L 2 R 4242/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3093/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4242/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 1. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die im Jahr 1954 geborene Klägerin ist bosnische Staatsangehörige und im Jahr 1973 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. Sie hat den Beruf der Näherin erlernt und war zuletzt als Kabelmontiererin versicherungspflichtig beschäftigt, seit März 2003 ist sie arbeitslos.

Erstmals im Juli 2002 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 ab. Die anschließende Klage vor dem Sozialgericht (SG) Konstanz (Aktenzeichen S 8 RJ 268/03) wurde von der Klägerin zurückgenommen. Auch ihre folgenden Rentenanträge vom Juni 2005 und Juli 2008 blieben erfolglos (Bescheid vom 9. August 2005 bzw. Bescheid vom 16. Oktober 2008).

Am 17. Februar 2010 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, dass sie sich wegen Schmerzen in den Händen, im Kreuz und in den Halswirbeln, wegen Schwindel sowie Migräne für erwerbsgemindert halte (Bl. M 28 Verwaltungsakte (VA) - medizinische Unterlagen -).

Der Allgemeinmediziner Dr. Z. diagnostizierte in seinem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten vom 18. Juni 2010 bei der Klägerin eine Halbseitensymptomatik rechts auf dem Boden einer dissoziativen Störung, ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter, IGS-Arthritis rechts, Handgelenksschmerzen rechts sowie Lumbalgie (Bl. M 56 VA). Rein orthopädisch betrachtet sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin bei fehlenden gravierenden Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke nicht nennenswert eingeschränkt. Die Halbseitensymptomatik lasse das Leistungsvermögen zum jetzigen Zeitpunkt aber aufgehoben erscheinen, die Klägerin könne nur unter drei Stunden täglich arbeiten. Daraufhin holte die Beklagte das weitere neurologisch-psychiatrische Zusatzgutachten bei der Nervenärztin Dr. N. vom 11. August 2010 ein (M 58). Dr. N. (die die Klägerin bereits im vorangegangen Verfahren 2008 begutachtet hatte) diagnostizierte bei der Klägerin eine Dysthymie und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Die angegebene Schwäche der rechten Hand lasse sich nicht mit einer dissoziativen Störung in Sinne einer psychogenen Lähmung erklären. Bei unauffälligem neurologischem Befund und als leichtgradig einzuschätzenden psychischen Einschränkungen mit einem in den depressiven Bereich ausgelenkten Affekt sei von einer quantitativen Minderung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben nicht auszugehen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen.

Mit Bescheid vom 23. August 2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen nicht erfülle. Der dagegen von der Klägerin erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2010 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 2. Dezember 2010 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Orthopäde Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 6. April 2011 angegeben, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die festgestellten Gesundheitsstörungen erheblich eingeschränkt sei, eine zeitlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit scheine gegeben zu sein (Bl. 20 SG-Akte). Der Anästhesist und Schmerztherapeut Dr. B. teilte am 27. Mai 2011 mit, dass die Klägerin unter einer schweren chronischen Schmerzerkrankung, deren Hintergrund wahrscheinlich eine psychiatrisch-neurologische Ursache sei, leide. aufgrund ihres körperlichen Zustandes sei die Klägerin durchaus in der Lage, leichte Tätigkeiten bis zu drei Stunden zu verrichten. Er glaube aber, dass dies aufgrund der schweren Depression und der Somatisierungsstörung nicht möglich sei. Der Nervenarzt Gehring teilte am 1. Juli 2011 mit, dass er die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung in Kombination mit dissoziativer Bewegungsstörung gestellt habe (Bl. 50 SG-Akte). Die neurologische Untersuchung hätte keinen Hinweis auf eine Störung ergeben. Die körperliche Belastbarkeit sei deutlich eingeschränkt. Mit qualitativen Einschränkungen sei eine Tätigkeit bis unter sechs Stunden bei der Klägerin denkbar.

