Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 499/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4324/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. August 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor dieses Urteils wie folgt gefasst wird: Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren streitig, ob der Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016 einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der am 1967 geborene Kläger besuchte die Sonderschule ohne Abschluss und absolvierte keine Berufsausbildung. Er war mit zahlreichen, teilweise längeren Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit von 1986 bis 2007 als Hilfsarbeiter, Produktionshelfer, Küchenhilfe, Textilreiniger, Zusteller von Zeitungen und Recyclingkraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Mai 2008 bezieht er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Vom 15. Mai bis 15. September 2010, 13. Mai bis 15. September 2011, 26. April bis 15. September 2012 und 29. April bis 15. September 2013 war er geringfügig (sieben Tage wöchentlich à 1,5 Stunden) als Reinigungskraft im Freibad seines Wohnorts beschäftigt, ab 2014 nicht mehr.
Der Kläger beantragte am 11. August 2011 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Arztbriefe und von der Agentur für Arbeit F. veranlasste Gutachten aus den Jahren 2008 bis 2010 bei. Dr. M. nannte in seinem Gutachten vom 4. Mai 2009 als Diagnosen eine depressive Episode und einen essentiellen Tremor. Er beschrieb eine verminderte psychische Belastbarkeit. Beim Auftreten von Hektik und Stress verfalle der Kläger in ein Zittern und es komme zum Ausbruch von Heulkrämpfen. Dr. M. sah sich nicht in der Lage, ein Leistungsbild zu erstellen und empfahl über die Maßnahme "Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen" (DIA-AM) die Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu prüfen. Dieser Empfehlung folgte die Agentur für Arbeit nicht. Im weiteren Gutachten vom 22. März 2010 hielt Dr. M. den Kläger in einem stressfreien Umfeld vollschichtig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten belastbar. Eine Eingliederung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ergebe sich gegenwärtig nicht.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Ärztin für Nervenheilkunde B. ihr Gutachten vom 14. November 2011. Es falle ein rechtsseitiger Tremor auf, der am Arm durchaus parkinsonartig wirke und am Bein eine höhere Frequenz habe sowie dann aber über längere Zeit sistiere. Bei der körperlichen Untersuchung trete ein Kopftremor auf. Die wegen eines essentiellen Tremors erfolgte medikamentöse Behandlung habe zu einer ausgeprägten Bradycardie geführt. Von Geburt an bestehe ein Schielen. Bei der neurologischen Untersuchung seien die Facialisfunktionen unauffällig, es bestehe jedoch eine Hypästhesie der linken Gesichtshälfte, vermutlich wegen einer Schädigung der Hirnnerven. Vorbeschriebene Depressionen seien offensichtlich unter medikamentöser Behandlung gut kompensiert. Der Kläger wirke affektiv ausgeglichen bis gelegentlich etwas moros. Im Gespräch falle eine Minderbegabung auf. Das Auffassungsvermögen sei auf einfache konkrete Zusammenhänge begrenzt. Zur Anamnese und aktuellen psychosozialen Situation könnten klar geordnete und anschauliche Angaben gemacht werden. Das Gedächtnis sei unauffällig. Erhebliche Schwierigkeiten habe der Kläger mit dem Schreiben und Lesen. Der Kläger könne in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Gutachters Dr. M. (im für die Agentur für Arbeit erstatteten Gutachten vom 22. März 2010) kognitive einfache, gut strukturierte, körperlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts weiterhin sechs Stunden und mehr ausüben. Zu vermeiden seien Nachtschicht, übermäßiger Zeitdruck, hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz sowie wesentliche Anforderungen an Lesen und Schreiben. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Hilfe bei der Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt seien erforderlich.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 16. November 2011 ab. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012). Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden oder weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne. Da das sozialmedizinische Ergebnis schlüssig und nachvollziehbar sei, schließe er sich diesem an.
Die Kläger erhob am 31. Januar 2012 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. September 2011. Aufgrund seiner multiplen Einschränkungen sei er nicht mehr in der Lage, am Erwerbsleben teilzunehmen. Insbesondere die psychische Komponente seiner Beschwerden habe zur Folge, dass er in keinster Weise belastungsfähig sei. Bei der geringfügig ausgeübten Tätigkeit werde er für 1,5 Stunden bezahlt, unabhängig wie lange er für die durchzuführenden Reinigungsarbeiten benötige. Der Arbeitsmarkt sei ihm verschlossen.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG hörte den Kläger behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen. Augenarzt Dr. R. (Auskunft vom 19. April 2012) gab an, aufgrund des wechselseitigen Schielens liege kein räumliches Sehen vor. Die Kurzsichtigkeit und Hornhautverkrümmung hätten zugenommen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. (Auskunft vom 25. April 2012) vertrat unter Verweis auf das (seiner Auskunft beigefügte) psychologische Gutachten des Diplom-Psychologen C. vom 4. April 2012, das dieser für die Agentur für Arbeit Freiburg erstattet hatte, die Auffassung, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden verrichten. Es bestehe eine Intelligenzminderung, eine Konzentrationsschwäche, eine rasche Ermüdbarkeit und eine Depression. Jedes Quartal erfolge eine Überweisung zu Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Kn ... Dr. Kn. (Auskunft vom 25. Mai 2012) berichtete über die seit 22. Oktober 2008 in regelmäßigen Abständen von zwei Wochen, vier Wochen oder sechs Monaten erfolgten Behandlungen. Im Befinden des Klägers seien ausgeprägte Schwankungen aufgetreten. Zeitweise sei es ihm unter medikamentöser Behandlung relativ gut gegangen. Dann hätten Kleinigkeiten wieder zu einem Zusammenbruch mit Wein-Zitteranfällen, Stimmungstiefs und Angstattacken geführt. Ohne hohen Anforderungsstress könnten leichte Tätigkeiten bis zu zwei Stunden verrichtet werden.
Diplom-Psychologe C. führte in dem genannten Gutachten aus, bei den vorgegebenen Tests stoße der Kläger durchgehend sehr rasch an seine Leistungsgrenze. Im Vergleich mit erwachsenen berufstätigen Männern zeigten sich weit unterdurchschnittliche Leistungen im logischen Denken und räumlichen Vorstellen. Von Seiten seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit kämen für den Kläger nur sehr einfach strukturierte Anlerntätigkeit in Betracht. Aus psychologischer Sicht sei die Möglichkeit des Klägers, unter regulären Bedingungen am Arbeitsleben teilzunehmen, sehr stark eingeschränkt.
Auf Anfrage des SG erteilte C. Cr., Hauptamtsleiter der Wohnortgemeinde des Klägers, die Auskunft vom 8. Mai 2013 zur Tätigkeit des Klägers. Die Arbeitszeit für die Reinigung der Sanitäranlagen und der Umkleidekabinen nach Badeschluss richte sich nach dem Dienstplan und dem Bedarf, der von den Witterungsverhältnissen und der Zahl der Besucher abhänge. Auf den Gesundheitszustand des Klägers habe bisher keine besondere Rücksicht genommen werden müssen. Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit hätten bislang nicht vorgelegen.
