L 11 R 1815/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3487/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1815/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Weitergewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der 1959 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Auf seinen Antrag vom Juni 2009 bewilligte die Beklagte volle Erwerbsminderungsrente ab 01.11.2009 bis 31.12.2009.

Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 05.10.2009 lehnte die Beklagte die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Im anschließenden Klageverfahren erfolgte die neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch Dr. N ... Dieser diagnostizierte beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung iVm einer Lendenwirbelsäulenerkrankung und begleitender depressiver Störung sowie eine Einschränkung der psychomentalen Belastbarkeit und des Durchhaltevermögens. Seiner Einschätzung nach könne jedoch eine Besserung der Leistungsfähigkeit erwartet werden, wenn der Kläger eine konsequente schmerztherapeutische Behandlung, die bereits Ende 2009 vorgesehen gewesen sei, durchführen würde. Daran anschließen solle sich eine kontinuierliche höherfrequente psychotherapeutische Behandlung mit dem Ziel einer adäquaten Krankheits- und Schmerzverarbeitung, um dem eingetretenen Schonverhalten entgegenzuwirken. Die Beteiligten schlossen daraufhin einen Vergleich, wonach der Kläger über den 31.12.2009 hinaus bis 31.05.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit erhielt.

Am 23.12.2011 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte veranlasste daraufhin die neurologisch-psychiatrische Begutachtung des Klägers bei Dr. B ... Dieser diagnostizierte ein Postnukleotomiesyndrom mit beklagten LWS-, sowie lumboischialgieformen Beschwerden links, jetzt klinisch-neurologisch ohne Anhalt für überdauernde, sensible oder motorische radikuläre Ausfälle sowie zurückliegend vorübergehend aufgetretene Schultergelenksbeschwerden im Wesentlichen links, auch hier klinisch-neurologisch keine assoziierte neurologische Symptomatik. Dem Kläger seien daher leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich möglich.

Die Beklagte beauftragte darüber hinaus Dr. L. mit der orthopädischen Begutachtung des Klägers. Diese diagnostizierte eine verminderte Belastbarkeit der Rumpfwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und operiertem Wirbelgleiten (Fusions-OP 03/09 und Re-OP 06/09) mit end- bis mittelgradigen Funktionseinbußen, eine leicht verminderte Belastbarkeit des linken Hüftgelenkes bei langjährigen degenerativen Veränderungen mit überwiegend endgradigen Funktionseinschränkungen, Schulterschmerzen linksbetont ohne Funktionseinschränkungen bei möglichem Einengungssyndrom der Schulterweichteile unter dem Schulterdach und eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, medikamentös behandelt, bei Nikotinmissbrauch. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sah auch sie über sechs Stunden täglich für möglich.

Mit Bescheid vom 29.05.2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Weitergewährung des Antrags ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 24.09.2012 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Das Gericht hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt für Orthopädie, Dr. K., hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 13.11.2012 mitgeteilt, dass er eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht für möglich halte. Eine wesentliche Befundänderung zu seiner letzten Stellungnahme vom 29.06.2010 habe sich nicht ergeben. Nach wie vor bestehe ein ausgeprägtes chronisches Schmerzsyndrom nach viermaliger Wirbelsäulenoperation, welches die hochdosierte Einnahme eines Opioidanalgetikums (Targin) notwendig mache. Auch Dr. G. (Internist/Kardiologe) ist in ihrer Stellungnahme vom 13.11.2012 davon ausgegangen, dass leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes schmerzbedingt nicht möglich seien.

Das Gericht hat daraufhin die neurologische Begutachtung des Klägers bei Dr. F. veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.02.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers vom 15.02.2013 die Diagnose eines Failed-back-surgery-Syndroms nach mehreren Operationen der LWS und persistierenden Rücken- und Beinschmerzen gestellt. Relevante neurologische Ausfälle wie z.B. Paresen fehlten. Die chronischen Schmerzen und finanzielle Einschränkungen führten sicherlich zu vermehrten Sorgen, eine relevante depressive Verstimmung ließe sich jedoch nicht erkennen. Durch die chronischen Schmerzen sei der Kläger sicherlich in vielen bisherigen und auch alltäglichen Tätigkeiten eingeschränkt, jedoch seien zahlreiche alltägliche Verrichtungen wie zB Putzen in einem gewissen Ausmaß und Auto fahren weiterhin möglich. Eine größere Leistungsfähigkeit werde möglicherweise durch eine inkonsequente Therapie nicht erreicht. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sei daher eine vollschichtige Tätigkeit acht Stunden pro Tag für eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich. Auch bei möglicher und frei zu wählender Körperposition seien freilich regelmäßig häufigere und damit betriebsunübliche Pausen notwendig. Alle 60 Minuten sollte eine Pause von fünf Minuten ermöglicht werden. Ansonsten könne es zu einer Zunahme der Schmerzen durch ein Überschreiten der momentanen körperlichen Belastbarkeit kommen.

