Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 VG 549/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2391/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf die Versorgung mit einem Hund streitig.
Die am 10. Juni 1971 geborene Klägerin wurde seit ihrem 12. Lebensjahr regelmäßig von ihrem Vater vergewaltigt, welches eine Schwangerschaft (Geburt des Kindes am 17. November 1987, zur Adoption freigegeben) zur Folge hatte. Ihr Vater wurde deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt (Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 18. Mai 1988 – II Kls 4/88, IV AK 9/88). In Folge dessen leidet sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstruktur vom Borderlinetyp sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie wird deswegen kontinuierlich psychiatrisch behandelt, seit ihrem Umzug 2012 von der Neurologin und Psychiaterin Dr. J ... 2012 und 2014 war sie zuletzt in einer stationären psychosomatischen Behandlung. Zuletzt war die Klägerin 2002 berufstätig, seit 1. Mai 2004 erhält sie eine zunächst befristete, jetzt unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 4. August 2004, Bl. 193 ff. V-Akte). Ihre zwei Kinder aus einer nichtehelichen Verbindung wurden bei Pflegeeltern untergebracht. Die Klägerin ist aktuell zum zweiten Mal verheiratet.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 8. März 2005 (Bl. 170 V-Akte) stellte der Beklagte eine Borderline-Persönlichkeitsstörung durch schädigende Einwirkungen nach § 1 Opferentschädi-gungsgesetz (OEG) fest und bewilligte der Klägerin eine Beschädigtenrente. Zuletzt wurde aufgrund des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 18. April 2011 eine Beschädigten-grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 sowie Berufsschadensausgleich gewährt (Bescheid vom 15. Juli 2011).
Am 28. September 2009 beantragte die Klägerin (ohne ärztliche Verordnung) aufgrund der anerkannten Schädigung die Kostenübernahme (Anschaffung und Bedarf) für ein Haustier (Hund).
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2009 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei dem beantragten Haustier handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der Orthopädieverordnung (OrthV). Hiergegen erhob die Klägerin unter Hinweis darauf, dass die therapeutischen Erfolge von Tieren seit langem in der Reit- und Delfintherapie anerkannt seien, Widerspruch. Außerdem erhalte jeder Obdachlose das Geld für Hundemarke, Futter und Tierarzt vom Amt. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2010 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Januar 2010 beim SG Klage erhoben, zu deren Begründung sie weiter vorgetragen hat, ihr Arzt habe ihr angesichts ihres sozialen Rückzugs zur Anschaffung eines Hundes geraten. Da sie mit Hund auch ihre Ängste überwinden wolle, sei der Hund auch eine Therapiemaßnahme. Außerdem müsse ein Härtefall geprüft werden.
Der Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegen getreten, die OrthV sei abschließend, weshalb für einen Härtefallausgleich kein Raum bleibe. Ob der Hund ein Heilmittel sei, darüber sei keine Verwaltungsentscheidung ergangen.
Ihr Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den anhängigen Rechtsstreit ist abgelehnt worden (Beschluss des SG vom 14. April 2011), auch die Beschwerde dagegen blieb erfolglos (Beschluss des Senats vom 20. Februar 2012, L 6 VG 2800/11 B).
Mit Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2012 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei dem Hund handele es sich um ein Hilfsmittel, nämlich die sächliche Versorgung im Wege der Eigentumsverschaffung, auf das kein Anspruch bestehe. Denn es handele sich um einen gewöhnlichen, handelsüblichen Hund, der nicht bestimmte antrainierte Eigenschaften erfüllen müsse. Die Versorgung mit einem solchen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens komme nur ausnahmsweise in Betracht, überdies bestehe dann die Möglichkeit, die behinderungsbedingten Kosten der allgemeinen Lebensführung weitgehend einzuschränken. Der Klägerin stünden aber psychotherapeutische Maßnahmen zur Behandlung ihrer Erkrankung zur Verfügung, so dass sie nicht dringend auf einen Hund angewiesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juni 2012 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorgetragen hat, sie benötige aufgrund ihrer Panikattacken, die zu ihrem sozialen Rückzug geführt hätten, dringend einen Therapiehund. Sie hat hierzu auf einen Zeitungsartikel verwiesen, wonach Hunde Ängste lösen könnten.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2012 sowie den Bescheid vom 14. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt eines Hundes zu erstatten und künftig zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, dass eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand nicht nachgewiesen sei, weshalb die OrthV die entsprechende Leistung nicht vorsehe. Auch im Rahmen der Heilbehandlung bestehe keine Anspruchsgrundlage.