Auf Veranlassung des SG erstattete Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Be. sein Gutachten vom 11. September 2012 aufgrund ambulanter Untersuchungen des Klägers am 26. Juli und 2. August 2012, zu denen der Kläger in Begleitung seiner Ehefrau erschienen war, sowie seine ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 28. April 2013. Dr. Be. gab an, vor der Praxisübergabe an seinen Nachfolger Dr. Kn. sei der Kläger auch bei ihm (Dr. Be.) wohl selten in Behandlung gewesen. Der Kläger könne vor Mai 2005 (Praxisübergabe an Dr. Kn.) bei ihm in Behandlung gewesen sein, wobei er sich nicht sicher sei, ob dies der Fall gewesen sei. Sowohl er (Dr. Be.) als auch der Kläger hätten sich nicht mehr an den jeweils anderen erinnert. Beim Kläger dürfte eine intrauterine oder frühkindliche Hirnschädigung vorliegen. Eine Rhesus-Inkompatibilität mit Ikterus neonatorum sei ausgewiesen und z.B. eine Virusinfektion intrauterin sei nicht auszuschließen. Es bestünden durchgängig eine Begabungsschwäche, ein komplexer Tremor mit Merkmalen eines so genannten essentiellen Tremors wie psychogenen Tremors ("Zitteranfälle"), Fehlentwicklungen und Anpassungsstörungen mit depressivem Charakter, jedoch auch mit Minderwertigkeitsgefühlen und dergleichen, eine beeinträchtigte psychische Belastbarkeit sowie eine krankheitswertige seelische Minderbegabung. Körperliche Beeinträchtigungen ergäben sich durch das Zittern, auch in Verbindung mit hierbei vermehrter Ungeschicklichkeit bei Anregung/Aufforderung von außen. Im geistigen Bereich würden Auffassungs-, Verarbeitungs- und Erfassungsschwierigkeiten wirksam, besonders das Erfassen schwieriger Zusammenhänge sei eingeschränkt. Die körperliche Belastbarkeit allein von nervenärztlicher Seite sei nicht beeinträchtigt. Von orthopädischer Seite dürfte allerdings schwere Arbeit nicht infrage kommen. Beeinträchtigt seien Tätigkeiten, die eine erhöhte manuelle Geschicklichkeit erforderten, und Arbeiten an laufenden Maschinen. Auszuschließen seien Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Tätigkeiten mit Publikumsverkehr und nervlicher Beanspruchung. Tätigkeiten mit höchstens mittelschwierigen geistigen Beanspruchungen seien problematisch und dürfte nur unter zeitweiliger Begrenzung möglich sein. Tätigkeiten könnten drei bis weniger als sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden, wobei die Leistungsfähigkeit in sehr starkem Ausmaß von den Umgebungs- bzw. Außenbedingungen abhänge, so dass keine generelle Aussage der Einschätzung diesbezüglich möglich sei. Neben den günstigen Umgebungs- bzw. Außenbedingungen seien betriebsunübliche Pausen von grob geschätzt acht bis 15 Minuten im Abstand von z.B. einer Stunde, längere Pausen auch nach beispielsweise zwei Stunden vorzusehen. Die angegebenen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit dürften sich sehr allmählich, in starker Abhängigkeit von den Außen- und Arbeitsbedingungen entwickelt haben, ohne zeitlichen Bezug zu irgendwelchen markanten oder äußeren Gegebenheiten. Eine extensive verhaltenstherapeutische Begleittherapie könnte hilfreich sein, sollte jedoch nicht zu zusätzlichem Stress führen. Er schließe sich im Wesentlichen der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Ärztin B. im Gutachten vom 14. "Dezember" (richtig November) 2011 an, weise aber darauf hin, dass unter ständiger vollwertiger Belastung am Arbeitsplatz das Leistungsvermögen deutlich unter sechs Stunden täglich liege, wobei ein behüteter Arbeitsplatz im weiteren Sinne erforderlich wäre und soweit möglich die Anwesenheit der Ehefrau für den Kläger eine wesentliche Stütze darstelle. Der Kläger habe die Untersuchungstermine jeweils in Begleitung seiner Ehefrau wahrgenommen. Diese wisse der Kläger auch bei der Tätigkeit im Freibad seines Wohnorts in Reichweite, da sie dort an der Kasse tätig sei.
Die Beklagte verblieb bei ihrer Auffassung zum quantitativen Leistungsvermögens des Klägers. Sie legte die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 3. Juli 2012 (zu den genannten Auskünften der behandelnden Ärzte) sowie der Ärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Labormedizin Dr. D. vom 22. Oktober 2012 und 11. Juni 2013 vor. Die von Dr. Be. angenommene Leistungsminderung von drei bis weniger als sechs Stunden arbeitstäglich sei nicht plausibel. Sowohl das Gutachten der Ärztin B. als auch das Gutachten des Dr. Be. enthielten Passagen, die in ihrer Einschätzung bezüglich der bestehenden Kompetenzen und Ressourcen des Klägers und seiner damit verbundenen Antriebs- und Gestaltungskompetenz, aber auch hinsichtlich der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen übereinstimmten. Übereinstimmend mit dem Gutachten der Ärztin B. beschreibe Dr. Be. die Diagnosen und qualitativen Leistungseinschränkungen, stelle einen strukturierten Tagesablauf des Klägers dar und stelle fest, dass zusätzlich eine verbesserte äußere Tagesstrukturierung den Lebens- und Aktionsradius des Klägers verbessere. Eine relevante Verschlechterung zwischen den Zeitpunkten der Begutachtungen durch Ärztin B. und Dr. Be. sei nicht eingetreten. Dem Kläger sei es gelungen, trotz seiner qualitativen Leistungseinschränkungen über viele Jahre beruflich tätig zu sein und nehme auch seine Tätigkeit als Reinigungskraft im Freibad zuverlässig wahr.
Mit Urteil vom 23. August 2013 verurteilte das SG die Beklagte unter "Aufhebung" ihres Bescheids vom 16. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2013 befristet auf drei Jahre zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Der Kläger sei mit einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden teilweise erwerbsgemindert. Die bei dem Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen auf somatischem Gebiet stünden zwar der Ausübung mindestens sechsstündiger leichter Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen. Der Kläger sei jedoch unter Berücksichtigung seiner psychischen Leiden nicht mehr in der Lage, mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dies folge aus dem schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Be ... Die beim Kläger auftretenden Ängste bezüglich seiner Minderwertigkeit und Überforderung, welche eine geistige Blockade einerseits und ein Zittergeschehen andererseits hervorrufen könnten, bereiteten ihm nachvollziehbar Schwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Er sei den dortigen Anforderungen immer wieder nicht gewachsen gewesen und habe aufgrund der dekompensierten Erfahrungen Ängste entwickelt. Diese Ängste kompensiere er damit, dass er sich besondere situative Gegebenheiten schaffe, wie die Anwesenheit der Ehefrau an seinem Arbeitsplatz. In diesem geschützten Rahmen sei es ihm möglich, seine ihm angeborene Begabungsschwäche zu verheimlichen. Ärztin B. gehe ebenso wie Dr. D. nicht darauf ein, dass der Kläger aufgrund seiner Begabungsschwäche erhebliche Schwierigkeiten gehabt habe, den Anforderungen eines "normalen" Arbeitsplatzes gerecht zu werden. Obwohl der Kläger nur teilweise erwerbsgemindert sei, habe er Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Einen Teilzeitarbeitsplatz habe er nicht. Einen solchen stelle die Tätigkeit im Freibad seines Wohnorts nicht dar. Denn es handle sich um einen Arbeitsplatz mit einer Arbeitszeit von nicht mindestens 15 Stunden wöchentlich. Rentenbeginn sei der 1. Februar 2013. Jedenfalls zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung bei Dr. Be. am 26. Juli 2012 sei der Leistungsfall eingetreten. Von einen früheren Eintritt des Leistungsfalls habe sich die Kammer hingegen keine Überzeugung verschaffen können.