Auf Antrag des Klägers hat das Gericht darüber hinaus ein schmerztherapeutisches Gutachten bei Dr. W. nach § 109 SGG eingeholt. In ihrem Gutachten vom 02.09.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 01.07.2013 ging sie davon aus, dass leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne besondere geistige Beanspruchung und Verantwortung oder nervliche Belastung im Rahmen von vier Stunden möglich seien. Hierbei müssten allerdings in etwa stündlichen Abständen kurze Pausen von 15 Minuten möglich sein. Begründet werde dies durch die Angaben des Patienten, der im Rahmen leichter Hausarbeit mehrfach täglich Arbeiten und körperliche Belastungen von etwa einer Stunde Dauer bewältigen könne. Die Leistungsfähigkeit werde auch durch die Einnahme von starken Opiaten beeinträchtigt. Die Wegefähigkeit sei im Übrigen eingeschränkt.

In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme im Gerichtsverfahren vom 12.11.2013 hat Frau Dr. E. ausgeführt, dass dem Gutachten von Dr. F. gefolgt werden könne. Das Gutachten von Dr. W. weise hingegen erhebliche Mängel auf. Eine adäquate Diagnosestellung sowie eine adäquate Konsistenz und Plausibilitätsprüfung sei nicht erfolgt. Darüber hinaus werde hinsichtlich der sozialmedizinischen Begrifflichkeit wie Arbeitsfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit und Leistungsfähigkeit nicht differenziert. Schließlich hätten die Angaben des Klägers hinterfragt und nicht einfach übernommen werden dürfen. Die von Dr. W. vorgenommene Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers sei daher sozialmedizinisch nicht nachvollziehbar und schlüssig.

Mit Urteil vom 10.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Kammer hat sich dabei auf die im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. B. und Dr. F. sowie das orthopädische Gutachten von Dr. L. gestützt. Die von Dr. W. getroffene Leistungsbeurteilung sei nicht überzeugend. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der verneinten Wegefähigkeit. Sowohl Dr. F. als auch Frau Dr. L. hätten ein relativ flüssiges Gangbild beschrieben. Unter Beachtung der orthopädischen Befunde, aus denen keine höhergradige Funktionseinschränkung resultiert, sei daher die Einschätzung der Gutachter Dr. F. und Dr. L. plausibel, wonach die Wegefähigkeit erhalten sei. Auch die von Dr. F. im Rahmen seiner Leistungsbeurteilung getroffene Einschätzung, wonach der Kläger pro Arbeitsstunde eine fünfminütige Pause einlegen müsse, stehe einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen, da es sich nicht um betriebsunübliche Pausen handle, die zu einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führen würden.

Das Urteil wurde dem Klägervertreter mittels Empfangsbekenntnis am 09.04.2014 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 23.04.2014 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung. Der Leistungseinschätzung von Dr. W. sei zu folgen. Diese werde auch durch die Leistungseinschätzungen der sachverständigen Zeugen gestützt. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass Dr. W. nicht nur ein zeitliches Leistungsvermögen von vier Stunden annehme, sondern auch Pausen von ca. 15 Minuten nach jeder Stunde für erforderlich halte und damit betriebsunübliche Arbeitsbedingungen verlange.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2014 sowie den Bescheid vom 29.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den 31.05.2012 hinaus Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die interdisziplinäre Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. Sch. einschließlich psychologischer Zusatzbegutachtung verfügt. Dr. Sch. stellte hierbei in seinem Gutachten vom 29.09.2014 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 23.09.2014 folgende Diagnosen:

1. Hüftarthrose links mit erheblicher Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit

2. Asthma Bronchiale mit rascher Belastungsdyspnoe bei körperlicher Anstrengung

3. Rückenschmerzen mit freier Entfaltung der Lendenwirbelsäule und gutem Muskelprofil nach Versteifung des untersten Segments der Lendenwirbelsäule und mäßigem Aufbrauch der mittleren Lendenwirbelsäule,

besser zu qualifizieren durch

4. anhaltende somatoforme Schmerzstörungen mit übermäßigem Schmerzerleben als Ausdruck schmerzhafter Kränkung

5. Dysthymia mit chronischer Minderung der Grundstimmung (Missmutigkeit).

Unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen seien leichte, bisweilen mittelschwere körperliche Tätigkeiten bei durchschnittlichem Arbeitstempo und Arbeitsdruck, möglichst ohne Publikumsverkehr, sechs Stunden und mehr an fünf Tagen der Woche ausübbar. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht notwendig. Ein Arbeitsweg bis 500 m innerhalb von 20 Minuten sei möglich. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei möglich. Der Kläger verfüge auch über einen Führerschein und könne seinen PKW benutzen.