Die Klägerin hat zwei Atteste von der Neurologin und Psychiaterin Dr. J. vorgelegt, wonach sie psychisch schwer krank sei (emotional instabile Persönlichkeitsstruktur vom Borderlinetyp sowie posttraumatische Belastungsstörung aufgrund des jahrelangen Missbrauchs in der Kindheit und Jugend). Hinzu kämen Schwierigkeiten mit den Nachbarn, die in eine Gerichtsverhandlung gemündet hätten, was zusätzlich zur starken Labilisierung beigetragen habe. Sie sei permanent erschöpft und benötige sechzehn Stunden Schlaf, erhole sich aber nicht ausreichend, der krankheitsbedingte Antrieb führe zu mangelnder Bewegung und Übergewicht. Ein Hund werde dazu beitragen, dass sie sich mehr bewege und mit anderen Menschen in Kontakt komme, nicht zuletzt werde die Tagesstruktur verbessert. Deswegen sei die Anschaffung eines Therapiehundes medizinisch sinnvoll und begründet.
Die Klägerin hat sich mittlerweile einen Hund angeschafft, wegen dessen Mitaufnahme in eine Badekur in der Klinik Dr. D. sie zuletzt ein Klageverfahren beim Sozialgericht Würzburg (S 10 VG 10/14 ) geführt hat.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung der Klägerin (§§ 143, 144 SGG), über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Eine Erstattung der Aufwendungen bzw. Übernahme der künftigen Unterhaltskosten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 Fall 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) scheidet vorliegend aus, da es sich nicht um eine unaufschiebbare Sach- bzw. Dienstleistung im Sinne der genannten Vorschrift handelt. Unaufschiebbare Leistungen liegen vor allem bei Notfällen und in anderen dringlichen Bedarfslagen vor, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2009 - L 10 R 2684/07 - zitiert nach juris). Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Leistung sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs erbracht werden muss. Nicht rechtzeitig erbracht ist eine Leistung, wenn diese dem Betroffenen, obwohl dieser alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten, nicht in der der Dringlichkeit angemessenen Zeit erbracht wurde (vgl. zu der Regelung des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V]). Ein derartiger Notfall liegt nicht vor; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung und die Unterhaltskosten des Hundes bzw. Übernahme der künftigen Unterhaltskosten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 Fall 2 SGB IX. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Beklagte die Gewährung der Leistung (hier Übernahme der Kosten für die Anschaffung des Hundes) zu Unrecht abgelehnt hat. Das ist jedoch nicht der Fall.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. § 10 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG), wonach der Beschädigte Anspruch auf Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen hat, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind. Der Anspruch auf Heilbehandlung schließt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BVG auch die Versorgung mit Hilfsmitteln ein. Hierzu zählen wiederum nach § 13 Abs. 1 BVG die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, Blindenführhunden und mit dem Zubehör der Hilfsmittel, die Instandhaltung und der Ersatz der Hilfsmittel und des Zubehörs sowie die Ausbildung im Gebrauch von Hilfsmitteln. Der Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln ist grundsätzlich ein Sachleistungsanspruch (§ 18 Abs. 1 BVG), der von den Verwaltungsbehörden zu erfüllen ist (§ 18c Abs. 1 Satz 2 BVG). In der gemäß § 24a Buchst. a BVG erlassenen OrthV vom 4. Oktober 1989 (BGBl. I S 1834) i.d.F. vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) ist in § 18 Abs. 1 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Hilfsmittel zu gewähren ist.
Der Umfang der Heilbehandlung ergibt sich aus § 11 BVG. Die Gewährung des Hundes stellt zunächst keine psychotherapeutische Maßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BVG dar, denn diese wird nur als ärztliche oder psychotherapeutische Leistung gewährt. Sie ist auch kein Heilmittel im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BVG, denn darunter sind - wie das SG zu Recht ausgeführt hat – nur ärztlich verordnete persönliche medizinische Dienstleistungen zu verstehen, während Hilfsmittel sächliche Mittel sind (zur Abgrenzung auch BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 KR 3/00 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 41).
Bei der von der Klägerin begehrten Versorgung mit einem Hund handelt es sich somit um ein Hilfsmittel. Der Hilfsmittelbegriff wird seit dem Inkrafttreten des SGB IX (durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046) zum 1. Juli 2001 für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs. 1, § 5 Nr. 1 SGB IX) durch § 31 SGB IX einheitlich definiert (so zuletzt BSG, Urteil vom 18. Juni 2014 - B 3 KR 8/13 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 42). Danach umfassen Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um (1.) einer drohenden Behinderung vorzubeugen, (2.) den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder (3.) eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.
Was unter dem Begriff des allgemeinen Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens im Hilfsmittelbereich zu verstehen ist, lässt sich nicht für jeden Gegenstand, der als erforderliches Hilfsmittel im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BVG i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB IX in Betracht kommt, einheitlich beantworten (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 - 3 RK 39/94 - SozR 3-2500 § 33 Nr. 19). Der Gesetzgeber hat sowohl in § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als auch in anderen Gesetzen, die einen derartigen Leistungsausschluss enthalten, auf eine Definition dieses Begriffes verzichtet. Auch in § 18 Orth V werden zwar unterschiedliche Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens genannt, eine abstrakte Definition dieses Begriffes findet sich indes auch dort nicht.
Der Begriff des "allgemeinen Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens" ist nicht nach unverzichtbaren Einzelkriterien bestimmbar. Er erfordert vielmehr eine Gesamtwürdigung verschiedener Merkmale und erweist sich damit als "Typusbegriff". Die Frage des allgemeinen Gebrauchs eines Gegenstandes hängt in erster Linie von seiner praktischen Bedeutung für die Lebensführung der Menschen und ihre alltäglichen Lebensbetätigungen ab. Ist ein Gegenstand für alle Menschen oder jedenfalls ihre Mehrzahl unentbehrlich oder besitzt ihn die Mehrzahl der Menschen unabhängig von etwaigen Krankheiten oder Behinderungen aus sonstigen Gründen, kann stets von einem allgemeinen Gebrauch dieses Gegenstandes gesprochen werden, ohne dass es näherer Feststellungen zur Verbreitung des Gegenstandes bedarf. Neben der tatsächlichen Verbreitung ist auch der Preis in die Wertung mit einzubeziehen. Das folgt aus Sinn und Zweck der Regelung. Diese trägt einmal dem Gesichtspunkt der Kausalität Rechnung, weil bei Gebrauchsgegenständen, deren sich praktisch jeder bedient, angenommen werden kann, dass diese auch ohne Krankheit erworben worden wären. Der Gesichtspunkt der Kausalität wird in der Regelung zum BVG deutlicher als in der zur Krankenversicherung angesprochen. Es liegt auf der Hand, dass dies bei geringwertigen Gegenständen leichter angenommen werden kann.
Ausgehend hiervon handelt es sich bei dem von der Klägerin begehrten Hund, da dieser keinerlei Besonderheiten wie z.B. ein ausgebildeter Blindenhund aufweisen muss, um einen solchen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, zumal ein nicht reinrassiges Tier auch kostenlos, bei jedem Tierheim aufgrund der Kastration über eine Gebühr von ca. 200 EUR erworben werden kann und auch eine hohe Verbreitung von Hunden in der Bevölkerung besteht. Denn es haben eine Vielzahl von Menschen unabhängig von Krankheiten oder Behinderungen aus sonstigen Gründen einen Hund. Deswegen bedurfte es auch einer gesonderten Regelung für die Hilfsmittelversorgung mit Blindenführhunden in §§ 13 Abs. 1 BVG, 19 OrthV, zumal ein Hund keinen Funktionsausfall ausgleichen kann, jedoch die Folgen der Schädigung erleichtert (vgl. dazu Vogl in: Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 13 BVG Rn. 15).
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OrthV sind sonstige Hilfsgeräte, die besonders für Behinderte entwickelt worden sind, sowie behinderungsgerechte Änderungen von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens oder Zusatzausstattungen aber dennoch zu leisten, wenn der Behinderte bei nichtberuflichen Verrichtungen im täglichen Leben dringend auf sie angewiesen ist, um Folgen der Behinderung zu erleichtern. Diese Voraussetzungen erfüllt der begehrte Hund ebenfalls nicht.