Gegen das ihr am 12. September 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Oktober 2013 Berufung eingelegt. Sie hat die weiteren Stellungnahmen der Dr. D. vom 1. Oktober 2013 und 6. Februar 2014 vorgelegt. Diese hat ihre in den dem SG vorgelegten Stellungnahmen geäußerte Auffassung wiederholt sowie weiter ausgeführt, aus den von Dr. Kn. und Dr. F. in ihren sachverständigen Zeugenauskünften (dazu sogleich) mitgeteilten Befunden ließe sich eine quantitativ zeitlich überdauernde Leistungsminderung des Klägers nicht ableiten. Die Beklagte hat ferner die den Kläger betreffenden Versicherungsverläufe vom 8. November 2013 und 7. August 2014 vorgelegt. Zudem meint sie, das SG hätte den Bescheid vom 16. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012 nicht aufheben dürfen. Ein "Ablehnungsbescheid" sei kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung und dürfe nicht aufgehoben werden, wenn er zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids die tatsächliche rechtliche Situation aus der Sicht des entscheidenden Gerichts rechtmäßig bewerte. Es hätte allein ein Ausspruch über die zu zahlende Leistung erfolgen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. August 2013 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ursache für die Stellung des Rentenantrags sei gewesen, dass die trotz seiner qualitativen Leistungseinschränkungen über viele Jahre ausgeübte berufliche Tätigkeit seit geraumer Zeit nicht mehr möglich sei.
Der Senat hat den Kläger behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Kn. hat (Auskunft vom 11. November 2013) drei Behandlungstermine im Jahr 2012 und einen Behandlungstermin im Jahr 2013 sowie als von ihm gestellte Diagnosen eine schwere Depression, einen essentiellen Tremor und eine chronische Angstneurose angegeben. Die Medikation, die der Kläger teilweise selbstständig abgesetzt habe, habe jeweils gute Wirkung gezeigt. Abhängig von der psychosozialen Belastung und der Medikation seien immer wieder Veränderungen im Befinden und in der Beschwerdeäußerung aufgetreten. Dr. F. (Auskunft vom 18. Dezember 2013 mit Ergänzung vom 13. Januar 2014) hat über die seit 20. Juni 2013 erfolgte Behandlung berichtet. Seit Oktober 2013 sei der Kläger zunehmend psychisch belastet bei vorbestehender depressiver Störung und Intelligenzminderung.
Der Senat hat Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.-B. zum Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 21. Mai 2014 hat er eine frühkindliche Hirnschädigung mit intellektueller Leistungsminderung und cerebellärer Symptomatik, eine Persönlichkeitsstörung mit emotionaler Instabilität, verminderter Stressbelastbarkeit und (anamnestisch) Depressivität, einen Zustand nach Verkehrsunfall mit fraglicher Läsion des fünften und achten Hirnnerven links, einen Zustand nach Alkoholabusus sowie (fachfremd) einen Strabismus divergens mit zusätzlicher linksbetonter Visusminderung diagnostiziert. Es ergäben sich eine Fülle von Leistungseinschränkungen und Leistungsausschlüssen. Nicht mehr möglich seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen (berufsmäßiges Führen von Kraftfahrzeugen), mit Anforderungen an ein gutes Stereo-Hören (wie z.B. Publikumsverkehr), wegen des Tremors mit Anforderungen an die Feinmotorik, wegen der leichten Ataxie mit Anforderungen an das Gleichgewichtsvermögen (Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten), wegen der intellektuellen Minderbegabung mit kognitiven Anforderungen sowie wegen der Persönlichkeitsstörung mit Zeitdruck oder wechselnden Arbeitszeiten. Der Aussage von Ärztin B., kognitive einfache, gut strukturierte, körperlich mittelschwere Tätigkeiten unter zusätzlichen Ausschlusskriterien seien im Prinzip möglich, werde zugestimmt. Allerdings könne er (der Sachverständige) sich keinen Arbeitsplatz vorstellen, auf welchem alle aufgeführten Leistungsausschlüsse berücksichtigt werden könnten. Die noch möglichen Arbeiten könnten im Rahmen von acht Stunden an fünf Tagen verrichtet werden. Allerdings sei hierbei nur die Leistung von vier bis fünf Stunden eines vergleichbaren Gesunden zu erwarten. Betriebsunübliche Pausen seien unerlässlich. Das jetzt feststellbare Leistungsvermögen entspreche einem Leistungsvermögen eines Mitarbeiters einer Werkstätte für Behinderte. Im Vergleich zum Gutachten von Ärztin B. träten cerebelläre Symptome jetzt mehr hervor und die Hirnnervenstörungen einschließlich der Visusminderung würden stärker mit gewichtet. Auch finde sich jetzt eine leichte Ataxie und es gebe fremdanamnestisch Hinweise für wiederholte krisenhafte Zuspitzung als Folge der Persönlichkeitsstörung. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 1. September 2014 ist Dr. S.-B. unter Auseinandersetzung mit den Einwänden der Beklagten bei der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers verblieben.
Die Beklagte hat die weiteren Stellungnahmen der Dr. D. vom 22. Juli und 1. Oktober 2014 vorgelegt. Das vom Sachverständigen Dr. S.-B. festgestellte Leistungsvermögen des Klägers sei widersprüchlich. Eine wesentliche Verschlechterung der Beschwerden des Klägers im Vergleich zur Begutachtung durch Ärztin B. habe der Sachverständige nicht schlüssig beschrieben. Sein Gutachten und seine ergänzende gutachterliche Stellungnahme seien nicht geeignet, das von Ärztin B. in ihrem Gutachten vom 14. November 2011 festgestellte Leistungsvermögen des Klägers zu erschüttern.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 SGG, weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Denn die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung, für drei Jahre (1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zahlen zu müssen.
2. Da allein die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist im Berufungsverfahren nur darüber zu entscheiden, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016 hat. Soweit das SG die Klage im Übrigen, für die Zeit vom 1. September 2011 bis 31. Januar 2013 sowie ab 1. Februar 2016, abgewiesen hat, ist das Urteil des SG rechtskräftig. Denn der Kläger hat keine Berufung eingelegt.
3. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Der Senat hat lediglich den Tenor des Urteils des SG zur Klarstellung neu gefasst. Da die Klage teilweise Erfolg hatte, war der den Rentenantrag ablehnende Bescheid der Beklagten vom 16. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012 für diesen Zeitraum teilweise rechtswidrig, im Übrigen jedoch rechtmäßig. Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 sind deshalb nicht vollständig aufzuheben, sondern nur abzuändern.
a) Die Auffassung der Beklagten, ihr Bescheid vom 16. November 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 seien weder aufzuheben noch abzuändern, sondern es sei allein ein Ausspruch über die zu zahlende Leistung erforderlich, ist unzutreffend. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Tatsacheninstanz. Denn richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und unechte Leistungsklage. Wird eine Rente wegen Erwerbsminderung begehrt, kann der Versicherte sein Ziel nicht mit der isolierten Anfechtungsklage (Aufhebung des den Rentenantrag ablehnenden Bescheid) erreichen. Vielmehr bedarf es zusätzlich der Verurteilung des Rentenversicherungsträgers. Auch wenn der Leistungsfall erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids eingetreten ist, bedarf es deshalb der (teilweisen) Aufhebung oder Abänderung des die Rente wegen Erwerbsminderung ablehnenden Bescheids.
b) Der Kläger ist jedenfalls seit 26. Juli 2012 (Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Be.) voll erwerbsgemindert.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzen-anpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
aa) Beim Kläger besteht eine intellektuelle Minderbegabung. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten der Ärztin B. sowie der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B ... Beim Kläger tritt in Stresssituationen ein Zittern, zum Teil auch als (essentiellen) Tremor bezeichnet auf. Dieses Zittern oder dieser Tremor wird übereinstimmend von Ärztin B. sowie der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B., von den für die Bundesagentur für Arbeit tätig gewordenen Gutachtern Dr. M. (Gutachten vom 4. Mai 2009 und 22. März 2010) und Diplom-Psychologe C. (Gutachten vom 4. April 2012) sowie von den behandelnden Ärzten Dr. K. (Attest vom 24. Februar 2010 sowie sachverständige Zeugenauskünfte vom 25. Mai 2012 und 11. November 2013) und Dr. F. (sachverständige Zeugenauskunft vom 18. Dezember 2013) beschrieben. Falls Dr. D. diese Symptomatik in ihren im Berufungsverfahren vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 22. Juli und 1. Oktober 2014 infrage stellen wollte, ist dies nicht nachvollziehbar. Zudem besteht beim Kläger nunmehr auch eine leichte Ataxie. Der Sachverständige Dr. S.-B. beschrieb ein schwerfällig wirkendes Gangbild. Der Kläger leidet weiter an einer Neigung zu Depressivität, wobei die Depressionen medikamentös gut kompensiert sind (Gutachten der Ärztin B., Attest des Dr. K. vom 24. Februar 2010).