Mit Schreiben vom 19.12.2014 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, das Verfahren durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG zu entscheiden. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise mit Schreiben vom 19.12.2014 angehört worden.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich, bezogen auf eine Fünftagewoche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom LSG und SG durchgeführten Ermittlungen sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger mehr als sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche einer leichten körperlichen Arbeit nachgehen kann. Der Kläger ist damit nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Der Senat schöpft seine Überzeugung insbesondere aus dem nachvollziehbaren und plausiblen Gutachten von Dr. Sch. Danach leidet der Kläger an einer Hüftarthrose links mit deutlicher Beeinträchtigung der Beweglichkeit und nachvollziehbarer Belastungsminderung zB beim Gehen. Der morphologische Befund mit einer fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrose IV erklärt das Linkshinken und die Störung der Beweglichkeit. Ansonsten war der Untersuchungsbefund der Haltungs- und Bewegungsorgane unauffällig. Trotz der Versteifung der unteren Lendenwirbelsäule ist die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule gut und auch die Funktionen nicht bewegungsgestört. Das Absinken der Beine während des Beinhebeversuches bedeutet eine gewisse periphere Erschöpfung als Ausdruck von Trainingsmangel, was mit dem vom Kläger geschilderten Tagesablauf ohne Weiteres zu vereinbaren ist. Ansonsten sprechen das Muskelprofil, die wiederholt kräftige Ausführungen der tiefen Hocke und des Rumpfhebeversuchs dafür, dass die Leistungsfähigkeit besser ist, als vom Kläger im Rahmen der Begutachtung vorgetragen wurde. Der Aufbrauch der Segmente der mittleren Lendenwirbelsäule sowie die Versteifung des untersten Segments können bei der freien Entfaltung der Lendenwirbelsäule im ungestörten Bewegungsablauf die dauerhaften beklagten Rückenschmerzen insoweit nicht ausreichend erklären, insbesondere nicht, dass der Kläger vor wenigen Jahren stundenweise seiner Frau im Rahmen des Partyservices noch helfen konnte und diese Tätigkeit erst zunehmend einstellte.

Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens ergibt sich aber auch nicht aus der vom Gutachter unter Berücksichtigung der Zusatzbegutachtung diagnostizierten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und Dysthymia. So ist der Kläger in allen Qualitäten orientiert. Merkfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit bestehen uneingeschränkt. Das Langzeitgedächtnis ist ungestört. Es bestehen keine Hinweise auf inhaltliche oder formale Denkstörungen. Die Stimmung und mimischer Ausdruck ist gereizt und angespannt bei erhaltener Schwingungsfähigkeit. Auch Motorik, Vitalität und Antrieb waren im Rahmen der Begutachtung unauffällig. Insoweit ist der Kläger auch nicht beeinträchtigt in Bezug auf die Selbstfürsorge, Versorgung des Haushaltes, inklusive der Versorgung der noch im Haushalt lebenden Tochter, Führen eines PKWs und Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Kommunikation. Die Beziehungsgestaltung ist zeitweise etwas beeinträchtigt.

Zu einem entsprechenden quantitativen Leistungsvermögen gelangt auch der Gutachter Dr. F., der ebenfalls eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig für möglich sah. Auch die Gutachten im Verwaltungsverfahren von Dr. B. und Dr. L. nahmen übereinstimmend ein entsprechendes Leistungsvermögen an.

Im Gegensatz zu den genannten Gutachten lassen die ärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte keine Befunde und Diagnosen erkennen, die über qualitative Leistungseinschränkungen hinaus auch quantitative Leistungseinschränkungen begründen könnten. Auch finden sich in den Stellungnahmen keine ausreichenden Differenzierungen zwischen quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch den gerichtlichen Sachverständigen kommt im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu, als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach prüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Vorliegend fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre. So macht die Hüftgelenksarthrose berufliche Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen unzumutbar. Der Wirbelsäulenbefund macht dauerhaft schwere berufliche Tätigkeiten unzumutbar. Bisweilen können dagegen mittelschwere Lasten gehoben und getragen werden, soweit dies der Hüftgelenksbefund zulässt (also einige Meter). Der psychische Störungsbefund schränkt im Übrigen Tätigkeiten mit überwiegendem Kundenkontakt oder in der Öffentlichkeit und unter erhöhtem Stress ein. Möglich sind danach noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten bei durchschnittlichem Arbeitstempo und Arbeitsdruck, möglichst ohne Publikumsverkehr.

