Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 1775/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1996/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt eine höhere Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 21.02.2006 an der rechten Schulter.
Der 1952 geborene Kläger war als Kraftfahrer bei einer Spedition beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei einer der Rechtsvorgängerinnen der beklagten Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert.
1. Am 16.02.1999 rutschte er auf der Ladefläche eines Anhängers aus und fiel rück¬wärts hinunter. Er erlitt dabei eine Rotatorenmanschettenruptur an der linken Schulter. Hierfür bezog er von der Beklagten eine Rente als vorläufige Entschädigung bis Ende Dezember 2000. Im Rahmen des Verfahrens über den zweiten Arbeitsunfall, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, überprüfte die Beklagte auch, ob wegen der Folgen des Unfalls im Jahre 1999 an der linken Schulter zumindest eine MdE von 10 v.H. besteht und damit u.U. ein Stützrententatbestand. Dies lehnte sie im Ergebnis jedoch ab. Der Rechtsstreit betreffend diese Frage ist ebenfalls in der Berufungsinstanz bei dem erkennenden Senat anhängig (L 3 U 4883/12), dort entscheidet der Senat mit weiterem Beschluss vom heutigen Tage.
2. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist ein Arbeitsunfall des Klägers am 21.02.2006. Beim Abladen von Papierrollen mit einem Gewicht von je 1.500 kg wurde der rechte Arm des Klägers zwischen zwei Rollen, die unbeabsichtigt in Bewegung geraten waren, eingeklemmt und verdreht. Hierbei zog er sich eine komplette Rotatorenmanschettenruptur und eine 2/3-Läsion der Bizepssehne zu. Operationen erfolgten am 12.06.2006, 28.06.2006 und (mit Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion) am 14.11.2006. Arbeitsunfähigkeit bestand bis einschließlich April 2007.
In dem unfallchirurgischen Gutachten vom 19.06.2007 vertrat Prof. Dr. W. die Auffassung, dass die Unfallfolgen bis auf Weiteres mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v.H.) zu bewerten seien. Die aktive Beweglichkeit rechts sei für das Vorwärtsheben endgradig und für das Seitwärtsheben deutlich eingeschränkt, während die passive Beweglichkeit in beide Richtungen frei sei. Es bestehe eine diskrete Atrophie der Supraspinatus-Muskulatur rechts. Hierauf gestützt bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2007 eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 01.05.2007 bis 30.06.2008. Als wesentliche Unfallfolge erkannte sie eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk an.
Im Zweiten Rentengutachten vom 06.11.2008 gab Prof. Dr. W. an, die verbliebenen Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet bedingten jetzt noch (bis auf Weiteres) eine MdE von 10 v.H. Die Beweglichkeit der linken Schulter in Abduktion und Anteversion sei passiv frei (je 170°), während der Kläger bei aktiver Bewegung ab 70° angebe, schmerzbedingt nicht weiter bewegen zu können. Dafür finde sich jedoch kein organisches Korrelat in den Rotatorenmanschettentests, ebensowenig ein Impingement-Syndrom oder eine Beeinträchtigung des AC-Gelenks. Wegen dieser nicht nachvollziehbaren Minderung der aktiven Beweglichkeit schlage er eine neurologische Begutachtung vor.
In dem daraufhin eingeholten neurologischen Gutachten vom 22.02.2010 führte Prof. Dr. H. aus, Unfallfolge sei eine Einschränkung der aktiven Bewegung im Schultergelenk bei Abduktion und Anteversion sowie Außenrotation aufgrund von Schmerzen verbunden mit einer Kraftminderung. Daneben sei eine leichte Schwäche der Unterarmsupination und der Ellenbogenflexion als Un¬fallfolge anzusehen. Bei der ulnarseitigen Dysästhesie des rechten Hand¬rückens und der leichten Schwäche der Fingerbeugung, die mit einer neurographisch nach-gewiesenen Schädigung des Nervus ulnaris vereinbar sei, handele es sich hingegen um unfallunabhängige Er¬krankungen. Die Hemmung der aktiven Abduktion und Anteversion über die Grenze von 90° hinaus sei auf Grund der nur geringen Krafteinschränkung in der Muskulatur, der geringen Schädigungszeichen im EMG und der weitgehend unauffälligen sensiblen Neurografie aus neurologischer Sicht nicht hinreichend zu erklären. Diese Lähmung sei im Sinne einer Schmerzhemmung eher Folge und nicht Ursache der Schmerzsymptomatik. Hierfür spreche auch, dass in den Wochen nach dem Unfall die Schmerzsymptomatik im Vordergrund gestanden habe und Lähmungserscheinungen nicht dokumentiert worden seien. Insgesamt bewerte er die Unfallfolgen mit einer MdE von 20 v.H.
Die Beklagte erhob abschließend das unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. S. vom 07.07.2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 15.09.2010. Dieser Gutachter teilte mit, auch bei ihm habe sich eine deutlicher Unterschied zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit gezeigt. Jedoch könnten Schürzen- und Nackengriff nur eingeschränkt demonstriert werden, auch zeige sich rechts eine Kraftminderung im Vergleich zur Gegenseite auf einen Kraftgrad von 4 von 5 nach Janda. Es zeige sich eine deutliche Schmerzüberlagerung. Insgesamt könne daher von einer MdE von 20 v.H. ausgegangen werden.
Mit Bescheid vom 27.10.2010 bewilligte die Beklage dem Kläger Verletztenrente ab 01.07.2008 bis auf Weiteres nach einer MdE von 20 v.H. Als Unfallfolgen wurden eine "Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk und Kraftminderung des rechten Armes" bezeichnet.
Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE begehrte. Er leide an starken Schmerzen. Ggfs. seien neurologische Schäden zusätzlich zu berücksichtigen. Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 19.01.2011 ein, die erneut auf eine massive Diskrepanz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit hinwies. Nur weil diese Diskrepanz nun nicht mehr zu klären sei, könne eine MdE von 20 v.H. gewährt werden. Neurologische Beeinträchtigungen beständen nicht. Gestützt hierauf erließ die Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 04.03.2011.
Der Kläger hat am 05.04.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, die Folgen des Unfalls vom 21.02.2006 seien im Zusammenhang mit dem weiteren Arbeitsunfall vom 16.02.1999 und der dort erlittenen Verletzung der linken Schulter zu sehen.