Schließlich ist beim Kläger ein eingeschränktes Sehvermögen mit einem schon seit Kindheit bestehenden Schielen vorhanden (Gutachten der Ärztin B. und des Dr. S.-B. sowie Auskunft des Dr. R. vom 19. April 2012).
bb) Aufgrund der rentenrelevanten Gesundheitsstörungen des nervenärztlichen Gebiets ist das Leistungsvermögen des Klägers quantitativ eingeschränkt. Er ist nur noch in der Lage, Tätigkeiten in einem Umfang von drei bis weniger als sechs Stunden täglich auszuüben. Der Senat folgt den Leistungsbeurteilungen der Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B ... Beide Sachverständige haben für den Senat nachvollziehbar dargestellt, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers von günstigen Umgebungs- und Arbeitsbedingungen abhängt, insbesondere der Anwesenheit der Ehefrau. Der Sachverständige Dr. Be. wies darauf hin, dass entscheidend die ständige Anwesenheit der Ehefrau des Klägers bei seinen (des Sachverständigen) Untersuchungen gewesen sei und schloss hierauf auf eine ganz erhebliche Abhängigkeit des Klägers von den situativen Gegebenheiten. Auch der Sachverständige Dr. S.-B. führte aus, dass nach Hinzurufen der Ehefrau für den letzten Teil der Anamneseerhebung deutlich geworden sei, wie der Kläger sich immer wieder hilfeheischend an sie wende. Weil die Ehefrau des Klägers ebenfalls im Freibad des Wohnorts des Klägers beschäftigt war, war es dem Kläger möglich, die Tätigkeit als Reinigungskraft im Freibad seines Wohnort zu verrichten. Auch frühere Tätigkeiten als Küchenhilfe (sozialmedizinisches Gutachten des Dr. Ei. vom 27. November 1998) und als Zeitungsausträger (Arztbrief des Neurologen und Psychiater Dr. Pr. vom 19. Mai 2007) übte der Kläger beim selben Arbeitgeber wie seine Frau aus. Dass der Kläger die Tätigkeit als Reinigungskraft im Freibad seines Wohnorts wahrnahm, lässt nicht den Schluss zu, er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche Arbeiten verrichten. Denn diese Tätigkeit war mit einer vertraglichen Arbeitszeit von 1,5 Stunden weit von dieser Grenze entfernt. Auch waren, wie sich aus der Auskunft des Hauptamtsleiters Cr. vom 8. Mai 2013 ergib, die Tätigkeiten nicht jede Woche an jedem Tag zu verrichten, sondern wegen der Abhängigkeit des jeweiligen Wetters in einzelnen Wochen auch nicht an jedem Arbeitstag. Auch konnte der Kläger nach seinem unbestrittenen Vortrag sich die Arbeit einteilen, diese auch in einer längeren Zeit als der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 1,5 Stunden leisten und selbst gewählte Pausen einlegen. Die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen haben auch die Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B. bejaht. Dass die Möglichkeiten des Klägers, unter regulären Bedingungen am Arbeitsleben teilzunehmen, sehr stark eingeschränkt sind, bestätigt schließlich auch das Gutachten des Diplom-Psychologen C. vom 4. April 2012, das dieser für die Bundesagentur für Arbeit erstattet hatte.
Mit den angeführten besonderen Umständen setzen sich - wie bereits das SG im angefochtenen Urteil dargelegt hat - die von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahmen der Dr. D. nicht auseinander. Was den Hinweis der Dr. D. auf den von Dr. Be. ebenso wie von Ärztin B. erhobenen strukturierten Tagesablauf des Klägers mit der Durchführung von Haushaltsarbeiten angeht, verweist Dr. Be. zu Recht darauf, dass insoweit die Tätigkeiten in vertrautem Rahmen in der Nähe der Ehefrau und ohne zeitlichen Druck erfolgen. Dies steht in Übereinstimmung mit seiner Feststellung, die Anwesenheit der Ehefrau sei für den Kläger von besonderer Bedeutung. Soweit Dr. D. in ihrer Stellungnahme vom 22. Oktober 2012 meint, die Leistungsbeurteilung des Dr. Be. in seinem Gutachten sei möglicherweise aufgrund der früher erfolgten Behandlung beeinflusst, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn an die vorangegangene Behandlung hatten weder der Sachverständige Dr. Be. noch der Kläger selbst eine Erinnerung und der Sachverständige Dr. Be. konnte auch nicht ausschließen, dass überhaupt jemals eine Behandlung erfolgte. Auf welcher Ursache die vom Sachverständigen Dr. S.-B. diagnostizierte frühkindliche Hirnschädigung beruht, ist für die Beurteilung des Leistungsvermögens unerheblich, weshalb es zur Sicherung dieser Diagnose jedenfalls im vorliegenden Verfahren entgegen der Auffassung der Dr. D. in ihrer Stellungnahme vom 1. Oktober 2014 nicht einer bildgebenden Diagnostik bedarf.
cc) Mit dem täglichen Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden ist der Kläger nicht nur teilweise, sondern voll erwerbsgemindert. Denn der Kläger hat keinen Teilzeit-Arbeitsplatz inne (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R -, in juris). Soweit er im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016) in der Zeit vom 29. April bis 15. September 2013 beschäftigt war, war dies keine versicherungspflichtige, sondern eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung, die zudem nicht das ganze Jahr dauerte.
dd) Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit 36 Monaten Pflichtbeitragszeiten sind ausgehend von einem Leistungsfall am 26. Juli 2012 gegeben (zum Folgenden siehe Versicherungsverläufe vom 8. November 2013, Bl. 26 LSG-Akte, und 7. August 2014, Bl. 73 auf LSG-Akte). In den fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung (26. Juli 2007 bis 25. Juni 2012) hat der Kläger (nur) 35 Monate Pflichtbeitragszeiten (Juli 2007 bis Mai 2009, Oktober 2009 bis Juni 2010 und Oktober bis Dezember 2010). Dieser Fünf-Jahreszeitraum verlängert sich um zwölf Monate bis 26. Juli 2006. Denn wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II von Januar bis Mai 2011 und November 2011 bis Mai 2012 liegt eine Anrechnungszeit vor (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB VI in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Art. 19 Nr. 5 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010 [BGBl. I, S. 1885]). Im verlängerten Zeitraum liegen weitere zwölf Monate Pflichtbeitragszeiten, mithin insgesamt 47 Monate Pflichtbeitragszeiten.