Darüber hinaus ist auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinn der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (BSG 30.11.1983, 5 ARKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Insbesondere konnte der Senat sich von einer Einschränkung der Wegefähigkeit nicht überzeugen. Zwar gehöre neben der täglich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist. Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger jedoch in der Lage, viermal am Tag eine Wegstrecke von über 500 mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß zu bewältigen und ferner zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Dies bestätigt Dr. Sch. trotz der bei dem Kläger vorliegenden Leiden. Im Hinblick auf die orthopädischen Befunde, aus denen keine höhergradigen Funktionseinschränkung resultieren, ist dies für den Senat nachvollziehbar. Darüber hinaus belegen auch die vom Kläger unternommenen Spaziergänge und Ausflüge, dass dieser in der Lage ist, die genannten Wegstrecken zu absolvieren. Der Kläger verfügt im Übrigen auch über einen Führerschein und kann seinen PKW benutzen. Auch dies bestätigt Prof. Dr. Sch. sowie das Gutachten von Dr. F. aus dem Klageverfahren in Übereinstimmung mit der gutachterlichen Feststellung von Frau Dr. L. aus dem Verwaltungsverfahren.

Von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ist auch nicht aufgrund von betriebsunüblichen Pausen auszugehen. Die Rechtsprechung geht generell davon aus, dass es für Vollzeittätigkeiten Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt und der Arbeitsmarkt für die Versicherten offen ist, sodass eine diesbezügliche Prüfung im Einzelfall regelmäßig nicht vorgenommen werden muss. Als Ausnahme kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bestehen, wenn der Arbeitnehmer für eine Vollzeittätigkeit zusätzliche, in den gesetzlichen Vorschriften nicht vorgesehene, Pausen benötigt, wenn auch in der Praxis Arbeitnehmer zu solchen Bedingungen nicht eingestellt werden (vgl grundlegend BSG 30.05.1984, 5A RKn 18/83, SozR 2200 § 1247 Nr 13, BSG 30.10.1997, 13 RJ 49/97). Von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen des Erfordernisses der Einhaltung von betriebsunüblichen Pausen ist vorliegend jedoch nicht auszugehen. So hat Prof. Dr. Sch. in seinem Gutachten die Einhaltung betriebsunüblicher Pausen für nicht notwendig erachtet. Zutreffend hat im Übrigen das SG darauf hingewiesen, dass sich auch aus dem Gutachten von Dr. F. keine betriebsunüblichen Pausen ableiten lassen und die von ihm angenommene Pausenregelung als betriebsübliche darstellt.

Soweit Dr. W. in ihrem Gutachten eine quantitative Leistungseinschränkung, eine betriebunübliche Pausenregelung als notwendig und die eine eingeschränkte Wegefähigkeit annimmt, sind diese für den Senat weder nachvollziehbar noch schlüssig. Sowohl Dr. E. als auch Dr. Sch. haben darauf hingewiesen, dass die Gutachterin eine Konsistenzprüfung der vom Kläger vorgebrachten Einschränkungen nicht vorgenommen hat. Im Übrigen sind ihre Schlussfolgerungen nur rudimentär begründet. Dies wäre jedoch gerade deshalb angezeigt gewesen, da Dr. F. im Rahmen seiner Begutachtung eine Diskrepanz zwischen Erzählten und dem Verhalten des Klägers festgestellt hat.

Es war im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit de Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung für einen solchen Rentenanspruch ist (vgl § 240 SGB VI), dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1959 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGBVI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlichen, geistigen und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nachdem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihn unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz2 SGBVI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 240 Abs 3 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit im Sinne des § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar ist, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw. auf Tätigkeiten jeweils nächstniedriger Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61, jeweils mwN).

Anknüpfungspunkt ist die vom Kläger zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als LKW-Fahrer. Darüber hinaus ist keine einschlägige Berufsausbildung ersichtlich. Zutreffend ist daher das SG davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Berufsschutz genießt und auf alle körperlich leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden kann, die seinen Einschränkungen des Leistungsvermögens Rechnung tragen. Damit aber scheidet auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs 1 SGBVI aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved