Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 780/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4171/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.09.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Erkrankungen der Kniegelenke des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; nachfolgend BK 2112) streitig.
Der am 1953 geborene Kläger arbeitete nach seiner Ausbildung zum Fliesenleger (1968 bis 1971) bis einschließlich Februar 2009 im erlernten Beruf, zunächst abhängig beschäftigt, und ab 1979 selbständig im eigenen Betrieb. Er war bis 1979 bei der Beklagten pflichtversichert und anschließend bis zum 31.12.1999 freiwillig als Unternehmer versichert. Seit März 2009 arbeitet der Kläger nach eigenen Angaben nur noch in einem Umfang von ca. 10 Stunden die Woche im Fliesenlegerbetrieb seines Sohnes.
In einem Operationsbericht vom Februar 1999 berichtete Dr. S. , Arzt für Orthopädie und Chirurgie, von einer im selben Monat stattgehabten diagnostischen Arthroskopie mit transarthros-kopischer Innenmeniskuslappenresektion, Außenmeniskuskorbhenkelresektion sowie chondroplastischer Glättung am medialen Condylus sowie der retropatellaren Fläche bei bekannter Patella bipartita. Dr. S. diagnostizierte einen Innenmeniskuslappenriss sowie einen veraltet eingeschlagenen Außenmeniskuskorbhenkelriss, jeweils linkes Knie. In einem Arztbrief vom April 2001 berichtete Dr. S. , Facharzt für Orthopädie, von einer linksseitigen Gonarthrose beim Kläger.
Am 04.02.2009 beantragte der Kläger sinngemäß die Gewährung einer Verletztenrente und verwies zur Begründung u. a. auf seine chronischen Kniebeschwerden. Die Beklagte zog im Rahmen ihrer Ermittlungen das Verwaltungsgutachten von Dr. L. , Fachärztin für Chirurgie bei der D. R. B.-W., vom April 2009 bei (Diagnose u. a. Belastungsschmerzen beider Kniegelenke, Zustand nach Innenmeniskusteilresektion rechts, derzeit links betonte chronische Schleimbeutelentzündung ohne sonstigen Reizzustand, ohne Funktionseinbußen bei sonographischen Zeichen einer beginnenden medialen Arthrose). Der Orthopäde Dr. A. berichtete in einer Stellungnahme gegenüber der Beklagten von einer Behandlung des Klägers im April 2009 wegen Kniebeschwerden. Er habe eine Gonarthrose Grad II nach Kellgren diagnostiziert. In einer Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes der Beklagten vom November 2009 wurde mitgeteilt, der Kläger weise eine Gesamtstundenzahl von kniebelastenden Tätigkeiten im Sinne einer Gonarthrose von 31.085 Stunden auf; eine kumulative Kniebelastungsdauer von 13.000 Stunden sei bereits im Jahr 1982 erreicht worden. Der Kläger habe zu 95 % Fliesenlegerarbeiten und zu 5 % Estricharbeiten ausgeübt. Auf Nachfrage habe der Kläger mitgeteilt, dass im Regelfall keine einseitige Kniebelastung vorlag, sondern beide Knie gleich stark belastet wurden.
Die Beklagte veranlasste weiterhin eine Begutachtung durch Dr. M. , Facharzt für Orthopädie, die wegen Weigerung des Klägers, zur Begutachtung zu erscheinen, nach Aktenlage auf der Grundlage einer kernspintomographischen Untersuchung des Kniegelenkes durch den Radio-logen Dr. M. erfolgte. Nach Einschätzung von Dr. M. lagen die medizinischen Voraus¬setzungen u.a. für eine BK 2112 jeweils nur für das linke Knie vor. Das rechte Kniegelenk habe sich dagegen mit altersüblichen degenerativen Veränderungen der Menisken gezeigt. Ein Stadium II nach Kellgren sei nicht erreicht. Eine Ursächlichkeit verneinte er, weil im Wesent¬lichen nur das linke Knie im Innen- und Außenmeniskusbereich befallen sei, obwohl der Ver¬sicherte beide Kniegelenke gleichermaßen belastet habe. Die mediale Gonarthrose links sei da¬rü¬ber hinaus Folge des subtotalen Verlustes des linken Innenmeniskus. Der retropatellare Knor¬pel¬schaden linksbetont sei Folge der Anomalie beider Patellae. Mit Bescheid vom 23.11.2010 und Widerspruchsbescheid vom 13.01.2011 lehnte die Beklagte u.a. die Anerkennung einer BK 2112, gestützt auf das Gutachten von Dr. M. , ab.
Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Karlsruhe (Az. S 15 U 1897/10) verpflichtete sich die Beklagte im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung seiner Kniebeschwerden als BK 2102 und 2112 nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens neu zu entscheiden. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. S. ein. Dieser diagnostizierte bei dem Kläger nach ambulanter Untersuchung im Mai 2011 im Bereich der Kniegelenke eine beginnende Pangonarthrose links bei Zustand nach Innen- und Außenmeniskusteilentfernung 1999 sowie rechts lediglich eine diskrete innenseitige Gelenkspaltverschmälerung mit oberflächlicher Knorpelläsion und eine beidseits gegebene anlagebedingte Kniescheibenanomalie als Patella bi-par¬tita. Die Voraussetzungen u.a. für die BK 2112 lägen damit insgesamt nicht vor. Mit Bescheid vom 24.08.2011 lehnte die Beklagte hierauf gestützt neuerlich u. a. die Anerkennung einer BK 2112 ab. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. , Arzt für Orthopädie ein. Bei dem Kläger sei erst im Gefolge der Operation von Meniskusschäden links eine Gonarthrose manifest geworden, die jetzt das erforderliche Stadium Kellgren II bis III erreicht habe, während rechts bis jetzt nur geringe Aufbraucherscheinungen bestünden. Die ungleichmäßige Seitenverteilung spreche gegen eine Kausalität. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24.08.2011, soweit er die Kniegelenkserkrankung betraf, zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 23.02.2012 Klage erhoben, mit der er sich "gegen den Widerspruchsbescheid der BG B. vom 15.02.2012 wegen Ablehnung der BK Nr. 2112" gewandt hat. Mit Urteil vom 05.09.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat, gestützt auf die Gutachten von Dr. M. sowie Prof. Dr. S. , eine berufliche Verursachung der Gonarthrose am linken Kniegelenk für nicht überwiegend wahrscheinlich erachtet. Für das rechte Knie liege nach den beiden Gutachtern eine Gonarthrose mit einem Degenerationsgrad von mindestens II nach Kellgren schon nicht vor. Auch das Vorliegen einer BK 2102 hat das Sozialgericht verneint.
Gegen das ihm am 15.09.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.10.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er habe beruflich nur das linke Knie überdurchschnittlich belastet, weshalb die Schädigung von einer berufsbedingten Überlastung zeuge.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.09.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung sowie ihren bisherigen Sachvortrag.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - jedenfalls nach Klarstellung durch den Kläger - nur die Anerkennung einer BK 2112 der Anlage 1 zur BKV. Die insoweit erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles und damit auf eine Berufskrankheit übertragbar BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).
Die Berufung ist indes unbegründet; das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 24.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2112 anzuerkennen. Denn das Vorliegen einer solchen BK ist beim Kläger nicht festzustellen.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV auch die Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründen¬den Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann beim Kläger das Vorliegen einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV nicht festgestellt werden.
Die Anerkennung einer BK 2112 ist im vorliegenden Fall allerdings nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil eine Gonarthrose links erstmalig von Dr. S. im April 2001 diagnostiziert wurde, der Kläger aber nur bis einschließlich Dezember 1999 freiwillig versichert war und die Gonarthrose somit nach dem Versicherungsende eingetreten sein könnte. Denn eine BK mit Eintritt nach dem Versicherungsende ist auch dann anzuerkennen, wenn der Erkrankte zum Zeitpunkt ihres Beginns zwar nicht mehr versichert war, die rechtlich wesentliche Ursache für die Krankheit aber in der früheren versicherten Tätigkeit lag (vgl. Ricke in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 9 SGB VII Rdnr. 6).
Die Anerkennung einer BK 2112 scheidet aber aus, weil bezüglich des rechten Kniegelenks eine Gonarthrose in der erforderlichen Ausprägung schon nicht vorliegt und es bezüglich des linken Kniegelenks an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung fehlt. Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne der BK 2112 hat folgende Voraussetzungen (Merkblatt zur BK 2112 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30.12.2009, GMBl. 2010, 98, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-verordnung, M 2112, S. 5, dem folgend die Begutachtungsempfehlungen des Spitzenverbandes der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung für die BK 2112 vom Juni 2014 - (Begutachtungsempfehlungen, S. 8): • Chronische Kniegelenksbeschwerden • Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk • Die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation nach Kellgren
Diese Voraussetzungen sind nach den übereinstimmenden Bekundungen sämtlicher Gutachter und der behandelnden Ärzte beim Kläger für das rechte Knie nicht erfüllt. So lagen bei der Begutachtung durch Dr. M. keine arthrotischen Veränderungen vom Grad (mindestens) II nach Kellgren im rechten Kniegelenk vor. Prof. Dr. S. erhob im Rahmen der Begutachtung einen bis auf die anlagebedingte Anomalie der Kniescheibe weitestgehend altersentsprechenden Knieinnenbefund. Dr. A. hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem Sozialgericht Karlsruhe vom Oktober 2009 gleichfalls lediglich über eine beginnende Gonarthrose links mit entsprechen-den Bewegungsschmerzen berichtet.