Das SG hat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das unfallchirur¬gische Gutachten von Dr. J. vom 26.04.2012 eingeholt. Dieser Sachverständige hat folgende Angaben gemacht: Im Bereich beider Schultern seien keine Atrophien feststellbar. In der Bewegungsprüfung zeige sich eine gegenüber der Norm deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter: Die Seithebung des Arms sei rechts aktiv nur bis 50°, passiv bis 170° möglich gewesen, bei aktiver Seithebung links bis 140°. Die Vorwärtshebung habe rechts aktiv 60°, passiv 170° und links aktiv 130° betragen. Zudem zeige der Supraspinatusmuskel eine reduzierte Kraftentfaltung mit einem Kraftgrad von 4/5 des Normwertes. Der Muskelbauch des Bizeps am rechten Arm sei im Seitenvergleich etwas tiefer getreten. Der rechte Ellenbogen sei in allen Ebenen klinisch bandstabil. Im Bereich des Epicondylus humeri radialis seien jedoch deutliche Druckschmerzen vorhanden. Die Überprü¬fung der Sensibilität zeige gewisse Hypästhesien. Unfallbedingt seien die Beschwer¬den an der rechten Schulter und am rechten Ellenbogen. Unfallunabhängig seien hingegen die Gefühlsstörungen. Insoweit lasse sich ein struktureller neurologischer Schaden, der auf den Unfall zurückzuführen sei, nicht nachweisen. Für die Beurteilung der MdE sei die starke aktive Bewegungseinschränkung der rechten Schulter relevant. Insgesamt bedingten die Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H.
Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er sei wegen einer erheblichen Verschlechterung rechts in ärztlicher Behandlung, hat das SG den behandelnden Allgemeinmediziner P. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 04.12.2012 mitgeteilt, er behandle den Kläger im Wesentlichen wegen Wirbelsäulenbeschwerden, es bestehe ein Schulter-Syndrom rechts, eine wesentliche und dauerhafte Änderung habe sich in der Behandlung seit April 2012 nicht ergeben.
Der Kläger hat sodann vorgetragen, es hätten sich erhebliche Sensibilitätsstörungen im rechten Arm entwickelt, er werde sich deswegen alsbald neurologisch untersuchen lassen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.01.2013 hat er dazu angegeben, er werde sich drei Tage später bei der Neurologin F. untersuchen lassen, diese Untersuchung solle abgewartet werden.
Mit Urteil vom selben Tage hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass sämtliche Funktionseinschränkungen an der rechten Schulter mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 21.02.2006 zurückzuführen seien. Dies gelte auch hinsichtlich der Beschwerden im Bereich des rechten Ellenbogens und der leicht abgeschwäch¬ten Beugung und Supination im Ellenbogengelenk, was der festgestellten Unfallfolge "Kraftminderung im rechten Arm" entspreche. Nicht Unfallfolge seien dagegen die geltend gemachten Gefühlsstörungen im rechten Arm. Insoweit sei ebenfalls dem Sachverständigen Dr. J. und dem von der Beklagen beauftragten Gutachter Prof. Dr. H. zu folgen. Diese hätten nachvollziehbar und überzeugend herausgestellt, dass ein struktureller neurologischer Schaden als Unfallfolge nicht nachweisbar sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass die angegebenen Lähmungserscheinungen im zeitlichen Verlauf erst relativ spät hinzugetreten seien, was gegen einen Unfallzusammenhang spreche. Unter diesen Umständen habe auch nicht die geplante neurologische Untersuchung des Klägers abgewartet werden müssen. Die demnach unfallbedingten Beeinträchtigungen bedingten eine MdE von 20 v.H. Nach den einschlägigen Erfahrungswerten in der medizinischen Literatur ergebe sich bei einer Bewegungseinschränkung bis 90° und freier Rotation eine MdE um 20 v.H., bei einer konzentrischen Bewegungseinschränkung um die Hälfte eine solche von 25 v.H. Eine MdE von 30 v.H. sei erst bei einer Versteifung (30° Abduktion) gerechtfertigt. Nach diesen Maßstäben erscheine eine MdE von 20 v.H. angemessen. Zwar habe sich bei Dr. J. eine recht eindrucksvolle aktive Bewegungseinschrän¬kung gezeigt. Bei der Begutachtung durch Prof. Dr. H. seien aber noch Werte von 90° bzw. 110° zu erheben gewesen, sodass auf Dauer gesehen von einem dazwischen liegenden Wert auszugehen sei. Dieser werde zudem durch die nahezu unbeeinträchtigte passive Beweglichkeit relativiert. Aus den vorgeführten aktiven Bewegungseinschränkungen müsste letztlich geschlossen werden, dass der Kläger den rechten Arm seit mehreren Jahren nicht über die Horizontale angehoben habe. Wenn dies zuträfe, wäre aber auch mit einer entsprechenden Einschränkung der passiven Beweglichkeit durch entsprechende Umbauprozesse zu rechnen gewesen. Dies habe Dr. J. ausdrücklich hervorgehoben. Eine derartige Einschränkung liege aber nicht vor. Daraus sei zu schließen, dass die tatsächliche aktive Be¬weglichkeit - wenn überhaupt - eher bei 90° als bei 50° liege. Auch die fehlende Atrophie der Muskulatur spreche gegen eine gravierende Gebrauchseinschränkung im Alltag. Die als Unfallfolge anerkannte Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im Ellenbogen sei funktionell unbedeutend und könne sich daher nicht MdE-erhöhend auswirken.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 26.04.2013 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 08.05.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat erneut auf Sensibilitätsstörungen im rechten Arm verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 27. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. März 2011 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 21. Februar 2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat Atteste von Frau F. vom 21.01.2013 (aktive Beweglichkeit der rechten Schulter auf 30° in der Abduktion und 20 bis 30° in der Anteversion reduziert, deutlich kraftge¬mindert, passive Beweglichkeit weitestgehend frei, keine muskulären Atrophien, elektrophysiologische Untersuchungen unauffällig, aktuell könne klinisch und elektrophysiologisch keine mani¬feste Nervenläsion nachgewiesen werden, die die Bewegungsstörungen des rechten Amis erklären könnte), vom 27.03.2013 (zwischenzeitlich habe ein MRT der rechten Schulter einen pathologi-schen Befund [Veränderungen der Rotatorenmanschette und des AC-Gelenks] ergeben; die mus-kuläre Instabilität des Schultergelenks erkläre hinreichend die Genese des Syndroms rechtsseitig) und vom 30.04.2013 (das orthopädischerseits [von D-Arzt Dr. B. am 18.04.2013] als Ver¬dacht genannte Wurzelkompressionssyndrom der Halswirbelsäule [ausgeprägte Osteochondrose und rechtsbetonte Unkarthrosen bei C5/C6] sei sicher nicht auszuschließen) vorgelegt. Ferner hat der Kläger abschließend den Befundbericht der Radiologin L. vom 15.05.2013 über eine Kernspintomografie vorgelegt (aktive Osteochondrose C5/C6 und geringer C3/C4. Rechtsführen-de Unkarthrosen mit Einengung der Neuroforamina, V.a. kleinen rechtsseitigen Prolaps).
Die Beklagte hat hierzu den Zwischenbericht des D-Arztes Dr. L. vom 22.05.2013 über die Un-tersuchung des Klägers am 15.05.2013 vorgelegt, in dem eine Omarthrose rechts und eine AC-Gelenksarthrose rechts diagnostiziert und außerdem der Verdacht auf eine Re-Ruptur der Rotato¬renmanschette geäußert wird.
Der Senat hat den Kläger daraufhin vom Amts wegen bei dem Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. N. begutachten lassen. Dieser Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 19.12.2013 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger beständen - rechtsseitig - Bewegungsschmerzen und eine Kraftminderung der rechten Schulter bei stattgehabter traumatischer Sehnenruptur und Z.n. mehrfacher Sehnennaht, eine leichte Kraftminderung am rechten Ellbogen bei Umwendbewegungen und ein chronisch degeneratives HWS-Syndrom. Die Bewegungsmaße der rechten Schulter betrügen in der Abduktion aktiv 70° und passiv 140° und in der Anteversion aktiv 20° und passiv 130°. Die grobe Kraft betrage 3 von 5 nach Janda. Diese Gesundheitsstörungen am rechten Arm beeinträchtigten die Leistungsfähigkeit des Klägers deutlich. Es sei nach mehreren Operationen von einem chronischen Geschehen auszugehen. Auch die benachbarte Region der HWS sei schmerzhaft eingeschränkt, dies beruhe jedoch auf Degeneration von Wirbeln und Bandscheiben und sei unfallunabhängig zu sehen. Die auch hier zu sehende Diskrepanz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit sei durch die veränderte Anatomie und Biomechanik bei Sehnenrupturen zu erklären (im Einzelnen S. 19 f. GA). Auch bei letztlich gut eingeheilter Sehne resultiere ein verkürzter und veränderter Hebelarm, der fast immer zu einem Funktionsdefizit führe. Daher lie¬ßen sich die vom Kläger angegebenen Funktionseinbußen rechts objektivieren. Die subjektiv ge¬klagten Schmerzen könnten jedoch per definitionem nicht verifiziert werden. Neurologisch habe (zwar) kein signifikant messbarer Nervenschaden dargelegt werden können. Die Schmerzwahrnehmung sei (jedoch) ein hochkomplexer Prozess mit vielen Faktoren (S. 20 GA). Die Einnahme von Ibu¬profen als leichtem Analgetikum lasse auf einen geringen Leidensdruck schließen. Die MdE für die unfallbedingten Beeinträchtigungen rechts betrage 100 v.H. bis zum 06.01.2007, 50 v.H. bis zum 25.01.2007, 20 v.H. bis zum 13.10.2008, 10 v.H. ab dem 14.10.2008 und 20 v.H. wegen vermehrter Schmerzen nach Einholung des neurologischen Gutachtens. In der Folgezeit und auch jetzt sei von einer MdE von 20 v.H. auszugehen. Zu dem Einwand des Klägers, die MdE müsse höher angesetzt werden, weil wegen der Schädigungen der anderen Schulter Kompensationsmöglichkeiten fehlten, hat Dr. N. ausgeführt, dieses Argument sei aus orthopädischer Sicht nicht haltbar.
Der Kläger ist diesem Gutachten entgegengetreten und hat das Attest von Frau F. vom 06.06.2014 und den Bericht der Rehaklinik K., Herr K., vom 20.06.2014 über einen stationären Aufenthalt vom 03. bis 24.06.2014 vorgelegt.
Der Senat hat den Beteiligten unter dem 08.07.2014 mitgeteilt, dass er ohne Hinzuziehung der eh¬renamtlichen Richter durch Beschluss entscheiden wolle, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.07.2014 gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
1. Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstim¬mig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächli¬cher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erör¬tert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
2. Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da die Gewährung einer höheren Verletztenrente für mehr als ein Jahr in Streit steht (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist-und formgerecht (§151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) auf Gewährung ei¬ner Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 20 v.H. abgewiesen. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger nicht zu, weswegen sich die angegriffenen Bescheide als rechtmäßig erweisen.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verletztenrente auf Grund eines Arbeits¬unfalls (bzw. einer Berufskrankheit) aus § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Insbesondere hat es ausgeführt, dass nach der Grundregel in § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ein Rentenanspruch nur besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in Folge des Versicherungsfalls um wenigstens 20 v.H. gemin¬dert ist. Der Senat verweist nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf je¬ne Ausführungen.
b) Der angegriffene Bescheid vom 27.10.2010 über die Gewährung einer Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H. regelt nur den Zeitraum ab dem 01.07.2008. Der Zeitraum zuvor war Gegenstand des Bescheids vom 27.07.2007, mit dem eine vorläufige Entschädigung für die Zeit vom 01.05.2007 bis 30.06.2008 gewährt worden war. Jenen Bescheid hat der Kläger jedoch nicht angefochten, er hat auch in diesem Verfahren keine höhere Rente für die Zeit vor dem 01.07.2008 begehrt. Daher ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob die MdE für den rechten Ann vor Juli 2008 ggfs. höher als 20 v.H. lag.
c) Für den demnach streitigen Zeitraum ab Juli 2008 bedingen die Folgen des anerkannten Arbeits¬unfalls vom 21.02.2006, nämlich die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk und die Kraftminderung des rechten Arms als Folge der Rotatorenmanschettenruptur und der 2/3-Läsion der Bizepssehne, eine MdE um 20 v.H., sodass ein höherer Rentenanspruch ausscheidet.
