L 11 R 499/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 2228/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 499/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15.01.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung geltend.

Der 1954 geborene Kläger machte von September 1970 bis August 1972 eine Ausbildung zum Bautischler. Zuletzt arbeitete er über die Fa U. Zeitarbeit GmbH als Tischler bzw Schreiner in der Möbelteilefertigung einer Wohnmobilfirma. Dabei handelte es sich um eine Tätigkeit, die im Allgemeinen von Facharbeitern verrichtet wird. Ab September 2008 war der Kläger nicht mehr erwerbstätig.

Am 07.07.2009 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung seines Antrags verwies er auf die dem Antrag beigefügten Atteste und Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, die diese im Rahmen eines auf Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) gerichteten Klageverfahrens abgegeben hatten. Die Beklagte ließ den Kläger in ihrer ärztlichen Untersuchungsstelle in Ravensburg durch den Arzt für Innere Medizin Dr. R. untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten stellte Dr. R. folgende Diagnosen: dilative Kardiomyopathie, Morbus Bechterew/Wirbelsäulenveränderungen anderer Genese, Schultergelenksveränderungen beidseits, links Zustand nach Mehrfachoperation, Psoriasis. Die myokardiale Funktion sei erheblich vermindert. Die körperliche Belastbarkeit sei dabei erheblich reduziert. Mittelschwere körperliche Arbeiten könnten nicht mehr durchgeführt werden. Allerdings stehe eine adäquate Behandlung noch aus. Die statische und dynamische Belastbarkeit der Wirbelsäule und des linken Schultergelenks sei vermindert. Tätigkeiten mit hautreizenden Arbeitsmaterialien wie auch in Hitze, Kälte oder Nässe sollten nicht durchgeführt werden. Die Beeinträchtigungen kämen bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Schreiner mit Bearbeitung kleiner Teile nicht zum Tragen. Gestützt hierauf wurde der Rentenantrag zunächst abgelehnt.

Aufgrund der Herzerkrankung wurde dem Kläger im Juni 2010 ein CRT-ICD-System (Kardioverter-Defibrillator) implantiert. Dabei handelt es sich um ein Gerät, mit dem zum einen lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erkannt und behandelt werden und zum anderen der synchrone Herzschlag unterstützt wird. Vom 08.07. bis zum 12.08.2010 befand er sich in einem stationären Rehabilitationsverfahren. In der sozialmedizinischen Beurteilung wurde der Kläger nicht mehr für fähig erachtet, in seinem erlernten Beruf als Schreiner zu arbeiten. Dagegen könnten noch sehr leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr verrichtet werden. Seit 01.08.2009 erhält der Kläger von der Beklagten eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Am 26.10.2011 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dr. L., der den Kläger für die Beklagte begutachtete, vertrat in seinem Gutachten die Auffassung, der Kläger könne trotz der orthopädischen und kardiologischen Gesundheitsstörungen - dilatative Kardiomyopathie, Morbus Bechterew, eingeschränkte Schultergelenksbeweglichkeit links nach wiederholten operativen Eingriffen, Psoriasis – körperlich leichte Arbeiten in vorzugsweise wechselnder Körperhaltung arbeitstäglich in über sechsstündigem Umfang verrichten. Aufgrund der Schrittmacherversorgung sollten Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder in der Nähe von Hochspannungsgeräten mit starken magnetischen Feldern vermieden werden. Mit Bescheid vom 03.02.2012 und Widerspruchsbescheid vom 14.08.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.

Am 03.09.2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Seine Belastbarkeit habe sich weiter verschlechtert. Seit Juni 2010 sei ein GdB von 90 anerkannt sowie das Merkzeichen G festgestellt. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. K. hat ausgeführt, die Belastbarkeit auf weniger als drei Stunden täglich beruhe auf einer Kombination der bestehenden Leiden. Der Dermatologe Dr. La. hat mitgeteilt, von Seiten der Psoriasis liege keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit vor. Der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Dr. Sch. hat erklärt, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich seien aktuell möglich (Schreiben vom 19.12.2012). Der Orthopäde Dr. B. wiederum hat die Ansicht geäußert, aus seiner Sicht sei auch eine leichte Tätigkeit nur unter drei Stunden möglich, da die Beschwerden in der Wirbelsäule und in den Gelenken auch geringe und kurzeitige Belastungen nicht mehr zuließen. Anschließend hat das SG den Facharzt für Innere Medizin Dr. M. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 26.06.2013 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag ausüben könne. Die kardiale Leistungsfähigkeit habe sich nach der Implantation des CRT-ICD-Systems wesentlich gebessert. Während der Reha-Maßnahme habe die Ergometrie bei 50 Watt wegen Atemnot (Dyspnoe) abgebrochen werden müssen, bei seiner Untersuchung habe der Kläger bis 75 Watt belastet werden können, ohne dass eine pathologische Dyspnoe aufgetreten sei. Auch mit den orthopädischen Befunden könne eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht begründet werden. Trotz der vom Kläger an seinem Gutachten geäußerten Kritik (Schriftsatz vom 21.08.2013, Bl 74 bis 77 der SG-Akte) hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.09.2013 (Bl 79 bis 83 der SG-Akte) an seiner Beurteilung festgehalten. Mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2014, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 20.01.2014, hat das SG die Klage abgewiesen.