Das SG hat sodann von Amts wegen das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten bei Dr. K. vom 10. April 2012 eingeholt. Dr. K. diagnostizierte eine chronifizierte depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymia, ein somatoform überlagertes Schmerzsyndrom, einen Verdacht auf eine dissoziative Sturzsymptomatik und einen Verdacht auf eine akzentuierte Persönlichkeit. Für das Vorliegen einer phasisch verlaufenden Depression mit depressiven Episoden hätten sich keine Hinweise ergeben. Insgesamt hätten erhebliche qualitative Einschränkungen vorgelegen, wobei sich eine quantitative Leistungsminderung nicht eindeutig hätte nachweisen lassen. Möglich seien der Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht, ohne besondere Verantwortung und ohne besondere Gefährdung im Falle eines Sturzes mindestens noch sechs Stunden täglich. Das SG hat im Weiteren bei Dr. H. das orthopädische Fachgutachten vom 17. Juli 2012 eingeholt, der funktionelle Schmerzen und Funktionsstörungen in der rechten Körperhälfte ohne erkennbare somatische Grundlage festgestellt hat. Aus orthopädisch-somatischer Sicht hätte er keinen gravierenden Körperschaden feststellen können, der das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin einschränken würde. Aus orthopädischer Sicht ergäben sich zu den von Dr. K. festgestellten Funktionseinschränkungen keine zusätzlichen Einschränkungen.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. Oktober 2012 hat das SG die Klage sodann abgewiesen und hierbei die Auffassung vertreten, dass die Klägerin nicht im Sinne von § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) erwerbsgemindert sei und daher ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht bestehe. Bei der Klägerin bestehe vor allem eine chronifizierte depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymia und ein somatoform überlagertes Schmerzsyndrom. Eine rentenrelevante quantitative, das bedeute zeitliche Einschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich daraus nicht ableiten. Die Klägerin könne vielmehr zumindest noch leichte Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen sechs Stunden und mehr verrichten. Tätigkeiten mit Zeitdruck, in Nachtschicht, mit besonderer Verantwortung und besonderer Gefährdung im Falle eines Sturzes sollten vermieden werden. Da weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege, müsse eine bestimmte Verweisungstätigkeit auch nicht bezeichnet werden. Das SG hat sich hierbei auf die erfolgten Ermittlungen, beigezogenen Auskünfte sowie insbesondere die Gerichtsgutachten von Dr. K. und Dr. H. gestützt. Dr. K. habe mit der Klägerin auch ein ausführliches Explorationsgespräch geführt. Dabei habe sich die Sachverständige ein verlässliches Bild von der Erlebnisweise in den psychischen Abläufen insbesondere im Denken und Fühlen der Klägerin verschaffen können. Dr. H. habe eine Funktionsprüfung, Beweglichkeitsmessungen der Wirbelsäule und der Extremitäten vorgenommen und die Klägerin anatomisch genau inspiziert und vermessen sowie die Ergebnisse bildgebender Verfahren herangezogen. Schließlich stünden die Gutachten auch in Übereinstimmung mit dem letzten Verwaltungsgutachten von Dr. N ... Soweit die behandelnden Ärzte und Dr. Z. eine zeitliche Leistungsminderung bei der Klägerin gesehen hätten, erachte das SG dies durch die nachfolgend eingeholten Gutachten als widerlegt. Eine schwerwiegende seelische Störung liege bei der Klägerin nicht vor. Die vor allem festgestellte Dysthymia stelle lediglich eine leichtgradige psychische Erkrankung dar. Sie erfülle nicht die Voraussetzungen einer leichten rezidivierenden depressiven Störung (vgl. ICD-10: F 34.1). Erhebliche Einschränkungen seien damit nicht verbunden. Auch bestünden auf orthopädischem Gebiet keine gravierenden Beschränkungen. Darüber hinaus sei die Klägerin auch nicht berufsunfähig gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei der bisherige Beruf, den die Klägerin ausgeübt habe. Sie sei zuletzt als Kabelmontiererin - eine allenfalls kurzfristig angelernte Tätigkeit - beschäftigt gewesen. Insoweit sei von einer breiten Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen, Berufsschutz komme bei ihr daher nicht in Betracht.

Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 9. Oktober 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 10. Oktober 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, es habe keine fächerübergreifende Bewertung der verschiedenen Gutachten gegeben. Die Nervenärztin Dr. N. erkläre, dass die Schwäche der rechten Hand neurologisch-psychiatrisch nicht "zu erklären" sei, stelle aber nicht in Abrede, dass diese Schwäche/Lähmung tatsächlich vorliege. Sie gehe aber aus neurologisch-psychiatrischer Sicht davon aus, dass keine Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der Schmerztherapeut Dr. B. gehe davon aus, dass der körperliche Zustand der Klägerin eine leichte Tätigkeit bis zu drei Stunden zulasse, halte dies aber wiederum aufgrund der schweren Depression und Somatisierungsstörung nicht für möglich. Auch der Nervenarzt Gehring gehe davon aus, dass eine Tätigkeit nur bis unter sechs Stunden bei der Klägerin denkbar sei. Dr. K. sei immerhin der Meinung gewesen, dass deutliche qualitative Einschränkungen vorliegen würden, eine quantitative Leistungsminderung sich aber nicht nachweisen lasse. Sie gehe davon aus, dass leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung entsprechender qualitativer Einschränkungen noch möglich seien. Diese von ihr beschriebenen qualitativen Einschränkungen seien allerdings so umfassend, dass sie einem Ausschluss der Erwerbsfähigkeit gleichkämen. Auch Dr. H. könne die Funktionsstörungen der rechten Körperhälfte, die er festgestellt habe, nicht erklären. Auch er beschränke sein Urteil darauf anzugeben, dass die Klägerin aus orthopädisch-somatischer Sicht erwerbsfähig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 1. Oktober 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes, OMR F., vom 22. Mai 2013 für zutreffend. OMR F. weist darin u.a. darauf hin, dass sich wie bereits im Rahmen früherer Untersuchungen bzw. Begutachtungen bei der Klägerin auch jetzt Hinweise für zum Teil deutliche Beschwerdeüberlagerungen ergeben hätten. Subjektive Beschwerden und Selbstbeurteilungen durch Betroffene hätten auf dem Behandlungssektor zweifellos eine volle Berechtigung, hätten sich aber im Rahmen von sozialmedizinischen Begutachtungen bei speziellen Untersuchungen als alleiniges oder überwiegendes Beurteilungskriterium als sehr unsicher gezeigt. Daher seien durch Prof. Dr. Dr. W. Beurteilungskriterien zur Begutachtung von Betroffenen mit chronischen Schmerzerkrankungen herausgearbeitet worden. Diese Beurteilungskriterien seien insbesondere bei der durch Dr. H. erstatteten Begutachtung angewendet worden. Hierbei zeigten sich zum Teil deutliche Diskrepanzen zwischen stark eingeschränkten Befunden in gezielter Untersuchungssituation und deutlich geringer ausgeprägten Befunden bei Beobachtungen außerhalb gezielter Untersuchungssituationen (z.B. beim Ent- und Bekleiden), woraus sich schließen lasse, dass die tatsächlichen Beeinträchtigungen bei der Klägerin im alltäglichen Bereich nicht so ausgeprägt seien gegenüber den Befunden, wie sie in gezielter Untersuchungssituation erhoben worden seien. Bei auch wechselnd stark ausgeprägt dargestelltem Schonhinken rechts und dargestellten Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Armes und der rechten Hand würden die fehlenden Schonungszeichen im Bereich der rechten Extremitäten bei der Klägerin dagegensprechen, dass bei ihr anhaltende Beeinträchtigungen im Bereich der rechten Körperhälfte im alltäglichen Bereich vorliegen würden. Auch sei z.B. die Angabe einer eingeschränkten Zeit des möglichen Sitzens in deutlichem Kontrast zu sehen zu der zehn- bis elfstündigen Bosnienreise ca. ein bis zwei Jahre vor der Erstattung der Begutachtung. Auch im Gutachten von Dr. K. seien zum Teil deutliche Neigungen zu funktioneller Beschwerdeüberlagerung festgestellt worden. Bei der im Vordergrund gesehenen Dysthymia handele es sich zwar um eine längerfristige, jedoch leichte seelische Verstimmung, die das Ausmaß eines auch nur leicht ausgeprägten wiederkehrenden depressiven Beschwerdebildes nicht erreiche. Im Übrigen sollte auch beachtet werden, dass der Gutachter Dr. H. nicht nur Facharzt für Orthopädie, sondern auch für Physikalische, Rehabilitative Medizin sei. Mit der letzten Qualifikation sei Dr. H. zu unterstellen, dass er auch zur Abgabe einer zusammenfassenden (integrierenden fachübergreifenden) Beurteilung in der Lage sei.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat sodann das schmerztherapeutische Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie, Spezielle Schmerztherapie Dr. P. vom 6. Januar 2013 eingeholt. Dr. P. hat bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom im Stadium III nach Gerbershagen, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, chronische unbeeinflussbare Schmerzen, Fibromyalgiesyndrom, Kopfschmerzen, depressive Episode, Verdacht auf dissoziative Bewegungsstörung sowie Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung gestellt. Das Leistungsvermögen hat Dr. P. dahin eingeschätzt, dass die Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung entsprechender qualitativer Leistungseinschränkungen unter sechs Stunden, konkretisiert zwei bis vier Stunden, an fünf Tagen in der Woche ausüben könne. Bei der Klägerin bestünden in der ganzen rechten Körperhälfte Schmerzen, die sich durch ein Fibromyalgiesyndrom erklären ließen. Es lägen zusätzliche Symptome vor, die auf eine Aggravierung hindeuteten, aber auch im Zusammenhang mit einer somatoformen Schmerzstörung stehen könnten. Die körperlichen Befunde seien überwiegend Normalbefunde, im Freizeitverhalten (Bosnienreise) würden keine wesentlichen Einschränkungen sichtbar. Dennoch seien die Aussagen über erhebliche Schmerzen und die Bewegungsstörungen zu würdigen. Dr. P. führt u.a. noch aus, im Unterschied zu Dr. K. schätze sie als Schmerztherapeutin die Beeinträchtigungen durch den Schmerz, als nicht messbares Instrument und rein subjektive Beschreibung, höher ein als Dr. K ...

Die Beklagte ist unter Berufung auf die sozialmedizinische Stellungnahme von OMR F. vom 9. Januar 2014 der Einschätzung von Dr. P. entgegengetreten. So habe u.a. Dr. P. hinsichtlich des nicht messbaren Phänomens "Schmerz" selbst als Begründung für die abweichende Beurteilung gegenüber früheren Begutachtungen die andere Bewertung der rein subjektiven Beschreibung eingeräumt. Wie dem Aufsatz von Dr. Häuser - Zentrum für Schmerzbehandlung Saarbrücken - in der Zeitschrift MED SACH 98 (2002) Nr. 4 entnommen werden könne, seien für eine sozialmedizinische Beurteilung subjektive Beschwerden und Selbstbeurteilungen durch die Betroffenen als alleiniges (oder auch überwiegendes) Beurteilungskriterium nicht ausreichend. Bemerkenswert sei bereits, dass die Klägerin zumeist eine Schmerzstärke von 10 auf einer numerischen und visuellen Analogskala angebe. Hierbei sollte beachtet werden, dass eine solche Bestimmung der Schmerzstärke auch nur auf reiner subjektiver Selbstbeurteilung beruhe und die (maximale) Schmerzstärke von 10 einem Schmerz entspreche, wie er z.B. bei der Amputation einer Extremität (ohne Betäubung) auftrete. Nach sozialmedizinischer Erfahrung stelle eine solche gravierende, im Besonderen konstante Schmerzstärke einen Hinweis darauf dar, dass eine deutliche funktionelle Beschwerdeüberlagerung vorliege. Bemerkenswert seien auch die durch die Gutachterin Dr. P. dargestellten zum Teil deutlichen "Diskrepanzen zwischen Befinden und Befunden". Auch fielen Diskrepanzen zwischen geklagten Beschwerden und dargestellten Gebrauchseinschränkungen im Bereich der rechten Körperhälfte bei gezielter Untersuchung und demgegenüber widersprechenden Befunden auf. Schließlich würden u.a. von der Gutachterin Dr. P. selbst Zweifel an den durch die Klägerin geäußerten Behauptungen in Bezug auf eine Medikamenteneinnahme geäußert.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Januar 2014 hat Dr. P. u.a. noch ausgeführt, wie in dem Artikel von Dr. Häuser ausgeführt, halte sie das Verdeutlichungsverhalten in der Begutachtungssituation für ein Mittel der Klägerin, den Gutachter von ihrem "Leiden" zu überzeugen. Der von OMR F. zitierte Artikel führe weiter aus, dass es sich bei dem Verhalten nicht um eine Simulation handle, sondern um eine Verdeutlichung und Aggravation. Ohne Zweifel bestünde bei der Klägerin eine Diskrepanz zwischen der relativ unauffälligen körperlichen Untersuchung und den geäußerten Beschwerden, allerdings sei nur wegen der Diskrepanz zwischen den Beschwerden und dem körperlichen Befund und der Möglichkeit nach Bosnien reisen zu können, noch immer keine volle Arbeitsfähigkeit gegeben.

Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 29. April 2014 bzw. 5. August 2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, da ein Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit.

Auf Grundlage der vorliegenden Verwaltungsgutachten, Auskünften der behandelnden Ärzte, der im Verfahren vor dem SG eingeholten Gutachten und des im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachtens liegen auch nach Überzeugung des Senates bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente jedoch nicht vor. Nach der übereinstimmenden Einschätzung der Gutachter Dr. N., Dr. K. und Dr. H. ist die Klägerin unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht, ohne besondere Verantwortung, ohne besondere Gefährdung im Falle eines Sturzes) noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen nach dem Ergebnis sowohl des Verwaltungsgutachtens von Dr. Z. als auch des im SG-Verfahren eingeholten Gutachtens von Dr. H. keine relevanten Einschränkungen, insbesondere keine solchen quantitativer Art. Dr. H. benennt als Gesundheitsstörungen bei der Klägerin lediglich funktionelle Schmerzen und Funktionsstörungen in der rechten Körperhälfte ohne erkennbare somatische Grundlage. Einen gravierenden Körperschaden aus orthopädisch-somatischer Sicht konnte er nicht feststellen. Es ist hiermit zur Überzeugung des Senates von orthopädischer Seite uneingeschränkt von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen.

Aber auch auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet besteht zur Überzeugung des Senates keine quantitative Leistungseinschränkung. Nach den Feststellungen der nervenärztlichen Gutachter Dr. N. bzw. Dr. K. bestehen bei der Klägerin eine Dysthymie und anhaltende somatoforme Schmerzstörung (so Dr. N., die bereits in ihrem 2008 im Hinblick auf den früheren Rentenantrag erstellten Gutachten ebenfalls eine Dysthymie diagnostizierte) bzw. eine chronifizierte depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymia, so Dr. K., die für das Vorliegen einer phasisch verlaufenden Depression mit depressiven Episoden keinerlei Hinweis fand. Dr. K. geht von einer chronifizierten, teilweise durch die Grundpersönlichkeit mitgetragenen Störung aus, deren psychodynamische Hintergründe sich letztlich nicht erhellen lassen würden. In somatischer Hinsicht spricht Dr. K. auch die orthopädischerseits vorliegenden diversen Einschränkungen, wie z.B. Impingement-Syndrom der rechten Schulter wie auch das Schulter-Arm-Syndrom der rechten Schulter an. Die Ausdehnung und Intensität der geklagten Beschwerden lassen sich jedoch nicht vollumfänglich durch die körperlichen Befunde erklären. Mit Dr. K. ist hier zweifellos von einer psychogenen Überlagerung und Ausweitung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Diese Erkrankung führt jedoch, wie im Übrigen auch den Tagesabläufen und Angaben zum sonstigen Freizeitverhalten in den Gutachten zu entnehmen ist, nach dem Urteil der beiden Gutachterinnen jedenfalls nicht zu solchen Einschränkungen, als dass nur noch ein Leistungsvermögen unter sechs Stunden täglich bzw. unter drei Stunden täglich anzunehmen wäre. Die Klägerin ist vielmehr auch zur Überzeugung des Senates nach wie vor in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung entsprechender qualitativer Einschränkungen vollschichtig an fünf Tagen in der Woche auszuüben.