Des Weiteren erfüllte der Kläger vor Eintritt der Erwerbsminderung am 26. Juli 2012 die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), weil er deutlich mehr als 60 Monate Pflichtbeiträge entrichtete.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren streitig, ob der Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016 einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der am 1967 geborene Kläger besuchte die Sonderschule ohne Abschluss und absolvierte keine Berufsausbildung. Er war mit zahlreichen, teilweise längeren Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit von 1986 bis 2007 als Hilfsarbeiter, Produktionshelfer, Küchenhilfe, Textilreiniger, Zusteller von Zeitungen und Recyclingkraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Mai 2008 bezieht er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Vom 15. Mai bis 15. September 2010, 13. Mai bis 15. September 2011, 26. April bis 15. September 2012 und 29. April bis 15. September 2013 war er geringfügig (sieben Tage wöchentlich à 1,5 Stunden) als Reinigungskraft im Freibad seines Wohnorts beschäftigt, ab 2014 nicht mehr.
Der Kläger beantragte am 11. August 2011 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Arztbriefe und von der Agentur für Arbeit F. veranlasste Gutachten aus den Jahren 2008 bis 2010 bei. Dr. M. nannte in seinem Gutachten vom 4. Mai 2009 als Diagnosen eine depressive Episode und einen essentiellen Tremor. Er beschrieb eine verminderte psychische Belastbarkeit. Beim Auftreten von Hektik und Stress verfalle der Kläger in ein Zittern und es komme zum Ausbruch von Heulkrämpfen. Dr. M. sah sich nicht in der Lage, ein Leistungsbild zu erstellen und empfahl über die Maßnahme "Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen" (DIA-AM) die Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu prüfen. Dieser Empfehlung folgte die Agentur für Arbeit nicht. Im weiteren Gutachten vom 22. März 2010 hielt Dr. M. den Kläger in einem stressfreien Umfeld vollschichtig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten belastbar. Eine Eingliederung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ergebe sich gegenwärtig nicht.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Ärztin für Nervenheilkunde B. ihr Gutachten vom 14. November 2011. Es falle ein rechtsseitiger Tremor auf, der am Arm durchaus parkinsonartig wirke und am Bein eine höhere Frequenz habe sowie dann aber über längere Zeit sistiere. Bei der körperlichen Untersuchung trete ein Kopftremor auf. Die wegen eines essentiellen Tremors erfolgte medikamentöse Behandlung habe zu einer ausgeprägten Bradycardie geführt. Von Geburt an bestehe ein Schielen. Bei der neurologischen Untersuchung seien die Facialisfunktionen unauffällig, es bestehe jedoch eine Hypästhesie der linken Gesichtshälfte, vermutlich wegen einer Schädigung der Hirnnerven. Vorbeschriebene Depressionen seien offensichtlich unter medikamentöser Behandlung gut kompensiert. Der Kläger wirke affektiv ausgeglichen bis gelegentlich etwas moros. Im Gespräch falle eine Minderbegabung auf. Das Auffassungsvermögen sei auf einfache konkrete Zusammenhänge begrenzt. Zur Anamnese und aktuellen psychosozialen Situation könnten klar geordnete und anschauliche Angaben gemacht werden. Das Gedächtnis sei unauffällig. Erhebliche Schwierigkeiten habe der Kläger mit dem Schreiben und Lesen. Der Kläger könne in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Gutachters Dr. M. (im für die Agentur für Arbeit erstatteten Gutachten vom 22. März 2010) kognitive einfache, gut strukturierte, körperlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts weiterhin sechs Stunden und mehr ausüben. Zu vermeiden seien Nachtschicht, übermäßiger Zeitdruck, hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz sowie wesentliche Anforderungen an Lesen und Schreiben. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Hilfe bei der Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt seien erforderlich.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 16. November 2011 ab. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012). Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden oder weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne. Da das sozialmedizinische Ergebnis schlüssig und nachvollziehbar sei, schließe er sich diesem an.
Die Kläger erhob am 31. Januar 2012 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. September 2011. Aufgrund seiner multiplen Einschränkungen sei er nicht mehr in der Lage, am Erwerbsleben teilzunehmen. Insbesondere die psychische Komponente seiner Beschwerden habe zur Folge, dass er in keinster Weise belastungsfähig sei. Bei der geringfügig ausgeübten Tätigkeit werde er für 1,5 Stunden bezahlt, unabhängig wie lange er für die durchzuführenden Reinigungsarbeiten benötige. Der Arbeitsmarkt sei ihm verschlossen.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG hörte den Kläger behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen. Augenarzt Dr. R. (Auskunft vom 19. April 2012) gab an, aufgrund des wechselseitigen Schielens liege kein räumliches Sehen vor. Die Kurzsichtigkeit und Hornhautverkrümmung hätten zugenommen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. (Auskunft vom 25. April 2012) vertrat unter Verweis auf das (seiner Auskunft beigefügte) psychologische Gutachten des Diplom-Psychologen C. vom 4. April 2012, das dieser für die Agentur für Arbeit Freiburg erstattet hatte, die Auffassung, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden verrichten. Es bestehe eine Intelligenzminderung, eine Konzentrationsschwäche, eine rasche Ermüdbarkeit und eine Depression. Jedes Quartal erfolge eine Überweisung zu Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Kn ... Dr. Kn. (Auskunft vom 25. Mai 2012) berichtete über die seit 22. Oktober 2008 in regelmäßigen Abständen von zwei Wochen, vier Wochen oder sechs Monaten erfolgten Behandlungen. Im Befinden des Klägers seien ausgeprägte Schwankungen aufgetreten. Zeitweise sei es ihm unter medikamentöser Behandlung relativ gut gegangen. Dann hätten Kleinigkeiten wieder zu einem Zusammenbruch mit Wein-Zitteranfällen, Stimmungstiefs und Angstattacken geführt. Ohne hohen Anforderungsstress könnten leichte Tätigkeiten bis zu zwei Stunden verrichtet werden.
Diplom-Psychologe C. führte in dem genannten Gutachten aus, bei den vorgegebenen Tests stoße der Kläger durchgehend sehr rasch an seine Leistungsgrenze. Im Vergleich mit erwachsenen berufstätigen Männern zeigten sich weit unterdurchschnittliche Leistungen im logischen Denken und räumlichen Vorstellen. Von Seiten seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit kämen für den Kläger nur sehr einfach strukturierte Anlerntätigkeit in Betracht. Aus psychologischer Sicht sei die Möglichkeit des Klägers, unter regulären Bedingungen am Arbeitsleben teilzunehmen, sehr stark eingeschränkt.
Auf Anfrage des SG erteilte C. Cr., Hauptamtsleiter der Wohnortgemeinde des Klägers, die Auskunft vom 8. Mai 2013 zur Tätigkeit des Klägers. Die Arbeitszeit für die Reinigung der Sanitäranlagen und der Umkleidekabinen nach Badeschluss richte sich nach dem Dienstplan und dem Bedarf, der von den Witterungsverhältnissen und der Zahl der Besucher abhänge. Auf den Gesundheitszustand des Klägers habe bisher keine besondere Rücksicht genommen werden müssen. Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit hätten bislang nicht vorgelegen.
