Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 872/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1814/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. März 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zugunstenverfahrens über die kieferorthopädische Versorgung des Klägers nach der Invisalign-Methode.
Der am 1994 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Beim Kläger lagen ursprünglich im Oberkiefer eine engstehende Front, eine transversale Enge, multiple Rotationen, eine Mesioposition der Zähne 3 sowie Lücken in den Seitenzahngebieten rechts und links vor. Im Unterkiefer bestand eine Protrusion und Supraposition der Front, eine transversale Enge, multiple Rotationen sowie eine Mesioposition des Zähne 3. Außerdem litt er an einer Distalbisslage bei Neutralokklusion der Zähne 6. Mit der Invisalign-Methode werden Zahnfehlstellungen ohne Metall und Drähte, sondern mit Schienen aus medizinischem Kunststoff korrigiert.
Am 26. Juni 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage eines kieferorthopädischen Behandlungsplans der Praxis Dres. T. und H. vom 29. Mai 2009 die Korrektur seiner Zahnfehlstellungen mittels kieferorthopädischer Versorgung. Darin wurde aufgrund der Kieferorthopädischen Indikationsgruppe E4 (KIG E4) eine reguläre Multibandbehandlung mit Retentionsgeräten und eine prognostizierte Behandlungsdauer von 16 Quartalen ausgewiesen. Die voraussichtlichen Gesamtkosten beliefen sich auf EUR 2.699,13. Gleichzeitig wurde ein Bericht des Allergielabors Reutlinger und Tübinger Ärzte vom 5. November 2008 und ein Befundbericht des Instituts für Pharmakogenetik und Genetische Disposition, Dres. S. und P., vom 4. September "2009" (richtig wohl 2008) vorgelegt. Im Ergebnis führten die beiden letztgenannten Ärzte darin aus, die molekulargenetische Untersuchung habe den Nachweis der Deletion des GSTM1-Gens ergeben. Dies führe zu einer fehlenden GSTM1 Enzymaktivität. Somit könnten GSTM1 spezifische Substrate nicht bzw. nur eingeschränkt mit Glutathion enzymatisch konjugiert werden. Mit Bescheid vom 21. Juli 2009 genehmigte die Beklagte den Behandlungsplan mit einer Kostenbeteiligung von zunächst 80 v.H. Bei planmäßig abgeschlossener Behandlung sagte die Beklagte eine Erstattung des Eigenanteils von 20 v.H. zu.
Mit am 9. Februar 2010 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben der Kieferorthopädin Dr. C. vom 2. Februar 2010 sowie deren Kostenvoranschlags vom 28. Januar 2010 mit voraussichtlichen Kosten von EUR 298,21 beantragte der Kläger eine metallfreie Spangenbehandlung nach der Invisalign-Methode. Im beigefügten ärztlichen Attest des Arztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. Sch. vom 30. November 2009 führte dieser aus, der Kläger leide an einer genetischen Variante im Glutathion-S-Transferase Gen GSTM1. Aus diesem Grund müsse eine Belastung des Körpers mit Metallen vermieden werden, weshalb in der Zahnspange keinerlei Metalle enthalten sein sollten.
Im Anschluss daran veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. U. führte in seinem Gutachten vom 18. Februar 2010 aus, der Kläger leide an einer Zahnstellungsanomalie der KIG E4 sowie einem genetischen Glutathion-S-Transferase GSTM1 Defekt. Der Kläger könne mit den im ursprünglichen kieferorthopädischen Behandlungsplan vorgesehenen Behandlungsgeräten uneingeschränkt behandelt werden. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung sei aufgrund des genetischen Defektes nicht zu erwarten. 30 bis 60 v.H. der europäischen Bevölkerung besäßen kein funktionsfähiges GSTM1-Enzym. Die außervertragliche Behandlung mit einer metallfreien Zahnspange sei medizinisch nicht zwingend erforderlich und könne nur auf privater Basis durchgeführt werden.
Mit Bescheid vom 2. März 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für die beantragte Invisalign-Behandlung unter Bezugnahme auf die gutachtlichen Feststellungen des MDK ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die von der Beklagten bewilligte kieferorthopädische Behandlung werde aufgrund eventueller Spät- oder Folgeerkrankungen durch die ihn behandelnden Zahnärzte nicht durchgeführt (vgl. hierzu Schreiben von Dr. Hu. vom 17. März und 9. September 2010). Eine allergische Reaktion auf die verwendeten Metalle sei sehr wahrscheinlich. Aus gesundheitlichen Gründen sei ihm die Versorgung mit einer metallhaltigen Zahnspange nicht zuzumuten. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers unter Berufung auf die Feststellungen des MDK zurück. Die beantragte Behandlung sei weder medizinisch notwendig noch wirtschaftlich zweckmäßig.
Der Kläger beantragte mit am 17. November 2010 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben die Überprüfung des Ablehnungsbescheids vom 2. März 2010. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass er bereits jetzt an nicht klar erkennbaren Krankheitssymptomen leide. Für die immer wieder auftretenden Oberbauchbeschwerden könne keine klare Ursache bestimmt werden (Arztbericht des Prof. Dr. St., Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums T., vom 18. Oktober 2010). Nach der Versorgung mit metallhaltigem Zahnersatz sei es bei seiner Mutter zu gesundheitlichen Beschwerden und Allergien gekommen. Bislang seien bei ihm nahezu keine Allergien festgestellt worden. Aufgrund seiner ähnlichen genetischen Konstitution wie bei seiner Mutter sei eine gesundheitliche Gefährdung hingegen nicht auszuschließen. Mehrere Kieferorthopäden weigerten sich, die durch die Beklagte genehmigte Behandlung durchzuführen (Schreiben vom 17. März, 9. September und 18. November 2010). Die Suche nach einem anderem Kieferorthopäden gestalte sich schwierig.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung durch den MDK. Dr. L. führte in seinem Gutachten vom 14. Dezember 2010 aus, der Kläger leide an einer Zahnstellungsanomalie und einem Glutathion-S-Transferase GSTM1 Defekt. Eine kieferorthopädisch indizierte Behandlung könne auf etabliertem Wege erfolgen. Es sei nicht ausreichend wissenschaftlich evaluiert, dass die in der Zahnprothetik Verwendung findenden Spezialmetalle im Hinblick auf bestehende Polymorphismen ungeeignet wären. Da eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse nicht bestehe, könne die angestrebte Behandlung ausschließlich auf privater Verrechnungsbasis erfolgen.
Mit Bescheiden vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 lehnte es die Beklagte unter Hinweis auf die Ausführungen des MDK sinngemäß ab, den Bescheid vom 2. März 2010 zurückzunehmen. Dieser sei nicht zu beanstanden und daher nicht zurückzunehmen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2011 zurück.
