L 3 AL 972/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 4403/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 972/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld eines Studenten. Es besteht ein materieller Unterschied zwischen einer vorlesungsfreien Zeit unmittelbar nach der Immatrikulation einerseits und einer vorlesungsfreien Zeit zwischen zwei Lehrabschnitten andererseits.
1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsrechtszug.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 01. bis 30.09.2012.

Der am 25.08.1988 geborene Kläger meldete sich am 29.05.2012 arbeitslos und beantragte Alg. Die Anwartschaftszeit war erfüllt. Nach einer Erstbewilligung vom 29.05.2012 und einer Aufhebung wegen mitgeteilter Ortsabwesenheit vom 25.06.2012 beantragte der Kläger am 28.06.2012 erneut Alg. Dieses wurde ihm mit Bescheid vom 28.06.2012 für die Zeit vom 28.06.2012 bis zum 27.05.2013 mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von EUR 28,19 bewilligt.

Am 08.08.2012 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er an der Hochschule H. im Studienfach Energiemanagement immatrikuliert sei. Den genauen Studienbeginn werde er noch bekannt geben. Am 05.09.2012 meldete die Beklagte den Kläger aus der Arbeitsvermittlung ab. Mit Bescheid vom selben Tage hob sie die Bewilligung von Alg ab dem 01.09.2012 auf. Als Grund gab sie "Eigene Abmeldung aus dem Leistungsbezug" an.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 05.10.2012 Widerspruch ein. Er trug vor, zwar beginne das Semester an einer Fachhochschule schon mit dem September, der offizielle Vorlesungsbeginn sei jedoch der 01.10.2012, weswegen er - der Kläger - im September der Arbeitsvermittlung noch zur Verfügung gestanden habe. Der Kläger legte Unterlagen der Hochschule (Stunden- und Veranstaltungsplan, Terminplan für das Wintersemester 2012/2013) vor, aus denen sich ergab, dass im September keine Veranstaltungen stattgefunden hatten. Ferner verwies der Kläger auf ein Urteil des H. Landessozialgerichts (LSG).

Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 03.12.2012. Sie führte aus: Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Unter anderem bei Studenten werde gesetzlich vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben könnten. Die Vermutung sei - erst - widerlegt, wenn der Student nachweise, dass die Ausbildung auch eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung zulasse. Eine Beschäftigung während eines Studiums sei aber versicherungsfrei, wenn sie nur die Nebensache und das Studium die Hauptsache sei. Bei einem Studium, das auf einen regelförmigen Abschluss gerichtet sei, komme es nicht dar¬auf an, wie es tatsächlich durchgeführt werde. So sei es unerheblich, wenn z.B. im Einzelfall wegen besonderer Vorkenntnisse weniger Zeit aufgewendet werden müsse. Der Kläger könne ausschließlich in den Semesterferien bzw. in den Zeiten, in denen er durch Lehrveranstaltungen oder sonstige mit dem Studium zusammenhängende Anforderungen nicht belastet sei, eine entgeltliche Tätigkeit aufnehmen. Das Studium bleibe damit die Hauptsache. Zu dem vom Kläger zitierten Urteil des H. LSG führte die Beklagte aus, es stelle eine Einzelfallentscheidung dar.

Mit seiner am 27.12.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, er habe im September keinen Verpflichtungen der Hochschule unterlegen. Er hat auf eine Pressemitteilung des SG Mainz in einem weiteren gleich liegenden Verfahren verwiesen, in dem die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben hatte.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Studentenstatus bestehe bereits ab Semesterbeginn, sodass zwischen Semester- und Vorlesungsbeginn kein Anspruch auf Alg bestehe.

Zwischenzeitlich haben die Parteien diskutiert, ob der Kläger auch wegen seines Umzugs an den Studienort nicht mehr den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestanden habe. Ferner ist besprochen worden, ob eine eventuelle Nachzahlung verzinst werden müsse und ab wann ggfs. ein Zinsanspruch bestanden habe.