aa) Maßstab für die Folgen einer Rotatorenmanschettenruptur, auch einer traumatisch bedingten, ist im Wesentlichen die Restbeweglichkeit im Schultergelenk (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2011, S. 419). Hierbei ist die Vorwärts- und Rückwärtshebung des Arms das Hauptkriterium (a.a.O., S. 523), weil sich Einschränkungen der Be¬weglichkeit in diesen Dimensionen in Alltag und Beruf am stärksten auswirken. Eine MdE von 10 v.H. setzt voraus, dass die Armhebung vorwärts und seitwärts nur bis zu 120° möglich ist. Eine Bewegungseinschränkung vorwärts und seitwärts bis 90° rechtfertigt eine MdE von 20 v.H. Eine Schultergelenksversteifung (30° Abduktion) wird mit 30 v.H. eingeschätzt. Die gleichen Werte gelten auch für andere Verletzungen der Schulter bzw. des Schultergelenks (a.a.O., S. 523). Nachranging haben andere Faktoren Einfluss auf die Bewertung mit einer MdE, z.B. die Ausführung von Hinterhaupt-¬, Nacken- und Schürzengriff. "Stärkere schmerzhafte Funktionseinschränkungen" werden inso¬weit berücksichtigt, als sie zu einer Verschmächtigung der Muskulatur der betroffenen oberen Or¬gane - hier vor allem an Schulter und Arm - geführt haben (a.a.O., S. 419). Eine solche Ver¬schmächtigung selbst ist allerdings keine Funktionseinbuße, sondern ein Indiz für eine einge¬schränkte Belastbarkeit der betroffenen Gelenke oder Gliedmaßen. Eine eingeschränkte Belast¬barkeit kann auch unmittelbar festgestellt werden, z.B. in Form einer Minderung der groben Kraft. Dass auch die andere Schlüter geschädigt ist, kann dagegen nicht zu einer höheren Bewertung der Beeinträchtigungen an der einen Schulter führen. Für eine solche stärkere Einbuße auf Grund ei¬ner "fehlenden Kompensationsmöglichkeit", wie sie der Kläger vorgetragen hat, gibt es keinen medizinischen Ansatz. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N., der in seinem Gutachten vom 19.12.2013 - ausdrücklich nach diesem Punkt befragt - ausge¬führt hat, ein solches Argument sei aus orthopädischer Sicht nicht haltbar. Dem ist zu folgen, denn anderenfalls würden Funktionseinschränkungen doppelt berücksichtigt, einmal direkt und zusätz-lich als Grund für eine höhere MdE für eine andere Verletzung.
bb) Welche Funktionseinbußen im Einzelnen an der rechten Schulter des Klägers vorliegen, ent-nimmt der Senat wie schon das SG den Feststellungen der Behördengutachter Prof. Dr. W., Prof. Dr. H., Prof. Dr. S. und der Gerichtssachverständigen Dr. J. und Dr. N ... Der Senat schließt sich auch den jeweiligen Vorschlägen aller Sachverständigen an, von denen keiner eine höhere MdE als 20 v.H. für angemessen erklärt hat.
Nach den aktuellen Messungen bei Dr. N. kann von einer restlichen Abduktion bzw. Anteversi¬on von bis zu 90° ausgegangen werden, jedenfalls erreicht der Kläger nicht mehr einen Wert über 90°, der nur eine MdE von 10 v.H. bedingen würde. Wie schon die Gutachter zuvor hat auch Dr. N. aktive Beweglichkeiten deutlich unter dieser Grenze, allerdings passive Beweglichkeiten deutlich über 120°, gemessen. Diese Diskrepanz ändert aber nichts an der Einschätzung, die Be-weglichkeit sei auf bis zu 90° eingeschränkt. Maßstab für die Bewertung ist die aktive Beweg-lichkeit, weil es auf sie in Arbeitsleben und Alltag ankommt. Zwar kann die aktive Beweglichkeit willkürlich verändert werden, ihre Messung hängt von der Mitarbeit des Probanden ab. Es gibt je¬doch auch medizinische Gründe für eine solche Diskrepanz, z.B. eine neurologische Störung oder eine Kraftminderung, die es dem Betroffenen unmöglich macht, den Arm so zu heben, wie es die Gelenke zuließen. Bei dem Kläger kann zwar eine signifikante - unfallbedingte - neurologi-sche Störung ausgeschlossen werden. Es wurde zwar eine Nervenwurzelreizung an der HWS be-schrieben, zunächst noch als Verdachtsdiagnose, aber eine solche wäre nicht unfallabhängig, sie ist auch erst jüngst aufgetreten. Dr. N. hat aber darauf hingewiesen, dass nach der Naht einer ge-rissenen Sehne wegen verkürzter Hebelarme fast immer ein Funktionsdefizit zu erwarten sei. Er hat entsprechend die vom Kläger demonstrierte Beweglichkeit für objektiviert gehalten. Ob die Beweglichkeit tatsächlich in dem Maße gemindert ist, wie es Dr. N. gemessen hat (Abduktion 70°, Anteversion nur noch 20°), lässt der Senat allerdings ausdrücklich offen.
Zu diesen Beweglichkeitseinschränkungen in der rechten Schulter kommt eine Kraftminderung auf 3/5 nach Janda, die allerdings unmittelbar mit der Einschränkung der aktiven Beweglichkeit zusammenhängt und daher die MdE von 20 v.H. nicht weiter erhöhen kann.
Die Beeinträchtigungen am Ellenbogengelenk gehen ebenfalls in dieser Kraftminderung auf, sie sind auch nach den Beschreibungen Dr. N. geringfügig und erhöhen die MdE nicht weiterge¬hend als die Schulterbeschwerden.
Die zusätzlichen Beeinträchtigungen an der linken Schulter führen nicht zu einer Erhöhung de/ MdE für den Schaden in der rechten Schulter. Für eine solche stärkere Einbuße auf Grund einer "fehlenden Kompensationsmöglichkeit", wie sie der Kläger vorgetragen hat, gibt es keinen medizinischen Ansatz. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des Gerichtssachverständigen Dr. N., der in seinem Gutachten vom 19.12.2013 – ausdrücklich nach diesem Punkt befragt – ausgeführt hat, ein solches Argument sei aus orthopädischer Sicht nicht haltbar. Dem ist zu folgen, denn anderenfalls würden Funktionseinschränkungen doppelt berücksichtigt, einmal direkt und zusätzlich als Grund für eine höhere MdE für eine andere Verletzung.
Der jüngst geäußerte Verdacht auf eine Re-Ruptur der Rotatorenmanschette fühlt ebenfalls nicht zu einer Höhebewertung. Dieser Punkt betrifft die Diagnose, aber nicht die Funktionseinbußen. Solange keine weitere, erhebliche (also mindestens 5 Prozentpunkte umfassende, vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 SGB VII) Verschlechterung auftritt, muss daher nicht entschieden werden, ob eine solche Re-Ruptur rechtlich wesentlich noch auf den Unfall zurückgefühlt werden kann oder möglicher-weise überwiegend durch degenerative Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette und der Schultergelenke bedingt ist.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt eine höhere Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 21.02.2006 an der rechten Schulter.
Der 1952 geborene Kläger war als Kraftfahrer bei einer Spedition beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei einer der Rechtsvorgängerinnen der beklagten Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert.
1. Am 16.02.1999 rutschte er auf der Ladefläche eines Anhängers aus und fiel rück¬wärts hinunter. Er erlitt dabei eine Rotatorenmanschettenruptur an der linken Schulter. Hierfür bezog er von der Beklagten eine Rente als vorläufige Entschädigung bis Ende Dezember 2000. Im Rahmen des Verfahrens über den zweiten Arbeitsunfall, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, überprüfte die Beklagte auch, ob wegen der Folgen des Unfalls im Jahre 1999 an der linken Schulter zumindest eine MdE von 10 v.H. besteht und damit u.U. ein Stützrententatbestand. Dies lehnte sie im Ergebnis jedoch ab. Der Rechtsstreit betreffend diese Frage ist ebenfalls in der Berufungsinstanz bei dem erkennenden Senat anhängig (L 3 U 4883/12), dort entscheidet der Senat mit weiterem Beschluss vom heutigen Tage.
2. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist ein Arbeitsunfall des Klägers am 21.02.2006. Beim Abladen von Papierrollen mit einem Gewicht von je 1.500 kg wurde der rechte Arm des Klägers zwischen zwei Rollen, die unbeabsichtigt in Bewegung geraten waren, eingeklemmt und verdreht. Hierbei zog er sich eine komplette Rotatorenmanschettenruptur und eine 2/3-Läsion der Bizepssehne zu. Operationen erfolgten am 12.06.2006, 28.06.2006 und (mit Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion) am 14.11.2006. Arbeitsunfähigkeit bestand bis einschließlich April 2007.
In dem unfallchirurgischen Gutachten vom 19.06.2007 vertrat Prof. Dr. W. die Auffassung, dass die Unfallfolgen bis auf Weiteres mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v.H.) zu bewerten seien. Die aktive Beweglichkeit rechts sei für das Vorwärtsheben endgradig und für das Seitwärtsheben deutlich eingeschränkt, während die passive Beweglichkeit in beide Richtungen frei sei. Es bestehe eine diskrete Atrophie der Supraspinatus-Muskulatur rechts. Hierauf gestützt bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2007 eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 01.05.2007 bis 30.06.2008. Als wesentliche Unfallfolge erkannte sie eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk an.
Im Zweiten Rentengutachten vom 06.11.2008 gab Prof. Dr. W. an, die verbliebenen Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet bedingten jetzt noch (bis auf Weiteres) eine MdE von 10 v.H. Die Beweglichkeit der linken Schulter in Abduktion und Anteversion sei passiv frei (je 170°), während der Kläger bei aktiver Bewegung ab 70° angebe, schmerzbedingt nicht weiter bewegen zu können. Dafür finde sich jedoch kein organisches Korrelat in den Rotatorenmanschettentests, ebensowenig ein Impingement-Syndrom oder eine Beeinträchtigung des AC-Gelenks. Wegen dieser nicht nachvollziehbaren Minderung der aktiven Beweglichkeit schlage er eine neurologische Begutachtung vor.
In dem daraufhin eingeholten neurologischen Gutachten vom 22.02.2010 führte Prof. Dr. H. aus, Unfallfolge sei eine Einschränkung der aktiven Bewegung im Schultergelenk bei Abduktion und Anteversion sowie Außenrotation aufgrund von Schmerzen verbunden mit einer Kraftminderung. Daneben sei eine leichte Schwäche der Unterarmsupination und der Ellenbogenflexion als Un¬fallfolge anzusehen. Bei der ulnarseitigen Dysästhesie des rechten Hand¬rückens und der leichten Schwäche der Fingerbeugung, die mit einer neurographisch nach-gewiesenen Schädigung des Nervus ulnaris vereinbar sei, handele es sich hingegen um unfallunabhängige Er¬krankungen. Die Hemmung der aktiven Abduktion und Anteversion über die Grenze von 90° hinaus sei auf Grund der nur geringen Krafteinschränkung in der Muskulatur, der geringen Schädigungszeichen im EMG und der weitgehend unauffälligen sensiblen Neurografie aus neurologischer Sicht nicht hinreichend zu erklären. Diese Lähmung sei im Sinne einer Schmerzhemmung eher Folge und nicht Ursache der Schmerzsymptomatik. Hierfür spreche auch, dass in den Wochen nach dem Unfall die Schmerzsymptomatik im Vordergrund gestanden habe und Lähmungserscheinungen nicht dokumentiert worden seien. Insgesamt bewerte er die Unfallfolgen mit einer MdE von 20 v.H.
Die Beklagte erhob abschließend das unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. S. vom 07.07.2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 15.09.2010. Dieser Gutachter teilte mit, auch bei ihm habe sich eine deutlicher Unterschied zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit gezeigt. Jedoch könnten Schürzen- und Nackengriff nur eingeschränkt demonstriert werden, auch zeige sich rechts eine Kraftminderung im Vergleich zur Gegenseite auf einen Kraftgrad von 4 von 5 nach Janda. Es zeige sich eine deutliche Schmerzüberlagerung. Insgesamt könne daher von einer MdE von 20 v.H. ausgegangen werden.
Mit Bescheid vom 27.10.2010 bewilligte die Beklage dem Kläger Verletztenrente ab 01.07.2008 bis auf Weiteres nach einer MdE von 20 v.H. Als Unfallfolgen wurden eine "Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk und Kraftminderung des rechten Armes" bezeichnet.
Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE begehrte. Er leide an starken Schmerzen. Ggfs. seien neurologische Schäden zusätzlich zu berücksichtigen. Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 19.01.2011 ein, die erneut auf eine massive Diskrepanz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit hinwies. Nur weil diese Diskrepanz nun nicht mehr zu klären sei, könne eine MdE von 20 v.H. gewährt werden. Neurologische Beeinträchtigungen beständen nicht. Gestützt hierauf erließ die Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 04.03.2011.
Der Kläger hat am 05.04.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, die Folgen des Unfalls vom 21.02.2006 seien im Zusammenhang mit dem weiteren Arbeitsunfall vom 16.02.1999 und der dort erlittenen Verletzung der linken Schulter zu sehen.