Solche Gegenstände können unter den übrigen Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 OrthV ausnahmsweise nach § 18 Abs. 1 Satz 3 OrthV geliefert werden, wenn der Behinderte sie ohne die Behinderung nicht erwerben würde. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Klägerin ohne die Schädigungsfolgen einen Hund erwerben würde (auch wenn hieran schon Zweifel bestehen). Denn nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OrthV ist die Leistungspflicht des Beklagten auf Gegenstände beschränkt, auf die der Versorgungsberechtigte im täglichen Leben dringend "angewiesen ist, um Folgen der Behinderung zu erleichtern". Im täglichen Leben werden dringend benötigt nur Gegenstände, die (im menschlichen Alltag benötigt werden, die also) jedermann für seine alltäglichen Grundbedürfnisse benötigt. Dieses Angewiesensein des Beschädigten auf die fraglichen Gegenstände muss damit in den alltäglichen Bedürfnissen seinen Ursprung haben, nicht dagegen in gelegentlichen Tätigkeiten, in beruflichen Arbeiten oder in Liebhabereien (vgl. zuletzt LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. April 2001 - L 4 VG 2/00 - Breithaupt 2001, 926). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Hund aber erkennbar nicht um einen solchen Gegenstand, auf den die Klägerin alltäglich zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse angewiesen ist. Vielmehr begehrt sie den Hund für Freizeitbeschäftigung, nämlich Spaziergänge und Begleitung, während die eigentliche Krankenbehandlung durch die in Anspruch genommene Psychotherapie nach § 11 Abs. 1 Nr. 11 BVG wahrgenommen wird.
Auch nach der Härtefallregelung des § 89 Abs. 1 BVG besteht kein Anspruch (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 9 V 3/98 R - SozR 3-3100 § 89 Nr. 5). Danach kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben. Voraussetzungen für eine Ermessensleistung (vgl. § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) nach § 89 BVG ist somit, dass der Gesetzgeber besondere Einzelfälle oder auch Gruppen mit ihren Besonderheiten übersehen oder nicht vorausgesehen oder nicht genügend differenziert geregelt hat. § 89 BVG soll die Gewährung von Leistungen ermöglichen, wenn zwischen der konkreten Gesetzesanwendung und dem mit dem Recht der Kriegsopferversorgung angestrebten Ziel ein Missverhältnis auftritt. Die besondere Härte kann nur bejaht werden, wenn für einen Anspruch auf Versorgung nicht alle Tatbestandsmerkmale, die das Gesetz aufstellt, verwirklicht sind und wenn der Antragsteller dadurch besonders hart getroffen wird. Die Ermächtigung des § 89 BVG ist aber auf wenige, unmittelbar aus der Gesetzesanwendung sich ergebende Einzelfälle oder Einzelfallgruppen beschränkt. Ohne die Begrenzung des Verwaltungsermessens auf krasse Ausnahmen wäre die Ermächtigung zum Verwaltungsermessen dazu angetan, die verfassungsmäßigen Grenzen zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zu sprengen. Die fundamentalen Vorschriften des Kriegsopferrechts dürfen durch einen Härteausgleich nicht ausgehöhlt oder umgangen werden.
Bei dem Begriff der "besonderen Härte" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Gerichte voll zu überprüfen ist. Liegt eine besondere Härte nach den genannten Kriterien vor, so können die Gerichte den Versorgungsträger auch dann zum Erlass einer Ermessensentscheidung (vgl. § 131 Abs. 3 SGG) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen, wenn das BMA entgegen der in § 89 Abs. 1 und 2 BVG vorgesehenen Regelung seine Zustimmung nicht erteilt hat. Denn die Zustimmung des BMA hat nur verwaltungsinterne Bedeutung; ob sie hätte erteilt werden müssen, wird im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Ablehnungsbescheides mit geprüft. Fehlt es dagegen sowohl an der besonderen Härte als auch an der Zustimmung des BMA, so kommt eine Verurteilung des Versorgungsträgers zum Erlass einer abgelehnten Entscheidung über einen Härteausgleich nicht in Betracht.
So liegt der Fall hier. Zu Recht hat der Beklagte die Übernahme von Kosten im Wege des Härteausgleichs abgelehnt. Eine andere Entscheidung würde den tragenden Grundsätzen des Bundesversorgungsrechts widersprechen, sich insbesondere nicht in den Rahmen der Hilfsmittelvorschriften einfügen. Darüber hinaus hat das SG zutreffend dargelegt, dass es an einer besonderen Härte schon deswegen fehlt, weil die Klägerin zur Behandlung ihrer Erkrankung psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen in Anspruch nehmen kann und dies auch tatsächlich tut.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf die Versorgung mit einem Hund streitig.
Die am 10. Juni 1971 geborene Klägerin wurde seit ihrem 12. Lebensjahr regelmäßig von ihrem Vater vergewaltigt, welches eine Schwangerschaft (Geburt des Kindes am 17. November 1987, zur Adoption freigegeben) zur Folge hatte. Ihr Vater wurde deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt (Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 18. Mai 1988 – II Kls 4/88, IV AK 9/88). In Folge dessen leidet sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstruktur vom Borderlinetyp sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie wird deswegen kontinuierlich psychiatrisch behandelt, seit ihrem Umzug 2012 von der Neurologin und Psychiaterin Dr. J ... 2012 und 2014 war sie zuletzt in einer stationären psychosomatischen Behandlung. Zuletzt war die Klägerin 2002 berufstätig, seit 1. Mai 2004 erhält sie eine zunächst befristete, jetzt unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 4. August 2004, Bl. 193 ff. V-Akte). Ihre zwei Kinder aus einer nichtehelichen Verbindung wurden bei Pflegeeltern untergebracht. Die Klägerin ist aktuell zum zweiten Mal verheiratet.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 8. März 2005 (Bl. 170 V-Akte) stellte der Beklagte eine Borderline-Persönlichkeitsstörung durch schädigende Einwirkungen nach § 1 Opferentschädi-gungsgesetz (OEG) fest und bewilligte der Klägerin eine Beschädigtenrente. Zuletzt wurde aufgrund des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 18. April 2011 eine Beschädigten-grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 sowie Berufsschadensausgleich gewährt (Bescheid vom 15. Juli 2011).
Am 28. September 2009 beantragte die Klägerin (ohne ärztliche Verordnung) aufgrund der anerkannten Schädigung die Kostenübernahme (Anschaffung und Bedarf) für ein Haustier (Hund).
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2009 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei dem beantragten Haustier handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der Orthopädieverordnung (OrthV). Hiergegen erhob die Klägerin unter Hinweis darauf, dass die therapeutischen Erfolge von Tieren seit langem in der Reit- und Delfintherapie anerkannt seien, Widerspruch. Außerdem erhalte jeder Obdachlose das Geld für Hundemarke, Futter und Tierarzt vom Amt. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2010 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Januar 2010 beim SG Klage erhoben, zu deren Begründung sie weiter vorgetragen hat, ihr Arzt habe ihr angesichts ihres sozialen Rückzugs zur Anschaffung eines Hundes geraten. Da sie mit Hund auch ihre Ängste überwinden wolle, sei der Hund auch eine Therapiemaßnahme. Außerdem müsse ein Härtefall geprüft werden.
Der Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegen getreten, die OrthV sei abschließend, weshalb für einen Härtefallausgleich kein Raum bleibe. Ob der Hund ein Heilmittel sei, darüber sei keine Verwaltungsentscheidung ergangen.
Ihr Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den anhängigen Rechtsstreit ist abgelehnt worden (Beschluss des SG vom 14. April 2011), auch die Beschwerde dagegen blieb erfolglos (Beschluss des Senats vom 20. Februar 2012, L 6 VG 2800/11 B).
Mit Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2012 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei dem Hund handele es sich um ein Hilfsmittel, nämlich die sächliche Versorgung im Wege der Eigentumsverschaffung, auf das kein Anspruch bestehe. Denn es handele sich um einen gewöhnlichen, handelsüblichen Hund, der nicht bestimmte antrainierte Eigenschaften erfüllen müsse. Die Versorgung mit einem solchen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens komme nur ausnahmsweise in Betracht, überdies bestehe dann die Möglichkeit, die behinderungsbedingten Kosten der allgemeinen Lebensführung weitgehend einzuschränken. Der Klägerin stünden aber psychotherapeutische Maßnahmen zur Behandlung ihrer Erkrankung zur Verfügung, so dass sie nicht dringend auf einen Hund angewiesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juni 2012 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorgetragen hat, sie benötige aufgrund ihrer Panikattacken, die zu ihrem sozialen Rückzug geführt hätten, dringend einen Therapiehund. Sie hat hierzu auf einen Zeitungsartikel verwiesen, wonach Hunde Ängste lösen könnten.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2012 sowie den Bescheid vom 14. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt eines Hundes zu erstatten und künftig zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, dass eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand nicht nachgewiesen sei, weshalb die OrthV die entsprechende Leistung nicht vorsehe. Auch im Rahmen der Heilbehandlung bestehe keine Anspruchsgrundlage.
