L 8 SB 1223/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 4423/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1223/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "gehörlos" (Merkzeichen "Gl") hat.

Der 1965 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger, ist beschäftigungslos. Auf seinen Antrag vom 22.08.2008 (Blatt 1/2 der Beklagtenakte) stellte das Landratsamt des R. (LRA) zunächst mit Bescheid vom 28.11.2008 (Blatt 18/21 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderung: Schwerhörigkeit beidseitig, an Taubheit grenzend) einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 fest. Zugleich wurde ihm das Merkzeichen "RF" zuerkannt. Zuletzt war beim Kläger mit (Teil-Abhilfe-)Bescheid vom 28.08.2009 (Blatt 63/64 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 61/62 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Schwerhörigkeit beidseitig, an Taubheit grenzend (Teil-GdB 70), Seelische Krankheit (Teil-GdB 50)) ein GdB von 90 festgestellt worden.

Mit seinem Widerspruch (Blatt 43 der Beklagtenakte) gegen einen Bescheid des LRA vom 28.04.2009 (Blatt 39/41 der Beklagtenakte) machte der Kläger einen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "Gl" geltend.

Unter Auswertung der in der Akte vorliegenden ärztlichen Unterlagen (insbesondere der von der HNO-Ärztin Dr. R.-W. vorgelegten Unterlagen, vgl. Blatt 6, 11/14 der Beklagtenakte) lehnte das LRA mit Bescheid vom 25.05.2009 (Blatt 46/47 der Beklagtenakte) die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Gl" ab. Gehörlos seien nicht nur Hörbehinderte, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, sondern auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliege. Das seien in der Regel Hörbehinderte, bei denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in der Kindheit erworben worden sei. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor.

Auf seinen Widerspruch vom 05.06.2009 (Blatt 50/51, 52 der Beklagtenakte) holte das LRA eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 03.07.2009 (Blatt 54 der Beklagtenakte) ein sowie eine Auskunft des behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. G ... Unter Auswertung dieser Auskunft sowie der von Dr. G. übersandten Berichte (Blatt 56/60 der Beklagtenakte) und einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 04.08.2009 (Blatt 61/62 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 01.12.2009, Blatt 70/71 der Beklagtenakte).

Auf die am 22.12.2009 beim Sozialgericht (SG) Mannheim zur Niederschrift der Geschäftsstelle erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt hat, hat das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden HNO-Ärztin als sachverständige Zeugin. Dr. R.-W. hat dem SG am 02.02.2010 (Blatt 21/22 der SG-Akte) eine regelmäßige Behandlung des Klägers seit November 2006 berichtet. Der Kläger leide nach mehreren Hörstürzen unter einem zunehmenden Hörverlust. Durch das stark eingeschränkte Sprachverständnis habe er Probleme, sich in der Öffentlichkeit und im Straßenverkehr sicher zu bewegen. Sprachstörungen habe der Kläger jedoch nicht.

Des Weiteren hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens beim Facharzt für HNO-Heilkunde und Umweltmedizin Dr. Zi ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 24.02.2011 (Blatt 50/64 der SG-Akte) eine nur sehr eingeschränkt vorhandene Kooperation des Klägers beschrieben. Die an ihn gerichteten Fragen habe er mit einer Art kindlicher Lautsprache beantwortet. Diese Sprache habe einem klinisch-medizinischen Störungsbefund nicht zugeordnet werden können. Im weiteren Untersuchungsverlauf sei teilweise aber auch eine weitgehend normale sprachliche Ausdrucksfähigkeit gegeben gewesen. Prinzipiell sei erkennbar gewesen, dass der Kläger den Inhalt der gestellten Fragen verstanden hatte. Eine verwertbare Hörtestung habe wegen des Verhaltens des Klägers nicht durchgeführt werden können. Jedoch sprächen die Befunde der Tympanometrie, die Ermittlung der Stapediusreflexschwelle und der erweiterten BERA bzw. Hirnstammaudiometrie mit Schwellenbestimmung gegen eine höher ausgeprägte bzw. gegen eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Zweifelsohne bestehe eine erhebliche psychogene Überlagerung. Das Merkzeichen "Gl" bzw. eine Gehörlosigkeit liege jedoch weder vom Ausmaß des Schwerhörigkeitsgrades noch von der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit her vor.

Der Kläger hat hiergegen sinngemäß eingewandt (Blatt 66/69 der SG-Akte), bisher habe kein Arzt beschrieben, dass er sich wie ein Kleinkind verhalte. Ohne Hörgeräte höre er gar nichts. Er habe des Öfteren bei Dr. R.-W. einen stark geröteten Rachen gezeigt. Dr. Zi. habe nur die Diagnosen bei den anderen Ärzten abgeschrieben; wenn er eine Hörstörung habe, habe das nichts mit den anderen Erkrankungen zu tun. Das Gutachten von Dr. Zi. sei zu verwerfen (Blatt 84 der SG-Akte).

Das SG hat sodann den nunmehr behandelnden HNO-Arzt Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat mit Schreiben vom 15.07.2011 (Blatt 72/74 der SG-Akte) ausgeführt, bei einer an Taubheit grenzenden Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sei das Sprachverständnis stark eingeschränkt. Die Kommunikation mit den Mitmenschen sei schwierig. Die - gegebenenfalls auch als psychogen einzustufende - Dysarthrie habe weiter zugenommen.

Das SG hat Dr. B. nun mit der Erstellung eines weiteren HNO-ärztlichen Gutachtens beauftragt. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom Juni 2012 (Blatt 92/99 der SG-Akte) angegeben, das Sprachverständnis des Klägers sei bei getragenen Hörgeräten uneingeschränkt. Der Kläger sei aber nicht in der Lage, sich verständlich zu artikulieren. Die objektive Hörprüfung (BERA) habe bei seiner Untersuchung im Vergleich zu den aktenkundigen Vorbefunden eine deutliche Verschlechterung des Hörvermögens bestätigt. Wenn bei Dr. Zi. zumindest zeitweise noch eine sprachliche Verständigung möglich gewesen sei, sei dies jetzt nicht mehr möglich. Beim Kläger liege eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit sowie eine schwere, nicht verständliche Sprachstörung vor. Auch wenn diese nicht dem typischen Befund bei schwerhörigen Patienten entspreche, erscheine ein Zusammenhang mit der nachgewiesenen Hörstörung sehr wahrscheinlich.

Das SG hat die Anpassberichte des Hörgeräteakustikers (Blatt 105/106 der SG-Akte) beigezogen und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2013 abgewiesen. Der Kläger erfülle die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "Gl" nicht. Es liege offenkundig keine angeborene bzw. in der Kindheit erworbene an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor. Daher könne der Nachteilsausgleich "Gl" nur dann beansprucht werden, wenn zusätzlich infolge der Hörbehinderung eine schwere Sprachstörung vorläge. Auch dies könne ausgeschlossen werden. Denn die aktenkundigen Befundunterlagen sprächen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass das eigentümliche Sprachverhalten des Klägers in erster Linie seiner psychiatrischen Grunderkrankung geschuldet sei.

Gegen den ihm am 07.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.03.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er hat sinngemäß darauf hingewiesen, das Gutachten von Dr. Zi. sei zu verwerfen. Dieser sei voreingenommen gewesen. Er selbst habe mit Dr. Zi. gar nicht gesprochen. Die Behauptung, er aggraviere, sei haltlos. Auch sei er nicht über die zweiwöchige Frist zur Ablehnung des Gutachters belehrt worden. Die Sprachstörung sei im Laufe der Zeit gekommen und sei keinesfalls übertrieben. Auch dass er eine psychische Erkrankung habe, bedeute nicht, dass alles psychogen sei (Blatt 9 der Senatsakte). Er werde wegen seiner Behinderung benachteiligt, was Art. 3 Abs. 3 GG widerspreche. Die psychische Krankheit habe nichts mit der Gehörlosigkeit zu tun. Das BERA von Dr. B. zeige eine deutliche Verschlechterung, sodass das Gutachten von Dr. Zi. als "Gehässigkeit ohne Gleichen" bezeichnet werden könne. Dr. Zi. gehöre der CDU an, er selbst einer anderen demokratischen Partei (Blatt 11 der Senatsakte). Es sei zu prüfen, ob Dr. Zi. absichtlich keine Beweise (Tonaudiogramme) gemacht habe, weil er nicht zu seiner Partei gehöre. Dr. Zi. sei wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen (Blatt 49/50 der Senatsakte). Davon, dass er wie ein Volksredner gesprochen habe, gebe es keine Tonbandaufzeichnungen (Blatt 50 der Senatsakte). Wenn ein Arzt den Patienten nicht leiden könne, gelte die Besorgnis der Befangenheit.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamtes des R. vom 25.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.12.2009 zu verurteilen, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "gehörlos" ("Gl") seit 18.05.2009 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. G ... Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 06.05.2013 (Blatt 53/62 der Senatsakte) u.a. mitgeteilt, im gesamten Verlauf der Behandlung sei keine Besserung feststellbar gewesen. Es habe eine anhaltend schwere Kontaktstörung mit bizarren Stereotypen, Manierismen (oftmals habe der Kläger gar nicht gesprochen oder nur geflüstert) bestanden. Ob diese Sprechstörung eine organische Grundlage habe, scheine eher zweifelhaft. Wenn der Kläger sich einmal auf Gespräche eingelassen habe, schien er Fragen durchaus gehört und verstanden zu haben.

Der Kläger hat (Blatt 64 der Senatsakte) ausgeführt, keiner könne die Hirnströme übertrieben stark darstellen. Er könne auch ohne Psychiater auskommen. Er erhebe Einspruch gegen die Auskunft von Dr. G. (Blatt 65 der Senatsakte), da die Besorgnis der Befangenheit bestehe. Denn mit den von Dr. G. genannten Diagnosen könne es sein, dass das Gericht ihn für verrückt halte (Blatt 66/73 der Senatsakte). Er beantrage, die Diagnosen Schizophrenes Residualsyndrom, Hebephrenie und deren Begleitsymptome zu verwerfen, auch seien Manierismus, Angst und Wahnideen sowie Antriebsstörung aufzuheben (Blatt 75/77 der Senatsakte). Seinen jetzigen Zustand könne man als mittelschwere Depression bzw. manchmal als depressive Verstimmung nach einem schweren Hörsturz bezeichnen (Blatt 76 der Senatsakte). Bei Dr. G. sei alles immer nur psychisch gewesen, auch habe die dortige Arzthelferin ihn immer ausgelacht (Blatt 78/79 der Senatsakte). Er beantrage, beim Hausarzt Dr. Schr. ein Gutachten zu erstellen (Blatt 85 der Senatsakte).

Nachdem der Senat (Blatt 93 der Senatsakte) auf die Möglichkeit der Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hingewiesen hatte, hat der Kläger mitgeteilt, ein Gutachten auf eigene Kosten sei für ihn unzumutbar (Blatt 94/100 der Senatsakte). Es sei die Diagnose der mittelschweren Depression angebracht, nicht mehr der Hebephrenie. Die Hörstürze seien durch Diskobesuche verursacht, auch könne er seine Hirnströme nicht übertrieben stark darstellen (Blatt 96 der Senatsakte). Dem Gericht müsse doch bekannt sein, dass man bei Neuroleptika fett und müde werde. Dass das Gericht ihm bisher noch keine Neuroleptika verordnet habe, gebe ihm die Hoffnung, zu einer günstigen Entscheidung zu kommen (Blatt 103 der Senatsakte). Bei Dr. G. sei er nun seit längerem nicht mehr in Behandlung (Blatt 111/112 der Senatsakte). Es sei zu vermuten, dass Dr. G. seine Aussagen deshalb so gemacht habe, weil er die von diesem verordneten Neuroleptika nicht einnehme (Blatt 111/112 der Senatsakte).

Der Kläger hat ein Attest von Dr. Schr. , Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 16.09.2013 vorgelegt (Blatt 113 der Senatsakte), worin dieser über die Behandlung interkurrenter Erkrankungen berichtet; Symptome einer Schizophrenie oder eines Autismus seien nicht offensichtlich gewesen.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem nichtöffentlichen Termin am 27.09.2013 erörtert. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 114/125 der Senatsakte) Bezug genommen. Im Termin hat sich der Kläger schriftlich auf die mündlich gestellten Fragen geäußert.

Der Senat hat nun Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren HNO-ärztlichen Gutachtens bei Prof. Dr. Ze ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 03.06.2014 (Blatt 164/185 der Senatsakte) einen kompensierter Tinnitus aurium, eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit beidseits bei Z.n. multiplen Hörstürzen sowie eine Sprechstörung/Aggravation, differenzialdiagnostisch eine psychogene Hörstörung beschrieben. Nach dem durchgeführten Tonaudiogramm ergäbe sich nach Röser (1980) ein Hörverlust von 100 % beidseits. Von einer Verbesserung der Hörstörung aufgrund der Hörhilfen sei auszugehen. Eine Objektivierung mit Hilfe eines Freiburger Sprachaudiogramms bzw. einer Hörgeräteüberprüfung sei aufgrund der eingeschränkten Compliance des Klägers aber nicht möglich gewesen. Dieser habe nach mehrmaligem Erklären des Untersuchungsablaufes angegeben, nicht sprechen zu können. Eine Taubheit bestehe beidseits nicht. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit lasse sich auch nicht objektivieren. Es sei davon auszugehen, dass durch die Verwendung von Hörhilfen eine Verbesserung der Hörsituation erreicht werden könne. Eine Sprachstörung lasse sich anhand der erhobenen Befunde nicht erklären, so dass eine HNO-ärztliche Ursache unwahrscheinlich sei. Die vorliegende mittelgradige sensorineurale Schwerhörigkeit beidseits lasse sich am ehesten auf die in der Vergangenheit stattgehabten rezidivierenden Hörstürze seit 2006 zurückführen. Eine Testung des Sprachverständnisses mit und ohne Hörgeräte sei mit dem Kläger nicht durchführbar gewesen, da er angegeben hatte, nicht sprechen zu können. Die objektiven audiometrischen Verfahren zeigten eine Diskrepanz zu dem angefertigten Tonschwellenaudiogramm. Auf beiden Seiten hätten transitorisch evozierte otoakustische Emissionen nachgewiesen werden können, was eine Taubheit beidseits bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit nahezu ausschließe. Zusätzlich hätten Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen beidseits nachgewiesen werden können. Auch ein weiteres objektives audiometrisches Verfahren, die Himstammaudiometrie, habe bei Applikation von 80 dB auf beiden Seiten eindeutige reproduzierbare Potentialmuster für die Welle Jewett-V gezeigt. Zusätzlich habe bei geringeren Schalldruckpegeln bis 50 dB bereits eindeutige reproduzierbare Potentialmuster beidseits festgestellt werden können. Ein Anhalt für eine retrocochleäre Schwerhörigkeit bestehe nicht. In Zusammenschau der Befunde der objektiven Audiometrieverfahren sei eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit bzw. Taubheit ausgeschlossen. Es liege sicherlich eine mittelgradige bis hochgradige Schwerhörigkeit vor, die aufgrund der bekannten neurologisch-psychiatrischen Grunderkrankung gegebenenfalls überlagert bzw. verstärkt werde. Auch an eine Aggravation müsse differentialdiagnostisch angedacht werden.

Der Kläger hat daraufhin (Schreiben vom 31.07.2014, Blatt 187/188 der Senatsakte) einen Befangenheitsantrag gegen Prof. Dr. Ze. gestellt. Dieser habe ihm lediglich in die Ohren geguckt, untersucht habe ein anderer Arzt. Prof. Dr. Ze. habe das Gutachten nur nach seinen eigenen Vorstellungen gemacht.

Vom Senat angehört hat Prof. Dr. Ze. in seiner Stellungnahme vom 15.09.2014 (Blatt 191/192 der Senatsakte) ausgeführt, die objektiven Untersuchungen widersprächen der Annahme des Klägers, gehörlos zu sein.