Das SG hat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das unfallchirur¬gische Gutachten von Dr. J. vom 26.04.2012 eingeholt. Dieser Sachverständige hat folgende Angaben gemacht: Im Bereich beider Schultern seien keine Atrophien feststellbar. In der Bewegungsprüfung zeige sich eine gegenüber der Norm deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter: Die Seithebung des Arms sei rechts aktiv nur bis 50°, passiv bis 170° möglich gewesen, bei aktiver Seithebung links bis 140°. Die Vorwärtshebung habe rechts aktiv 60°, passiv 170° und links aktiv 130° betragen. Zudem zeige der Supraspinatusmuskel eine reduzierte Kraftentfaltung mit einem Kraftgrad von 4/5 des Normwertes. Der Muskelbauch des Bizeps am rechten Arm sei im Seitenvergleich etwas tiefer getreten. Der rechte Ellenbogen sei in allen Ebenen klinisch bandstabil. Im Bereich des Epicondylus humeri radialis seien jedoch deutliche Druckschmerzen vorhanden. Die Überprü¬fung der Sensibilität zeige gewisse Hypästhesien. Unfallbedingt seien die Beschwer¬den an der rechten Schulter und am rechten Ellenbogen. Unfallunabhängig seien hingegen die Gefühlsstörungen. Insoweit lasse sich ein struktureller neurologischer Schaden, der auf den Unfall zurückzuführen sei, nicht nachweisen. Für die Beurteilung der MdE sei die starke aktive Bewegungseinschränkung der rechten Schulter relevant. Insgesamt bedingten die Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H.
Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er sei wegen einer erheblichen Verschlechterung rechts in ärztlicher Behandlung, hat das SG den behandelnden Allgemeinmediziner P. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 04.12.2012 mitgeteilt, er behandle den Kläger im Wesentlichen wegen Wirbelsäulenbeschwerden, es bestehe ein Schulter-Syndrom rechts, eine wesentliche und dauerhafte Änderung habe sich in der Behandlung seit April 2012 nicht ergeben.
Der Kläger hat sodann vorgetragen, es hätten sich erhebliche Sensibilitätsstörungen im rechten Arm entwickelt, er werde sich deswegen alsbald neurologisch untersuchen lassen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.01.2013 hat er dazu angegeben, er werde sich drei Tage später bei der Neurologin F. untersuchen lassen, diese Untersuchung solle abgewartet werden.
Mit Urteil vom selben Tage hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass sämtliche Funktionseinschränkungen an der rechten Schulter mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 21.02.2006 zurückzuführen seien. Dies gelte auch hinsichtlich der Beschwerden im Bereich des rechten Ellenbogens und der leicht abgeschwäch¬ten Beugung und Supination im Ellenbogengelenk, was der festgestellten Unfallfolge "Kraftminderung im rechten Arm" entspreche. Nicht Unfallfolge seien dagegen die geltend gemachten Gefühlsstörungen im rechten Arm. Insoweit sei ebenfalls dem Sachverständigen Dr. J. und dem von der Beklagen beauftragten Gutachter Prof. Dr. H. zu folgen. Diese hätten nachvollziehbar und überzeugend herausgestellt, dass ein struktureller neurologischer Schaden als Unfallfolge nicht nachweisbar sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass die angegebenen Lähmungserscheinungen im zeitlichen Verlauf erst relativ spät hinzugetreten seien, was gegen einen Unfallzusammenhang spreche. Unter diesen Umständen habe auch nicht die geplante neurologische Untersuchung des Klägers abgewartet werden müssen. Die demnach unfallbedingten Beeinträchtigungen bedingten eine MdE von 20 v.H. Nach den einschlägigen Erfahrungswerten in der medizinischen Literatur ergebe sich bei einer Bewegungseinschränkung bis 90° und freier Rotation eine MdE um 20 v.H., bei einer konzentrischen Bewegungseinschränkung um die Hälfte eine solche von 25 v.H. Eine MdE von 30 v.H. sei erst bei einer Versteifung (30° Abduktion) gerechtfertigt. Nach diesen Maßstäben erscheine eine MdE von 20 v.H. angemessen. Zwar habe sich bei Dr. J. eine recht eindrucksvolle aktive Bewegungseinschrän¬kung gezeigt. Bei der Begutachtung durch Prof. Dr. H. seien aber noch Werte von 90° bzw. 110° zu erheben gewesen, sodass auf Dauer gesehen von einem dazwischen liegenden Wert auszugehen sei. Dieser werde zudem durch die nahezu unbeeinträchtigte passive Beweglichkeit relativiert. Aus den vorgeführten aktiven Bewegungseinschränkungen müsste letztlich geschlossen werden, dass der Kläger den rechten Arm seit mehreren Jahren nicht über die Horizontale angehoben habe. Wenn dies zuträfe, wäre aber auch mit einer entsprechenden Einschränkung der passiven Beweglichkeit durch entsprechende Umbauprozesse zu rechnen gewesen. Dies habe Dr. J. ausdrücklich hervorgehoben. Eine derartige Einschränkung liege aber nicht vor. Daraus sei zu schließen, dass die tatsächliche aktive Be¬weglichkeit - wenn überhaupt - eher bei 90° als bei 50° liege. Auch die fehlende Atrophie der Muskulatur spreche gegen eine gravierende Gebrauchseinschränkung im Alltag. Die als Unfallfolge anerkannte Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im Ellenbogen sei funktionell unbedeutend und könne sich daher nicht MdE-erhöhend auswirken.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 26.04.2013 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 08.05.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat erneut auf Sensibilitätsstörungen im rechten Arm verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 27. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. März 2011 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 21. Februar 2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat Atteste von Frau F. vom 21.01.2013 (aktive Beweglichkeit der rechten Schulter auf 30° in der Abduktion und 20 bis 30° in der Anteversion reduziert, deutlich kraftge¬mindert, passive Beweglichkeit weitestgehend frei, keine muskulären Atrophien, elektrophysiologische Untersuchungen unauffällig, aktuell könne klinisch und elektrophysiologisch keine mani¬feste Nervenläsion nachgewiesen werden, die die Bewegungsstörungen des rechten Amis erklären könnte), vom 27.03.2013 (zwischenzeitlich habe ein MRT der rechten Schulter einen pathologi-schen Befund [Veränderungen der Rotatorenmanschette und des AC-Gelenks] ergeben; die mus-kuläre Instabilität des Schultergelenks erkläre hinreichend die Genese des Syndroms rechtsseitig) und vom 30.04.2013 (das orthopädischerseits [von D-Arzt Dr. B. am 18.04.2013] als Ver¬dacht genannte Wurzelkompressionssyndrom der Halswirbelsäule [ausgeprägte Osteochondrose und rechtsbetonte Unkarthrosen bei C5/C6] sei sicher nicht auszuschließen) vorgelegt. Ferner hat der Kläger abschließend den Befundbericht der Radiologin L. vom 15.05.2013 über eine Kernspintomografie vorgelegt (aktive Osteochondrose C5/C6 und geringer C3/C4. Rechtsführen-de Unkarthrosen mit Einengung der Neuroforamina, V.a. kleinen rechtsseitigen Prolaps).
Die Beklagte hat hierzu den Zwischenbericht des D-Arztes Dr. L. vom 22.05.2013 über die Un-tersuchung des Klägers am 15.05.2013 vorgelegt, in dem eine Omarthrose rechts und eine AC-Gelenksarthrose rechts diagnostiziert und außerdem der Verdacht auf eine Re-Ruptur der Rotato¬renmanschette geäußert wird.
Der Senat hat den Kläger daraufhin vom Amts wegen bei dem Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. N. begutachten lassen. Dieser Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 19.12.2013 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger beständen - rechtsseitig - Bewegungsschmerzen und eine Kraftminderung der rechten Schulter bei stattgehabter traumatischer Sehnenruptur und Z.n. mehrfacher Sehnennaht, eine leichte Kraftminderung am rechten Ellbogen bei Umwendbewegungen und ein chronisch degeneratives HWS-Syndrom. Die Bewegungsmaße der rechten Schulter betrügen in der Abduktion aktiv 70° und passiv 140° und in der Anteversion aktiv 20° und passiv 130°. Die grobe Kraft betrage 3 von 5 nach Janda. Diese Gesundheitsstörungen am rechten Arm beeinträchtigten die Leistungsfähigkeit des Klägers deutlich. Es sei nach mehreren Operationen von einem chronischen Geschehen auszugehen. Auch die benachbarte Region der HWS sei schmerzhaft eingeschränkt, dies beruhe jedoch auf Degeneration von Wirbeln und Bandscheiben und sei unfallunabhängig zu sehen. Die auch hier zu sehende Diskrepanz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit sei durch die veränderte Anatomie und Biomechanik bei Sehnenrupturen zu erklären (im Einzelnen S. 19 f. GA). Auch bei letztlich gut eingeheilter Sehne resultiere ein verkürzter und veränderter Hebelarm, der fast immer zu einem Funktionsdefizit führe. Daher lie¬ßen sich die vom Kläger angegebenen Funktionseinbußen rechts objektivieren. Die subjektiv ge¬klagten Schmerzen könnten jedoch per definitionem nicht verifiziert werden. Neurologisch habe (zwar) kein signifikant messbarer Nervenschaden dargelegt werden können. Die Schmerzwahrnehmung sei (jedoch) ein hochkomplexer Prozess mit vielen Faktoren (S. 20 GA). Die Einnahme von Ibu¬profen als leichtem Analgetikum lasse auf einen geringen Leidensdruck schließen. Die MdE für die unfallbedingten Beeinträchtigungen rechts betrage 100 v.H. bis zum 06.01.2007, 50 v.H. bis zum 25.01.2007, 20 v.H. bis zum 13.10.2008, 10 v.H. ab dem 14.10.2008 und 20 v.H. wegen vermehrter Schmerzen nach Einholung des neurologischen Gutachtens. In der Folgezeit und auch jetzt sei von einer MdE von 20 v.H. auszugehen. Zu dem Einwand des Klägers, die MdE müsse höher angesetzt werden, weil wegen der Schädigungen der anderen Schulter Kompensationsmöglichkeiten fehlten, hat Dr. N. ausgeführt, dieses Argument sei aus orthopädischer Sicht nicht haltbar.
Der Kläger ist diesem Gutachten entgegengetreten und hat das Attest von Frau F. vom 06.06.2014 und den Bericht der Rehaklinik K., Herr K., vom 20.06.2014 über einen stationären Aufenthalt vom 03. bis 24.06.2014 vorgelegt.
Der Senat hat den Beteiligten unter dem 08.07.2014 mitgeteilt, dass er ohne Hinzuziehung der eh¬renamtlichen Richter durch Beschluss entscheiden wolle, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.07.2014 gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
1. Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstim¬mig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächli¬cher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erör¬tert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
2. Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da die Gewährung einer höheren Verletztenrente für mehr als ein Jahr in Streit steht (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist-und formgerecht (§151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) auf Gewährung ei¬ner Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 20 v.H. abgewiesen. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger nicht zu, weswegen sich die angegriffenen Bescheide als rechtmäßig erweisen.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verletztenrente auf Grund eines Arbeits¬unfalls (bzw. einer Berufskrankheit) aus § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Insbesondere hat es ausgeführt, dass nach der Grundregel in § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ein Rentenanspruch nur besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in Folge des Versicherungsfalls um wenigstens 20 v.H. gemin¬dert ist. Der Senat verweist nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf je¬ne Ausführungen.
b) Der angegriffene Bescheid vom 27.10.2010 über die Gewährung einer Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H. regelt nur den Zeitraum ab dem 01.07.2008. Der Zeitraum zuvor war Gegenstand des Bescheids vom 27.07.2007, mit dem eine vorläufige Entschädigung für die Zeit vom 01.05.2007 bis 30.06.2008 gewährt worden war. Jenen Bescheid hat der Kläger jedoch nicht angefochten, er hat auch in diesem Verfahren keine höhere Rente für die Zeit vor dem 01.07.2008 begehrt. Daher ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob die MdE für den rechten Ann vor Juli 2008 ggfs. höher als 20 v.H. lag.
c) Für den demnach streitigen Zeitraum ab Juli 2008 bedingen die Folgen des anerkannten Arbeits¬unfalls vom 21.02.2006, nämlich die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk und die Kraftminderung des rechten Arms als Folge der Rotatorenmanschettenruptur und der 2/3-Läsion der Bizepssehne, eine MdE um 20 v.H., sodass ein höherer Rentenanspruch ausscheidet.
aa) Maßstab für die Folgen einer Rotatorenmanschettenruptur, auch einer traumatisch bedingten, ist im Wesentlichen die Restbeweglichkeit im Schultergelenk (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2011, S. 419). Hierbei ist die Vorwärts- und Rückwärtshebung des Arms das Hauptkriterium (a.a.O., S. 523), weil sich Einschränkungen der Be¬weglichkeit in diesen Dimensionen in Alltag und Beruf am stärksten auswirken. Eine MdE von 10 v.H. setzt voraus, dass die Armhebung vorwärts und seitwärts nur bis zu 120° möglich ist. Eine Bewegungseinschränkung vorwärts und seitwärts bis 90° rechtfertigt eine MdE von 20 v.H. Eine Schultergelenksversteifung (30° Abduktion) wird mit 30 v.H. eingeschätzt. Die gleichen Werte gelten auch für andere Verletzungen der Schulter bzw. des Schultergelenks (a.a.O., S. 523). Nachranging haben andere Faktoren Einfluss auf die Bewertung mit einer MdE, z.B. die Ausführung von Hinterhaupt-¬, Nacken- und Schürzengriff. "Stärkere schmerzhafte Funktionseinschränkungen" werden inso¬weit berücksichtigt, als sie zu einer Verschmächtigung der Muskulatur der betroffenen oberen Or¬gane - hier vor allem an Schulter und Arm - geführt haben (a.a.O., S. 419). Eine solche Ver¬schmächtigung selbst ist allerdings keine Funktionseinbuße, sondern ein Indiz für eine einge¬schränkte Belastbarkeit der betroffenen Gelenke oder Gliedmaßen. Eine eingeschränkte Belast¬barkeit kann auch unmittelbar festgestellt werden, z.B. in Form einer Minderung der groben Kraft. Dass auch die andere Schlüter geschädigt ist, kann dagegen nicht zu einer höheren Bewertung der Beeinträchtigungen an der einen Schulter führen. Für eine solche stärkere Einbuße auf Grund ei¬ner "fehlenden Kompensationsmöglichkeit", wie sie der Kläger vorgetragen hat, gibt es keinen medizinischen Ansatz. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N., der in seinem Gutachten vom 19.12.2013 - ausdrücklich nach diesem Punkt befragt - ausge¬führt hat, ein solches Argument sei aus orthopädischer Sicht nicht haltbar. Dem ist zu folgen, denn anderenfalls würden Funktionseinschränkungen doppelt berücksichtigt, einmal direkt und zusätz-lich als Grund für eine höhere MdE für eine andere Verletzung.
bb) Welche Funktionseinbußen im Einzelnen an der rechten Schulter des Klägers vorliegen, ent-nimmt der Senat wie schon das SG den Feststellungen der Behördengutachter Prof. Dr. W., Prof. Dr. H., Prof. Dr. S. und der Gerichtssachverständigen Dr. J. und Dr. N ... Der Senat schließt sich auch den jeweiligen Vorschlägen aller Sachverständigen an, von denen keiner eine höhere MdE als 20 v.H. für angemessen erklärt hat.
Nach den aktuellen Messungen bei Dr. N. kann von einer restlichen Abduktion bzw. Anteversi¬on von bis zu 90° ausgegangen werden, jedenfalls erreicht der Kläger nicht mehr einen Wert über 90°, der nur eine MdE von 10 v.H. bedingen würde. Wie schon die Gutachter zuvor hat auch Dr. N. aktive Beweglichkeiten deutlich unter dieser Grenze, allerdings passive Beweglichkeiten deutlich über 120°, gemessen. Diese Diskrepanz ändert aber nichts an der Einschätzung, die Be-weglichkeit sei auf bis zu 90° eingeschränkt. Maßstab für die Bewertung ist die aktive Beweg-lichkeit, weil es auf sie in Arbeitsleben und Alltag ankommt. Zwar kann die aktive Beweglichkeit willkürlich verändert werden, ihre Messung hängt von der Mitarbeit des Probanden ab. Es gibt je¬doch auch medizinische Gründe für eine solche Diskrepanz, z.B. eine neurologische Störung oder eine Kraftminderung, die es dem Betroffenen unmöglich macht, den Arm so zu heben, wie es die Gelenke zuließen. Bei dem Kläger kann zwar eine signifikante - unfallbedingte - neurologi-sche Störung ausgeschlossen werden. Es wurde zwar eine Nervenwurzelreizung an der HWS be-schrieben, zunächst noch als Verdachtsdiagnose, aber eine solche wäre nicht unfallabhängig, sie ist auch erst jüngst aufgetreten. Dr. N. hat aber darauf hingewiesen, dass nach der Naht einer ge-rissenen Sehne wegen verkürzter Hebelarme fast immer ein Funktionsdefizit zu erwarten sei. Er hat entsprechend die vom Kläger demonstrierte Beweglichkeit für objektiviert gehalten. Ob die Beweglichkeit tatsächlich in dem Maße gemindert ist, wie es Dr. N. gemessen hat (Abduktion 70°, Anteversion nur noch 20°), lässt der Senat allerdings ausdrücklich offen.
Zu diesen Beweglichkeitseinschränkungen in der rechten Schulter kommt eine Kraftminderung auf 3/5 nach Janda, die allerdings unmittelbar mit der Einschränkung der aktiven Beweglichkeit zusammenhängt und daher die MdE von 20 v.H. nicht weiter erhöhen kann.
Die Beeinträchtigungen am Ellenbogengelenk gehen ebenfalls in dieser Kraftminderung auf, sie sind auch nach den Beschreibungen Dr. N. geringfügig und erhöhen die MdE nicht weiterge¬hend als die Schulterbeschwerden.
Die zusätzlichen Beeinträchtigungen an der linken Schulter führen nicht zu einer Erhöhung de/ MdE für den Schaden in der rechten Schulter. Für eine solche stärkere Einbuße auf Grund einer "fehlenden Kompensationsmöglichkeit", wie sie der Kläger vorgetragen hat, gibt es keinen medizinischen Ansatz. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des Gerichtssachverständigen Dr. N., der in seinem Gutachten vom 19.12.2013 – ausdrücklich nach diesem Punkt befragt – ausgeführt hat, ein solches Argument sei aus orthopädischer Sicht nicht haltbar. Dem ist zu folgen, denn anderenfalls würden Funktionseinschränkungen doppelt berücksichtigt, einmal direkt und zusätzlich als Grund für eine höhere MdE für eine andere Verletzung.
Der jüngst geäußerte Verdacht auf eine Re-Ruptur der Rotatorenmanschette fühlt ebenfalls nicht zu einer Höhebewertung. Dieser Punkt betrifft die Diagnose, aber nicht die Funktionseinbußen. Solange keine weitere, erhebliche (also mindestens 5 Prozentpunkte umfassende, vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 SGB VII) Verschlechterung auftritt, muss daher nicht entschieden werden, ob eine solche Re-Ruptur rechtlich wesentlich noch auf den Unfall zurückgefühlt werden kann oder möglicher-weise überwiegend durch degenerative Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette und der Schultergelenke bedingt ist.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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