Die Klägerin hat zwei Atteste von der Neurologin und Psychiaterin Dr. J. vorgelegt, wonach sie psychisch schwer krank sei (emotional instabile Persönlichkeitsstruktur vom Borderlinetyp sowie posttraumatische Belastungsstörung aufgrund des jahrelangen Missbrauchs in der Kindheit und Jugend). Hinzu kämen Schwierigkeiten mit den Nachbarn, die in eine Gerichtsverhandlung gemündet hätten, was zusätzlich zur starken Labilisierung beigetragen habe. Sie sei permanent erschöpft und benötige sechzehn Stunden Schlaf, erhole sich aber nicht ausreichend, der krankheitsbedingte Antrieb führe zu mangelnder Bewegung und Übergewicht. Ein Hund werde dazu beitragen, dass sie sich mehr bewege und mit anderen Menschen in Kontakt komme, nicht zuletzt werde die Tagesstruktur verbessert. Deswegen sei die Anschaffung eines Therapiehundes medizinisch sinnvoll und begründet.
Die Klägerin hat sich mittlerweile einen Hund angeschafft, wegen dessen Mitaufnahme in eine Badekur in der Klinik Dr. D. sie zuletzt ein Klageverfahren beim Sozialgericht Würzburg (S 10 VG 10/14 ) geführt hat.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung der Klägerin (§§ 143, 144 SGG), über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Eine Erstattung der Aufwendungen bzw. Übernahme der künftigen Unterhaltskosten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 Fall 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) scheidet vorliegend aus, da es sich nicht um eine unaufschiebbare Sach- bzw. Dienstleistung im Sinne der genannten Vorschrift handelt. Unaufschiebbare Leistungen liegen vor allem bei Notfällen und in anderen dringlichen Bedarfslagen vor, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2009 - L 10 R 2684/07 - zitiert nach juris). Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Leistung sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs erbracht werden muss. Nicht rechtzeitig erbracht ist eine Leistung, wenn diese dem Betroffenen, obwohl dieser alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten, nicht in der der Dringlichkeit angemessenen Zeit erbracht wurde (vgl. zu der Regelung des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V]). Ein derartiger Notfall liegt nicht vor; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung und die Unterhaltskosten des Hundes bzw. Übernahme der künftigen Unterhaltskosten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 Fall 2 SGB IX. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Beklagte die Gewährung der Leistung (hier Übernahme der Kosten für die Anschaffung des Hundes) zu Unrecht abgelehnt hat. Das ist jedoch nicht der Fall.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. § 10 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG), wonach der Beschädigte Anspruch auf Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen hat, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind. Der Anspruch auf Heilbehandlung schließt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BVG auch die Versorgung mit Hilfsmitteln ein. Hierzu zählen wiederum nach § 13 Abs. 1 BVG die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, Blindenführhunden und mit dem Zubehör der Hilfsmittel, die Instandhaltung und der Ersatz der Hilfsmittel und des Zubehörs sowie die Ausbildung im Gebrauch von Hilfsmitteln. Der Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln ist grundsätzlich ein Sachleistungsanspruch (§ 18 Abs. 1 BVG), der von den Verwaltungsbehörden zu erfüllen ist (§ 18c Abs. 1 Satz 2 BVG). In der gemäß § 24a Buchst. a BVG erlassenen OrthV vom 4. Oktober 1989 (BGBl. I S 1834) i.d.F. vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) ist in § 18 Abs. 1 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Hilfsmittel zu gewähren ist.
Der Umfang der Heilbehandlung ergibt sich aus § 11 BVG. Die Gewährung des Hundes stellt zunächst keine psychotherapeutische Maßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BVG dar, denn diese wird nur als ärztliche oder psychotherapeutische Leistung gewährt. Sie ist auch kein Heilmittel im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BVG, denn darunter sind - wie das SG zu Recht ausgeführt hat – nur ärztlich verordnete persönliche medizinische Dienstleistungen zu verstehen, während Hilfsmittel sächliche Mittel sind (zur Abgrenzung auch BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 KR 3/00 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 41).
Bei der von der Klägerin begehrten Versorgung mit einem Hund handelt es sich somit um ein Hilfsmittel. Der Hilfsmittelbegriff wird seit dem Inkrafttreten des SGB IX (durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046) zum 1. Juli 2001 für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs. 1, § 5 Nr. 1 SGB IX) durch § 31 SGB IX einheitlich definiert (so zuletzt BSG, Urteil vom 18. Juni 2014 - B 3 KR 8/13 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 42). Danach umfassen Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um (1.) einer drohenden Behinderung vorzubeugen, (2.) den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder (3.) eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.
Was unter dem Begriff des allgemeinen Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens im Hilfsmittelbereich zu verstehen ist, lässt sich nicht für jeden Gegenstand, der als erforderliches Hilfsmittel im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BVG i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB IX in Betracht kommt, einheitlich beantworten (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 - 3 RK 39/94 - SozR 3-2500 § 33 Nr. 19). Der Gesetzgeber hat sowohl in § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als auch in anderen Gesetzen, die einen derartigen Leistungsausschluss enthalten, auf eine Definition dieses Begriffes verzichtet. Auch in § 18 Orth V werden zwar unterschiedliche Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens genannt, eine abstrakte Definition dieses Begriffes findet sich indes auch dort nicht.
Der Begriff des "allgemeinen Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens" ist nicht nach unverzichtbaren Einzelkriterien bestimmbar. Er erfordert vielmehr eine Gesamtwürdigung verschiedener Merkmale und erweist sich damit als "Typusbegriff". Die Frage des allgemeinen Gebrauchs eines Gegenstandes hängt in erster Linie von seiner praktischen Bedeutung für die Lebensführung der Menschen und ihre alltäglichen Lebensbetätigungen ab. Ist ein Gegenstand für alle Menschen oder jedenfalls ihre Mehrzahl unentbehrlich oder besitzt ihn die Mehrzahl der Menschen unabhängig von etwaigen Krankheiten oder Behinderungen aus sonstigen Gründen, kann stets von einem allgemeinen Gebrauch dieses Gegenstandes gesprochen werden, ohne dass es näherer Feststellungen zur Verbreitung des Gegenstandes bedarf. Neben der tatsächlichen Verbreitung ist auch der Preis in die Wertung mit einzubeziehen. Das folgt aus Sinn und Zweck der Regelung. Diese trägt einmal dem Gesichtspunkt der Kausalität Rechnung, weil bei Gebrauchsgegenständen, deren sich praktisch jeder bedient, angenommen werden kann, dass diese auch ohne Krankheit erworben worden wären. Der Gesichtspunkt der Kausalität wird in der Regelung zum BVG deutlicher als in der zur Krankenversicherung angesprochen. Es liegt auf der Hand, dass dies bei geringwertigen Gegenständen leichter angenommen werden kann.
Ausgehend hiervon handelt es sich bei dem von der Klägerin begehrten Hund, da dieser keinerlei Besonderheiten wie z.B. ein ausgebildeter Blindenhund aufweisen muss, um einen solchen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, zumal ein nicht reinrassiges Tier auch kostenlos, bei jedem Tierheim aufgrund der Kastration über eine Gebühr von ca. 200 EUR erworben werden kann und auch eine hohe Verbreitung von Hunden in der Bevölkerung besteht. Denn es haben eine Vielzahl von Menschen unabhängig von Krankheiten oder Behinderungen aus sonstigen Gründen einen Hund. Deswegen bedurfte es auch einer gesonderten Regelung für die Hilfsmittelversorgung mit Blindenführhunden in §§ 13 Abs. 1 BVG, 19 OrthV, zumal ein Hund keinen Funktionsausfall ausgleichen kann, jedoch die Folgen der Schädigung erleichtert (vgl. dazu Vogl in: Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 13 BVG Rn. 15).
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OrthV sind sonstige Hilfsgeräte, die besonders für Behinderte entwickelt worden sind, sowie behinderungsgerechte Änderungen von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens oder Zusatzausstattungen aber dennoch zu leisten, wenn der Behinderte bei nichtberuflichen Verrichtungen im täglichen Leben dringend auf sie angewiesen ist, um Folgen der Behinderung zu erleichtern. Diese Voraussetzungen erfüllt der begehrte Hund ebenfalls nicht.