Auf Veranlassung des SG erstattete Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Be. sein Gutachten vom 11. September 2012 aufgrund ambulanter Untersuchungen des Klägers am 26. Juli und 2. August 2012, zu denen der Kläger in Begleitung seiner Ehefrau erschienen war, sowie seine ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 28. April 2013. Dr. Be. gab an, vor der Praxisübergabe an seinen Nachfolger Dr. Kn. sei der Kläger auch bei ihm (Dr. Be.) wohl selten in Behandlung gewesen. Der Kläger könne vor Mai 2005 (Praxisübergabe an Dr. Kn.) bei ihm in Behandlung gewesen sein, wobei er sich nicht sicher sei, ob dies der Fall gewesen sei. Sowohl er (Dr. Be.) als auch der Kläger hätten sich nicht mehr an den jeweils anderen erinnert. Beim Kläger dürfte eine intrauterine oder frühkindliche Hirnschädigung vorliegen. Eine Rhesus-Inkompatibilität mit Ikterus neonatorum sei ausgewiesen und z.B. eine Virusinfektion intrauterin sei nicht auszuschließen. Es bestünden durchgängig eine Begabungsschwäche, ein komplexer Tremor mit Merkmalen eines so genannten essentiellen Tremors wie psychogenen Tremors ("Zitteranfälle"), Fehlentwicklungen und Anpassungsstörungen mit depressivem Charakter, jedoch auch mit Minderwertigkeitsgefühlen und dergleichen, eine beeinträchtigte psychische Belastbarkeit sowie eine krankheitswertige seelische Minderbegabung. Körperliche Beeinträchtigungen ergäben sich durch das Zittern, auch in Verbindung mit hierbei vermehrter Ungeschicklichkeit bei Anregung/Aufforderung von außen. Im geistigen Bereich würden Auffassungs-, Verarbeitungs- und Erfassungsschwierigkeiten wirksam, besonders das Erfassen schwieriger Zusammenhänge sei eingeschränkt. Die körperliche Belastbarkeit allein von nervenärztlicher Seite sei nicht beeinträchtigt. Von orthopädischer Seite dürfte allerdings schwere Arbeit nicht infrage kommen. Beeinträchtigt seien Tätigkeiten, die eine erhöhte manuelle Geschicklichkeit erforderten, und Arbeiten an laufenden Maschinen. Auszuschließen seien Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Tätigkeiten mit Publikumsverkehr und nervlicher Beanspruchung. Tätigkeiten mit höchstens mittelschwierigen geistigen Beanspruchungen seien problematisch und dürfte nur unter zeitweiliger Begrenzung möglich sein. Tätigkeiten könnten drei bis weniger als sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden, wobei die Leistungsfähigkeit in sehr starkem Ausmaß von den Umgebungs- bzw. Außenbedingungen abhänge, so dass keine generelle Aussage der Einschätzung diesbezüglich möglich sei. Neben den günstigen Umgebungs- bzw. Außenbedingungen seien betriebsunübliche Pausen von grob geschätzt acht bis 15 Minuten im Abstand von z.B. einer Stunde, längere Pausen auch nach beispielsweise zwei Stunden vorzusehen. Die angegebenen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit dürften sich sehr allmählich, in starker Abhängigkeit von den Außen- und Arbeitsbedingungen entwickelt haben, ohne zeitlichen Bezug zu irgendwelchen markanten oder äußeren Gegebenheiten. Eine extensive verhaltenstherapeutische Begleittherapie könnte hilfreich sein, sollte jedoch nicht zu zusätzlichem Stress führen. Er schließe sich im Wesentlichen der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Ärztin B. im Gutachten vom 14. "Dezember" (richtig November) 2011 an, weise aber darauf hin, dass unter ständiger vollwertiger Belastung am Arbeitsplatz das Leistungsvermögen deutlich unter sechs Stunden täglich liege, wobei ein behüteter Arbeitsplatz im weiteren Sinne erforderlich wäre und soweit möglich die Anwesenheit der Ehefrau für den Kläger eine wesentliche Stütze darstelle. Der Kläger habe die Untersuchungstermine jeweils in Begleitung seiner Ehefrau wahrgenommen. Diese wisse der Kläger auch bei der Tätigkeit im Freibad seines Wohnorts in Reichweite, da sie dort an der Kasse tätig sei.
Die Beklagte verblieb bei ihrer Auffassung zum quantitativen Leistungsvermögens des Klägers. Sie legte die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 3. Juli 2012 (zu den genannten Auskünften der behandelnden Ärzte) sowie der Ärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Labormedizin Dr. D. vom 22. Oktober 2012 und 11. Juni 2013 vor. Die von Dr. Be. angenommene Leistungsminderung von drei bis weniger als sechs Stunden arbeitstäglich sei nicht plausibel. Sowohl das Gutachten der Ärztin B. als auch das Gutachten des Dr. Be. enthielten Passagen, die in ihrer Einschätzung bezüglich der bestehenden Kompetenzen und Ressourcen des Klägers und seiner damit verbundenen Antriebs- und Gestaltungskompetenz, aber auch hinsichtlich der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen übereinstimmten. Übereinstimmend mit dem Gutachten der Ärztin B. beschreibe Dr. Be. die Diagnosen und qualitativen Leistungseinschränkungen, stelle einen strukturierten Tagesablauf des Klägers dar und stelle fest, dass zusätzlich eine verbesserte äußere Tagesstrukturierung den Lebens- und Aktionsradius des Klägers verbessere. Eine relevante Verschlechterung zwischen den Zeitpunkten der Begutachtungen durch Ärztin B. und Dr. Be. sei nicht eingetreten. Dem Kläger sei es gelungen, trotz seiner qualitativen Leistungseinschränkungen über viele Jahre beruflich tätig zu sein und nehme auch seine Tätigkeit als Reinigungskraft im Freibad zuverlässig wahr.
Mit Urteil vom 23. August 2013 verurteilte das SG die Beklagte unter "Aufhebung" ihres Bescheids vom 16. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2013 befristet auf drei Jahre zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Der Kläger sei mit einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden teilweise erwerbsgemindert. Die bei dem Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen auf somatischem Gebiet stünden zwar der Ausübung mindestens sechsstündiger leichter Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen. Der Kläger sei jedoch unter Berücksichtigung seiner psychischen Leiden nicht mehr in der Lage, mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dies folge aus dem schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Be ... Die beim Kläger auftretenden Ängste bezüglich seiner Minderwertigkeit und Überforderung, welche eine geistige Blockade einerseits und ein Zittergeschehen andererseits hervorrufen könnten, bereiteten ihm nachvollziehbar Schwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Er sei den dortigen Anforderungen immer wieder nicht gewachsen gewesen und habe aufgrund der dekompensierten Erfahrungen Ängste entwickelt. Diese Ängste kompensiere er damit, dass er sich besondere situative Gegebenheiten schaffe, wie die Anwesenheit der Ehefrau an seinem Arbeitsplatz. In diesem geschützten Rahmen sei es ihm möglich, seine ihm angeborene Begabungsschwäche zu verheimlichen. Ärztin B. gehe ebenso wie Dr. D. nicht darauf ein, dass der Kläger aufgrund seiner Begabungsschwäche erhebliche Schwierigkeiten gehabt habe, den Anforderungen eines "normalen" Arbeitsplatzes gerecht zu werden. Obwohl der Kläger nur teilweise erwerbsgemindert sei, habe er Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Einen Teilzeitarbeitsplatz habe er nicht. Einen solchen stelle die Tätigkeit im Freibad seines Wohnorts nicht dar. Denn es handle sich um einen Arbeitsplatz mit einer Arbeitszeit von nicht mindestens 15 Stunden wöchentlich. Rentenbeginn sei der 1. Februar 2013. Jedenfalls zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung bei Dr. Be. am 26. Juli 2012 sei der Leistungsfall eingetreten. Von einen früheren Eintritt des Leistungsfalls habe sich die Kammer hingegen keine Überzeugung verschaffen können.