Im Bereich des linken Kniegelenks liegt dagegen nach den Feststellungen sowohl von Dr. M. wie auch von Prof. Dr. S. eine Gonarthrose im Stadium II bis III nach Kellgren vor. Gegen die Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten Verursachung dieser Gesundheitsstörung spricht aber das einseitige Schadensbild mit Gonarthrose nur am linken Knie. Denn bei einer berufsbedingten Gonarthrose ist regelmäßig ein beidseitiger Befall zu erwarten; dies gilt zumindest wenn der Versicherte im Rahmen der beruflichen Tätigkeit beide Kniegelenke gleichermaßen belastet hat (so übereinstimmend Dr. M. sowie Dr. T. in der beratungs¬ärztlichen Stellungnahme), denn bei beidseitigem Knien und vergleichbaren Kniebelastungen tritt die berufsbedingte Gonarthrose regelmäßig beidseits auf. Diese fach¬ärzt¬liche Einschätzung steht im Einklang mit dem Merkblatt (a.a.O., S. 6) sowie der wissenschaftlichen Stellungnahme zur BK 2112 (GMBl. 2011, Seite 983 ff., abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg a.a.O., S 17) und ist zuletzt in den Begutachtungsempfehlungen bestätigt worden (vgl. dort S. 6). In der wissenschaftlichen Stellungnahme zur BK 2112 (a.a.O.) wird ausgeführt, dass bei Berufen, die im relevanten Umfang mit Tätigkeiten im Knien und Kriechen bzw. im Hocken und im Fersensitz einhergehen, in der Regel beide Knie im vergleichbaren Ausmaß belastet sind. Entsprechend ist zu erwarten, dass beide Kniegelenke betroffen sind, wohingegen eine einseitige Gonarthrose gegen eine berufliche Verursachung spricht, wenn nicht ausnahmsweise eine plausible Darlegung einer beruflichen Belastung des betroffenen Knies erfolgt. Der Kläger selbst teilte auf Nachfrage des Präventionsdienstes der Beklagten im Rahmen der Erhebung der Arbeitsplatzexposition mit, bei ihm sei im Regelfall keine einseitige Kniebelastung gegeben gewesen; vielmehr seien beide Knie bei der beruflichen Tätigkeit vergleichbar stark belastet worden, was für den Senat angesichts der Tätigkeit des Klägers als Fliesenleger nachvollziehbar ist. Wenn der Kläger nun entgegen dieser ursprüng¬lichen Aussage erstmalig im Berufungsverfahren - nachdem in den Gutachten sowie auch in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts maßgeblich auf die fehlende beidseitige Kniebe¬troffen¬heit abgestellt worden ist - vorträgt, er habe beruflich nur das linke Knie überdurchschnittlich belastet, ohne aber hierfür eine nähere Begründung zu bieten, insbesondere den Widerspruch zu seiner früheren Aussage aufzuklären, so ist dies für den Senat nicht überzeugend. Vielmehr deutet dies auf eine Anpassung seiner Angaben an die zur Anerkennung der BK erforderlichen Kriterien hin.
Gegen eine berufliche Ursache sprechen im Übrigen außerberuflich bedingte konkurrierende Ursachenfaktoren. So liegt beim Kläger eine Anomalie beider Kniescheiben in Gestalt einer Patella bipartita (Dr. M. ) bzw. einer Patella tripartita (Prof. Dr. S. ) vor. Eine solche anlagebedingte Anomalie der Kniescheiben ist nach schlüssiger und nachvollziehbarer Einschätzung beider Gutachter geeignet, eine Gonarthrose zu verursachen, und schließlich liegen an beiden Knien - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung (hierzu sogleich näher) - arthrotische Veränderungen vor.