Solche Gegenstände können unter den übrigen Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 OrthV ausnahmsweise nach § 18 Abs. 1 Satz 3 OrthV geliefert werden, wenn der Behinderte sie ohne die Behinderung nicht erwerben würde. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Klägerin ohne die Schädigungsfolgen einen Hund erwerben würde (auch wenn hieran schon Zweifel bestehen). Denn nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OrthV ist die Leistungspflicht des Beklagten auf Gegenstände beschränkt, auf die der Versorgungsberechtigte im täglichen Leben dringend "angewiesen ist, um Folgen der Behinderung zu erleichtern". Im täglichen Leben werden dringend benötigt nur Gegenstände, die (im menschlichen Alltag benötigt werden, die also) jedermann für seine alltäglichen Grundbedürfnisse benötigt. Dieses Angewiesensein des Beschädigten auf die fraglichen Gegenstände muss damit in den alltäglichen Bedürfnissen seinen Ursprung haben, nicht dagegen in gelegentlichen Tätigkeiten, in beruflichen Arbeiten oder in Liebhabereien (vgl. zuletzt LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. April 2001 - L 4 VG 2/00 - Breithaupt 2001, 926). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Hund aber erkennbar nicht um einen solchen Gegenstand, auf den die Klägerin alltäglich zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse angewiesen ist. Vielmehr begehrt sie den Hund für Freizeitbeschäftigung, nämlich Spaziergänge und Begleitung, während die eigentliche Krankenbehandlung durch die in Anspruch genommene Psychotherapie nach § 11 Abs. 1 Nr. 11 BVG wahrgenommen wird.
Auch nach der Härtefallregelung des § 89 Abs. 1 BVG besteht kein Anspruch (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 9 V 3/98 R - SozR 3-3100 § 89 Nr. 5). Danach kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben. Voraussetzungen für eine Ermessensleistung (vgl. § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) nach § 89 BVG ist somit, dass der Gesetzgeber besondere Einzelfälle oder auch Gruppen mit ihren Besonderheiten übersehen oder nicht vorausgesehen oder nicht genügend differenziert geregelt hat. § 89 BVG soll die Gewährung von Leistungen ermöglichen, wenn zwischen der konkreten Gesetzesanwendung und dem mit dem Recht der Kriegsopferversorgung angestrebten Ziel ein Missverhältnis auftritt. Die besondere Härte kann nur bejaht werden, wenn für einen Anspruch auf Versorgung nicht alle Tatbestandsmerkmale, die das Gesetz aufstellt, verwirklicht sind und wenn der Antragsteller dadurch besonders hart getroffen wird. Die Ermächtigung des § 89 BVG ist aber auf wenige, unmittelbar aus der Gesetzesanwendung sich ergebende Einzelfälle oder Einzelfallgruppen beschränkt. Ohne die Begrenzung des Verwaltungsermessens auf krasse Ausnahmen wäre die Ermächtigung zum Verwaltungsermessen dazu angetan, die verfassungsmäßigen Grenzen zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zu sprengen. Die fundamentalen Vorschriften des Kriegsopferrechts dürfen durch einen Härteausgleich nicht ausgehöhlt oder umgangen werden.
Bei dem Begriff der "besonderen Härte" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Gerichte voll zu überprüfen ist. Liegt eine besondere Härte nach den genannten Kriterien vor, so können die Gerichte den Versorgungsträger auch dann zum Erlass einer Ermessensentscheidung (vgl. § 131 Abs. 3 SGG) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen, wenn das BMA entgegen der in § 89 Abs. 1 und 2 BVG vorgesehenen Regelung seine Zustimmung nicht erteilt hat. Denn die Zustimmung des BMA hat nur verwaltungsinterne Bedeutung; ob sie hätte erteilt werden müssen, wird im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Ablehnungsbescheides mit geprüft. Fehlt es dagegen sowohl an der besonderen Härte als auch an der Zustimmung des BMA, so kommt eine Verurteilung des Versorgungsträgers zum Erlass einer abgelehnten Entscheidung über einen Härteausgleich nicht in Betracht.
So liegt der Fall hier. Zu Recht hat der Beklagte die Übernahme von Kosten im Wege des Härteausgleichs abgelehnt. Eine andere Entscheidung würde den tragenden Grundsätzen des Bundesversorgungsrechts widersprechen, sich insbesondere nicht in den Rahmen der Hilfsmittelvorschriften einfügen. Darüber hinaus hat das SG zutreffend dargelegt, dass es an einer besonderen Härte schon deswegen fehlt, weil die Klägerin zur Behandlung ihrer Erkrankung psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen in Anspruch nehmen kann und dies auch tatsächlich tut.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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