Der Kläger erhob am 22. März 2011 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er führte aus, auf eine kieferorthopädische Behandlung angewiesen zu sein. Allerdings sei keiner der Kieferorthopäden, bei denen er vorstellig geworden sei, bereit, ihn zu behandeln. Zudem sei - unter Hinweis auf die ähnliche genetische Konstellation seiner Mutter und insoweit vorgelegte medizinische Untersuchungsergebnisse - durch eine herkömmliche Behandlung mit metallhaltigen Zahnspangen der Eintritt von Gesundheitsschäden zusätzlich zu den bereits vorhandenen Allergien zu befürchten. Insoweit verweise er auch auf das Attest des ihn behandelnden Dr. Sch. (vom 7. März 2012), der nach Rücksprache mit dem Arbeitsmediziner Dr. B. aufgrund der bei ihm vorhandenen atopischen Dermatitis, der rezidivierenden Oberbauchbeschwerden und der genetischen Variante im Glutathion-S-Transferase Gen GSTM1 vom Tragen einer metallhaltigen Zahnspange abgeraten habe. Der Kläger reichte auch den kieferorthopädischen Behandlungsplan des Kieferorthopäden Prof. Dr. Dr. G. vom 12./13. Juli 2011 mit voraussichtlichen Kosten von EUR 5.050,69 ein, wonach eine Behandlung mit Alignern wegen der Allergie auf Metallverbindungen sowie Retentionsgeräten erfolgen sollte.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG hörte zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Zahnarzt Dr. Ro. legte dar (Auskunft vom 10. Oktober 2011), weder eine kieferorthopädische noch eine allergologische Befunderhebung durchgeführt zu haben. Eine Änderung im Gesundheitszustandes des Klägers habe er im Behandlungszeitraum von Juli 2009 bis Dezember 2010 nicht feststellen können. Zahnarzt für Kieferorthopädie Dr. Heu. führte in seiner Auskunft vom 6. Oktober 2011 aus, der Kläger habe sich niemals persönlich in seiner Praxis vorgestellt; lediglich seine Mutter habe von einer familiären Metallunverträglichkeit berichtet und sich eine "Zweitmeinung" eingeholt. Er habe sie an Dr. C. verwiesen. Letztere teilte mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 mit, der Kläger habe sich in Begleitung seiner Mutter am 28. Januar 2010 zur "Beratung" vorgestellt. An diesem Tag habe sie einen privaten Kostenvoranschlag nur für die Anfertigung diagnostischer Unterlagen erstellt. Zu den den Gendefekt betreffenden Befundberichten anderer Untersucher könne sie aufgrund fehlender fachlicher Kompetenz auf diesem Gebiet keine Stellung nehmen. Im Übrigen entsprächen die vom MDK getroffenen Feststellungen ihren Befunden. Dr. Hu. teilte unter dem 19. Oktober 2011 mit, eine Beurteilung des genetischen Defekts und dessen Auswirkung auf die Gesundheit liege aufgrund fehlender Kompetenz auf dem Gebiet der Humangenetik nicht in ihrem Ermessen. Fälle mit Metallunverträglichkeiten seien ihr in Form von dermatologisch nachgewiesenen und attestierten Nickelallergien aus der Praxis bekannt. Bei der Behandlung dieser Patienten seien dementsprechend nickelfreie Legierungen verwendet worden.
Anschließend veranlasste das SG eine Begutachtung durch den Abteilungsleiter des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Tübingen Prof. Dr. Sc ... Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 16. Februar 2012 zu dem Ergebnis, in Europa bzw. Deutschland seien 50 v.H. der Bevölkerung Merkmalsträger des Glutathion-S-Defekts. Bei diesem homozygoten Defekt handele es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine erbliche Besonderheit ohne Krankheitswert. Es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die heute verwendeten Spezialmetalle in der Zahnprothetik, die frei von Quecksilber, Nickel, Blei- und Kupfer seien, im Hinblick auf den beim Kläger nachgewiesenen Polymorphismus gesundheitlich ungeeignet wären. Die fehlende Aktivität der GSTM 1 habe keine Bedeutung für die Entgiftung und den Austransport von Metallen aus dem Organismus. Die Abweichungen von der korrekten gutachtlichen Feststellung des MDK beruhe auf der Unsicherheit des Wissenstandes mancher Zahnärzte über Polymorphismen und Metallunverträglichkeiten. So berichte Prof. Dr. Dr. G. von einer Allergie, die jedoch nirgends nachgewiesen sei. Gleichzeitig beruhten sie auf Bedenken wegen möglicher Folgekosten aus Schadenersatzprozessen nach erfolgter Behandlung des Klägers. Die angeführten Assoziationen von Polymorphismen mit verschiedenen Befindlichkeitsstörungen wie chronischer Erschöpfung und Chemikalienunverträglichkeit seien wissenschaftlich nicht haltbar. Es spreche im Ergebnis nichts dagegen, die Kieferregulation mit Hilfe einer metallhaltigen, in der heutigen Zahnmedizin verwendeten Behandlungsapparatur durchzuführen.
Mit Urteil vom 8. März 2012 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe bei Erlass des ursprünglichen Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass dem Kläger vor Vollendung seines 18. Lebensjahres Anspruch auf eine kieferorthopädische Behandlung zugestanden habe. Allerdings sei die Invisalign-Methode kein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasstes Behandlungsverfahren. Die Methode sei in den einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), insbesondere in der maßgeblichen Richtlinie zur kieferorthopädischen Behandlung, als abrechnungsfähige Leistung nicht aufgeführt. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des G-BA mit einer metallfreien Zahnspange nach der sog. Invisalign-Methode zu versorgen. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R -, in juris) sei anerkannt, dass die Sperrwirkung einer fehlenden positiven Empfehlung des G-BA unter besonders gelagerten Voraussetzungen unbeachtlich sein könne. Das könne jedoch nur in Betracht gezogen werden bei einer im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (- 1 BvR 374/98 -, in juris) notstandsähnlichen (Krankheits-)Situation mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit oder einer zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe. Eine Leistungspflicht ohne entsprechendes Votum des G-BA komme ferner in Betracht bei einem sog. Seltenheitsfall, der sich einer systematischen Erforschung entziehe (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R -, in juris) und schließlich für den Fall, dass der G-BA dem in § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen (vgl. Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R -, in juris). Keine dieser Fallgruppen sei vorliegend gegeben. Beim Kläger liege schon keine notstandsähnliche Krankheitssituation vor. Eine rechtswidrige Verfahrensverzögerung durch den G-BA könne nicht festgestellt werden, zumal ein Verfahren beim G-BA zur Einbeziehung der in Rede stehenden Methode bislang nicht eingeleitet worden sei. Zudem stehe mit der von der Beklagten bewilligten Multibandapparatur eine allgemein anerkannte, dem medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung. Die beim Kläger fehlende Enzymstörung stelle keine Erkrankung, sondern nach den gutachtlichen Feststellungen des Prof. Dr. Sc. eine erbliche Besonderheit dar, die bei nahezu 50 v.H. der Bevölkerung auftrete. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber, dass die in der Zahnprothetik Verwendung findenden Spezialmetalle durch den beim Kläger nachgewiesenen Polymorphismus eine gesundheitliche Gefährdung bewirken könnten, lägen nach den gutachtlichen Feststellungen nicht vor. Auch die angeführten Assoziationen von Polymorphismen mit verschiedenen Befindlichkeitsstörungen seien wissenschaftlich nicht gesichert. Die fehlende Enzymaktivität habe nach dem Stand der aktuellen Forschung keine Bedeutung für die Entgiftung und den Austransport von Metallen aus dem Organismus. Nach den in der mündlichen Verhandlung erfolgten Angaben sei beim Kläger bislang keine Metallallergie nachgewiesen. Keiner der befragten Ärzte sei in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass eine kieferorthopädische Behandlung im Rahmen des vertraglich geregelten Anspruches aus zwingenden medizinischen Gründen ausscheide.
Gegen das der Bevollmächtigten des Klägers am 28. März 2012 zugestellte Urteil hat dieser am Montag, den 30. April 2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Unter Ergänzung des Vortrags im Klageverfahren führt er aus, Dr. B. habe mündlich dringend von einer konventionellen kieferorthopädischen Behandlung mit Metallen abgeraten. Die Ärzte, bei denen wegen der konventionellen Behandlung vorgesprochen worden sei, hätten ohne eigene Befunde zur Metallunverträglichkeit aufgrund der familiären Vorgeschichte, der Fremdbefunde und aus Sorge vor Schadenersatzansprüchen abgelehnt. Auch hätten die bei ihm vorhandenen Oberbauchbeschwerden und Allergien (Allergiepass vom 21. März 2012: "Cotrimallergie, Gräser, Getreide, Früh-Mittelblüher, Milben, Ceftibuten -) in Keimax") keine Berücksichtigung gefunden. Zwischenzeitlich werde auch seine konventionelle Behandlung wegen Erreichens des 18. Lebensjahres abgelehnt. Im Übrigen seien die Voraussetzungen für die Durchführung einer Behandlung ohne Empfehlung des G-BA erfüllt, da seine gesundheitlichen Probleme (Metallunverträglichkeit) und die seiner Familie offensichtlich selten seien. Die Begutachtung durch einen Umweltmediziner sei daher geboten. Prof. Dr. Rei. brauche für die Bearbeitung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eineinhalb Jahre, solle aber als Gutachter beauftragt werden. Im Übrigen sei die beantragte Behandlung zwischenzeitlich durch Prof. Dr. Dr. G. über einen Zeitraum von drei Jahren erfolgt, da sie dringend in jugendlichem Alter habe durchgeführt werden müssen (erster Arzt-Patienten-Kontakt ausweislich der Rechnung des Prof. Dr. Dr. G. vom 19. Mai 2011: 7. März 2011). Hierbei seien unter Vorlage entsprechender Rechnungen Kosten in Höhe von insgesamt EUR 4.193,73 angefallen. Der Kläger hat begehrt, ihm diese Kosten zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. März 2012 sowie die Bescheide vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Rücknahme des Bescheids vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 zu verurteilen, ihm EUR 4.193,73 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere entbehrten die Ausführungen zur Übernahme der Behandlungskosten ohne Empfehlung des G-BA jeglicher Grundlage, da der Kläger keine Metallunverträglichkeit habe und eine Metallallergie nicht nachgewiesen sei. Im Übrigen habe der Kläger am 8. März 2012 sein 18. Lebensjahr vollendet, so dass kein Anspruch mehr auf eine kieferorthopädische Behandlung bestehe.
Die Beklagte hat einen weiteren Antrag des Klägers auf Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung (Schreiben vom 26. Juli 2011; kieferorthopädischer Behandlungsplan von Prof. Dr. Dr. G. vom 12./13. Juli 2011) vorgelegt, woraufhin sie mit Bescheid vom 18. August 2011 unter Hinweis auf das laufende Sozialgerichtsverfahren eine Entscheidung abgelehnt hat. Ferner hat der Kläger ausweislich der vorgelegten Unterlagen unter dem 28. April 2013 unter Vorlage einer Rechnung des Prof. Dr. Dr. G. vom 8. März 2013 eine vergleichsweise Regelung angestrebt, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2013 eine Kostenbeteiligung abgelehnt hat, da der Kläger das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und die zugrundeliegende Behandlung zudem ohne vorherige Genehmigung erfolgt sei.
Für einen Antrag nach § 109 SGG hat der Senat dem Kläger unter dem 5. Dezember 2013 eine Frist gesetzt bis zum 14. Januar 2014, worauf dieser fristgemäß Dr. M. benannt und ein Schreiben seiner Rechtsschutzversicherung vorgelegt hat, wonach die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG versichert sei. Die Kostenverpflichtungserklärung hat er nicht vorgelegt. Aufgrund des Hinweises, dass Dr. M. als Chemiker in Ermangelung einer Approbation als Arzt nicht als Gutachter nach § 109 SGG benannt werden könne, hat der Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 2014 Prof. Dr. Dr. Rei. als Sachverständigen seiner Wahl benannt. Der Senat hat mit Schreiben vom 21. August 2014 auf die Verpflichtung des Klägers zur Einzahlung eines Kostenvorschusses bis 24. September 2014 hingewiesen und zugleich um Mitteilung gebeten, ob Prof. Dr. Dr. Rei. in der Lage sei, das Gutachten binnen einer Frist von drei Monaten zu erstatten. Darauf hat der Kläger nach Rücksprache mit diesem unter dem 25. September 2014 mitgeteilt, dass mit einer Bearbeitungszeit von eineinhalb Jahren zu rechnen sei. Der Kostenvorschuss ist am 20. November 2014 eingegangen. Eine beantragte Fristverlängerung zur Benennung eine neuen Sachverständigen ist unter Hinweis auf eine beabsichtigte Terminierung des Rechtsstreits nicht erfolgt. Nach Absprache mit dem Büro der Bevollmächtigten des Klägers hat der Senat den Rechtsstreit unter dem 26. November 2014 auf den 23. Januar 2015 terminiert.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten im Verfahren S 14 KR 355/11 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zu-lässig. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das Urteil des SG - mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§ 66 SGG) - ist der Bevollmächtigten des Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 28. März 2012 zugestellt worden. Die einmonatige Berufungsfrist begann am 29. März 2012 2014 (§ 64 Abs. 1 SGG) und wäre eigentlich am 28. April 2012 abgelaufen (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Da dies ein Samstag war, endete die Frist erst am darauffolgenden Montag, dem 30. April 2012 (§ 64 Abs. 3 SGG). Die an diesem Tag per Telefax beim LSG eingegangene Berufung erfolgte somit fristwahrend. Sie ist auch statthaft, da der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 überschritten ist. Denn der Kläger begehrt die Überprüfung der ursprünglichen Entscheidung der Beklagten, mit der die Beklagte die Kostenübernahme für die kieferorthopädische Behandlung des Klägers durch Versorgung mit einer metallfreien Zahnspange nach der Invisalign-Methode ablehnte. Eine solche Behandlung hat der Kläger letztlich auch durchführen lassen. Die insoweit bezifferten Behandlungskosten belaufen sich auf EUR 4.193,73.
2. Gegenstand des Rechtsstreits sind nur die Bescheide der Beklagten vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011. Mit diesen hatte es die Beklagte im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgelehnt, den Bescheid vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 zurückzunehmen und den Kläger mittels kieferorthopädischer Behandlung mit einer metallfreien Zahnspange nach der Invisalign-Methode zu versorgen.
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind nach § 96 Abs. 1 SGG demgegenüber die Bescheide der Beklagten vom 18. August 2011 und 2. Mai 2013 geworden, so dass sie bestandskräftig geworden sind. Mit Bescheid vom 18. August 2011 hatte die Beklagte unter Hinweis auf das laufende Sozialgerichtsverfahren eine Entscheidung über einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung (Schreiben vom 26. Juli 2011; kieferorthopädischer Behandlungsplan von Prof. Dr. Dr. G. vom 12./13. Juli 2011) abgelehnt. Eine Kostenbeteiligung für die durchgeführte Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. hatte die Beklagte nach Vorlage einer Rechnung des Prof. Dr. Dr. G. vom 8. März 2013 mit Bescheid vom 2. Mai 2013 verneint, da der Kläger das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und die zugrundeliegende Behandlung zudem ohne vorherige Genehmigung erfolgt sei.
Gemäß § 96 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergeht und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder ein Ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsakts mit demjenigen des früheren identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festgestellt werden muss; ein bloßer Sachzusammenhang genügt nicht (z.B. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R - und LSG, Urteil vom 25. Januar 2013 - L 8 U 4645/11 -, beide in juris). Die ursprünglich mit der Klage zum SG angefochtenen Bescheide vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011 lehnen es ab, den Bescheid vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 zurückzunehmen und damit auch, den Kläger mittels kieferorthopädischer Behandlung mit einer metallfreien Zahnspange nach der Invisalign-Methode zu versorgen. Demgegenüber beschränkt sich der Verfügungssatz des Bescheids der Beklagten vom 18. August 2011 darauf, derzeit keine Entscheidung über den vom Kläger begehrten Antrag auf Versorgung mit einer metallfreien Zahnspange zu treffen. Auch der Verfügungssatz des Bescheids der Beklagten vom 2. Mai 2013 beschränkt sich auf die Feststellung, dass Kosten für die bei Prof. Dr. Dr. G. bereits durchgeführte private kieferorthopädische Behandlung nicht erstattet werden könnten. Damit ersetzen die Bescheide der Beklagten vom 18. August 2011 und 2. Mai 2013 gerade nicht die Bescheide vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011.
2. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 und Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode mittels kieferorthopädischer Behandlung und damit auch nicht auf Kostenerstattung.
Verfahrensrechtliche Grundlage des geltend gemachten Überprüfungsanspruchs ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen nicht vor. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid der Beklagten vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 ist nicht rechtswidrig. Weder ist das Recht zu Lasten des Kläger unrichtig angewandt noch ist von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich im Nachhinein als unrichtig erwiesen hat. Die Beklagte hat den Antrag des Kläger auf Versorgung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode mittels kieferorthopädischer Behandlung im Ergebnis zu Recht abgelehnt (dazu unter a). Durch die nunmehr erfolgte kieferorthopädische Behandlung durch Prof. Dr. Dr. G. hat sich der im Rahmen eines Zugunstenverfahrens geführte Rechtsstreit erledigt (dazu unter b).
a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V die (ambulante) zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V umfasst die (ambulante) zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert (§ 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V). Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschusst werden (§ 28 Abs. 2 Satz 8 SGB V).
Der Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung gemäß § 29 Abs. 1 SGB V besteht nur in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Nach § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat der G-BA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in § 29 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, zu bestimmen. Dabei sind auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben (§ 29 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Diesen gesetzlichen Auftrag zum Erlass normkonkretisierender und damit anspruchsbegründender Richtlinien hat der (Rechtsvorgänger des) G-BA mit den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung" in der Fassung vom 4. Juni 2003 und vom 24. September 2003 (BAnz Nr. 226, S. 24966) erlassen. Nach B 2. dieser Richtlinien gehört zur vertragszahnärztlichen Versorgung gemäß § 29 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 29 Abs. 4 SGB V die gesamte kieferorthopädische Behandlung, wenn bei ihrem Beginn ein Behandlungsbedarf anhand der befundbezogenen KIG – Anlage 1 zu den Richtlinien – festgestellt wird. Eine Einstufung mindestens in den Behandlungsbedarfsgrad 3 der Indikationsgruppen ist dafür erforderlich. Die Kriterien zur Anwendung der KIG (Anlage 2 zu diesen Richtlinien) sind für die Zuordnung zur vertragszahnärztlichen Versorgung verbindlich. B 5. der Richtlinie bestimmt, dass die Durchführung jeder kieferorthopädischen Behandlung eine dem jeweiligen Behandlungsfall entsprechende Patientenuntersuchung sowie die Erhebung, Auswertung und ärztliche Beurteilung von Befundunterlagen voraussetzt. Anschließend ist vom Zahnarzt eine Behandlungsplanung zu erarbeiten. Vor dem Hintergrund der Altersgrenze in § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V hat dieser Behandlungsplan nicht nur zahnmedizinische, sondern darüber hinaus auch anspruchsbegründende Bedeutung. Das Datum des Behandlungsplans belegt in nachprüfbarer Weise die Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit sowie den Behandlungswunsch des Versicherten und die Behandlungsbereitschaft des Zahnarztes; das deckt sich mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit und den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 12/3608 S. 79; BSG, Urteil vom 25. März 2003 - B 1 KR 17/01 R - und vom 9. Dezember 1997 - 1 RK 11/97 -, beide in juris).
Zwar litt der Kläger im Zeitpunkt der damaligen Antragstellung im Februar 2010 an einer Zahnstellungsanomalie der KIG E4. Dies ergibt sich aus dem kieferorthopädischen Behandlungsplan der Praxis Dres. T. und Hu. vom 29. Mai 2009 sowie dem Gutachten des Dr. U. vom 18. Februar 2010 und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Allerdings legte der Kläger im Rahmen seines im Februar 2010 gestellten Antrags auf Versorgung mit einer metallfreien Spange nach der Invisalign-Methode keinen kieferorthopädischen Behandlungsplan vor. Unter dem 9. Februar 2010 ging bei der Beklagten lediglich ein Schreiben der Dr. C. vom 2. Februar 2010 sowie ein Kostenvoranschlag vom 28. Januar 2010 ein. Bei diesem Kostenvoranschlag handelt es sich nicht um einen kieferorthopädischen Behandlungsplan. Denn er betraf nur die Anfertigung diagnostischer Unterlagen (sachverständige Zeugenauskunft der Dr. C. vom 11. Oktober 2011). Zudem wurde ein ärztliches Attest des Arztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. Sch. vom 30. November 2009 beigefügt, in dem dieser ausführte, der Kläger leide an einer genetischen Variante im Glutathion-S-Transferase Gen GSTM1. Aus diesem Grund müsse eine Belastung des Körpers mit Metallen vermieden werden, weshalb in der Zahnspange keinerlei Metalle enthalten sein sollten. Insoweit waren daher bereits bei der damaligen Antragstellung die erforderlichen anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht erfüllt.
b) Soweit der Kläger im Berufungsverfahren anstelle des Anspruchs auf Sachleistung Kostenerstattung begehrt, liegt keine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG vor (BSG, Urteil vom 20. November 1996 - 3 RK 5/96 -, in juris). Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheitert aber daran, dass der Kläger aufgrund seines Überprüfungsantrags keinen Anspruch auf die begehrte Sachleistung (Versorgung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode mittels kieferorthopädischer Behandlung) hatte. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 4. März 2014 - B 1 KR 6/13 R -, in juris).
c) Letztlich ist durch die tatsächliche Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. Erledigung des Rechtsstreits eingetreten.
Das Begehren des Klägers ist vorliegend nicht nur auf Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, sondern auch auf Ersetzung durch einen Neubescheid gerichtet. Es muss also über den ursprünglichen Antrag neu entschieden werden, bei dem die Sach- und Rechtslage bei Erlass des früheren Verwaltungsakts zu berücksichtigen ist, aber auch alle Änderungen seither, soweit sie sich auf den Betroffenen ausgewirkt hätten. Dabei enthält § 44 SGB X den Restitutionsgedanken, dass der Berechtigte so zu stellen ist, als hätte die Verwaltung von vorneherein richtig entschieden (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rdnr. 26). Diese Überlegungen zugrunde gelegt, besteht ein Anspruch des Klägers lediglich auf Neubescheidung über dessen ursprüngliches Anliegen, ihn mittels kieferorthopädischer Behandlung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode zu versorgen.
Infolge der tatsächlichen Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. und die bereits erfolgte Versorgung des Klägers mit einer Spange kann das ursprüngliche Klagebegehren jedoch nicht mehr erreicht werden. Insoweit hat sich der Rechtsstreit bereits hierdurch erledigt. Der Kläger hätte sich gegen Ablehnung der Kostenerstattung, die mit Bescheid vom 2. Mai 2013 erfolgte, wenden müssen, wobei dieser Bescheid die Ablehnung der Kostenerstattung zutreffend damit begründet, dass der Kläger die Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. ohne vorherige Genehmigung der Beklagten begann.
3. Eine Beweiserhebung durch weitere Sachverständigengutachten auch nach § 109 SGG - einen solchen Antrag stellte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht - war im Hinblick darauf nicht erforderlich. Im Übrigen sieht der Senat den Sachverhalt - soweit dies unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers entscheidungserheblich wäre - durch die eingeholten Gutachten als geklärt an. Insoweit ist die Frage des Vorliegens des vom Kläger geltend gemachten Gendefekts sowie dessen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Klägers im Zusammenhang mit der Versorgung durch eine konventionelle kieferorthopädische Behandlungsapparatur hinreichend durch die Gutachten des Dr. U. vom 18. Februar 2010, des Dr. L. vom 14. Dezember 2010 sowie des Sachverständigen Prof. Dr. Sc. vom 16. Februar 2012 geklärt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zugunstenverfahrens über die kieferorthopädische Versorgung des Klägers nach der Invisalign-Methode.