Gegen das ihr am 12. September 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Oktober 2013 Berufung eingelegt. Sie hat die weiteren Stellungnahmen der Dr. D. vom 1. Oktober 2013 und 6. Februar 2014 vorgelegt. Diese hat ihre in den dem SG vorgelegten Stellungnahmen geäußerte Auffassung wiederholt sowie weiter ausgeführt, aus den von Dr. Kn. und Dr. F. in ihren sachverständigen Zeugenauskünften (dazu sogleich) mitgeteilten Befunden ließe sich eine quantitativ zeitlich überdauernde Leistungsminderung des Klägers nicht ableiten. Die Beklagte hat ferner die den Kläger betreffenden Versicherungsverläufe vom 8. November 2013 und 7. August 2014 vorgelegt. Zudem meint sie, das SG hätte den Bescheid vom 16. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012 nicht aufheben dürfen. Ein "Ablehnungsbescheid" sei kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung und dürfe nicht aufgehoben werden, wenn er zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids die tatsächliche rechtliche Situation aus der Sicht des entscheidenden Gerichts rechtmäßig bewerte. Es hätte allein ein Ausspruch über die zu zahlende Leistung erfolgen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. August 2013 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ursache für die Stellung des Rentenantrags sei gewesen, dass die trotz seiner qualitativen Leistungseinschränkungen über viele Jahre ausgeübte berufliche Tätigkeit seit geraumer Zeit nicht mehr möglich sei.
Der Senat hat den Kläger behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Kn. hat (Auskunft vom 11. November 2013) drei Behandlungstermine im Jahr 2012 und einen Behandlungstermin im Jahr 2013 sowie als von ihm gestellte Diagnosen eine schwere Depression, einen essentiellen Tremor und eine chronische Angstneurose angegeben. Die Medikation, die der Kläger teilweise selbstständig abgesetzt habe, habe jeweils gute Wirkung gezeigt. Abhängig von der psychosozialen Belastung und der Medikation seien immer wieder Veränderungen im Befinden und in der Beschwerdeäußerung aufgetreten. Dr. F. (Auskunft vom 18. Dezember 2013 mit Ergänzung vom 13. Januar 2014) hat über die seit 20. Juni 2013 erfolgte Behandlung berichtet. Seit Oktober 2013 sei der Kläger zunehmend psychisch belastet bei vorbestehender depressiver Störung und Intelligenzminderung.
Der Senat hat Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.-B. zum Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 21. Mai 2014 hat er eine frühkindliche Hirnschädigung mit intellektueller Leistungsminderung und cerebellärer Symptomatik, eine Persönlichkeitsstörung mit emotionaler Instabilität, verminderter Stressbelastbarkeit und (anamnestisch) Depressivität, einen Zustand nach Verkehrsunfall mit fraglicher Läsion des fünften und achten Hirnnerven links, einen Zustand nach Alkoholabusus sowie (fachfremd) einen Strabismus divergens mit zusätzlicher linksbetonter Visusminderung diagnostiziert. Es ergäben sich eine Fülle von Leistungseinschränkungen und Leistungsausschlüssen. Nicht mehr möglich seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen (berufsmäßiges Führen von Kraftfahrzeugen), mit Anforderungen an ein gutes Stereo-Hören (wie z.B. Publikumsverkehr), wegen des Tremors mit Anforderungen an die Feinmotorik, wegen der leichten Ataxie mit Anforderungen an das Gleichgewichtsvermögen (Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten), wegen der intellektuellen Minderbegabung mit kognitiven Anforderungen sowie wegen der Persönlichkeitsstörung mit Zeitdruck oder wechselnden Arbeitszeiten. Der Aussage von Ärztin B., kognitive einfache, gut strukturierte, körperlich mittelschwere Tätigkeiten unter zusätzlichen Ausschlusskriterien seien im Prinzip möglich, werde zugestimmt. Allerdings könne er (der Sachverständige) sich keinen Arbeitsplatz vorstellen, auf welchem alle aufgeführten Leistungsausschlüsse berücksichtigt werden könnten. Die noch möglichen Arbeiten könnten im Rahmen von acht Stunden an fünf Tagen verrichtet werden. Allerdings sei hierbei nur die Leistung von vier bis fünf Stunden eines vergleichbaren Gesunden zu erwarten. Betriebsunübliche Pausen seien unerlässlich. Das jetzt feststellbare Leistungsvermögen entspreche einem Leistungsvermögen eines Mitarbeiters einer Werkstätte für Behinderte. Im Vergleich zum Gutachten von Ärztin B. träten cerebelläre Symptome jetzt mehr hervor und die Hirnnervenstörungen einschließlich der Visusminderung würden stärker mit gewichtet. Auch finde sich jetzt eine leichte Ataxie und es gebe fremdanamnestisch Hinweise für wiederholte krisenhafte Zuspitzung als Folge der Persönlichkeitsstörung. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 1. September 2014 ist Dr. S.-B. unter Auseinandersetzung mit den Einwänden der Beklagten bei der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers verblieben.
Die Beklagte hat die weiteren Stellungnahmen der Dr. D. vom 22. Juli und 1. Oktober 2014 vorgelegt. Das vom Sachverständigen Dr. S.-B. festgestellte Leistungsvermögen des Klägers sei widersprüchlich. Eine wesentliche Verschlechterung der Beschwerden des Klägers im Vergleich zur Begutachtung durch Ärztin B. habe der Sachverständige nicht schlüssig beschrieben. Sein Gutachten und seine ergänzende gutachterliche Stellungnahme seien nicht geeignet, das von Ärztin B. in ihrem Gutachten vom 14. November 2011 festgestellte Leistungsvermögen des Klägers zu erschüttern.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 SGG, weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Denn die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung, für drei Jahre (1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zahlen zu müssen.
2. Da allein die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist im Berufungsverfahren nur darüber zu entscheiden, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016 hat. Soweit das SG die Klage im Übrigen, für die Zeit vom 1. September 2011 bis 31. Januar 2013 sowie ab 1. Februar 2016, abgewiesen hat, ist das Urteil des SG rechtskräftig. Denn der Kläger hat keine Berufung eingelegt.
3. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Der Senat hat lediglich den Tenor des Urteils des SG zur Klarstellung neu gefasst. Da die Klage teilweise Erfolg hatte, war der den Rentenantrag ablehnende Bescheid der Beklagten vom 16. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012 für diesen Zeitraum teilweise rechtswidrig, im Übrigen jedoch rechtmäßig. Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 sind deshalb nicht vollständig aufzuheben, sondern nur abzuändern.
a) Die Auffassung der Beklagten, ihr Bescheid vom 16. November 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 seien weder aufzuheben noch abzuändern, sondern es sei allein ein Ausspruch über die zu zahlende Leistung erforderlich, ist unzutreffend. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Tatsacheninstanz. Denn richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und unechte Leistungsklage. Wird eine Rente wegen Erwerbsminderung begehrt, kann der Versicherte sein Ziel nicht mit der isolierten Anfechtungsklage (Aufhebung des den Rentenantrag ablehnenden Bescheid) erreichen. Vielmehr bedarf es zusätzlich der Verurteilung des Rentenversicherungsträgers. Auch wenn der Leistungsfall erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids eingetreten ist, bedarf es deshalb der (teilweisen) Aufhebung oder Abänderung des die Rente wegen Erwerbsminderung ablehnenden Bescheids.
b) Der Kläger ist jedenfalls seit 26. Juli 2012 (Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Be.) voll erwerbsgemindert.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzen-anpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
aa) Beim Kläger besteht eine intellektuelle Minderbegabung. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten der Ärztin B. sowie der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B ... Beim Kläger tritt in Stresssituationen ein Zittern, zum Teil auch als (essentiellen) Tremor bezeichnet auf. Dieses Zittern oder dieser Tremor wird übereinstimmend von Ärztin B. sowie der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B., von den für die Bundesagentur für Arbeit tätig gewordenen Gutachtern Dr. M. (Gutachten vom 4. Mai 2009 und 22. März 2010) und Diplom-Psychologe C. (Gutachten vom 4. April 2012) sowie von den behandelnden Ärzten Dr. K. (Attest vom 24. Februar 2010 sowie sachverständige Zeugenauskünfte vom 25. Mai 2012 und 11. November 2013) und Dr. F. (sachverständige Zeugenauskunft vom 18. Dezember 2013) beschrieben. Falls Dr. D. diese Symptomatik in ihren im Berufungsverfahren vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 22. Juli und 1. Oktober 2014 infrage stellen wollte, ist dies nicht nachvollziehbar. Zudem besteht beim Kläger nunmehr auch eine leichte Ataxie. Der Sachverständige Dr. S.-B. beschrieb ein schwerfällig wirkendes Gangbild. Der Kläger leidet weiter an einer Neigung zu Depressivität, wobei die Depressionen medikamentös gut kompensiert sind (Gutachten der Ärztin B., Attest des Dr. K. vom 24. Februar 2010).