Soweit die behandelnden Ärzte wie auch Dr. Z. und Dr. P. im Hinblick auf die Schmerzsymptomatik von einer quantitativen Leistungseinschränkung ausgehen, kann der Senat dem nicht folgen. Hierbei ist nämlich die auch von OMR F. in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen angesprochene Problematik der Aggravation zu berücksichtigen. Durch sämtliche Gutachten, angefangen bei Dr. Z., über Dr. N. als auch Dr. K. und Dr. H. und zuletzt auch bei Dr. P., zieht sich die Feststellung, dass die Klägerin aggraviert, also stärkere Funktionseinschränkungen in den konkreten Untersuchungssituationen demonstriert als etwa in (vermeintlich) unbeobachteten Momenten und auch in Relation zu den objektiven Befunden. So weist u.a. Dr. H. darauf hin, dass sich bei der orthopädischen Untersuchung der oberen und unteren Gliedmaßen diffuse Dauerschmerzangaben in der rechten Körperhälfte sowohl über Gelenken wie auch über Weichteilen finden. Darüber hinaus würden von der Klägerin teils deutliche Bewegungseinschränkungen vor allem in den großen Gelenken (Schulter, Hüfte, Knie) demonstriert werden, die demonstrierten Bewegungseinschränkungen ließen sich allerdings bei Spontanbewegungen nicht wiedererkennen. In dem Zusammenhang beschreibt Dr. H. nochmals ausdrücklich ein unübersehbares leidensbetontes Verhalten. Das Gangbild im bekleideten Zustand mit Konfektionsschuhen ohne Zurichtung sei sicher, aber langsam. Die Klägerin zeigt nach seinen Feststellungen mitunter ein ausgeprägtes Schonhinken rechts, dieses Schonhinken verschwindet aber zeitweise auch vollständig. Bei der Inspektion des Barfußganges demonstriert die Klägerin ständig ein mehr oder weniger ausgeprägtes Schonhinken rechts. Auf der anderen Seite benutzt die Klägerin keine Gehhilfen und bei aufrechtem Stand waren beide Beine annähernd seitengleich belastet. Speziell im Hinblick auf das Gutachten von Dr. P. hat OMR F. zu Recht unter Berufung auf den Aufsatz von Dr. Häuser darauf verwiesen, dass die Diskrepanz der Selbst- und Fremdbeurteilungen der Aktivitätseinschränkungen zu begutachtender Probanden gezeigt habe, dass eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung nur aufgrund von subjektiven Angaben des Probanden (spontane Beschwerdeschilderung, psychometrische Tests) nicht ausreichend sei. Aber gerade Dr. P. hat sich maßgeblich auf die subjektive Beschwerdeschilderung der Klägerin gestützt, wenn sie zumal in ihrer ergänzenden Stellungnahme nochmals ausdrücklich erklärt, dass ohne Zweifel eine Diskrepanz zwischen der relativ unauffälligen körperlichen Untersuchung und den geäußerten Beschwerden bei der Klägerin bestünden, dass allerdings nur wegen der Diskrepanz der Beschwerden und dem körperlichen Befund und der Möglichkeit einer Reise nach Bosnien immer noch keine volle Arbeitsfähigkeit gegeben sei. Sie halte unter dem Aspekt einer schweren Schmerzchronifizierung mit psychischen Kofaktoren weiterhin eine Arbeitsfähigkeit von nur unter sechs Stunden für möglich. Dieses Abstellen von Dr. P. auf die subjektiven Beschwerdeschilderungen der Klägerin ist für den Senat jedoch umso weniger überzeugend, als, wie bereits oben angeführt, gerade im Rahmen der sozialmedizinischen Begutachtung subjektive Beschwerden und Selbstbeurteilungen durch die Betroffenen als alleiniges (oder auch