Der am 1994 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Beim Kläger lagen ursprünglich im Oberkiefer eine engstehende Front, eine transversale Enge, multiple Rotationen, eine Mesioposition der Zähne 3 sowie Lücken in den Seitenzahngebieten rechts und links vor. Im Unterkiefer bestand eine Protrusion und Supraposition der Front, eine transversale Enge, multiple Rotationen sowie eine Mesioposition des Zähne 3. Außerdem litt er an einer Distalbisslage bei Neutralokklusion der Zähne 6. Mit der Invisalign-Methode werden Zahnfehlstellungen ohne Metall und Drähte, sondern mit Schienen aus medizinischem Kunststoff korrigiert.
Am 26. Juni 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage eines kieferorthopädischen Behandlungsplans der Praxis Dres. T. und H. vom 29. Mai 2009 die Korrektur seiner Zahnfehlstellungen mittels kieferorthopädischer Versorgung. Darin wurde aufgrund der Kieferorthopädischen Indikationsgruppe E4 (KIG E4) eine reguläre Multibandbehandlung mit Retentionsgeräten und eine prognostizierte Behandlungsdauer von 16 Quartalen ausgewiesen. Die voraussichtlichen Gesamtkosten beliefen sich auf EUR 2.699,13. Gleichzeitig wurde ein Bericht des Allergielabors Reutlinger und Tübinger Ärzte vom 5. November 2008 und ein Befundbericht des Instituts für Pharmakogenetik und Genetische Disposition, Dres. S. und P., vom 4. September "2009" (richtig wohl 2008) vorgelegt. Im Ergebnis führten die beiden letztgenannten Ärzte darin aus, die molekulargenetische Untersuchung habe den Nachweis der Deletion des GSTM1-Gens ergeben. Dies führe zu einer fehlenden GSTM1 Enzymaktivität. Somit könnten GSTM1 spezifische Substrate nicht bzw. nur eingeschränkt mit Glutathion enzymatisch konjugiert werden. Mit Bescheid vom 21. Juli 2009 genehmigte die Beklagte den Behandlungsplan mit einer Kostenbeteiligung von zunächst 80 v.H. Bei planmäßig abgeschlossener Behandlung sagte die Beklagte eine Erstattung des Eigenanteils von 20 v.H. zu.
Mit am 9. Februar 2010 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben der Kieferorthopädin Dr. C. vom 2. Februar 2010 sowie deren Kostenvoranschlags vom 28. Januar 2010 mit voraussichtlichen Kosten von EUR 298,21 beantragte der Kläger eine metallfreie Spangenbehandlung nach der Invisalign-Methode. Im beigefügten ärztlichen Attest des Arztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. Sch. vom 30. November 2009 führte dieser aus, der Kläger leide an einer genetischen Variante im Glutathion-S-Transferase Gen GSTM1. Aus diesem Grund müsse eine Belastung des Körpers mit Metallen vermieden werden, weshalb in der Zahnspange keinerlei Metalle enthalten sein sollten.
Im Anschluss daran veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. U. führte in seinem Gutachten vom 18. Februar 2010 aus, der Kläger leide an einer Zahnstellungsanomalie der KIG E4 sowie einem genetischen Glutathion-S-Transferase GSTM1 Defekt. Der Kläger könne mit den im ursprünglichen kieferorthopädischen Behandlungsplan vorgesehenen Behandlungsgeräten uneingeschränkt behandelt werden. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung sei aufgrund des genetischen Defektes nicht zu erwarten. 30 bis 60 v.H. der europäischen Bevölkerung besäßen kein funktionsfähiges GSTM1-Enzym. Die außervertragliche Behandlung mit einer metallfreien Zahnspange sei medizinisch nicht zwingend erforderlich und könne nur auf privater Basis durchgeführt werden.
Mit Bescheid vom 2. März 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für die beantragte Invisalign-Behandlung unter Bezugnahme auf die gutachtlichen Feststellungen des MDK ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die von der Beklagten bewilligte kieferorthopädische Behandlung werde aufgrund eventueller Spät- oder Folgeerkrankungen durch die ihn behandelnden Zahnärzte nicht durchgeführt (vgl. hierzu Schreiben von Dr. Hu. vom 17. März und 9. September 2010). Eine allergische Reaktion auf die verwendeten Metalle sei sehr wahrscheinlich. Aus gesundheitlichen Gründen sei ihm die Versorgung mit einer metallhaltigen Zahnspange nicht zuzumuten. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers unter Berufung auf die Feststellungen des MDK zurück. Die beantragte Behandlung sei weder medizinisch notwendig noch wirtschaftlich zweckmäßig.
Der Kläger beantragte mit am 17. November 2010 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben die Überprüfung des Ablehnungsbescheids vom 2. März 2010. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass er bereits jetzt an nicht klar erkennbaren Krankheitssymptomen leide. Für die immer wieder auftretenden Oberbauchbeschwerden könne keine klare Ursache bestimmt werden (Arztbericht des Prof. Dr. St., Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums T., vom 18. Oktober 2010). Nach der Versorgung mit metallhaltigem Zahnersatz sei es bei seiner Mutter zu gesundheitlichen Beschwerden und Allergien gekommen. Bislang seien bei ihm nahezu keine Allergien festgestellt worden. Aufgrund seiner ähnlichen genetischen Konstitution wie bei seiner Mutter sei eine gesundheitliche Gefährdung hingegen nicht auszuschließen. Mehrere Kieferorthopäden weigerten sich, die durch die Beklagte genehmigte Behandlung durchzuführen (Schreiben vom 17. März, 9. September und 18. November 2010). Die Suche nach einem anderem Kieferorthopäden gestalte sich schwierig.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung durch den MDK. Dr. L. führte in seinem Gutachten vom 14. Dezember 2010 aus, der Kläger leide an einer Zahnstellungsanomalie und einem Glutathion-S-Transferase GSTM1 Defekt. Eine kieferorthopädisch indizierte Behandlung könne auf etabliertem Wege erfolgen. Es sei nicht ausreichend wissenschaftlich evaluiert, dass die in der Zahnprothetik Verwendung findenden Spezialmetalle im Hinblick auf bestehende Polymorphismen ungeeignet wären. Da eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse nicht bestehe, könne die angestrebte Behandlung ausschließlich auf privater Verrechnungsbasis erfolgen.
Mit Bescheiden vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 lehnte es die Beklagte unter Hinweis auf die Ausführungen des MDK sinngemäß ab, den Bescheid vom 2. März 2010 zurückzunehmen. Dieser sei nicht zu beanstanden und daher nicht zurückzunehmen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2011 zurück.
Der Kläger erhob am 22. März 2011 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er führte aus, auf eine kieferorthopädische Behandlung angewiesen zu sein. Allerdings sei keiner der Kieferorthopäden, bei denen er vorstellig geworden sei, bereit, ihn zu behandeln. Zudem sei - unter Hinweis auf die ähnliche genetische Konstellation seiner Mutter und insoweit vorgelegte medizinische Untersuchungsergebnisse - durch eine herkömmliche Behandlung mit metallhaltigen Zahnspangen der Eintritt von Gesundheitsschäden zusätzlich zu den bereits vorhandenen Allergien zu befürchten. Insoweit verweise er auch auf das Attest des ihn behandelnden Dr. Sch. (vom 7. März 2012), der nach Rücksprache mit dem Arbeitsmediziner Dr. B. aufgrund der bei ihm vorhandenen atopischen Dermatitis, der rezidivierenden Oberbauchbeschwerden und der genetischen Variante im Glutathion-S-Transferase Gen GSTM1 vom Tragen einer metallhaltigen Zahnspange abgeraten habe. Der Kläger reichte auch den kieferorthopädischen Behandlungsplan des Kieferorthopäden Prof. Dr. Dr. G. vom 12./13. Juli 2011 mit voraussichtlichen Kosten von EUR 5.050,69 ein, wonach eine Behandlung mit Alignern wegen der Allergie auf Metallverbindungen sowie Retentionsgeräten erfolgen sollte.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG hörte zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Zahnarzt Dr. Ro. legte dar (Auskunft vom 10. Oktober 2011), weder eine kieferorthopädische noch eine allergologische Befunderhebung durchgeführt zu haben. Eine Änderung im Gesundheitszustandes des Klägers habe er im Behandlungszeitraum von Juli 2009 bis Dezember 2010 nicht feststellen können. Zahnarzt für Kieferorthopädie Dr. Heu. führte in seiner Auskunft vom 6. Oktober 2011 aus, der Kläger habe sich niemals persönlich in seiner Praxis vorgestellt; lediglich seine Mutter habe von einer familiären Metallunverträglichkeit berichtet und sich eine "Zweitmeinung" eingeholt. Er habe sie an Dr. C. verwiesen. Letztere teilte mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 mit, der Kläger habe sich in Begleitung seiner Mutter am 28. Januar 2010 zur "Beratung" vorgestellt. An diesem Tag habe sie einen privaten Kostenvoranschlag nur für die Anfertigung diagnostischer Unterlagen erstellt. Zu den den Gendefekt betreffenden Befundberichten anderer Untersucher könne sie aufgrund fehlender fachlicher Kompetenz auf diesem Gebiet keine Stellung nehmen. Im Übrigen entsprächen die vom MDK getroffenen Feststellungen ihren Befunden. Dr. Hu. teilte unter dem 19. Oktober 2011 mit, eine Beurteilung des genetischen Defekts und dessen Auswirkung auf die Gesundheit liege aufgrund fehlender Kompetenz auf dem Gebiet der Humangenetik nicht in ihrem Ermessen. Fälle mit Metallunverträglichkeiten seien ihr in Form von dermatologisch nachgewiesenen und attestierten Nickelallergien aus der Praxis bekannt. Bei der Behandlung dieser Patienten seien dementsprechend nickelfreie Legierungen verwendet worden.
Anschließend veranlasste das SG eine Begutachtung durch den Abteilungsleiter des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Tübingen Prof. Dr. Sc ... Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 16. Februar 2012 zu dem Ergebnis, in Europa bzw. Deutschland seien 50 v.H. der Bevölkerung Merkmalsträger des Glutathion-S-Defekts. Bei diesem homozygoten Defekt handele es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine erbliche Besonderheit ohne Krankheitswert. Es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die heute verwendeten Spezialmetalle in der Zahnprothetik, die frei von Quecksilber, Nickel, Blei- und Kupfer seien, im Hinblick auf den beim Kläger nachgewiesenen Polymorphismus gesundheitlich ungeeignet wären. Die fehlende Aktivität der GSTM 1 habe keine Bedeutung für die Entgiftung und den Austransport von Metallen aus dem Organismus. Die Abweichungen von der korrekten gutachtlichen Feststellung des MDK beruhe auf der Unsicherheit des Wissenstandes mancher Zahnärzte über Polymorphismen und Metallunverträglichkeiten. So berichte Prof. Dr. Dr. G. von einer Allergie, die jedoch nirgends nachgewiesen sei. Gleichzeitig beruhten sie auf Bedenken wegen möglicher Folgekosten aus Schadenersatzprozessen nach erfolgter Behandlung des Klägers. Die angeführten Assoziationen von Polymorphismen mit verschiedenen Befindlichkeitsstörungen wie chronischer Erschöpfung und Chemikalienunverträglichkeit seien wissenschaftlich nicht haltbar. Es spreche im Ergebnis nichts dagegen, die Kieferregulation mit Hilfe einer metallhaltigen, in der heutigen Zahnmedizin verwendeten Behandlungsapparatur durchzuführen.
Mit Urteil vom 8. März 2012 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe bei Erlass des ursprünglichen Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass dem Kläger vor Vollendung seines 18. Lebensjahres Anspruch auf eine kieferorthopädische Behandlung zugestanden habe. Allerdings sei die Invisalign-Methode kein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasstes Behandlungsverfahren. Die Methode sei in den einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), insbesondere in der maßgeblichen Richtlinie zur kieferorthopädischen Behandlung, als abrechnungsfähige Leistung nicht aufgeführt. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des G-BA mit einer metallfreien Zahnspange nach der sog. Invisalign-Methode zu versorgen. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R -, in juris) sei anerkannt, dass die Sperrwirkung einer fehlenden positiven Empfehlung des G-BA unter besonders gelagerten Voraussetzungen unbeachtlich sein könne. Das könne jedoch nur in Betracht gezogen werden bei einer im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (- 1 BvR 374/98 -, in juris) notstandsähnlichen (Krankheits-)Situation mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit oder einer zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe. Eine Leistungspflicht ohne entsprechendes Votum des G-BA komme ferner in Betracht bei einem sog. Seltenheitsfall, der sich einer systematischen Erforschung entziehe (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R -, in juris) und schließlich für den Fall, dass der G-BA dem in § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen (vgl. Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R -, in juris). Keine dieser Fallgruppen sei vorliegend gegeben. Beim Kläger liege schon keine notstandsähnliche Krankheitssituation vor. Eine rechtswidrige Verfahrensverzögerung durch den G-BA könne nicht festgestellt werden, zumal ein Verfahren beim G-BA zur Einbeziehung der in Rede stehenden Methode bislang nicht eingeleitet worden sei. Zudem stehe mit der von der Beklagten bewilligten Multibandapparatur eine allgemein anerkannte, dem medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung. Die beim Kläger fehlende Enzymstörung stelle keine Erkrankung, sondern nach den gutachtlichen Feststellungen des Prof. Dr. Sc. eine erbliche Besonderheit dar, die bei nahezu 50 v.H. der Bevölkerung auftrete. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber, dass die in der Zahnprothetik Verwendung findenden Spezialmetalle durch den beim Kläger nachgewiesenen Polymorphismus eine gesundheitliche Gefährdung bewirken könnten, lägen nach den gutachtlichen Feststellungen nicht vor. Auch die angeführten Assoziationen von Polymorphismen mit verschiedenen Befindlichkeitsstörungen seien wissenschaftlich nicht gesichert. Die fehlende Enzymaktivität habe nach dem Stand der aktuellen Forschung keine Bedeutung für die Entgiftung und den Austransport von Metallen aus dem Organismus. Nach den in der mündlichen Verhandlung erfolgten Angaben sei beim Kläger bislang keine Metallallergie nachgewiesen. Keiner der befragten Ärzte sei in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass eine kieferorthopädische Behandlung im Rahmen des vertraglich geregelten Anspruches aus zwingenden medizinischen Gründen ausscheide.
