11.2006 ganz aufgehoben, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten habe. Mit Bescheid vom 22.11.2006 hob der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.01.2005 ganz auf und forderte insgesamt 15.418,90 EUR zurück; dieser Bescheid wurde auf Klage und Berufung aufgehoben, d.h. der Kläger erhielt im Ergebnis vom Beklagten Leistungen bis 31.10.2006 ( Urteile des Sozialgerichts - SG - Reutlingen vom 20.01.2010 - S 9 AS 3585/08 - und des Landessozialgerichts - LSG - Baden Württemberg vom 08.11.2012 - L 12 AS 1292/10 -).
Mit Schreiben vom 28.11.2006 beantragte der Kläger Leistungen, die der Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2006 ablehnte. Mit Schreiben vom 12.12.2006 leitete der Beklagte den Antrag des Klägers an die A. Z. weiter. Nach Widerspruchsverfahren und klagabweisenden Urteil (zunächst: S 9 AS 3637/08, später verbunden zu S 9 AS 3585/08) war dieser Bescheid – wie auch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide – Gegenstand des Verfahrens L 12 AS 1292/10 vor dem LSG Baden-Württemberg, das mit Urteil vom 08.11.2012 endete. Im Berufungsverfahren hatte der Kläger u.a. beantragt, "den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2008 zu verurteilen, ihm ab 01.12.2006 fortlaufend bis auf Weiteres Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren." Das LSG entschied in seinem Urteil u.a., dass der Kläger für die Zeit vom 01.11.2006 bis 31.03.2007 und darüber hinaus keinen Anspruch auf Leistungen gegen den Beklagten hatte, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt habe.
Zum 31.05.2007 meldete sich der Kläger aus R. ab und in A. an.
Mit Schreiben vom 17.07.2008 beantragte der Kläger nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung der Bescheide, die mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.11.2006 aufgehoben worden waren. Mit Schreiben vom 29.09.2009 erweiterte er den Überprüfungsantrag auf alle Bewilligungs- und Änderungsbescheide, die "im Zeitraum vom 22.12.2004 bis heute" erlassen wurden.
Mit Schreiben vom 20.02.2011 "aktualisierte" der Kläger seinen Antrag vom 28.11.2006, ihm seien für die Zeit bis Februar 2011 mindestens 35.000 EUR nachzuzahlen. Mit Schreiben vom 08.03.2011 lehnte der Beklagte eine Entscheidung in der Sache ab, da zunächst noch eine Entscheidung des LSG im Verfahren L 12 AS 1292/10 abzuwarten sei. Mit Schreiben vom gleichen Tag leitete der Beklagte den Antrag zuständigkeitshalber an das J ... Z. weiter.
Mit Schreiben vom 22.03.2011 erhob der Kläger Widerspruch. Bei dem Antrag vom 20.02.2011 handle es sich um einen neuen Antrag, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da der Zeitraum ab 01.11.2006 Gegenstand des Berufungsverfahrens L 12 AS 1292/10 sei.
Am 22.06.2011 hat der Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, da der Beklagte seiner Ansicht nach verpflichtet sei, über den Antrag zu entscheiden.
Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 05.05.2014 einen Anspruch auf Bescheidung des klägerischen Antrags vom 20.02.2011 abgelehnt, da keine vorwerfbare Untätigkeit des Beklagten vorgelegen habe. In der Weigerung einen Zweitbescheid zu erlassen liege keine Untätigkeit.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 24.05.2014. Der Senat verkenne in seinem Urteil im Verfahren L 12 AS 1292/10, dass A. von R. aus in 58 Minuten (einfache Fahrtstrecke) erreichbar sei. Deshalb habe er sich im orts- und zeitnahen Nahbereich aufgehalten, somit sei der Beklagte bis 31.05.2007 zuständig gewesen. Es sei bis heute nicht klar, was unter zeit- und ortsnahem Bereich zu verstehen sei. Eine Anmeldung in A. sei erst zum 31.05.2007 erfolgt.