Entsprechend dem schriftsätzlichen Antrag des Klägers vom 27.11.2013 hat das SG die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2014 unter Abänderung des Bescheids vom 05.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2012 verurteilt, dem Kläger für September 2012 Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 845,70 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % p.a. seit dem 29.12.2012 zu zahlen.

In der Hauptsache hat das SG ausgeführt, der Kläger sei auch im September 2012 arbeitslos gewesen. Insbesondere habe Verfügbarkeit bestanden. Der Kläger hätte in jenem Monat eine Beschäftigung ausüben und Vermittlungsvorschlägen der Beklagten folgen können. Die Verfügbarkeit sei auch nicht deswegen entfallen, weil bei Studenten vermutet werde, sie könnten nur eine versicherungsfreie Beschäftigung ausüben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei insoweit nicht auf das formale Kriterium abzustellen, dass der Versicherte statusrechtlich Student sei. Vielmehr verlange die Versicherungsfreiheit, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nehme. Eine Beschäftigung sei daher nur versicherungsfrei, wenn sie "neben" dem Studium ausgeübt werde und diesem nach Zweck und Dauer untergeordnet sei. Insoweit sei auch nach dem Urteil des Hessischen LSG, dem sich die Kammer anschließe, auf die konkrete Ausgestaltung des Studiums und der konkreten Anforderungen in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen abzustellen, ferner könne in zeitlicher Hinsicht nur der Zeitraum maßgeblich sein, für den der Versicherte Alg begehre. Der Kläger habe nach diesen Anforderungen die Vermutung widerlegt, denn er habe nachgewiesen, dass die konkrete Ausgestaltung seines Studiums einer versicherungspflichtigen Beschäftigung - in Vollzeit - im September 2012 nicht entgegengestanden hätte.

Zu dem Zinsanspruch hat das SG ausgeführt, Ansprüche auf Geldleistungen seien nach Ablauf eines Monats nach ihrer Fälligkeit mit vier vom Hundert zu verzinsen, der Zinsanspruch beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags. Der vollständige Leistungsantrag des Klägers sei am 28.06.2012 bei der Beklagten eingegangen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 25.02.2014 Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben. Sie führt aus, die Vermutung, es könne nur eine versicherungsfreie Beschäftigung ausgeübt werden, beginne mit der Immatrikulation. Der Kläger habe diese Vermutung nicht widerlegt. Das SG habe zu Unrecht nur auf den Zeitraum vor Vorlesungsbeginn und nicht auf den gesamten Ausbildungsgang abgestellt. Lasse ein Studiengang keine versicherungspflichtigen Beschäftigungen zu, betreffe dies auch die vorlesungsfreien Zeiten. Es müsse unabhängig von den Zeiten, für die Alg begehrt werde, auf den Studiengang abgestellt werden.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Januar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte regt ferner an, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Vermutung gelte nur für Vorlesungszeiten. Ob sie auch für vorlesungsfreie Zeiten zwischen den einzelnen Semestern gelte, könne dahinstehen. Jedenfalls gelte sie für Zeiten vor dem (erstmaligen) Vorlesungsbeginn, weil er - der Kläger - hier auch nicht durch Haus- oder Seminararbeiten oder eine Nachbereitung der Vorlesungen gebunden gewesen sei. Er habe sich auch auf die per e-mail übermittelten Vermittlungsvorschläge der Beklagten beworben, denn er habe nicht nur arbeiten können, sondern das Arbeitsentgelt auch gut gebrauchen können. Es hätten nur Arbeitgeber kein Interesse an einer so kurzen Beschäftigung gehabt.

Der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 09.10.2014, die Beklagte unter dem 27.10.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten nimmt der Senat Bezug auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

2. Die Berufung der Beklagten ist statthaft. Insbesondere war sie nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungspflichtig. Die Beklagte ist aus dem angegriffenen Gerichtsbescheid um mehr als EUR 750,00 beschwert, nämlich um die Hauptforderung von EUR 845,70.

3. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG).

4. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG der Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers vollen Umfangs, also hinsichtlich des Hauptanspruchs wie der Zinsen, stattgegeben.

a) Der Kläger hatte im September 2012 nach § 136 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der ab dem 01.04.2012 geltenden und daher hier schon anwendbaren Fassung Anspruch auf Alg. Er hatte sich - zuletzt am 28.06.2012 - arbeitslos gemeldet. Die Anwartschaftszeit war erfüllt. Und vor allem war der Kläger arbeitslos (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III):

aa) Der Senat geht davon aus, dass der Kläger im Sinne des § 139 Abs. 5 Nr. 2 SGB III Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah hätte folgen können. Die Beteiligten hatten in erster Instanz diskutiert, ob der Umzug des Klägers an den Studienort der Arbeitslosigkeit entgegengestanden habe. Es finden sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger schon im September umgezogen war. Der streitige Aufhebungsbescheid war am 05.09.2012 an die alte Anschrift versandt worden und offensichtlich angekommen, denn er Kläger hatte am 07.09.2012 telefonisch reagiert. Bei diesem Anruf gab er ferner für Rückrufe eine Festnetznummer an seinem alten Wohnort an. Die neue Anschrift des Klägers tauchte erstmals in seinem Widerspruch vom 05.10.2012 auf; förmlich mitgeteilt hat er sie sogar erst in der e-mail vom 02.12.2012. Auch hatte sich die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht auf eine Ortsabwesenheit des Klägers berufen.

bb) Der Kläger stand ferner den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung (§ 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Er konnte nach § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III im September 2012 eine versicherungspflichtige Beschäftigung von wenigstens 15 Stunden wöchentlich ausüben, auch wenn er insoweit als Student an der Hochschule H. eingeschrieben war. In der Beurteilung der Rechtslage folgt der Senat daher dem Urteil des H. LSG, das bereits in erster Instanz diskutiert worden ist, und ebenso dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.11.2011 (L 12 AL 5291/09, Juris).

(1) Allerdings ist es vertretbar, davon auszugehen, dass bereits solche Versicherte, die zwar statusrechtlich schon (immatrikulierte) Studenten sind, aber noch keinerlei konkreten Anforderungen aus ihrem Studium unterliegen, unter die Vermutungsregelung des § 139 Abs. 2 Satz 1 SGB III fallen (entsprechend § 103a Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz [AFG], § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F.), sodass - auch - sie im Einzelfall nach § 139 Abs. 2 Satz 2 SGB III nachweisen müssen, gleichwohl versicherungspflichtig beschäftigt sein zu können. Für diese Vermutungsregelung selbst stellt die Rechtsprechung durchgehend auf den rein formalen Umstand der Immatrikulation und den Status als Student (oder Schüler) ab, unabhängig davon, ob das Studium durchgeführt wird oder nicht (BSG, Urt. v. 21.04.1993, 11 RAr 25/92, Juris Rn. 26; Hessisches LSG, Urt. v. 21.09.2012, L 7 AL 3/12, Juris Rn. 35; wohl auch BSG, Urt. v. 19.03.1998, B 7 AL 44/97 R, Juris Rn. 25). Dies gilt auch gerade zu Beginn eines Studiums, wenn die Vorlesungen erst später beginnen (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 19). Diese formale Anknüpfung ist gerechtfertigt, weil es für die Arbeitsverwaltung einen eventuell unzumutbaren Arbeitsaufwand bedeuten würde, wenn nicht auf den formalen hochschulrechtlichen Status als Student abgestellt würde, sondern daneben ein eigenständiger arbeitsförderungsrechtlicher Begriff des Studenten (oder Schülers) eingeführt würde. Dieser formale Blickwinkel wird in der Literatur zum Teil unterstützt (Söhngen, in: Eicher/Schlegel, SGB III n.R., § 139 Rn. 50, Stand November 2013). Den abweichenden Ansichten, die auf den (erstmaligen) Beginn der Lehrveranstaltungen abstellen (Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, K § 139 Rn. 37, Rn. 37, Stand V/2012; Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 139 Rn. 8), kann der Senat daher nicht folgen, zumal für sie keine Begründungen gegeben werden.