überwiegendes) Beurteilungskriterium nicht ausreichend sind. In dem Zusammenhang ist auch für den Senat bemerkenswert, dass die Klägerin im Rahmen der entsprechenden Fragebögen zumeist eine Schmerzstärke von 10 angibt, die einem Schmerz entspricht, wie er z.B. bei der Amputation einer Extremität (ohne Betäubung!) auftritt. Auch aus Sicht des Senates stellt eine solche gravierende und im Besonderen konstant angegebene Schmerzstärke einen Hinweis darauf dar, dass bei der Klägerin eine deutliche funktionelle Beschwerdeüberlagerung vorliegt. Auch Dr. P. selbst verweist auf deutliche Diskrepanzen zwischen Befinden und Befunden, so auch auf die Diskrepanz zwischen einem zeitlich eingeschränkten Sitzen einerseits und einer ca. zwanzigstündigen Bosnienreise mit dem PKW andererseits. Auch ergeben sich im Gutachten von Dr. P. weitere Diskrepanzen zwischen geklagten Beschwerden und dargestellten Gebrauchseinschränkungen im Bereich der rechten Körperhälfte bei gezielter Untersuchung einerseits und demgegenüber widersprechenden Befunden andererseits. So wird bei geltend gemachten Beeinträchtigungen im Bereich der rechten Schulter im Gutachten der Schürzen-Bindegriff beidseits als unauffällig bezeichnet und werden widersprüchliche Befunde gegenüber dargestellten Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Armes und rechten Beines beschrieben, nämlich eine leichte Umfangsvermehrung im Bereich des rechten Armes - bei Rechtshändigkeit - und seitengleiche Umfangsbefunde im Bereich der Beine. Auch wird festgestellt, dass die Schuhe gleich abgelaufen sind. Bei einer dauerhaften schmerzbedingten Einschränkung im Bereich des rechten Armes und des rechten Beines auch im alltäglichen Bereich wäre aber zu erwarten gewesen, dass sich die Muskelumfangsmaße im Bereich des rechten Armes und des rechten Beines gegenüber jeweils links vermindert haben müssten, dass auch die rechte Schuhsohle geringer abgelaufen sein müsste als die linke. Genau im Hinblick auf solche Diskrepanzen hat auch der von OMR F. zitierte Prof. Dr. Dr. W. in den von ihm erarbeiteten Beurteilungskriterien zur Begutachtung von Betroffenen mit chronischen Schmerzerkrankungen (wozu sowohl das Fibromyalgiebeschwerdesyndrom als auch die Gruppe der somatoformen Störungen zählen) die Erhebung von Befunden sowohl in gezielter Untersuchungssituation als auch bei Beobachtungen außerhalb gezielter Untersuchungssituation (wie diese zum Teil auch bei der Gutachterin Dr. P. vorgenommen wurden) und auch Konsistenzprüfungen (z.B. Ausführungen zur Medikamenteneinnahme) gefordert, um die tatsächliche Beeinträchtigung bei dem Betroffenen im alltäglichen Bereich und Berufsleben möglichst valide herauszufinden. In diesem Zusammenhang sei auch nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die von der Gutachterin Dr. P. verwendeten Schmerzfragebögen gerade nicht für die Schmerzbegutachtung validiert sind, sondern für die Schmerzbehandlung.

Insgesamt kann sich auf dieser Grundlage der Senat daher nicht davon überzeugen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, noch vollschichtig einer leichten körperlichen Tätigkeit unter Beachtung entsprechender qualitativer Einschränkungen nachzugehen.

Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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