Der Kläger beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.05.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2011 zu verurteilen, über seinen Antrag vom 20.02.2011 zu entscheiden, 2. gemäß § 109 SGG Beweis zu erheben durch Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme zu folgendem Beweisthema: A. Spricht mehr dafür als dagegen, dass sich der Kläger bis 31.05.2007 innerhalb des orts- und zeitnahen Bereichs des Zuständigkeitsbezirks des Beklagten aufgehalten hat? B. Spricht mehr dafür als dagegen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers bis 31.05.2007 in R. und nicht in A. war? 3. gemäß § 103 SGG festzustellen, ob der Beklagte den Leistungsantrag des Klägers vom 20.02.2011 an das (nach seiner Auffassung zuständige) J. Z. zeitnah weitergeleitet hat.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Absatz 1 Nummer 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag vom 28.11.2006, den er mit Schreiben vom 20.02.2011 "aktualisiert" hat. Das SG hat in seiner Entscheidung zutreffend eine vorwerfbare Untätigkeit des Beklagten verneint.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Frage, ob der Beklagte den Antrag des Klägers vom 28.11.2006, den der Kläger am 20.02.2011 aktualisiert hat, ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von sechs Monaten beschieden hat (§ 88 SGG). Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Beklagte die Leistungen des Klägers für die Zeit vom 01.11.2006 bis Februar 2011 zurecht abgelehnt hat, wofür die Frage entscheidend wäre, ob der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hatte. Diese Frage hatte der erkennende Senat im Verfahren L 12 AS 1292/10 zumindest für die Zeit ab 01.11.2006 verneint.
Über den Antrag des Klägers vom 28.11.2006 hat der Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2006 und Widerspruchsbescheid vom 29.09.2008 entschieden. Dieser Bescheid war, soweit er Leistungen bis 31.03.2007 betraf, auch Gegenstand des Berufungsverfahrens L 12 AS 1292/10. Mit dem Antrag vom 20.02.2011 hat der Kläger lediglich dargestellt, welche Beträge ihm – seiner Meinung nach – bis Februar 2011 vom Beklagten hätten bezahlt werden müssen. Für eine erneute Entscheidung über den Antrag bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten kein rechtliches Interesse des Klägers, da der vom Kläger inhaltlich geltend gemachte Anspruch bereits mit Bescheid vom 12.12.2006 abgelehnt worden war und dieser ablehnende Bescheid Gegenstand des damals laufenden Verfahrens L 12 AS 1292/10 war. Der Kläger musste insoweit auch nicht fürchten, dass durch den Zeitablauf seit der Ursprungsentscheidung vom 12.12.2012 Ansprüche verloren gingen, da sich der streitige Zeitraum im Fall ablehnender Verwaltungsentscheidungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG erstreckt (BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R – juris).
Auch nach der – für den Kläger insoweit negativen – Entscheidung des LSG bestand für den Beklagten keine Veranlassung über den am 28.11.2006 gestellten und vom Kläger am 20.02.2011 lediglich aktualisierten Antrag zu entscheiden, da der Kläger keine neuen Tatsachen vorgebracht hat, sondern lediglich die von ihm geforderten Beträge aktualisiert hat – auch für einen Zeitraum, als er schon nicht mehr in R. gemeldet war. Für den vom Kläger begehrten Zweitbescheid, der erneut den Rechtsweg eröffnen würde (BSG, Urteil vom 11.03.2009 – B 6 KA 15/08 R; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, nach § 54 Rn. 9a), ist hier – anders im Recht des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung – kein Raum, da § 44 SGB X eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide sogar nach Erlass eines rechtskräftigen Urteils ermöglicht (so im Ergebnis Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 82. EL 2014, SGB X, § 44 Rn. 18). Einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X hat der Kläger jedoch explizit nicht gestellt. Er hat lediglich seinen früheren Antrag aktualisiert. Auch ein konkludenter Antrag nach § 44 SGB X liegt nicht vor. Der Kläger hat, obwohl ihm § 44 SGB X bekannt war und er mehrfach entsprechende Anträge u.a. beim Beklagten gestellt hat, explizit nur seinen Antrag aktualisiert. Auch hat er im Antrag keinerlei neue Tatsachen vorgetragen, die einen Überprüfungsantrag nahelegen könnten, sondern nur die Höhe seiner Forderung gegen den Beklagten klargestellt.
Nach alldem lag keine vorwerfbare Untätigkeit des Beklagten vor, so dass der Beklagte nicht zu einer Bescheidung des aktualisierten Antrags zu verurteilen war.
Das vom Kläger beantragte Gutachten nach § 109 SGG, war nicht einzuholen. Nach § 109 Absatz 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Im vorliegenden Fall stehen weder medizinischen Fragen (Keller, a.a.O. § 109 Rn. 4) im Streit noch wurde ein bestimmter oder bestimmbarer Arzt genannt.
Weitere Gründe, den Sachverhalt von Amts wegen nach § 103 SGG zu erforschen, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger auf diesem Wege die "Feststellung" begehrt, ob der Beklagte den Leistungsantrag des Klägers vom 20.02.2011 an das (nach seiner Auffassung zuständige) J. Z. zeitnah weitergeleitet habe, so ist dies hier nicht streitgegenständlich und unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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