Schließlich ist beim Kläger ein eingeschränktes Sehvermögen mit einem schon seit Kindheit bestehenden Schielen vorhanden (Gutachten der Ärztin B. und des Dr. S.-B. sowie Auskunft des Dr. R. vom 19. April 2012).
bb) Aufgrund der rentenrelevanten Gesundheitsstörungen des nervenärztlichen Gebiets ist das Leistungsvermögen des Klägers quantitativ eingeschränkt. Er ist nur noch in der Lage, Tätigkeiten in einem Umfang von drei bis weniger als sechs Stunden täglich auszuüben. Der Senat folgt den Leistungsbeurteilungen der Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B ... Beide Sachverständige haben für den Senat nachvollziehbar dargestellt, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers von günstigen Umgebungs- und Arbeitsbedingungen abhängt, insbesondere der Anwesenheit der Ehefrau. Der Sachverständige Dr. Be. wies darauf hin, dass entscheidend die ständige Anwesenheit der Ehefrau des Klägers bei seinen (des Sachverständigen) Untersuchungen gewesen sei und schloss hierauf auf eine ganz erhebliche Abhängigkeit des Klägers von den situativen Gegebenheiten. Auch der Sachverständige Dr. S.-B. führte aus, dass nach Hinzurufen der Ehefrau für den letzten Teil der Anamneseerhebung deutlich geworden sei, wie der Kläger sich immer wieder hilfeheischend an sie wende. Weil die Ehefrau des Klägers ebenfalls im Freibad des Wohnorts des Klägers beschäftigt war, war es dem Kläger möglich, die Tätigkeit als Reinigungskraft im Freibad seines Wohnort zu verrichten. Auch frühere Tätigkeiten als Küchenhilfe (sozialmedizinisches Gutachten des Dr. Ei. vom 27. November 1998) und als Zeitungsausträger (Arztbrief des Neurologen und Psychiater Dr. Pr. vom 19. Mai 2007) übte der Kläger beim selben Arbeitgeber wie seine Frau aus. Dass der Kläger die Tätigkeit als Reinigungskraft im Freibad seines Wohnorts wahrnahm, lässt nicht den Schluss zu, er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche Arbeiten verrichten. Denn diese Tätigkeit war mit einer vertraglichen Arbeitszeit von 1,5 Stunden weit von dieser Grenze entfernt. Auch waren, wie sich aus der Auskunft des Hauptamtsleiters Cr. vom 8. Mai 2013 ergib, die Tätigkeiten nicht jede Woche an jedem Tag zu verrichten, sondern wegen der Abhängigkeit des jeweiligen Wetters in einzelnen Wochen auch nicht an jedem Arbeitstag. Auch konnte der Kläger nach seinem unbestrittenen Vortrag sich die Arbeit einteilen, diese auch in einer längeren Zeit als der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 1,5 Stunden leisten und selbst gewählte Pausen einlegen. Die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen haben auch die Sachverständigen Dr. Be. und Dr. S.-B. bejaht. Dass die Möglichkeiten des Klägers, unter regulären Bedingungen am Arbeitsleben teilzunehmen, sehr stark eingeschränkt sind, bestätigt schließlich auch das Gutachten des Diplom-Psychologen C. vom 4. April 2012, das dieser für die Bundesagentur für Arbeit erstattet hatte.
Mit den angeführten besonderen Umständen setzen sich - wie bereits das SG im angefochtenen Urteil dargelegt hat - die von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahmen der Dr. D. nicht auseinander. Was den Hinweis der Dr. D. auf den von Dr. Be. ebenso wie von Ärztin B. erhobenen strukturierten Tagesablauf des Klägers mit der Durchführung von Haushaltsarbeiten angeht, verweist Dr. Be. zu Recht darauf, dass insoweit die Tätigkeiten in vertrautem Rahmen in der Nähe der Ehefrau und ohne zeitlichen Druck erfolgen. Dies steht in Übereinstimmung mit seiner Feststellung, die Anwesenheit der Ehefrau sei für den Kläger von besonderer Bedeutung. Soweit Dr. D. in ihrer Stellungnahme vom 22. Oktober 2012 meint, die Leistungsbeurteilung des Dr. Be. in seinem Gutachten sei möglicherweise aufgrund der früher erfolgten Behandlung beeinflusst, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn an die vorangegangene Behandlung hatten weder der Sachverständige Dr. Be. noch der Kläger selbst eine Erinnerung und der Sachverständige Dr. Be. konnte auch nicht ausschließen, dass überhaupt jemals eine Behandlung erfolgte. Auf welcher Ursache die vom Sachverständigen Dr. S.-B. diagnostizierte frühkindliche Hirnschädigung beruht, ist für die Beurteilung des Leistungsvermögens unerheblich, weshalb es zur Sicherung dieser Diagnose jedenfalls im vorliegenden Verfahren entgegen der Auffassung der Dr. D. in ihrer Stellungnahme vom 1. Oktober 2014 nicht einer bildgebenden Diagnostik bedarf.
cc) Mit dem täglichen Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden ist der Kläger nicht nur teilweise, sondern voll erwerbsgemindert. Denn der Kläger hat keinen Teilzeit-Arbeitsplatz inne (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R -, in juris). Soweit er im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Februar 2013 bis 31. Januar 2016) in der Zeit vom 29. April bis 15. September 2013 beschäftigt war, war dies keine versicherungspflichtige, sondern eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung, die zudem nicht das ganze Jahr dauerte.
dd) Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit 36 Monaten Pflichtbeitragszeiten sind ausgehend von einem Leistungsfall am 26. Juli 2012 gegeben (zum Folgenden siehe Versicherungsverläufe vom 8. November 2013, Bl. 26 LSG-Akte, und 7. August 2014, Bl. 73 auf LSG-Akte). In den fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung (26. Juli 2007 bis 25. Juni 2012) hat der Kläger (nur) 35 Monate Pflichtbeitragszeiten (Juli 2007 bis Mai 2009, Oktober 2009 bis Juni 2010 und Oktober bis Dezember 2010). Dieser Fünf-Jahreszeitraum verlängert sich um zwölf Monate bis 26. Juli 2006. Denn wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II von Januar bis Mai 2011 und November 2011 bis Mai 2012 liegt eine Anrechnungszeit vor (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB VI in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Art. 19 Nr. 5 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010 [BGBl. I, S. 1885]). Im verlängerten Zeitraum liegen weitere zwölf Monate Pflichtbeitragszeiten, mithin insgesamt 47 Monate Pflichtbeitragszeiten.
Des Weiteren erfüllte der Kläger vor Eintritt der Erwerbsminderung am 26. Juli 2012 die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), weil er deutlich mehr als 60 Monate Pflichtbeiträge entrichtete.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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