Am 29.01.2014 hat der Kläger Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 08.07.2014) wird vorgetragen, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass das Gericht dem Gutachten des Dr. M. gefolgt sei und nicht der Beurteilung von Dr. K. und Dr. B. Die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er bekomme schon nach kurzer Zeit Schmerzen an der Wirbelsäule und im Schulterbereich. Er leide schon seit 30 Jahren an chronischen Schmerzen der Wirbelsäule.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15.01.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.10.2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15.01.2014 zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 03.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbs-minderung im Sinne des § 43 Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweiserhebung sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren erfolgten Sachverhaltsaufklärung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dabei sind allerdings gewisse Einschränkungen zu beachten. Nicht mehr zumutbar sind Arbeiten mit Hocken, Knien oder gleichförmiger Körperhaltung sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, häufiges Treppensteigen und Überkopfarbeiten. Auch Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten im Akkord- und Fließbandarbeiten sind dem Kläger nicht mehr möglich.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist durch Gesundheitsstörungen auf internistischem und orthopädischen Fachgebiet gemindert. Er leidet seit einigen Jahren an einer dilatativen Kardiomyopathie. Dabei handelt es sich um eine krankhafte Erweiterung des Herzmuskels, die mit einer verminderten Pumpleistung des Herzens verbunden ist (Herzinsuffizienz). Diese Erkrankung führt dazu, dass dem Kläger nur noch körperlich leichte Tätigkeiten zugemutet werden können, dies aber ohne relevante zeitliche Einschränkung. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. M., das dieser für das SG erstattet hat. Nach dessen Untersuchung des Klägers hat die Herzerkrankung zu einer mittelgradigen Pumpfunktionsstörung geführt. Beim Belastungs-EKG konnte der Kläger zwei Minuten mit 50 Watt, zwei Minuten mit 75 Watt und 30 Sekunden mit 100 Watt belastet werden. Der Abbruch der Ergometrie erfolgte wegen peripherer Muskelschwäche und Schmerzen in beiden Hüftgelenken. Bei der Belastungsprüfung traten keine Angina pectoris und keine pathologische Dyspnoe auf. Bei der fünfminütigen Erholungspause im Sitzen kam es zu einer regelrechten Blutdruck- und Frequenzabsenkung. Die Lungenfunktionsprüfung ergab keine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung. Daraus hat der Sachverständige nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass dem Kläger noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne rentenrelevante zeitliche Einschränkung möglich sind. Die Untersuchungsergebnisse des Sachverständigen entsprechen auch den Angaben, die der Kläger bei der Anamneseerhebung gemacht hat. So erledigt der Kläger zB seine Einkäufe zu Fuß, er kann dabei drei bis vier Kilometer mit einem bis zu vier Kilogramm schweren Rucksack ohne Luftnot zurücklegen.

Der Kläger hat zwar in seiner Kritik an dem Gutachten des Dr. M. darauf hingewiesen, dass er die Minderbelastbarkeit auch bei alltäglicher leichter Belastung bemerke. Die vom Sachverständigen konkret wiedergegebenen Aussagen des Klägers bei der Erhebung der Anamnese werden dadurch aber nicht ausdrücklich bestritten. Zudem lässt sich mit einer subjektiven Leistungseinschätzung das Ergebnis des Belastungs-EKG nicht widerlegen. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger an einer Herzerkrankung leidet, die zu einer wesentlichen Einschränkung der Belastbarkeit führen kann. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit muss aber eine erfolgreiche Behandlung oder Rehabilitation ebenfalls berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall konnte durch die Implantation eines CRT-ICD-Systems nicht nur ein Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden. Der Sachverständige Dr. M. führt sogar aus, dass sich die kardiale Situation des Klägers nach der Implantation des CRT-ICD-Systems im Vergleich mit der Belastbarkeit, die noch während des im Jahre 2010 durchgeführten Rehabilitationsverfahrens festgestellt wurde, wesentlich verbessert hat (Gutachten Seite 21 f). Bestätigt wird dies durch die Aussage des behandelnden Facharztes für Innere Medizin - Kardiologie – Dr. Sch. Dieser hat im Schreiben vom 19.12.2012 ausgeführt, im Laufe der Behandlung hätten sich die linksventrikuläre Funktion und auch die Leistungsfähigkeit des Klägers verbessert. Der kardialen Erkrankung wird dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass dem Kläger (wegen der Schrittmacher-Versorgung) keine Tätigkeiten in der Nähe von Hochspannungsgeräten und starken magnetischen Feldern möglich sind und auch Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten im Akkord- und Fließbandarbeiten nicht mehr zugemutet werden können.

An Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet sind der Morbus Bechterew und schmerzhafte Funktionseinschränkungen beider Schultern zu berücksichtigen. Die klinische Untersuchung durch Dr. M. hat Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule ergeben. Die Brustwirbelsäule ist im oberen und mittleren Abschnitt in der deutlichen Kyphose fixiert. Die Schultern wiesen keine Rötung oder Schwellung auf. Die Beweglichkeit der rechten Schulter war beim Abspreizen oder Heranführen unwesentlich beeinträchtigt. Die linke Schulter war beim Abspreizen bei 90° und beim Heranführen bei 40° schmerzhaft eingeschränkt. Der Nacken- und Schürzengriff war beidseits durchführbar, die Beweglichkeit der Ellbogengelenke und der Handgelenke aktiv und passiv frei. Die Muskulatur der oberen Extremitäten war regelrecht ausgebildet. Auch die unteren Extremitäten wiesen eine normal ausgebildete Muskulatur auf, die Hüftgelenke waren aktiv und passiv frei beweglich. Beugung und Streckung der Kniegelenke waren nicht eingeschränkt und das Gangbild war flüssig. Die Sprunggelenke wiesen keine Weichteilschwellung auf und waren ebenfalls frei beweglich. Aus diesen Befunden hat der gerichtliche Sachverständige nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass der Kläger Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Hocken, Knien oder gleichförmiger Körperhaltung sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und häufiges Treppensteigen meiden sollte. Eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht lässt sich damit allerdings nicht begründen. Mit der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen ist auch die Leistungseinschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. B. wiederlegt.

Die Psoriasis führt nach Auskunft des behandelnden Dermatologen Dr. La. zu keiner Einschränkung der Erwerbsfähigkeit.

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. K. hat zwar ausgeführt, die Belastbarkeit des Klägers sei auf weniger als drei Stunden täglich herabgesetzt und beruhe auf einer Kombination der bestehenden Leiden. Auch der Orthopäde Dr. B. hat die Ansicht geäußert, aus seiner Sicht sei auch eine leichte Tätigkeit nur unter drei Stunden möglich, da die Beschwerden in der Wirbelsäule und in den Gelenken auch geringe und kurzeitige Belastungen nicht mehr zuließen. Durch die vom SG durchgeführte Beweiserhebung – aber auch durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten - ist die Leistungseinschätzung dieser Ärzte jedoch widerlegt. Der Beurteilung der (aktuellen) beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. Im Übrigen hat sich der gerichtliche Sachverständige mit der von seiner Beurteilung abweichenden Einschätzung der behandelnden Ärzte auseinandergesetzt und anhand der von ihm erhobenen Befunde einleuchtend begründet, weshalb er dieser Einschätzung nicht folgt.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Beim Kläger müssen zwar bestimmte Einschränkungen in Bezug auf seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gemacht werden. Die für jede Tätigkeit notwendigen Mindestvoraussetzungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit und Stressverträglichkeit werden dadurch jedoch nicht berührt. Eine erhöhte Stressbelastung (Zeitdruck, Akkord) geht über bloße Mindestvoraussetzungen für die Ausübung leichter Tätigkeiten hinaus. Dem Ausschluss von Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Hocken, Knien oder gleichförmiger Körperhaltung sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und häufiges Treppensteigen wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass dem Kläger nur noch leichte körperliche Tätigkeiten zugemutet werden. Sein Restleistungsvermögen erlaubt dem Kläger noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris) dar. Der Kläger ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht ebenfalls aus dem Gutachten des Dr. M. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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