(2) Die genannten abweichenden Ansichten in der Literatur deuten aber bereits an, dass im Ergebnis ein materieller Unterschied zwischen einer vorlesungsfreien Zeit unmittelbar nach der Immatrikulation und vorlesungsfreien Zeiten zwischen verschiedenen Lehrabschnitten, also z.B. den Semesterferien, besteht. Die Anforderungen an den Gegenbeweis des versicherten Studenten im Sinne des § 139 Abs. 2 Satz 2 SGB III sind insoweit unterschiedlich (so z.B. Söhngen, a.a.O., Rn. 50, der ausführt, es werde "in diesen Fällen unschwer gelingen, die Vermutung [ ] zu widerlegen für den Zeitraum bis zur tatsächlichen Aufnahme der Ausbildung").

Der Beklagten ist zuzugeben, dass der Student die Vermutung des § 139 Abs. 2 Satz 1 SGB III grundsätzlich für den gesamten Zeitraum seiner Ausbildung widerlegen muss. Es würde nicht ausreichen, wenn er nachweist, dass er - nur - während der Semesterferien eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben kann, nicht aber während der Vorlesungszeiten. Für diese einheitliche Betrachtung spricht bereits der Wortlaut des § 139 Abs. 2 Satz 2 SGB III, der auf den "Ausbildungsgang", also eher auf die Ausbildung im Ganzen, abstellt und nicht auf einzelne Zeitabschnitte während der Ausbildung. Insofern folgt der Senat auch nicht der Ansicht des H. LSG (a.a.O., Rn. 33), dass allein jener Zeitraum zu überprüfen ist, den der versicherte Student durch seinen Antrag auf Alg bestimmt. In diesem Fall hätte es der Student selbst in der Hand, durch die zeitliche Beschränkung seines Antrags auf die Semesterferien einen Anspruch auf Alg zu begründen, der nach der gesetzlichen Wertung des § 139 Abs. 2 SGB III ausgeschlossen sein soll. Für eine zusammenfassende Betrachtung von Vorlesungszeiten und dazwischen liegenden vorlesungsfreien Zeiten spricht auch, dass in solchen "Semesterferien" ganz überwiegend schriftliche Arbeiten zu erstellen oder Praktika zu absolvieren sind, die Verpflichtungen aus dem Studium also vielleicht geringer sind, aber nicht vollständig ruhen. Vor diesem Hintergrund gehen auch jene Autoren, die die Vermutung des § 139 Abs. 2 Satz 1 SGB III erst mit der (ersten) Lehrveranstaltung eingreifen lassen wollen, davon aus, dass vorlesungsfreie Zeiten zwischen einzelnen Ausbildungsabschnitten nicht gesondert betrachtet werden können (Brand, a.a.O., Rn. 8; Valgolio, a.a.O., Rn. 41).