Gegen das der Bevollmächtigten des Klägers am 28. März 2012 zugestellte Urteil hat dieser am Montag, den 30. April 2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Unter Ergänzung des Vortrags im Klageverfahren führt er aus, Dr. B. habe mündlich dringend von einer konventionellen kieferorthopädischen Behandlung mit Metallen abgeraten. Die Ärzte, bei denen wegen der konventionellen Behandlung vorgesprochen worden sei, hätten ohne eigene Befunde zur Metallunverträglichkeit aufgrund der familiären Vorgeschichte, der Fremdbefunde und aus Sorge vor Schadenersatzansprüchen abgelehnt. Auch hätten die bei ihm vorhandenen Oberbauchbeschwerden und Allergien (Allergiepass vom 21. März 2012: "Cotrimallergie, Gräser, Getreide, Früh-Mittelblüher, Milben, Ceftibuten -) in Keimax") keine Berücksichtigung gefunden. Zwischenzeitlich werde auch seine konventionelle Behandlung wegen Erreichens des 18. Lebensjahres abgelehnt. Im Übrigen seien die Voraussetzungen für die Durchführung einer Behandlung ohne Empfehlung des G-BA erfüllt, da seine gesundheitlichen Probleme (Metallunverträglichkeit) und die seiner Familie offensichtlich selten seien. Die Begutachtung durch einen Umweltmediziner sei daher geboten. Prof. Dr. Rei. brauche für die Bearbeitung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eineinhalb Jahre, solle aber als Gutachter beauftragt werden. Im Übrigen sei die beantragte Behandlung zwischenzeitlich durch Prof. Dr. Dr. G. über einen Zeitraum von drei Jahren erfolgt, da sie dringend in jugendlichem Alter habe durchgeführt werden müssen (erster Arzt-Patienten-Kontakt ausweislich der Rechnung des Prof. Dr. Dr. G. vom 19. Mai 2011: 7. März 2011). Hierbei seien unter Vorlage entsprechender Rechnungen Kosten in Höhe von insgesamt EUR 4.193,73 angefallen. Der Kläger hat begehrt, ihm diese Kosten zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. März 2012 sowie die Bescheide vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Rücknahme des Bescheids vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 zu verurteilen, ihm EUR 4.193,73 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere entbehrten die Ausführungen zur Übernahme der Behandlungskosten ohne Empfehlung des G-BA jeglicher Grundlage, da der Kläger keine Metallunverträglichkeit habe und eine Metallallergie nicht nachgewiesen sei. Im Übrigen habe der Kläger am 8. März 2012 sein 18. Lebensjahr vollendet, so dass kein Anspruch mehr auf eine kieferorthopädische Behandlung bestehe.
Die Beklagte hat einen weiteren Antrag des Klägers auf Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung (Schreiben vom 26. Juli 2011; kieferorthopädischer Behandlungsplan von Prof. Dr. Dr. G. vom 12./13. Juli 2011) vorgelegt, woraufhin sie mit Bescheid vom 18. August 2011 unter Hinweis auf das laufende Sozialgerichtsverfahren eine Entscheidung abgelehnt hat. Ferner hat der Kläger ausweislich der vorgelegten Unterlagen unter dem 28. April 2013 unter Vorlage einer Rechnung des Prof. Dr. Dr. G. vom 8. März 2013 eine vergleichsweise Regelung angestrebt, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2013 eine Kostenbeteiligung abgelehnt hat, da der Kläger das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und die zugrundeliegende Behandlung zudem ohne vorherige Genehmigung erfolgt sei.
Für einen Antrag nach § 109 SGG hat der Senat dem Kläger unter dem 5. Dezember 2013 eine Frist gesetzt bis zum 14. Januar 2014, worauf dieser fristgemäß Dr. M. benannt und ein Schreiben seiner Rechtsschutzversicherung vorgelegt hat, wonach die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG versichert sei. Die Kostenverpflichtungserklärung hat er nicht vorgelegt. Aufgrund des Hinweises, dass Dr. M. als Chemiker in Ermangelung einer Approbation als Arzt nicht als Gutachter nach § 109 SGG benannt werden könne, hat der Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 2014 Prof. Dr. Dr. Rei. als Sachverständigen seiner Wahl benannt. Der Senat hat mit Schreiben vom 21. August 2014 auf die Verpflichtung des Klägers zur Einzahlung eines Kostenvorschusses bis 24. September 2014 hingewiesen und zugleich um Mitteilung gebeten, ob Prof. Dr. Dr. Rei. in der Lage sei, das Gutachten binnen einer Frist von drei Monaten zu erstatten. Darauf hat der Kläger nach Rücksprache mit diesem unter dem 25. September 2014 mitgeteilt, dass mit einer Bearbeitungszeit von eineinhalb Jahren zu rechnen sei. Der Kostenvorschuss ist am 20. November 2014 eingegangen. Eine beantragte Fristverlängerung zur Benennung eine neuen Sachverständigen ist unter Hinweis auf eine beabsichtigte Terminierung des Rechtsstreits nicht erfolgt. Nach Absprache mit dem Büro der Bevollmächtigten des Klägers hat der Senat den Rechtsstreit unter dem 26. November 2014 auf den 23. Januar 2015 terminiert.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten im Verfahren S 14 KR 355/11 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zu-lässig. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das Urteil des SG - mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§ 66 SGG) - ist der Bevollmächtigten des Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 28. März 2012 zugestellt worden. Die einmonatige Berufungsfrist begann am 29. März 2012 2014 (§ 64 Abs. 1 SGG) und wäre eigentlich am 28. April 2012 abgelaufen (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Da dies ein Samstag war, endete die Frist erst am darauffolgenden Montag, dem 30. April 2012 (§ 64 Abs. 3 SGG). Die an diesem Tag per Telefax beim LSG eingegangene Berufung erfolgte somit fristwahrend. Sie ist auch statthaft, da der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 überschritten ist. Denn der Kläger begehrt die Überprüfung der ursprünglichen Entscheidung der Beklagten, mit der die Beklagte die Kostenübernahme für die kieferorthopädische Behandlung des Klägers durch Versorgung mit einer metallfreien Zahnspange nach der Invisalign-Methode ablehnte. Eine solche Behandlung hat der Kläger letztlich auch durchführen lassen. Die insoweit bezifferten Behandlungskosten belaufen sich auf EUR 4.193,73.
2. Gegenstand des Rechtsstreits sind nur die Bescheide der Beklagten vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011. Mit diesen hatte es die Beklagte im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgelehnt, den Bescheid vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 zurückzunehmen und den Kläger mittels kieferorthopädischer Behandlung mit einer metallfreien Zahnspange nach der Invisalign-Methode zu versorgen.
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind nach § 96 Abs. 1 SGG demgegenüber die Bescheide der Beklagten vom 18. August 2011 und 2. Mai 2013 geworden, so dass sie bestandskräftig geworden sind. Mit Bescheid vom 18. August 2011 hatte die Beklagte unter Hinweis auf das laufende Sozialgerichtsverfahren eine Entscheidung über einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung (Schreiben vom 26. Juli 2011; kieferorthopädischer Behandlungsplan von Prof. Dr. Dr. G. vom 12./13. Juli 2011) abgelehnt. Eine Kostenbeteiligung für die durchgeführte Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. hatte die Beklagte nach Vorlage einer Rechnung des Prof. Dr. Dr. G. vom 8. März 2013 mit Bescheid vom 2. Mai 2013 verneint, da der Kläger das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und die zugrundeliegende Behandlung zudem ohne vorherige Genehmigung erfolgt sei.
Gemäß § 96 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergeht und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder ein Ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsakts mit demjenigen des früheren identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festgestellt werden muss; ein bloßer Sachzusammenhang genügt nicht (z.B. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R - und LSG, Urteil vom 25. Januar 2013 - L 8 U 4645/11 -, beide in juris). Die ursprünglich mit der Klage zum SG angefochtenen Bescheide vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011 lehnen es ab, den Bescheid vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 zurückzunehmen und damit auch, den Kläger mittels kieferorthopädischer Behandlung mit einer metallfreien Zahnspange nach der Invisalign-Methode zu versorgen. Demgegenüber beschränkt sich der Verfügungssatz des Bescheids der Beklagten vom 18. August 2011 darauf, derzeit keine Entscheidung über den vom Kläger begehrten Antrag auf Versorgung mit einer metallfreien Zahnspange zu treffen. Auch der Verfügungssatz des Bescheids der Beklagten vom 2. Mai 2013 beschränkt sich auf die Feststellung, dass Kosten für die bei Prof. Dr. Dr. G. bereits durchgeführte private kieferorthopädische Behandlung nicht erstattet werden könnten. Damit ersetzen die Bescheide der Beklagten vom 18. August 2011 und 2. Mai 2013 gerade nicht die Bescheide vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011.
2. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 21. Dezember 2010 und 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2011 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 und Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode mittels kieferorthopädischer Behandlung und damit auch nicht auf Kostenerstattung.
Verfahrensrechtliche Grundlage des geltend gemachten Überprüfungsanspruchs ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen nicht vor. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid der Beklagten vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 ist nicht rechtswidrig. Weder ist das Recht zu Lasten des Kläger unrichtig angewandt noch ist von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich im Nachhinein als unrichtig erwiesen hat. Die Beklagte hat den Antrag des Kläger auf Versorgung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode mittels kieferorthopädischer Behandlung im Ergebnis zu Recht abgelehnt (dazu unter a). Durch die nunmehr erfolgte kieferorthopädische Behandlung durch Prof. Dr. Dr. G. hat sich der im Rahmen eines Zugunstenverfahrens geführte Rechtsstreit erledigt (dazu unter b).
a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V die (ambulante) zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V umfasst die (ambulante) zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert (§ 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V). Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschusst werden (§ 28 Abs. 2 Satz 8 SGB V).
Der Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung gemäß § 29 Abs. 1 SGB V besteht nur in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Nach § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat der G-BA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in § 29 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, zu bestimmen. Dabei sind auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben (§ 29 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Diesen gesetzlichen Auftrag zum Erlass normkonkretisierender und damit anspruchsbegründender Richtlinien hat der (Rechtsvorgänger des) G-BA mit den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung" in der Fassung vom 4. Juni 2003 und vom 24. September 2003 (BAnz Nr. 226, S. 24966) erlassen. Nach B 2. dieser Richtlinien gehört zur vertragszahnärztlichen Versorgung gemäß § 29 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 29 Abs. 4 SGB V die gesamte kieferorthopädische Behandlung, wenn bei ihrem Beginn ein Behandlungsbedarf anhand der befundbezogenen KIG – Anlage 1 zu den Richtlinien – festgestellt wird. Eine Einstufung mindestens in den Behandlungsbedarfsgrad 3 der Indikationsgruppen ist dafür erforderlich. Die Kriterien zur Anwendung der KIG (Anlage 2 zu diesen Richtlinien) sind für die Zuordnung zur vertragszahnärztlichen Versorgung verbindlich. B 5. der Richtlinie bestimmt, dass die Durchführung jeder kieferorthopädischen Behandlung eine dem jeweiligen Behandlungsfall entsprechende Patientenuntersuchung sowie die Erhebung, Auswertung und ärztliche Beurteilung von Befundunterlagen voraussetzt. Anschließend ist vom Zahnarzt eine Behandlungsplanung zu erarbeiten. Vor dem Hintergrund der Altersgrenze in § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V hat dieser Behandlungsplan nicht nur zahnmedizinische, sondern darüber hinaus auch anspruchsbegründende Bedeutung. Das Datum des Behandlungsplans belegt in nachprüfbarer Weise die Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit sowie den Behandlungswunsch des Versicherten und die Behandlungsbereitschaft des Zahnarztes; das deckt sich mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit und den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 12/3608 S. 79; BSG, Urteil vom 25. März 2003 - B 1 KR 17/01 R - und vom 9. Dezember 1997 - 1 RK 11/97 -, beide in juris).
Zwar litt der Kläger im Zeitpunkt der damaligen Antragstellung im Februar 2010 an einer Zahnstellungsanomalie der KIG E4. Dies ergibt sich aus dem kieferorthopädischen Behandlungsplan der Praxis Dres. T. und Hu. vom 29. Mai 2009 sowie dem Gutachten des Dr. U. vom 18. Februar 2010 und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Allerdings legte der Kläger im Rahmen seines im Februar 2010 gestellten Antrags auf Versorgung mit einer metallfreien Spange nach der Invisalign-Methode keinen kieferorthopädischen Behandlungsplan vor. Unter dem 9. Februar 2010 ging bei der Beklagten lediglich ein Schreiben der Dr. C. vom 2. Februar 2010 sowie ein Kostenvoranschlag vom 28. Januar 2010 ein. Bei diesem Kostenvoranschlag handelt es sich nicht um einen kieferorthopädischen Behandlungsplan. Denn er betraf nur die Anfertigung diagnostischer Unterlagen (sachverständige Zeugenauskunft der Dr. C. vom 11. Oktober 2011). Zudem wurde ein ärztliches Attest des Arztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. Sch. vom 30. November 2009 beigefügt, in dem dieser ausführte, der Kläger leide an einer genetischen Variante im Glutathion-S-Transferase Gen GSTM1. Aus diesem Grund müsse eine Belastung des Körpers mit Metallen vermieden werden, weshalb in der Zahnspange keinerlei Metalle enthalten sein sollten. Insoweit waren daher bereits bei der damaligen Antragstellung die erforderlichen anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht erfüllt.
b) Soweit der Kläger im Berufungsverfahren anstelle des Anspruchs auf Sachleistung Kostenerstattung begehrt, liegt keine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG vor (BSG, Urteil vom 20. November 1996 - 3 RK 5/96 -, in juris). Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheitert aber daran, dass der Kläger aufgrund seines Überprüfungsantrags keinen Anspruch auf die begehrte Sachleistung (Versorgung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode mittels kieferorthopädischer Behandlung) hatte. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 4. März 2014 - B 1 KR 6/13 R -, in juris).
c) Letztlich ist durch die tatsächliche Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. Erledigung des Rechtsstreits eingetreten.
Das Begehren des Klägers ist vorliegend nicht nur auf Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, sondern auch auf Ersetzung durch einen Neubescheid gerichtet. Es muss also über den ursprünglichen Antrag neu entschieden werden, bei dem die Sach- und Rechtslage bei Erlass des früheren Verwaltungsakts zu berücksichtigen ist, aber auch alle Änderungen seither, soweit sie sich auf den Betroffenen ausgewirkt hätten. Dabei enthält § 44 SGB X den Restitutionsgedanken, dass der Berechtigte so zu stellen ist, als hätte die Verwaltung von vorneherein richtig entschieden (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rdnr. 26). Diese Überlegungen zugrunde gelegt, besteht ein Anspruch des Klägers lediglich auf Neubescheidung über dessen ursprüngliches Anliegen, ihn mittels kieferorthopädischer Behandlung mit einer Zahnspange nach der Invisalign-Methode zu versorgen.
Infolge der tatsächlichen Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. und die bereits erfolgte Versorgung des Klägers mit einer Spange kann das ursprüngliche Klagebegehren jedoch nicht mehr erreicht werden. Insoweit hat sich der Rechtsstreit bereits hierdurch erledigt. Der Kläger hätte sich gegen Ablehnung der Kostenerstattung, die mit Bescheid vom 2. Mai 2013 erfolgte, wenden müssen, wobei dieser Bescheid die Ablehnung der Kostenerstattung zutreffend damit begründet, dass der Kläger die Behandlung bei Prof. Dr. Dr. G. ohne vorherige Genehmigung der Beklagten begann.
3. Eine Beweiserhebung durch weitere Sachverständigengutachten auch nach § 109 SGG - einen solchen Antrag stellte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht - war im Hinblick darauf nicht erforderlich. Im Übrigen sieht der Senat den Sachverhalt - soweit dies unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers entscheidungserheblich wäre - durch die eingeholten Gutachten als geklärt an. Insoweit ist die Frage des Vorliegens des vom Kläger geltend gemachten Gendefekts sowie dessen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Klägers im Zusammenhang mit der Versorgung durch eine konventionelle kieferorthopädische Behandlungsapparatur hinreichend durch die Gutachten des Dr. U. vom 18. Februar 2010, des Dr. L. vom 14. Dezember 2010 sowie des Sachverständigen Prof. Dr. Sc. vom 16. Februar 2012 geklärt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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