Zuletzt hat der Kläger mit Schreiben vom 28.10.2014 (Blatt 199/201 der Senatsakte) und 01.11.2014 beantragt, die Gutachten von Prof. Dr. Ze. und Dr. G. zu verwerfen. Wenn Dr. G. meine, er sei mit einem Manierismus zu ihm gekommen, so meine er wohl, dass er einmal wegen einer Erkältung bei Dr. G. gewesen sei und dieser ihn daher nicht so wahrgenommen und auch alles in der Psyche gesehen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Gehörlos" (Merkzeichen "Gl"). Der angefochtene Bescheid des LRA vom 25.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 01.12.2009 ist nicht rechtswidrig, der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Damit ist auch der angefochtene Gerichtsbescheid des SG, der die Klage abgewiesen hat, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der in der mündlichen Verhandlung wiederholte Befangenheitsantrag aus dem Schreiben des Klägers vom 01.11.2014 gegen den sachverständigen Zeugen Dr. G. ist bereits unstatthaft, weil nur gegen Gerichtspersonen und Sachverständige Befangenheitsanträge gestellt werden können. Der schriftlich befragte Zeuge Dr. G. gehört nicht zu diesem Personenkreis. Im Übrigen bestünde auch gegenüber dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. G. für eine neutrale und vernünftige Prozesspartei kein Anhalt, an der Unvoreingenommenheit des behandelnden Arztes zu zweifeln. Denn in den Berichten und Auskünften von Dr. G. zeigt sich alleine eine ärztlich neutrale Darstellung und Bewertung der Erkrankungen des Klägers sowie deren Folgen.

Der Befangenheitsantrag gegen Prof. Dr. Ze. (Schreiben des Klägers vom 31.07.2014) und der als solcher gegen Dr. Zi. auszulegende Antrag im Schreiben des Klägers vom 28.11.2014 sind zulässig, aber unbegründet. Soweit der Kläger im letzteren geltend macht, das Gutachten von Dr. Zi. sei zu verwerfen, legt der Senat dies als Ablehnung des Gutachters wegen einer aus Sicht des Klägers angenommenen Besorgnis der Befangenheit aus. Ein Grund, wonach Dr. Zi. und Prof. Dr. Ze. schon kraft Gesetzes ausgeschlossen wären (§ 41 ZPO i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO), besteht nicht. Auch besteht keine Besorgnis der Befangenheit dieser beiden Gutachter. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt - wie bei einem Richter - nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder sich selbst für befangen hält (BVerfG 29.05.1973 – 2 BvQ 1/73BVerfGE 35, 171-177). Ebenso wenig reicht es aus, dass der Beteiligte tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit hat (BSG in Breithaupt 1986, 446 f). Maßgebend ist vielmehr, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Sachverständigen zu zweifeln (BVerfGE 20,9, 14; 43, 126, 127; BSG a.a.O.). Ein Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens reichen für sich allein zur Ablehnung des Sachverständigen jedoch nicht aus. Denn es ist nicht Aufgabe des Ablehnungsverfahrens, sondern des Verfahrens in der Sache selbst, die inhaltliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Gutachtens zu überprüfen, während das Ablehnungsverfahren im Falle der Sachverständigenablehnung allein dazu dient, die Beteiligten eines Rechtsstreits vor der Unsachlichkeit des als Gehilfe des Gerichts in das Verfahren eingebundenen Gutachters aus einem in seiner Person liegenden Grund zu bewahren. Es müssen daher besondere Umstände hinzutreten, die auf ein unsachliches oder willkürliches Verhalten des abgelehnten Sachverständigen schließen lassen. Diese Ablehnungsgründe sind glaubhaft zu machen, eine eidesstattliche Versicherung ist ausgeschlossen (§ 406 Abs. 3 ZPO) d.h. Ablehnungsgründe müssen sich grundsätzlich aus dem Vortrag des Ablehnenden im Rahmen des jeweiligen Rechtsstreits ergeben (vgl. Senatsbeschluss 12.10.2011, a.a.O. und LSG Baden-Württemberg 12.04.2012 - L 9 SF 1027/12 B - m.w.N.). Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist in der Glaubhaftmachung unterliegenden Verfahren ausgeschlossen (§ 294 Abs. 2 ZPO). Eine bloße Behauptung, die der gerichtlichen Beweiswürdigung unterliegt, ist allerdings dann glaubhaft gemacht, wenn für sie eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 294 RdNr. 2 m.w.H.).

Hiervon ausgehend sind die Ablehnungsanträge des Klägers gegen die Gutachter Dr. Zi. und Prof. Dr. Ze. nicht begründet. Der Kläger rügt in der Sache vor allem, dass die Gutachter zu ihm ungenehmen Diagnosen und Ergebnissen kommen. Jedoch begründet dies für eine vernünftige und verständige Prozesspartei gerade nicht den Anschein einer Voreingenommenheit. Soweit der Kläger auf Parteizugehörigkeit, von den Gutachtern angegebene Aggravationstendenzen und darauf abstellt, Dr. Zi. habe als einziger Arzt beschrieben, er habe wie ein Kleinkind kommuniziert, begründet dies weder hinsichtlich Prof. Dr. Ze. noch hinsichtlich Dr. Zi. den Anhalt eines befangenen, nicht mehr sachlichen, neutralen Verhaltens. Aus den vorliegenden Gutachten geht vielmehr hervor, dass alle Gutachter neutral, unvoreingenommen und ergebnisoffen den Kläger untersucht haben und ihre Bewertungen frei von Vorurteilen oder sachfremden Erwägungen getroffen haben. Damit liegen auch aus Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten keine Umstände vor, die Anlass bieten, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Sachverständigen zu zweifeln.

Auch in der Sache hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

Gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX, wenn neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden im Falle des Absatzes 4 einen Ausweis über die weiteren gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 Satz 1 SGB IX).

Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr i.S.d. § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert.

Anspruchsberechtigt für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Gl" ("Gehörlos") sind Personen, die gehörlos sind. Dabei enthält das SGB IX selbst keine Definition der Gehörlosigkeit. Vielmehr hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG mit Wirkung zum 01.01.2009 erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412) und den in Anlage zu § 2 VersMedV erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) unter D Nr. 4 VG Gehörlosigkeit wie folgt definiert: "Gehörlos sind nicht nur Hörbehinderte, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, sondern auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen. Das sind in der Regel Hörbehinderte, bei denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in der Kindheit erworben worden ist."

Der Senat hält diese Regelung jedoch für mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 16 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Merkzeichen "Gl" sind damit - wie auch diejenige des Merkzeichens "G" - mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen. Zwar enthalten diese - siehe oben - ebenfalls keine Definition der das unentgeltliche Fahren im Personennahverkehr rechtfertigenden Gehörlosigkeit. Doch lässt sich den Gesetzesmaterialien zur Änderung der Ausweisverordnung Schwerbehindertengesetz (BT-Drucks. 14/5074, S. 129 f.) entnehmen, dass das besondere Merkzeichen für Gehörlose im Schwerbehindertenausweis solchen hörbehinderten Menschen zuerkannt werden soll, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, sowie hörbehinderten Menschen mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) gegeben sind. Das seien in der Regel hörbehinderte Menschen, bei denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in der Kindheit erworben worden ist (BT-Drucks a.a.O.). Insoweit entspricht die Regelung des D Nr. 4 VG materiell dem gesetzgeberischen Willen, der der Vorschrift des § 145 Abs. 1 SGB IX zugrunde liegt. So hatten auch die bis zum 31.12.2008 anzuwendenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP), die keine Normqualität besaßen, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten, den Begriff der Gehörlosigkeit beschrieben (vgl. AHP 2008, B Nr. 30, Seite 136 f.). Die AHP waren als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3-3870 a.a.O.).

Dieser Definition folgend hat auch die Rechtsprechung die gesundheitlichen Voraussetzungen dieses Nachteilsausgleichs definiert (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 12.04.2005 – L 4 SB 24/03 – juris; ebenso die Literatur, dazu vgl. z.B. Vogl in jurisPK-SGB IX, § 145 SGB IX RdNr. 30; Goebel in jurisPK-SGB IX, § 69 SGB IX RdNr. 44).

Vorliegend konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger taub ist bzw. an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leidet. Der Kläger leidet vielmehr an einer in Folge von Hörstürzen aufgetretenen mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit beidseits sowie einem kompensierten Tinnitus aurium.

Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit liegt im Sinne des Merkmals "Gl" vor, wenn die entsprechenden Voraussetzungen der VG bzw. der AHP 2008 für eine solche Hörstörung erfüllt sind. Hierzu beschreiben B Nr. 5.2.4 VG bzw. Ziff. 26.5 AHP 2008, jeweils Tabelle D, den erforderlichen Hörverlust (beidseitig Hörverlust 100 % bzw. zwischen 80 und 95 %).

Ein solcher Hörverlust ist jedoch nicht nachgewiesen. Daraus, dass der Beklagte bei der GdB-Bemessung einen Einzel-GdB von 70 wegen einer "Schwerhörigkeit beidseitig, an Taubheit grenzend" angenommen hat, lassen sich die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Gl" nicht ableiten. Vielmehr hat das Gericht sich selbst vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu überzeugen. Der Sachverständige Prof. Dr. Ze. hat für den Senat nachvollziehbar eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit bzw. Taubheit ausgeschlossen. Damit sich der Senat vom Vorliegen einer Taubheit bzw. an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit überzeugen kann, muss diese Hörstörung jedoch im Vollbeweis nachgewiesen sein. Lässt sich dies dagegen nicht feststellen, geht diese Beweislosigkeit zu Lasten des Klägers, der sich auf das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale beruft.

Prof. Dr. Ze. konnte beim Kläger keine organischen oder neurologischen Störungen der Gehörorgane feststellen (vgl. Blatt 171 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens). Dennoch hat er bei der Reintonaudiometrie beidseits einen Hörverlust von 100% gemäß der Tabelle von Röser (1980) beschrieben. Eine Sprachaudiometrie war beim Kläger nicht durchführbar. Die Tympanometrie zeigte eine regelrechte Beweglichkeit der Trommelfelles beidseits (Blatt 173 der Senatsakte = Seite 10 des Gutachtens). Auch konnte Prof. Dr. Ze. nach einer Latenzzeit von 5 ms beidseits im Bereich zwischen 2 und 4 kHz eine eindeutige Schallemission im äußeren Gehörgang darstellen (Blatt 173 der Senatsakte = Seite 10 des Gutachtens), was deutlich im Gegensatz zu den in der tonaudiometrischen Hörprüfung angezeigten Hörverlusten steht. Auch die Ergebnisse der DPOAE-Untersuchung (Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen) stehen im Gegensatz zu den tonaudiometrisch gemessenen Ergebnissen (Blatt 174 der Senatsakte = Seite 11 des Gutachtens). Ebenso ergab die Hirnstammaudiometrie (BERA), als objektives, mitarbeitsunabhängiges Testverfahren, keine Hinweise auf eine retrocochleäre Hörstörung (Blatt 174 der Senatsakte = Seite 11 des Gutachtens); diese Ergebnisse werden durch die zusätzlich durchgeführte ASSR-BERA-Untersuchung gestützt (Blatt 174 der Senatsakte = Seite 12 des Gutachtens).

Angesichts dieser gutachtlichen Ergebnisse von Prof. Dr. Ze. konnte sich der Senat nicht vom Vorliegen einer Taubheit bzw. an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit mit der für den Vollbeweis erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit überzeugen. Denn bei organisch und neurologisch unbeeinträchtigten Gehörfunktionen kann alleine aus den in der Tonaudiometrie mitarbeitsabhängig ermittelten Daten eine Taubheit bzw. eine hieran grenzende Schwerhörigkeit nicht abgeleitet werden. Zudem war der Kläger im Erörterungstermin mit und ohne Hörgeräte in der Lage, die an ihn gerichteten, in gewöhnlicher Zimmerlautstärke formulierten Fragen zu verstehen und darauf zu reagieren, wobei Lippenlesen nicht möglich war. Das hatte auch Dr. G. für die bei ihm stattgefundenen Gespräche beschrieben. Dieses Ergebnis entspricht auch demjenigen der Begutachtung durch Dr. B. und Dr. Zi ... So hatte Dr. Zi. darüber berichtet, dass der Kläger in der Untersuchungssituation die von ihm gestellten Fragen verstanden hatte (Blatt 55 der SG-Akte = Seite 6 des Gutachtens), obwohl er nur ein Hörgerät eingesetzt hatte. Dies war auch ohne Lippenlesen erfolgt, sodass auf eine noch ausreichende Hörfähigkeit geschlossen werden kann. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Weber/Rinne-Versuche eine ungestörte Schallübertragung beidseits ergeben hatten (Blatt 57 der SG-Akte = Seite 8 des Gutachtens). Auch Dr. Zi. hatte im BERA keine Anhaltspunkte für eine retrocochleäre Hörstörung finden können. Das Untersuchungsergebnis (Blatt 61 der SG-Akte = Seite 11 des Gutachtens) spricht gegen eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit.

Bei der Begutachtung durch den behandelnden HNO-Arzt Dr. B. ein Jahr nach der Begutachtung durch Dr. Zi. konnte dagegen weder eine Hörschwelle angegeben werden noch die Stimmgabelversuche nach Weber und Rinne durchgeführt werden. Auch wird im BERA eine weiter eingeschränkte Hörfähigkeit beschrieben. Die hierauf gestützte Beurteilung von Dr. B. , es liege eine Hörverschlechterung mit jetzt an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit vor, ist nicht stimmig, worauf in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 28.11.2012 hingewiesen wird. Die Ton- und Sprachaudiometrie ist mitarbeitsabhängig und liefert im Falle des Klägers, wie dargelegt, keine verwertbaren Ergebnisse. Der im BERA von Dr. B. erhobene Befund war bei der späteren Untersuchung durch Prof. Dr. Ze. nicht reproduzierbar.

Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass tatsächlich eine Taubheit bzw. eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit besteht. Denn weder bestehen organische noch neurologische Funktionsstörungen. Auch das Sprachverständnis ist intakt, was gerade Dr. B. bestätigen konnte. Keiner der Gutachter konnte damit eine Hörstörung objektivieren. Die Messergebnisse weisen eklatante Widersprüche auf und deuten daher darauf hin, dass die Gehörfunktion im organischen und neurologischen Sinn nicht über das Maß einer mittelgradigen bzw. hochgradigen Schwerhörigkeit hinaus geht und die Ergebnisse durch die Mitarbeit des Klägers stark beeinflusst sind. Eine solche Schwerhörigkeit bedeutet aber gerade noch keine Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Daher konnte der Senat auch der anderweitigen, im Widerspruch zu seinen eigenen Befunden stehenden Einschätzung von Dr. B. in seinem Gutachten nicht folgen und auch eine Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit nicht als nachgewiesen ansehen. Den Nachteil aus dem Umstand, dass die Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, mithin das Risiko der weiteren Unaufklärbarkeit, trägt der Kläger.

Soweit Prof. Dr. Ze. eine psychogene Überlagerung annimmt, würde dies selbst dann, wenn dadurch das Hörvermögen des Klägers weitergehend beeinträchtigt wäre, keine Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit i.S.d. Voraussetzungen des Nachteilsausgleich "Gl" bedeuten. Denn eine psychische Überlagerung bedeutet gerade keinen Defekt des Hörorgans und damit auch keine Hörstörung i.S. von B Nr. 5 VG bzw. Ziff. 26.5 AHP 2008, Seite 56.

Konnte der Senat daher eine Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits nicht feststellen, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob die beim Kläger angegebene Sprachstörung die Voraussetzungen des Merkzeichens "Gl" erfüllt.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Arztauskünfte und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen, nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung. Daher musste auch kein weiteres Gutachten eingeholt werden, auch nicht der Anregung des Klägers gefolgt werden, beim Hausarzt Dr. Schr. ein Gutachten einzuholen. Da es nach der Rechtsauffassung des Senats auch nicht auf eine psychogene Überlagerung der bestehenden Hörstörung ankommt, musste auch kein psychiatrisches Gutachten eingeholt werden. Im Übrigen hat der Kläger ein Gutachten nach § 109 SGG nicht beantragt und auch sonst keinen weitergehenden Beweisantrag gestellt.

Nachdem der Senat eine Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits nicht feststellen konnte, liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Gl" nicht vor, sodass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung hat. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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