Für die Zeit unmittelbar nach der Immatrikulation oder sonst dem Beginn des Status als Student oder Schüler reicht es dagegen für eine Widerlegung nach § 139 Abs. 2 Satz 2 SGB III aus, wenn der Versicherte nachweist, dass er in dieser Zeit nicht an einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gehindert ist (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 20). Hier - nur hier - ist allein auf den Zeitraum bis zum (erstmaligen) Beginn der Lehrveranstaltungen abzustellen. Hierfür spricht das äußere Bild: Beginnt z.B. ein versicherter Beschäftigter ein Studium - dies werden die meisten Fälle des § 139 Abs. 2 SGB III sein, weil ansonsten die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sein dürfte -, so kann er in praktischer Betrachtung seine Arbeit bis zum Beginn der Vorlesungen fortführen. Die formale Immatrikulation hindert ihn nicht daran, weiterzuarbeiten. Dies ist anders als in Semesterferien oder sonstigen vorlesungsfreien Zeiten: Wenn ein versicherter Student nur in diesen Zeiten versicherungspflichtig arbeiten kann - nicht aber während der Vorlesungszeiten -, dann muss er sich immer wieder kurzfristig eine befristete Beschäftigung suchen. Es spricht also nichts dagegen, auch eine Zeit der Arbeitslosigkeit unmittelbar bis zum Beginn der (ersten) Vorlesungen laufen zu lassen. Dass diese Arbeitslosigkeit voraussehbar bald endet und daher die Vermittlungschancen der Beklagten gering sind, ist verständlich, kommt aber auch bei anderen arbeitslosen Versicherten vor, die z.B. die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit planen. Ferner spricht für eine abweichende Betrachtung der Zeit vor Beginn der Lehrveranstaltungen ein Vergleich mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Dieser ist gerechtfertigt, weil vorrangig das BAföG dazu dient, den Lebensunterhalt (bedürftiger) Studenten und Schüler zu sichern und insoweit bei versicherten arbeitslosen Studenten mit einem Anspruch auf Alg konkurriert. Nach § 15 Abs. 1 Halbsatz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung vom Beginn des Monats an geleistet, in dem die Ausbildung "aufgenommen" wird, nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift wird sie "für die Dauer der Ausbildung – einschließlich der unterrichts- und vorlesungsfreien Zeit – geleistet". Ergänzend bestimmt Nr. 15.1.1 Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV 1991), dass "Vorkurse, die vor dem Monat des regulären Vorlesungsbeginns (Hervorhebung nur hier) durchgeführt werden", ebenfalls gefördert werden "können". Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass nach den Wertungen des BAföG die Ausbildung ebenfalls erst mit den ersten Lehrveranstaltungen beginnt, dann aber nicht durch vorlesungsfreie Zeiten oder dgl. unterbrochen wird.

(3) Diesen Anforderungen hat der Kläger genügt. Er hat durch Vorlage der Stundenpläne nachgewiesen, dass er im September 2012, also vor Beginn der regulären Veranstaltungen in seinem Studium, durch keine - "konkrete" - hochschulrechtliche Verpflichtung gehindert war, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen.

cc) Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit und des Anspruchs auf Alg verweist der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid.

b) Auch die Zinsentscheidung des SG ist nicht zu beanstanden. Hierbei lässt der Senat offen, ob der Kläger nach der Grundregel des § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht bereits ab dem 01.11.2012 Zinsen hätte verlangen können (der Alg-Anspruch für September war mit Beginn des 01.10.2012 fällig im Sinne von § 41 SGB I [§ 337 Abs. 2 SGB III], sodass nach § § 187 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] bereits der Oktober der Kalendermonat "nach" Eintritt der Fälligkeit im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB I war). Der Kläger hatte vor dem SG Zinsen erst ab dem 29.12.2012 beantragt und insoweit obsiegt. Ab diesem Datum bestand der Zinsanspruch auch dann, wenn die Sonderregelung in § 44 Abs. 2 SGB I auch für eine Konstellation wie hier gelten sollte, in der es um eine - nunmehr als rechtswidrig erkannte - Aufhebung einer bereits erlassenen Bewilligung geht und nicht um eine verzögerte oder zu Unrecht abgelehnte Neubewilligung.

5. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

6. Der Senat sieht keinen Grund für eine Zulassung der Revision.

Divergenz zu Entscheidungen des BSG oder anderer Landessozialgerichte (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) liegt nicht vor. Das Urteil des BSG vom 19.03.1998 betraf nicht explizit die Zeit zwischen Immatrikulation und dem Beginn von Vorlesungen, sondern die Ausgestaltung des "Ausbildungsgangs" im Ganzen. Im Ergebnis folgt der Senat auch dem Urteil des H. LSG vom 21.09.2012.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die Entscheidung des Senats betrifft die Anforderungen der Widerlegungsobliegenheit nach § 139 Abs. 2 Satz 2 SGB III im Einzelfall. Hierbei hat der Senat rechtlich nur zwischen der Zeit vor dem Beginn der ersten Lehrveranstaltungen und der Zeit danach unterschieden. Diese Unterscheidung wird in Rechtsprechung und Literatur im Ergebnis nicht bestritten, nur ihre Verortung bei § 139 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 SGB III wird diskutiert.
Rechtskraft
Aus
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