Als weiterer gesicherter außerberuflicher Ursachenfaktor ist die transarthroskopische Innenmeniskuslappenresektion vom Februar 1999 anzusehen. So ist nach dem Merkblatt zur BK 2112 angesichts des stark erhöhten Gonarthroserisikos bei Zustand nach außerberuflich bedingter Meniskektomie mit weitgehender Entfernung des Meniskus regelmäßig kein Raum für die Anerkennung einer Gonarthrose als Berufskrankheit (Merkblatt a.a.O., S. 9). Beim Kläger liegt eine subtotale Entfernung des Innenmeniskus links vor. Prof. Dr. S. nahm in seinem Gutachten vom Mai 2011 dementsprechend eine beginnende Pangonarthrose auf dem Boden der Innen- und Außenmeniskus-Teilentfernung 1999 an. Auch Dr. M. sah die medial betonte Gonarthrose links als Folge des subtotalen Verlustes des linken Innenmeniskus. Dies bestätigte auch der Beratungsarzt Dr. T. , der in seiner Stellungnahme gleichfalls von einer sekundär entstandenen Gonarthrose im Gefolge der Meniskusoperation 1999 ausging. Diese Beurteilungen stimmen mit den Begutachtungsempfehlungen überein. Auch diese gehen bei einer totalen (im Gegensatz zur partiellen) Menikusoperation von einer gesicherten Konkurrenzursache aus (a.a.O., S. 19). Die beim Kläger erfolgte subtotale Meniskopathie kommt einer totalen Meniskusoperation im Gegensatz zur partiellen Menikusentfernung nahe. Im Übrigen ist nach den Begutachtungsempfehlungen (a.a.O.) auch bei partiellen Meniskusoperationen eine konkurrierende Ursache "im Vergleich zur Gegenseite zu diskutieren". Gerade hierzu besteht im Fall des Klägers Anlass. Denn gerade im von der subtotalen Menikusoperation betroffenen linken Knie ist die Gonarthrose deutlich ausgeprägter als am nicht operierten rechten Knie. Damit ist die Gonarthrose des linken Knies mit Wahrscheinlichkeit auf diese Meniskusresektion und nicht auf originäre berufsbedingte Einwirkungen zurückzuführen.
Aber auch der subtotale Verlust des Meniskus ist nicht berufsbedingt. Sowohl Dr. M. als auch Dr. T. verneinten schlüssig und nachvollziehbar - nicht zuletzt wiederum auf Grund der nur einseitigen Knieerkrankung - eine Wahrscheinlichkeit für eine berufsbedingte Verursachung der Meniskuserkrankung. Es bedarf somit keiner Entscheidung ob - so das Merkblatt zur BK 2112 bei Beschäftigten mit Meniskopathie, Zustand nach Meniskektomie und anerkannter BK Nr. 2102 - eine später aufgetretene Gonarthrose im Sinne der Verschlimmerung der BK Nr. 2102 anzuerkennen wäre (Merkblatt a.a.O., S. 7).
Angesichts einseitiger Meniskusoperation, nämlich links, und entsprechend einseitiger, nämlich ebenfalls links, diagnostizierter ausgeprägter Gonarthrose (im Gegensatz zu nur geringfügigen Veränderungen rechts) einerseits und eine beidseitige Erkrankung erwarten lassende beidseitige Belastung der Kniegelenke durch die berufliche Tätigkeit vermag der Senat in Übereinstimmung mit allen, mit der Beurteilung des Kausalzusammenhangs beauftragten Ärzten die Wahrscheinlichkeit der ursächlichen Zusammenhangs zwischen der linksseitigen Gonarthrose und den kniebelastenden Tätigkeiten während der beruflichen Tätigkeit des Klägers nicht zu bejahen.
Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob angesichts der Diagnose einer Gonarthrose links im April 2001 durch Dr. S. die Anerkennung einer BK 2112 bereits auf Grund von § 6 Abs. 1 Satz 1 BKV ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift kann eine Krankheit nach der durch die zweite Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.06.2009 eingeführten Nr. 2112 bei Versicherten, die bereits am 01.07.2009 an dieser Krankheit gelitten haben, als BK nur anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 eingetreten ist. Denn dem Befundbericht des Dr. S. kann nicht entnommen werden, ob die Gonarthrose im April 2001 bereits röntgenologisch den erforderlichen Grad II der Klassifikation von Kellgren aufwies. Eine nähere Abklärung ist nicht erforderlich, weil - wie dargelegt - die Voraussetzungen der BK Nr. 2112 ohnehin nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Erkrankungen der Kniegelenke des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; nachfolgend BK 2112) streitig.
Der am 1953 geborene Kläger arbeitete nach seiner Ausbildung zum Fliesenleger (1968 bis 1971) bis einschließlich Februar 2009 im erlernten Beruf, zunächst abhängig beschäftigt, und ab 1979 selbständig im eigenen Betrieb. Er war bis 1979 bei der Beklagten pflichtversichert und anschließend bis zum 31.12.1999 freiwillig als Unternehmer versichert. Seit März 2009 arbeitet der Kläger nach eigenen Angaben nur noch in einem Umfang von ca. 10 Stunden die Woche im Fliesenlegerbetrieb seines Sohnes.
In einem Operationsbericht vom Februar 1999 berichtete Dr. S. , Arzt für Orthopädie und Chirurgie, von einer im selben Monat stattgehabten diagnostischen Arthroskopie mit transarthros-kopischer Innenmeniskuslappenresektion, Außenmeniskuskorbhenkelresektion sowie chondroplastischer Glättung am medialen Condylus sowie der retropatellaren Fläche bei bekannter Patella bipartita. Dr. S. diagnostizierte einen Innenmeniskuslappenriss sowie einen veraltet eingeschlagenen Außenmeniskuskorbhenkelriss, jeweils linkes Knie. In einem Arztbrief vom April 2001 berichtete Dr. S. , Facharzt für Orthopädie, von einer linksseitigen Gonarthrose beim Kläger.
Am 04.02.2009 beantragte der Kläger sinngemäß die Gewährung einer Verletztenrente und verwies zur Begründung u. a. auf seine chronischen Kniebeschwerden. Die Beklagte zog im Rahmen ihrer Ermittlungen das Verwaltungsgutachten von Dr. L. , Fachärztin für Chirurgie bei der D. R. B.-W., vom April 2009 bei (Diagnose u. a. Belastungsschmerzen beider Kniegelenke, Zustand nach Innenmeniskusteilresektion rechts, derzeit links betonte chronische Schleimbeutelentzündung ohne sonstigen Reizzustand, ohne Funktionseinbußen bei sonographischen Zeichen einer beginnenden medialen Arthrose). Der Orthopäde Dr. A. berichtete in einer Stellungnahme gegenüber der Beklagten von einer Behandlung des Klägers im April 2009 wegen Kniebeschwerden. Er habe eine Gonarthrose Grad II nach Kellgren diagnostiziert. In einer Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes der Beklagten vom November 2009 wurde mitgeteilt, der Kläger weise eine Gesamtstundenzahl von kniebelastenden Tätigkeiten im Sinne einer Gonarthrose von 31.085 Stunden auf; eine kumulative Kniebelastungsdauer von 13.000 Stunden sei bereits im Jahr 1982 erreicht worden. Der Kläger habe zu 95 % Fliesenlegerarbeiten und zu 5 % Estricharbeiten ausgeübt. Auf Nachfrage habe der Kläger mitgeteilt, dass im Regelfall keine einseitige Kniebelastung vorlag, sondern beide Knie gleich stark belastet wurden.
Die Beklagte veranlasste weiterhin eine Begutachtung durch Dr. M. , Facharzt für Orthopädie, die wegen Weigerung des Klägers, zur Begutachtung zu erscheinen, nach Aktenlage auf der Grundlage einer kernspintomographischen Untersuchung des Kniegelenkes durch den Radio-logen Dr. M. erfolgte. Nach Einschätzung von Dr. M. lagen die medizinischen Voraus¬setzungen u.a. für eine BK 2112 jeweils nur für das linke Knie vor. Das rechte Kniegelenk habe sich dagegen mit altersüblichen degenerativen Veränderungen der Menisken gezeigt. Ein Stadium II nach Kellgren sei nicht erreicht. Eine Ursächlichkeit verneinte er, weil im Wesent¬lichen nur das linke Knie im Innen- und Außenmeniskusbereich befallen sei, obwohl der Ver¬sicherte beide Kniegelenke gleichermaßen belastet habe. Die mediale Gonarthrose links sei da¬rü¬ber hinaus Folge des subtotalen Verlustes des linken Innenmeniskus. Der retropatellare Knor¬pel¬schaden linksbetont sei Folge der Anomalie beider Patellae. Mit Bescheid vom 23.11.2010 und Widerspruchsbescheid vom 13.01.2011 lehnte die Beklagte u.a. die Anerkennung einer BK 2112, gestützt auf das Gutachten von Dr. M. , ab.
Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Karlsruhe (Az. S 15 U 1897/10) verpflichtete sich die Beklagte im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung seiner Kniebeschwerden als BK 2102 und 2112 nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens neu zu entscheiden. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. S. ein. Dieser diagnostizierte bei dem Kläger nach ambulanter Untersuchung im Mai 2011 im Bereich der Kniegelenke eine beginnende Pangonarthrose links bei Zustand nach Innen- und Außenmeniskusteilentfernung 1999 sowie rechts lediglich eine diskrete innenseitige Gelenkspaltverschmälerung mit oberflächlicher Knorpelläsion und eine beidseits gegebene anlagebedingte Kniescheibenanomalie als Patella bi-par¬tita. Die Voraussetzungen u.a. für die BK 2112 lägen damit insgesamt nicht vor. Mit Bescheid vom 24.08.2011 lehnte die Beklagte hierauf gestützt neuerlich u. a. die Anerkennung einer BK 2112 ab. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. , Arzt für Orthopädie ein. Bei dem Kläger sei erst im Gefolge der Operation von Meniskusschäden links eine Gonarthrose manifest geworden, die jetzt das erforderliche Stadium Kellgren II bis III erreicht habe, während rechts bis jetzt nur geringe Aufbraucherscheinungen bestünden. Die ungleichmäßige Seitenverteilung spreche gegen eine Kausalität. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24.08.2011, soweit er die Kniegelenkserkrankung betraf, zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 23.02.2012 Klage erhoben, mit der er sich "gegen den Widerspruchsbescheid der BG B. vom 15.02.2012 wegen Ablehnung der BK Nr. 2112" gewandt hat. Mit Urteil vom 05.09.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat, gestützt auf die Gutachten von Dr. M. sowie Prof. Dr. S. , eine berufliche Verursachung der Gonarthrose am linken Kniegelenk für nicht überwiegend wahrscheinlich erachtet. Für das rechte Knie liege nach den beiden Gutachtern eine Gonarthrose mit einem Degenerationsgrad von mindestens II nach Kellgren schon nicht vor. Auch das Vorliegen einer BK 2102 hat das Sozialgericht verneint.
Gegen das ihm am 15.09.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.10.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er habe beruflich nur das linke Knie überdurchschnittlich belastet, weshalb die Schädigung von einer berufsbedingten Überlastung zeuge.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.09.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung sowie ihren bisherigen Sachvortrag.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - jedenfalls nach Klarstellung durch den Kläger - nur die Anerkennung einer BK 2112 der Anlage 1 zur BKV. Die insoweit erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles und damit auf eine Berufskrankheit übertragbar BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).
Die Berufung ist indes unbegründet; das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 24.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2112 anzuerkennen. Denn das Vorliegen einer solchen BK ist beim Kläger nicht festzustellen.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV auch die Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründen¬den Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann beim Kläger das Vorliegen einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV nicht festgestellt werden.
Die Anerkennung einer BK 2112 ist im vorliegenden Fall allerdings nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil eine Gonarthrose links erstmalig von Dr. S. im April 2001 diagnostiziert wurde, der Kläger aber nur bis einschließlich Dezember 1999 freiwillig versichert war und die Gonarthrose somit nach dem Versicherungsende eingetreten sein könnte. Denn eine BK mit Eintritt nach dem Versicherungsende ist auch dann anzuerkennen, wenn der Erkrankte zum Zeitpunkt ihres Beginns zwar nicht mehr versichert war, die rechtlich wesentliche Ursache für die Krankheit aber in der früheren versicherten Tätigkeit lag (vgl. Ricke in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 9 SGB VII Rdnr. 6).
Die Anerkennung einer BK 2112 scheidet aber aus, weil bezüglich des rechten Kniegelenks eine Gonarthrose in der erforderlichen Ausprägung schon nicht vorliegt und es bezüglich des linken Kniegelenks an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung fehlt. Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne der BK 2112 hat folgende Voraussetzungen (Merkblatt zur BK 2112 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30.12.2009, GMBl. 2010, 98, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-verordnung, M 2112, S. 5, dem folgend die Begutachtungsempfehlungen des Spitzenverbandes der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung für die BK 2112 vom Juni 2014 - (Begutachtungsempfehlungen, S. 8): • Chronische Kniegelenksbeschwerden • Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk • Die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation nach Kellgren
Diese Voraussetzungen sind nach den übereinstimmenden Bekundungen sämtlicher Gutachter und der behandelnden Ärzte beim Kläger für das rechte Knie nicht erfüllt. So lagen bei der Begutachtung durch Dr. M. keine arthrotischen Veränderungen vom Grad (mindestens) II nach Kellgren im rechten Kniegelenk vor. Prof. Dr. S. erhob im Rahmen der Begutachtung einen bis auf die anlagebedingte Anomalie der Kniescheibe weitestgehend altersentsprechenden Knieinnenbefund. Dr. A. hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem Sozialgericht Karlsruhe vom Oktober 2009 gleichfalls lediglich über eine beginnende Gonarthrose links mit entsprechen-den Bewegungsschmerzen berichtet.
Im Bereich des linken Kniegelenks liegt dagegen nach den Feststellungen sowohl von Dr. M. wie auch von Prof. Dr. S. eine Gonarthrose im Stadium II bis III nach Kellgren vor. Gegen die Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten Verursachung dieser Gesundheitsstörung spricht aber das einseitige Schadensbild mit Gonarthrose nur am linken Knie. Denn bei einer berufsbedingten Gonarthrose ist regelmäßig ein beidseitiger Befall zu erwarten; dies gilt zumindest wenn der Versicherte im Rahmen der beruflichen Tätigkeit beide Kniegelenke gleichermaßen belastet hat (so übereinstimmend Dr. M. sowie Dr. T. in der beratungs¬ärztlichen Stellungnahme), denn bei beidseitigem Knien und vergleichbaren Kniebelastungen tritt die berufsbedingte Gonarthrose regelmäßig beidseits auf. Diese fach¬ärzt¬liche Einschätzung steht im Einklang mit dem Merkblatt (a.a.O., S. 6) sowie der wissenschaftlichen Stellungnahme zur BK 2112 (GMBl. 2011, Seite 983 ff., abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg a.a.O., S 17) und ist zuletzt in den Begutachtungsempfehlungen bestätigt worden (vgl. dort S. 6). In der wissenschaftlichen Stellungnahme zur BK 2112 (a.a.O.) wird ausgeführt, dass bei Berufen, die im relevanten Umfang mit Tätigkeiten im Knien und Kriechen bzw. im Hocken und im Fersensitz einhergehen, in der Regel beide Knie im vergleichbaren Ausmaß belastet sind. Entsprechend ist zu erwarten, dass beide Kniegelenke betroffen sind, wohingegen eine einseitige Gonarthrose gegen eine berufliche Verursachung spricht, wenn nicht ausnahmsweise eine plausible Darlegung einer beruflichen Belastung des betroffenen Knies erfolgt. Der Kläger selbst teilte auf Nachfrage des Präventionsdienstes der Beklagten im Rahmen der Erhebung der Arbeitsplatzexposition mit, bei ihm sei im Regelfall keine einseitige Kniebelastung gegeben gewesen; vielmehr seien beide Knie bei der beruflichen Tätigkeit vergleichbar stark belastet worden, was für den Senat angesichts der Tätigkeit des Klägers als Fliesenleger nachvollziehbar ist. Wenn der Kläger nun entgegen dieser ursprüng¬lichen Aussage erstmalig im Berufungsverfahren - nachdem in den Gutachten sowie auch in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts maßgeblich auf die fehlende beidseitige Kniebe¬troffen¬heit abgestellt worden ist - vorträgt, er habe beruflich nur das linke Knie überdurchschnittlich belastet, ohne aber hierfür eine nähere Begründung zu bieten, insbesondere den Widerspruch zu seiner früheren Aussage aufzuklären, so ist dies für den Senat nicht überzeugend. Vielmehr deutet dies auf eine Anpassung seiner Angaben an die zur Anerkennung der BK erforderlichen Kriterien hin.
Gegen eine berufliche Ursache sprechen im Übrigen außerberuflich bedingte konkurrierende Ursachenfaktoren. So liegt beim Kläger eine Anomalie beider Kniescheiben in Gestalt einer Patella bipartita (Dr. M. ) bzw. einer Patella tripartita (Prof. Dr. S. ) vor. Eine solche anlagebedingte Anomalie der Kniescheiben ist nach schlüssiger und nachvollziehbarer Einschätzung beider Gutachter geeignet, eine Gonarthrose zu verursachen, und schließlich liegen an beiden Knien - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung (hierzu sogleich näher) - arthrotische Veränderungen vor.
Als weiterer gesicherter außerberuflicher Ursachenfaktor ist die transarthroskopische Innenmeniskuslappenresektion vom Februar 1999 anzusehen. So ist nach dem Merkblatt zur BK 2112 angesichts des stark erhöhten Gonarthroserisikos bei Zustand nach außerberuflich bedingter Meniskektomie mit weitgehender Entfernung des Meniskus regelmäßig kein Raum für die Anerkennung einer Gonarthrose als Berufskrankheit (Merkblatt a.a.O., S. 9). Beim Kläger liegt eine subtotale Entfernung des Innenmeniskus links vor. Prof. Dr. S. nahm in seinem Gutachten vom Mai 2011 dementsprechend eine beginnende Pangonarthrose auf dem Boden der Innen- und Außenmeniskus-Teilentfernung 1999 an. Auch Dr. M. sah die medial betonte Gonarthrose links als Folge des subtotalen Verlustes des linken Innenmeniskus. Dies bestätigte auch der Beratungsarzt Dr. T. , der in seiner Stellungnahme gleichfalls von einer sekundär entstandenen Gonarthrose im Gefolge der Meniskusoperation 1999 ausging. Diese Beurteilungen stimmen mit den Begutachtungsempfehlungen überein. Auch diese gehen bei einer totalen (im Gegensatz zur partiellen) Menikusoperation von einer gesicherten Konkurrenzursache aus (a.a.O., S. 19). Die beim Kläger erfolgte subtotale Meniskopathie kommt einer totalen Meniskusoperation im Gegensatz zur partiellen Menikusentfernung nahe. Im Übrigen ist nach den Begutachtungsempfehlungen (a.a.O.) auch bei partiellen Meniskusoperationen eine konkurrierende Ursache "im Vergleich zur Gegenseite zu diskutieren". Gerade hierzu besteht im Fall des Klägers Anlass. Denn gerade im von der subtotalen Menikusoperation betroffenen linken Knie ist die Gonarthrose deutlich ausgeprägter als am nicht operierten rechten Knie. Damit ist die Gonarthrose des linken Knies mit Wahrscheinlichkeit auf diese Meniskusresektion und nicht auf originäre berufsbedingte Einwirkungen zurückzuführen.
Aber auch der subtotale Verlust des Meniskus ist nicht berufsbedingt. Sowohl Dr. M. als auch Dr. T. verneinten schlüssig und nachvollziehbar - nicht zuletzt wiederum auf Grund der nur einseitigen Knieerkrankung - eine Wahrscheinlichkeit für eine berufsbedingte Verursachung der Meniskuserkrankung. Es bedarf somit keiner Entscheidung ob - so das Merkblatt zur BK 2112 bei Beschäftigten mit Meniskopathie, Zustand nach Meniskektomie und anerkannter BK Nr. 2102 - eine später aufgetretene Gonarthrose im Sinne der Verschlimmerung der BK Nr. 2102 anzuerkennen wäre (Merkblatt a.a.O., S. 7).
Angesichts einseitiger Meniskusoperation, nämlich links, und entsprechend einseitiger, nämlich ebenfalls links, diagnostizierter ausgeprägter Gonarthrose (im Gegensatz zu nur geringfügigen Veränderungen rechts) einerseits und eine beidseitige Erkrankung erwarten lassende beidseitige Belastung der Kniegelenke durch die berufliche Tätigkeit vermag der Senat in Übereinstimmung mit allen, mit der Beurteilung des Kausalzusammenhangs beauftragten Ärzten die Wahrscheinlichkeit der ursächlichen Zusammenhangs zwischen der linksseitigen Gonarthrose und den kniebelastenden Tätigkeiten während der beruflichen Tätigkeit des Klägers nicht zu bejahen.
Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob angesichts der Diagnose einer Gonarthrose links im April 2001 durch Dr. S. die Anerkennung einer BK 2112 bereits auf Grund von § 6 Abs. 1 Satz 1 BKV ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift kann eine Krankheit nach der durch die zweite Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.06.2009 eingeführten Nr. 2112 bei Versicherten, die bereits am 01.07.2009 an dieser Krankheit gelitten haben, als BK nur anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 eingetreten ist. Denn dem Befundbericht des Dr. S. kann nicht entnommen werden, ob die Gonarthrose im April 2001 bereits röntgenologisch den erforderlichen Grad II der Klassifikation von Kellgren aufwies. Eine nähere Abklärung ist nicht erforderlich, weil - wie dargelegt - die Voraussetzungen der BK Nr. 2112 ohnehin nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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